Zuletzt angesehen: Tauler, Johannes - Eilfter Brief.

Tauler, Johannes - Eilfter Brief.

Tauler, Johannes - Eilfter Brief.

Nochmal von dem Entsinken unser selbst, und von den Wunden Jesu.

In Christo Jesu! Gott ist ein so unbegreifliches Gut, daß er von keiner Creatur in der Zeit voll erkannt werden kann, und alles, was alle Freunde Gottes empfinden von Gott in der Zeit, das ist nicht Gott; aber es ist etwas von Gott, wie der heilige Dionysius und Gregorius sprechen. Es ist eine düstere Wolke, die über alle Sinne und Vernunft ist, in welcher Moses von Gott auf den Berg geleitet ward. Diesem Wege jagen alle Freunde Gottes nach; dahin müssen wir alle getragen werden. Was von Freiheit die Vernunft in uns gebärt, das vergeht in dem ewigen Tode; aber was der himmlische Vater in uns gebärt, das wächset fruchtbar zum ewigen Leben, mit abgeschiedenem Schweigen und Leiden, und aufgerichteten Kräften. Wir sollen begehren, daß uns Gott eine Unterwürfigkeit gebe, womit alle Eigenheit hinausgeworfen werde. Der ist unweise, der in etwas anderem hoffet, als in Demuth.

In den honigfließenden, lieblichen Wunden Jesu zu wohnen, in einem Inbleiben in der Wahrheit, in wirkenden und in beschauenden Werken und dem, was dir die Freunde Gottes alle Tage mit großer Begierde in deine Seele senden, mit allem, was du vermagst, zu leben in allem dem, worin du seinen Willen erfahren kannst auswendig oder innwendig; das begehren wir dir, daß dir Gott allein vergelte alle deine Wohlthaten in verschlingender Weise. Lerne wohnen und bleiben bei dir selbst und über allen Dingen, und lerne dich lassen, und halte dich allzeit in Sanftmuth. Opfere dich allzeit deinem verborgenen Gott in verläugnender Weise deiner selbst und aller Creaturen, um immer innwendig bei dem Herrn zu wohnen. Obgleich hierin bisweilen nichts empfunden wird, und man wähnt, daß es am allermindesten tauge, so ist es doch oft das Allerfruchtbarste, da die Natur hierin ganz in rechter Gelassenheit stehen muß.

Ein Mensch, der wohl in den Beispielen und in dem Leiden unsers Herrn Jesu Christi eingedrückt ist, der kann sich kühn unbildlichem Gegenstande einen lassen, da hierin der rechte Schatz verborgen liegt, den die verwöhnten, besonderen Freunde Gottes allein begehren. Halte Bescheidenheit und Ordnung mit deiner Natur; das ist allen jenen Menschen noth, die nach diesem Schatze graben wollen. Die Liebe, die in allen reinen Herzen spielt, müsse euch eures Selbst's berauben und euch führen in das nothwendige, selige Gefängniß Jesu Christi. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/t/tauler/sendbriefe11.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain