Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 38. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 38. Andacht.

Römer 6.

In diesem herrlichen Kapitel lehrt uns Paulus mit gewaltigen Worten, wie notwendig die Heiligung ist, wenn wir uns mit Freudigkeit und Zuversicht des Verdienstes des Herrn Jesu als unseres Heilandes getrösten wollen. Gnade, das ist's, was wir hierzu vor Allem brauchen; dieselbe gibt uns ganz in dem Grade Kraft, die Anfechtungen zu überwinden, in welchem wir sie auf uns einwirken lassen; darum lass es dir recht angelegen sein, Gnade vom Herrn zu erbitten und mache völlig Ernst, mit jeder Sünde zu brechen, damit du aus der Knechtschaft der Sünde und des Satans herauskommst und in den Stand der Gnade gelangst; denn derselbe ist sehr selig; es herrscht nicht mehr das Gesetz über uns, das nur sagt: du sollst und du sollst nicht, sondern die Gnade, welche durch Christum sagt: du kannst Alles überwinden; denn Ich bin es, der alles tut. Sehr traurig ist es, dass so viele, die sich zu den Gläubigen halten, es mit der Sünde nicht genau nehmen und oft mutwillig sündigen, dabei aber meinen, sie dürfen nur nach jeder Sünde wieder zum Heiland kommen und um Gnade bitten; das wiederholen sie und machen sich so der schrecklichen Sünde schuldig, dass sie den Herrn Jesu zum Sündendiener machen und die Gnade auf Mutwillen ziehen. Was für ein Gericht wartet ihrer! denn sie kommen dadurch auf den Weg der Heuchelei, immer tiefer in das Verderben, entfernen sich vom Herrn und Heiland, den sie meistens leider viel im Munde führen, und kommen dadurch immer mehr in die Gewalt des Teufels, dem sie auch drüben in der Ewigkeit zu dienen haben. Es steht geschrieben: „Es werden nicht alle, die zu mir sagen Herr, Herr, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“ Klar und deutlich hat er sich uns in Seinem Wort geoffenbart und wie oft und viel hat Er uns durch Seine Diener sagen lassen: „Seid Täter des Worts und nicht Hörer allein, damit ihr euch selbst betrügt.“ Jakobi 1,22. Heute, liebe Seelen, heute, so ihr Seine Stimme hört, so verstockt eure Herzen nicht; denn wie muss es der Seele in der langen Ewigkeit zu Mut sein, wenn sie sich erst dort erkennt und in den Jammer ausbrechen muss:

O Seel, o Seel, wie hab ich dich verkürzt,
Zum anderen Tod bin ich hinabgestürzt!“

Aber, meine Lieben, lasst euch erbitten, kommt zu Jesu mit aufrichtigem Herzen, bringt Ihm, liebe Seelen, alle eure Sünden, bittet Ihn heute noch ernstlich, dass Er sie euch alle vergeben möge, und lasst Ihn nicht, Er segne euch denn; dann aber wacht, und kommt die Versuchung oder böse Gedanken, dann lasst Ihn nicht aus den Augen, ja wacht und betet. Des Herrn Geist wirkt alles in dir, so deine Gedanken stille auf Ihn gerichtet sind. Er ist immer bereit, dir zu helfen; darum säume du nicht, der Herr erlöst und reinigt dich von deiner Sünden-Schuld, und bleibst du in Ihm, so befreit Er dich auch von der Sünden-Macht. Bereit liegt beides für ein jedes von uns: die Erlösung und Befreiung; darum nimm's doch an, was der treue Heiland dir so sauer erworben hat. Der liebe selige Ludwig Hofacker sagte einmal: Der Herr Jesus komme ihm oft vor, wie einer, der auf einem Präsentierteller herrliches Konfekt anbietet, aber er muss bei den Meisten wieder weggehen, ohne dass sie von Seinen Gaben genommen, ungeachtet Er auf liebevollste Weise einlädt, doch zu nehmen, was Er für sie, nur allein für sie bereitet habe. O ihr Lieben, lassen wir den Heiland nicht so an uns vorbeigehen, wir wollen Ihm die Freude machen, dass wir Seine Gaben annehmen und anwenden zum Heil unserer unsterblichen Seelen! Wir wollen in der Sünde nicht mehr beharren, sondern weil wir die Gnade unseres hochgelobten Herrn und Heilandes ergriffen haben, wollen wir auch in derselben wandeln.

