Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 35. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 35. Andacht.

Psalm 105. „Dankt dem Herrn und predigt Seinen Namen, verkündigt Sein Tun unter den Völkern; Singt von Ihm und lobt Ihn, redet von allen Seinen Wundern.“ V. 1 u. 2. Diese Aufforderung, meine Lieben, gilt nicht einem Einzelnen, sondern uns Allen, wie wir hier sind, und es ist sehr traurig, dass ihr im Allgemeinen so wenig Folge geleistet wird.

Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Wer erfüllt ist von Gottes wunderbarer Güte und Fürsorge, den unzähligen Wohltaten und Liebeserweisungen, womit Er uns täglich und stündlich überschüttet, der kann ja nicht anders, als auch mit Andern davon reden, rühmen, loben und preisen. Würden wir uns mehr hinein versetzen in den Abgrund der Liebe und des Erbarmens Gottes, man würde nicht so viele traurige Gesichter sehen und so viel Unzufriedenheit und Klagen hören, sondern man könnte kein Ende finden, zu loben und zu danken. Ich habe einmal gehört, dass ein frommer Mann in der Nähe von R. es sich zur Aufgabe machte, nur von einem Tag die Wohltaten Gottes aufzuschreiben, und da habe er vom Erwachen des Morgens an bis Vormittags 10 Uhr bereits 200 verzeichnet gehabt. Wie wenige denken darüber nach und nehmen eben nur Alles so als einen Raub hin, viel weniger, dass sie dadurch zu Lob und Dank gestimmt würden; und doch: „Wer Dank opfert, der preist Mich, und das ist der Weg, dass ich ihm zeige Mein Heil.“ Ps. 50,23. Singt von ihm und lobt Ihn, redet von allen Seinen Wundern. Wie viele Wunder der göttlichen Gnade hat Jedes von uns, meine Lieben, schon erfahren in seinem Leben, und wie steht's da, treibt es uns, davon zu rühmen und zu loben, oder genießen wir Alles, was der Herr in Seiner großen Gnade uns schenkt, nur mit Undank und Murren? Der Herr würde uns viel mehr mit Segnungen überschütten, wenn wir mehr danken würden für das, was Er uns täglich erweist. Vers 4-6 heißt es: „Fragt nach dem Herrn und nach Seiner Macht, sucht Sein Antlitz allewege; gedenkt Seiner Wunderwerke, die Er getan hat, Seiner Wunder und Seines Worts; Ihr, der Same Abrahams, Seines Knechts, ihr Kinder Jakobs, Seines Auserwählten.“

Es will wohl auffallen, dass hier der Same Abrahams, das sind die Gläubigen, die Auserwählten aufgefordert werden, nach dem Herrn zu fragen und nach Seiner Macht, da es von diesen doch eigentlich nicht anders erwartet werden sollte, als dass sie nach dem Herrn fragen, in Seinen Geboten wandeln, Seine Rechte halten und danach tun. Und doch, wenn wir es genau betrachten, ist das ganz notwendig, denn auch die Gläubigen bedürfen fortwährender Mahnung, eines steten Antriebs zum Durchdringen. Wer sich fertig dünkt, der kommt zurück, denn Stillstand ist Rückschritt, und so gut die Elemente fortwährend in Bewegung erhalten bleiben müssen und keine träge Ruhe ertragen können, so wenig kann es derjenige, dessen Element der Herr und der Umgang mit Ihm ist. Wenn z. B. ein Wasser lange steht, wird es stinkend und faul, das Feuer, wenn es in einem engen Raum fest eingeschlossen ist, erstickt und löscht aus, und die Luft, wenn sie lange eingesperrt ist, riecht übel und ist ungesund. So verhält es sich gerade mit dem innern Leben eines Christen: Ist er träge im Gebet, schwach im Glauben, faul zu Lob und Dank, da geht es nicht vorwärts, sondern mit schnellen Schritten rückwärts. Der Herr lässt Seiner nicht spotten. Wir haben Sein Wort und Seine herrlichen Gnadenmittel, wenden wir diese nicht an, so ist's unsere eigene Schuld, wenn unsere Wege lauter Unfall und Herzeleid sind.

