Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 37. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 37. Andacht.

Psalm 142. Eine Unterweisung Davids zu beten, da er in der Höhle war. Ich schreie zum Herrn mit meiner Stimme; ich flehe dem Herrn mit meiner Stimme. Ich schütte meine Rede vor Ihm aus und zeige an vor ihm meine Not. Wenn mein Geist in Ängsten ist, so nimmst Du Dich meiner an.“ So beginnt der Psalmist und seht, wie bestimmt das David weiß: wenn sein Geist in Ängsten ist, nimmt der Herr sich seiner an; aber ist es nicht sehr traurig, dass wir meistens nur zum Herrn schreien, wenn wir in Ängsten sind? Warum, liebe Seelen, rufen wir immer selbst die Gerichte des Herrn hervor? Warum bleiben wir nicht stets in Seiner Nähe, unter dem Schatten Seiner süßen Jesushand? Wisst Ihr, was der Schatten der Hand Jesu bringt? Ein Wohlsein der Seele. Ach da hat man es gut, ihr Lieben, das kann ich euch gar nicht genug sagen, es wäre so ganz natürlich, bei dem Herrn zu bleiben, denn wir sind ihm schon bei der heiligen Taufe einverleibt worden; aber wie sieht es da bei den meisten Seelen aus? Sind sie nicht abgewichen und dienen dem Satan? Was muss deshalb der liebe Heiland oft für harte Züchtigungen anwenden, bis er uns wieder zu Sich zurückgebracht hat? Seht die Züchtigungen und die Ängste, in die uns der Herr kommen lassen muss, sind die sogenannten Treiber zu ihm hin. Ich vergleiche uns oft mit einer Herde Schafe; wenn sich da etliche von dem Hirten entfernen, sich von der Herde verlaufen, so erhebt der Hirte nur seinen Stab, und der Hund treibt sie wieder zusammen. So oft ich eine Herde Schafe sehe, fällt mir das ein und ich bitte aufs Neue den Herrn, Er möge mich nur ganz nahe an Seiner Hand halten. Durch Gehorsam und Bleiben bei Ihm können wir uns die schweren Züchtigungen ersparen, denn meint Ihr, es sei dem Herrn eine Freude, immer nur auf uns hineinzuprügeln? Ach nein! Er ist ja die Liebe selbst, und möchte uns nur Gutes erweisen, aber unsere störrischen Herzen sind leider ein gar zu harter Widerstand. Ich kann euch versichern, es ist dem Herrn leichter, Millionen von Sternen zu schaffen, wie wir sie Nachts am Firmament sehen, als ein einziges Menschenherz nach Seinem heiligen Wohlgefallen zuzubereiten. So hat es der Satan zugerichtet. O wie traurig, wie sehr traurig ist das! Und schickt dann der treue Gott zu unserer Heiligung Trübsale und Ängste, dann, anstatt uns gleich unter den Schatten der lieben Jesushand zu flüchten und ganz stille zu sein und unverwandt auf Ihn zu blicken und Ihn ruhig machen zu lassen, wollen wir selbst in eigener Kraft uns helfen oder jammern und sind ungeduldig. So leihen wir dem Satan unsere Ohren, und dieser macht sich eine Freude daraus, unsere Phantasie so zu erhitzen, dass wir Alles im schwärzesten Lichte sehen und uns in immer größere Angst und Seelennot hineinsteigern lassen, so dass wir oft gar keinen Ausweg mehr sehen und verzweifeln möchten. Wie schrecklich ist das, meine Lieben! Dabei erinnere ich mich einer Erzählung von Luther, welche ich euch mitteilen will: „Zu Wittenberg hatte sich ein armes Weib Namens Elsa, welche früher Luthers Kindermagd gewesen war, dem Teufel mit Leib und Seele ergeben. Da sie nun darüber in großes Herzeleid fällt, geht Luther zu ihr und fragt sie, warum sie so betrübt sei? „Ach, lieber Herr, wie soll ich nicht betrübt sein? ich habe mich von Gott gewendet und dem Teufel ergeben!“ Luther spricht: „Gib dich zufrieden, diese Sünde darf dich nicht in Verzweiflung, ja kann dich auch nicht um deine Seligkeit bringen, sobald du nur glaubst. Es wäre weit ärger, ja dein Verderben, wenn du das Zutrauen nicht fassen wolltest: Der Heiland hat auch für diese schwere Sünde genug getan, und um Seinetwillen wird Gott sie dir verzeihen. Hast du keine größere Sünde getan?