Vers 2 und 3 heißt es: „Wie sollten wir in der Sünde wollen leben, der wir abgestorben sind? Wisst ihr nicht, dass alle, die wir in Jesum Christ getauft sind, die sind in Seinen Tod getauft. Durch den Glauben sind wir, merkt das: wir sind alle in Christi Tod getauft. Sollten wir nun noch der Sünde wollen leben, der wir doch durch den Glauben ans Wort abgestorben sind? Das sei ferne! Du bist der Sünde abgestorben und sollst mit derselben keine Gemeinschaft mehr haben. Fasse das Wort und du bist frei; denn so lange du dich mit der Sünde einlässt und gegen sie betest, betest du dich hinein, aber nicht heraus, und du wirst nie Sieger werden. Wirf dieselbe hinweg, gehe nicht in die Sünde ein, bete vielmehr die Tugenden und Gerechtigkeiten Jesu auf dich herunter und du wirst mit Segnungen der Gnade überschüttet werden. Es ist dies ein gottseliges Geheimnis, darum merke drauf, und noch einmal sage ich es dir: kommt z. B. ein unreiner Gedanke, so wirf ihn weg, blicke sogleich auf zu Jesu und bitte auf dich herab Seine keuschen Gedanken, und so oft sich sündliche Neigungen in dir regen, so bitte um die reinen, heiligen Tugenden Jesu, die Er durch Seinen sündlosen Wandel auf Erden 33 Jahre für dich erworben hat. Der gute Kampf, der gekämpft werden muss, besteht einzig und allein darin, dass wir bleiben in Jesu und zwar in solcher Abhängigkeit von Ihm, dass wir alles in und mit ihm tun, und dass wir uns unseres Nichtsseins stets klar bewusst sind. Wenn du im Wegwerfen der Sünde und im Nehmen der Segnungen recht treu bist, so bekommst du die Tugenden deines Heilandes ganz in dem Grade, in welchem du in deinen Untugenden gesteckt bist. Dabei denke aber ja nicht, liebe Seele, du müsstest etwas fühlen, oder gar, es müssen die Anfechtungen auf einmal aufhören, nein, dieselben kommen bis an dein Ende; nur musst du wachen, d. h. den Heiland nicht aus den Augen verlieren, dann dienen dir die Anfechtungen zur Förderung und gereichen dir statt zum Unsegen zum reichsten Segen. Bloß auf deine Treue kommt es an, mit der du jedes Mal flugs zu Jesu eilst und Seine Gnade dir erbittest, wodurch du immer kleiner wirst, weil du dein Unvermögen einsiehst, aber auch immer reiner und geheiligter; denn schon

„Ein nach Ihm geschickter Blick
Bringt viel tausend Heil zurück.“

V. 8 heißt es: „Sind wir aber mit Christo gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden,“ und V. 11: „Also auch haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christo Jesu unserem Herrn.“ Das ist unsere Aufgabe: Lebt in Christo Jesu! nicht außer oder neben, sondern in Ihm. Was der Heiland verlangt, dazu hat Er uns auch die Kraft erworben, so leben zu können. Haltet dabei nur dem Herrn Sein Wort vor. Im Wort ist Er und Er ist das Wort! Trennt das nur nicht! Darum, mag auch alles vergehen, aber das Wort vergeht nicht, diese Akten findest du in der Ewigkeit und nach denselben wirst du einst gerichtet werden. Er hält sich zu Seinem Wort; lest es nur betend, dann kommt euch ein ganzer Strom von Gnade entgegen, durch welche ihr fröhlich, freudig und glücklich werdet. Jederzeit steht euch dieses Wort zu Diensten, und ebenso auch die Gaben und Kräfte, welche euch der Heiland erworben hat, sind stets für euch bereit. Wenn nun Paulus sagt: „Haltet euch dafür, dass ihr der Sünde abgestorben seid,“ so möchte ich fragen: Hast du dir auch schon die Kräfte erbeten, welche der Heiland dir durch Seinen Tod erworben hat: die Todeskräfte Jesu? Erbitte sie dir doch, liebe Seele; denn du musst sie haben. Michael Hahn hat gesagt: Es koste die Tötung der fünf Sinne, wenn man in die gold'ne Stadt, ins neue Jerusalem einziehen will. Von Seiten des Heilands ist Alles geschehen, es ist der Weg gebahnt und die nötigen Gaben und Kräfte liegen für uns bereit; o, so lasst sie uns doch erbitten! Was helfen uns die Todeskräfte Jesu, wenn wir sie nicht besitzen! Du musst einfältig wie ein Kind unterstehen und im Glauben diese Kräfte auf dich fallen lassen, aber ohne etwas fühlen zu wollen, sondern glauben, dass dich der Herr erhört hat und im festen Vertrauen auf Seine Verheißungen gleich dafür danken. Dieses will ich euch mit einem Beispiel belegen: Ein junger Mann aus Norddeutschland, welcher im letzten Stadium der Schwindsucht zu mir kam und von den Ärzten aufgegeben war, sang an einem Abend, wo wir gewöhnlich ein Lied von meinem Urgroßvater von Pfeil singen, im Geist das Lied mit uns:

1. Welch eine rot und weiße Flut
Fließt da vom Kreuze her?
Ein Strom von Wasser und von Blut,
Noch heller, glänzender,

2. Als das Kristall-Meer vor dem Thron,
Entquillt der heil'gen Seit'
Von Gottes Lamm, vom Gottes-Sohn
Dem Herrn der Herrlichkeit.

3. Dies Wasser ist das Aquavit,
Das Wunderkuren tut.
Der Lebensgeist, verknüpft damit,
Steht in dem Gottes-Blut.

4. Wer dieses Lebenswasser trinkt,
Wird nimmer dürsten; wer
Dies Gottesblut im Glauben trinkt,
Wie kann er sterben, der?

5. Steh' unter, Herz! tu' auf den Mund
Und lass ihn füllen! geh'
Trink! dieser Trank macht dich gesund,
Wär dir auch todesweh.

6. Das Aquavit, der Lebensgeist
Bringt in dem Augenblick
Dem, der in Ohnmacht ihn geneußt,
Den Lebensgeist zurück.

7. Der rot' und weiße Lebenssaft,
Entflossen Jesu Seit',
Stärkt ihn mit Gottes Lebenskraft
Jetzt und in Ewigkeit.

Als wir den fünften Vers sangen, stund dieser liebe kranke Jüngling im Geiste unter, ganz kindlich und in der Einfalt, obgleich er sonst ein Vernunftsmensch war und siehe, durch seinen ganzen Körper strömte eine neue Lebenskraft, dass er von dieser Zeit an schnell der Genesung entgegenging und bald völlig hergestellt war.

V. 12 heißt es: „So lasst nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten.“ Der alte Mensch muss vernichtet werden, oder wollen wir denn bis ans Ende mit der Sünde im Kampfe stehen? Das wäre ein trauriges Christentum! Nein, das neue Leben in Christo Jesu muss hier schon anfangen, so dass wir mit meinem lieben Urgroßvater von Pfeil sagen können:

„Ich lebe, doch nun nicht mehr ich,
Er lebt in meiner Seele,
Nun hab ich Ihn, nun hat Er mich
Und alle meine Fehle,
Nun ist, Er steht mir selbst dafür“

„Gar nichts Verdammliches mehr an mir.“ Die Auferstehungskräfte Jesu; brauchen wir durchaus, um in einem neuen Leben wandeln zu können. Liebe Seelen, habt ihr um diese Auferstehungskräfte auch schon ernstlich gebeten? Man fühlt es einer Seele sehr wohl an, ob sie diese Kraft besitzt; besonders mächtig besitzt sie ein teurer Diener Gottes, den ich deshalb darüber fragte, worauf er mir antwortete, dass er sich alle Tage beim Erwachen in diesen Kräften erneuern lasse und dieselben auf sich erflehe. O liebe Seele, ohne diese Kraft bist du ein geistlich totes Glied, du magst wohl viel vom Heiland reden können, aber keines deiner Worte hat Kraft. Bittet ernstlich darum, lasst keine Ruhe und erfleht den heiligen Geist, dass Er euch treibe, um die Kraft der Auferstehung zu bitten.

O seid nicht so träge und bedenkt, wie ihr es in der Ewigkeit bereuen würdet, wenn ihr alle diese köstlichen Gaben und Kräfte zum Durchdringen und zur Förderung eurer Seelen liegen gelassen habt. Auf dem Gnadentisch sind sie aufgetürmt, holt sie jetzt, dass es nicht einmal heißt: ihr habt nicht gewollt!

O macht dem Heiland, ja dem ganzen Himmel Freude und nehmt an, was euch der Herr so liebevoll anbietet. Kommt im Geist mit auf Golgatha und lasst euch von der weiß und roten Flut überströmen, ja gleichsam dieselbe auf euch regnen! Steht unter und der Herr wird euch segnen. Amen.

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