In diesen Tagen waren zwei Frauen bei mir, die mir geklagt haben, dass ihr ganzes Leben bis heute nur Unglück, Sorge und Kummer gewesen. Ich frug sie nach ihrem Herzenszustand, ob sie immer bei dem Heiland geblieben, ob sie auch gebetet um die Kraft des Namens Jesu und Seines heiligen Blutes, und ob sie Sein Wort ihres Fußes Leuchte und ein Licht auf ihrem Wege haben sein lassen; und als sie mir das freimütig verneint und aufrichtig bekannt hatten, dass sie im Gegenteil der Sünde gedient und statt dem Herrn zu danken, gegen Ihn gemurrt haben, mussten sie die Gerechtigkeit des Herrn erkennen und versprachen, fortan es anders zu machen und den Herrn suchen zu wollen. Bei dem Herrn ist eitel Friede und Freude im heiligen Geist. Wer nicht von Ihm weicht, in Seiner Kraft und Stärke einhergeht und treu bleibt, der kann sich viel Herzeleid ersparen. Es ist nicht des Herrn Wille und Wohlgefallen, uns nur raue, dornige Pfade zu führen. Seine Wege sind lieblich, aber wir zwingen Ihn zu solch' harten Maßregeln, denn gleichwie die Israeliten das Land Kanaan durch die Verheißung empfingen, weil der Herr es ihnen einmal verheißen hatte und Sein Wort ewig Feste steht, so will Er auch uns zur ewigen Seligkeit bringen, wie geschrieben steht Hebr. 6,17 u. 18.: „Durch zwei Stücke, die nicht wanken: Verheißung und Eid.“ Er hat's geschworen, dass Er uns selig machen will, aber das „wie“ steht bei uns. Der Herr hätte die Israeliten gerne auf dem nächsten Weg nach Kanaan geführt, da sie aber abtrünnig und ungehorsam wurden, musste Er sie durch die Wüste einen furchtbar harten, verleugnungsvollen Weg vierzig Jahre lang führen, was gewiss in viel kürzerer Zeit hätte geschehen können. So ist's heute noch, erkennen wir unsere große Unwürdigkeit und folgen wir still und willenlos der Leitung und Führung des Herrn, dann gehts gerade fort, dem herrlichen Ziele entgegen. Wir sind deshalb recht törichte Leute, dass wir lieber eigene, krumme Wege gehen, als dem Herrn im kindlichen Gehorsam nachzufolgen und auf Sein Wort zu achten. Was den Israeliten die Wolkensäule bei Tag und die Feuersäule bei Nacht war, das ist den Christen jetzt das Wort Gottes, das unsers Fußes Leuchte und ein Licht auf unseren Wegen ist (Ps. 119,105) und uns recht und sicher leitet. Wie viel herrliche Verheißungen sind doch in diesem teuren Bibelbuch verzeichnet, da heißt es: „Alles ist euer!“ (1 Kor. 3,21). „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, fürchte dich nicht. Ich bin mit dir“ (Jes. 43,1). „Seid getrost und unverzagt, Alle, die ihr des Herrn harrt“ (Ps. 31,25). Ferner: „Ich will dich wieder gesund machen und deine Wunden heilen, spricht der Herr“ (Jerem. 30,17). Dieser letzte Spruch steht hier im Betsaal über der Türe. Eine schwer Kranke kam einst mit fünf Knochenfraßwunden an der Oberfläche der Hand zu mir; sie las diesen Spruch und obgleich die Ärzte die Hand für rettungslos erklärten, so ist sie jetzt wunderschön geheilt. Der Herr ließ diese Verheißung an ihr in Erfüllung gehen. Die Hand machte zu unser aller Freude rasche Fortschritte und ist nun seit 1 1/2 Jahren ganz durch Gottes Hilfe geheilt. Der Herr ist treu und hält was Er verspricht.

Es ist uns eine unerschöpfliche Quelle von kostbaren Verheißungen und Tröstungen eröffnet. Ach, dass wir doch diesen Worten mehr gehorchen möchten und es unsers Fußes Leuchte und ein Licht auf unseren Wegen sein ließen, denn wir werden einst nach diesen Worten gerichtet und wie müssten wir uns dann schämen, wenn wir diesen köstlichen Schatz unbeachtet gelassen und Seine Segnungen verscherzt hätten. Wer sich hier durch das göttliche Wort ermahnen, strafen und richten lässt, der entgeht dem Gerichte drüben, wo einst dieses Buch gegen uns zeugen wird; dort können wir auf tausend nicht Eines antworten.

O, dass wir ernstlich bitten möchten:
Ach, entdeck mir mein Verderben,
Mache mich mir offenbar;
Sollt' ich als ein Heuchler sterben,
Dort erst sehen, wer ich war,
O. so wär' es in der Tat,
Mich zu bessern, viel zu spat!

Aus dem Wort Gottes strömt eine ungeheure Kraft aus: wer es an sich arbeiten lässt, der erfährt, dass es schärfer ist, denn kein zweischneidiges Schwert, und durchdringt, bis dass es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens; der erfährt aber auch, dass Ströme des lebendigen Wassers von Ihm ausgehen und es das wahre Himmelsbrot ist, das unsere hungrigen Seelen sättigt. O, welch eine schwere Verantwortung wird es einst für uns sein, wenn wir die herrlichen Gnadenmittel, die uns an die Hand gegeben sind, nicht zu unserem Heil angewendet haben. Das Wort des Herrn, Sein heiliges Blut, das Er für uns vergossen und das wir jeden Augenblick zu unserer Stärkung nach Leib und Seele, zu unserem Schutz gegen alle inneren und äußeren Anfechtungen und zu unserer Heiligung auf uns herabflehen dürfen; das Gebet, das unser Herz mit dem des Heilandes in die nächste Berührung bringt, was könnte das Alles zu unserer inneren Förderung beitragen? Ja, betet ohne Unterlass, befiehlt der Herr selber. Was das im wahren Sinn des Wort: heiße, habe ich auch erst recht in Männedorf erfahren dürfen bei Dorothea Trudel. Von ihr lernte ich, was eigentlich beten sei, ich habe vorher auch viel gebetet, viel im Stillen, viel mit meiner Jungfer, viel an Krankenbetten, da ich die Spitäler besuchte; aber das mochte nichts heißen im Vergleich mit dem fortwährenden Gebetsumgang, wie ihn Dorothea Trudel mit dem Herrn pflegte; und ich kann mit meinem sündigen Munde nicht aussprechen, was das für ein seliger Genuss und ein glückliches Leben ist. O, da ist's unmöglich, noch traurig und bekümmert zu sein; denn „das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Gott, dass, so wir etwas bitten nach Seinem Willen, so hört Er uns;“ i Joh. 5,14. und wenn auch noch etwas Schweres und Unangenehmes über Einen kommt, man ist doch nicht bekümmert und traurig, denn man weiß, es kommt vom Herrn und ist so mit Seinen Wegen und Führungen einverstanden, man bleibt bei Allem ganz getrost und blickt fest auf den Herrn. Eine Seele, die im Herrn steht, hat sich vor nichts mehr zu fürchten, sie ist fröhlich in ihrem Gott, der ihr hilft und hält fest an dem Wort: „Ich vermag Alles durch Den, der mich mächtig macht, Christus.“ Amen.

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