“ Da sagte sie: „Ach, Herr Doktor, wie könnte ich größere Sünde getan haben!“ Luther spricht: „Ich weiß viel größere Sünden. Das wäre die größte Sünde, wenn du in der Torheit wolltest verharren und verzweifeln. Höre doch, liebe Elsa! Kannst du auch Magister Fröscheln sein Geld, Buch oder Rock weggeben?“ Da antwortet sie: „Nein, denn es ist ja nicht mein Eigen.“ Da spricht Luther: „Wohlan, so kannst du dich selber auch nicht weggeben, denn du bist nicht dein Eigen, du hast dich nicht erlöst; der Herr Jesus hat dich erlöst, du bist auf seinen Namen getauft, du bist sein Eigentum, du hast Ihm bei deiner Taufe geschworen, du kannst nicht eines Fingers breit von dir weggeben, du bist dein selbst nicht mächtig. Sage dem Teufel den Kauf wieder ab, und sprich: „Höre du verlogener Geist! gehe hin zu meinem Herrn Christo! willst du was haben, so magst du es von Ihm erlangen.“ Ja, ihr Lieben, wir wollen das Vertrauen auf den Herrn ja nicht wegwerfen, welches eine große Belohnung hat, sondern in allen unseren Nöten uns auf Ihn verlassen, auf Seine Stimme hören und Seinen Verheißungen trauen. Ich kann euch versichern, dass mir in meinem Berufe auch manches Schwere vorkommt, dass mir auch manchmal bange werden möchte: aber da ergreife ich rasch die süße Jesushand und küsse sie. Auch stelle ich mich in solchen Nöten und Bedrängnissen ganz in Demut zur Seite Jesu, gleich einer dritten Person, welche diese Sache gar nichts angeht, sehe Ihm nur stille zu, wie Er es machen wird, und befinde mich dabei sehr gut. „Er hats ja verheißen, zu helfen. Er wird's auch tun, und dann führt Er es allemal herrlich hinaus. Habe ich mir aber durch Unvorsichtigkeit, Unachtsamkeit usw. selbst ein Leiden bereitet, eine Suppe eingebrockt, dann prüfe ich mich ernstlich und tue aufrichtige Buße, wenn mir mein Fehler entdeckt wird, und bitte den Herrn, Er möge nun nach seiner großen Güte und Barmherzigkeit wieder Alles gut machen, was ich verschuldet und verdorben habe, und das tut Er ja so gerne, wenn wir nur in Demut und im Glauben darum bitten. Dann hat der Teufel keine Macht mehr an uns, sobald wir in der Demut zu Jesu kommen und bei Ihm bleiben. Satan ist ja ein Gerichteter, er ist ausgestoßen aus dem Himmel; aber sobald wir ihm unsere Ohren leihen, dann sind wir freilich schnell bestrickt und werden an Leib und Seele gebunden. Ist es nicht eine große Betrübnis, dass der Teufel so viele willige Diener hat, die in seinem Dienst arbeiten, und unser lieber Heiland muss klagen, dass so wenige Ihm dienen, und treu sind. Hann mans denn irgendwo besser, herrlicher haben als bei Ihm? Nein! Wie ich gestern Abend sagte, ich fühle mich so überaus glücklich, Ihm anzugehören, ihm dienen zu dürfen und unter dem Schatten Seiner süßen Jesushand zu stehen, dass ich's nicht aussprechen kann. Ja merkt's euch: Wenn Jesus Christus bleibt der Herr, wird's alle Tage herrlicher! Dabei müssen wir aber recht in der Demut bleiben. Es ist auch meine fortwährende Bitte: der Herr möge mich immer kleiner, immer demütiger und reiner machen, dass ich ja nichts von mir selber tue oder mir die Ehre gebe. Ach nein! damit nimmts der liebe Heiland furchtbar ernst und streng, Er sieht auf den allertiefsten Grund des Herzens und auch die kleinste Unlauterkeit ist ihm ein Gräuel und Er kann sich nicht eher einer Seele offenbaren und mitteilen, als bis sie ganz zermalmt, ganz klein, demütig und willenlos geworden ist; dazu schickt uns aber der Herr Demütigungen aller Art, und diese können uns absolut nicht erspart werden. Liebe Seelen, ich weiß das so gut aus eigener Erfahrung, wie viel Hochmutsstoff im Herzen stecke und ich denke, eure Herzen werden auch nicht anders sein als das Meinige. Als ich vor zehn Jahren nach Männedorf ging und mich meine Verwandten und Freunde fragten, was ich denn dort noch wolle, habe ich nichts anders sagen können, als: Ich dürfte nach Demütigungen. Ja, ich kanns euch versichern, meine Lieben, ich habe förmlich danach gedürstet, denn es klebte mir so viel Adelsstolz und Familienherrlichkeiten an, was durch Erziehung und Stand wie eingefleischt war. Aber ich fühlte, das müsse weg, ganz weg, weil ich so kein Werkzeug in der Hand des Herrn werden könne und mit diesem Plunder einst nicht durch das Perlentor des neuen Jerusalems einziehen kann, denn die Pforte ist enge, und glaubt es mir, es ging mir viel gegen die Natur, es musste Vieles durch gekämpft und überwunden werden. Doch, geht's der Natur entgegen, so geht's wie Gott es will, die Fleisch und Sinne pflegen, die kommen nicht zum Ziel. In Männedorf, ein Bauernort, im Haus der lieben Dorotea Trudel, war es dazumal so einfach, als man sich's nur denken kann, der Boden mit Sand gestreut, einfache Holzbänke in den Stuben und bei Tisch an meiner Seite stets ein altes, ekelhaft aussehendes Bäuerlein, das war mir eine große Übung, eine schwere, aber gute Schule; denn in der Art gab es gar vieles zu überwinden, und das musste sein, das fühlte ich und danach dürstete ich! Vor dem Herrn gilt kein Ansehen der Person. Ach, liebe Seelen, lasst euch doch recht zermalmen, klein, demütig und ganz willenlos machen. Geht doch recht aus euch heraus, damit der Herr Seine Gnadenströme in euch ergießen könne. Es ist mir während meiner vieljährigen Seelenpflege oft vorgekommen, dass gerade die begabtesten, geistig hervorragendsten Menschen vom Satan am übelsten zugerichtet sind. Ach, er geht umher wie ein brüllender Löwe, und sucht wen er verschlinge. Wir sind ihm gegenüber viel zu blöde und schlecht gewaffnet. Ja, es wird dem Herrn schwer gemacht, unser Herz ganz mit Seinen Gnadengaben zu füllen! Wie gesagt, die geistig Begabtesten sucht er am ehesten schadlos zu machen, er weiß, wie tüchtig, wie brauchbar sie wären im Dienst Gottes. Aber was auch eine solche begnadigte und durch die Kraft des Blutes Christi befreite Seele leisten kann, davon will ich euch nur ein Beispiel von den vielen, die ich erlebte, erzählen. Ein armes Mädchen, die einzige Tochter einer Witwe, kam vor einigen Jahren schwindsüchtig, am Rande des Grabes schon stehend, zu mir und der Herr lohnte die Treue und den Glauben dieses Mädchens so, dass sie an Leib und Seele gesund wieder heimreisen konnte. Jedermann, der sie sah, staunte und konnte sie nicht mehr erkennen, weil sie so kräftig und blühend geworden; nun kann sie ihrer armen Mutter wieder die schwersten Bündel Holz aus dem Walde holen. Aber wisst ihr auch, was sie in geistlicher Beziehung geworden ist? Ein Segen für ihre ganze Umgebung! An ihr ist erfüllt, was der Psalmist im 8. Vers bittet: Führe meine Seele aus dem Kerker, dass ich danke Deinem Namen. Die Gerechten werden sich zu mir sammeln, wenn Du mir wohl tust. Das wollen wir doch recht beherzigen und uns gründlich demütigen und willenlos machen lassen, denn in dem Grade, wie wir in der Treue und im Glauben beharren, kann uns der Heiland erquicken und mit Seinen Gnadengütern überschütten. Lautere, aufrichtige, treue Seelen will Er haben, dann aber ist auch Sein Erbarmen groß und wir sind in alle Ewigkeit geborgen. Das wolle der Herr in uns Allen bewirken und uns tüchtig machen für Sein himmlisches Reich. Das walte Gott. Amen.

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autoren/s/seckendorff/seckendorff-hausandachten/seckendorff_hausandachten_37_andacht.txt · Zuletzt geändert: von aj
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