Schopf, Otto - Vom rechten Kindessinn.

Schopf, Otto - Vom rechten Kindessinn.

(Die hier folgenden sieben kurzen Betrachtungen diktierte der Verfasser, als er an Gelenkrheumatismus in St. Ludwig daniederlag, für den von der Buchhandlung der Stadtmission in Witten herausgegebenen Abreißkalender: der christliche Familienkalender für das Jahr 1914. Es war dies die letzte Arbeit, die er für den Druck leistete, denn nach dem unerforschlichen Rat Gottes sollte der Verfasser schon wenige Wochen später zur Herrlichkeit des Volkes Gottes eingehen.)

Vom rechten Kindessinn.

Matth. 18,1-11.

Wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen
(V. 3).

Wir glauben an eine Gnade, die mannhaft und zugleich kindlich macht. Unkindliches kommt überhaupt nicht ins Reich Gottes, und der Kindlichste, das heißt nach unserer Stelle der Demütigste, ist der Größte im Himmelreich. Fragen wir uns doch: Bin ich Gottes Kind oder warum bin ich noch unkindlich? Jetzt, vor Weihnachten, kann man die Kinder und das Kindliche besonders studieren. Zum Beispiel: Die Kinder sehen keine Erniedrigung darin, sich beschenken zu lassen. Sie verhehlen ihre Armut nicht. Wie vertrauensvoll äußern sie ihre Wünsche und halten ihre irdischen Eltern oft für reicher, als die Großen den himmlischen Vater. Sie freuen sich schon im voraus der sicher erhofften Gaben, obgleich mit weniger Grund als wir, angesichts der großen und sicheren Verheißungen Gottes. Gottlob! Gottes Wort und Geist machen auch unkindliche Menschen zu Gotteskindern und kindlich, so daß wir den Himmel auf Erden haben und unserm Vater im Himmel ähnlich werden.

Fluch des Aergernisses.

5.Mose 13,1-11.

Man soll ihn zu Tode steinigen, denn er hat dich wollen verführen von dem Herrn, deinem Gott, der dich aus Aegyptenland von dem Diensthaus geführt hat
(V. 10).

„Es muß ja Aergernis kommen; doch wehe dem Menschen, durch welchen Aergernis kommt“ (Matth. 18,7). Und doppelt wehe dem, der eines von den Kindern ärgert! Wenn schon im alten Bund der Verführer, der das Volk von seinem Gott weglockte, durch ein gemeinsames und schreckliches Gericht vertilgt und von denen gesteinigt werden mußte, denen er einen so gefährlichen Stein des Anstoßes in den Weg gelegt hatte, wieviel schrecklicher wird das Gericht derer sein, die wehrlose Kinder irre leiten! Mit welchem Ernst und welcher Fürsorge wacht der Heiland über den Kindern! Welch ein Trost und Sporn für gläubige Eltern und Erzieher! Wie müssen da Kinder dankbar sein, wenn sie hören: so wacht ihr Heiland über sie. Aber wie traurig ist es dann auch, wenn Kinder, die der Heiland so liebt und so bewacht, doch nicht auf sein Wort hören und ihn betrüben. Und wie wollen wir alle, weil unser Meister so treu über den Kleinen wacht, darum flehen, daß wir doch nicht mit Wort oder Werken, durch unser Tun oder Lassen, den Kindern Aergernis geben.

Das Bessere.

Phil. 3,7-14.

Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet
(V. 7).

Durch das Festhalten an irgendeiner Sünde, an irgendetwas, was unser inneres Wachstum, unsern Gehorsam gegen den Herrn hindert, schaden wir nicht nur uns, sondern werden ein Aergernis für andere. Paulus hat auf die Vorzüge seiner Geburt, ja, auf die Frucht seines ganzen Lebenswerkes vor der Bekehrung ein für allemal verzichtet, ja, es als verunreinigenden Kot angesehen. Warum? Um Christi willen. Christus war ihm mehr als alles. Der Blick auf Christum weckt Zutrauen zu ihm und löst von der Welt, ihrer Ehre und all ihren Reichen. Der Blick auf Christum führt zu immer völligerer, ja überschwenglicher Erkenntnis Christi. Der Glaube an Christum wird bußfertigen Sündern zur Gerechtigkeit gerechnet. Er vermittelt uns Christi Auferstehungs- und Ueberwindungskräfte. So werden wir dann auch willig und fähig, ihm im Leiden treu zu sein und ihm Ehre zu machen. Auf Grund dieser Glaubensgemeinschaft mit ihm haben wir teil an der ersten Auferstehung. Das gibt dann das Gegenstück zu Weihnachten. Einst wurde er uns ähnlich, dann werden wir ihm ähnlich sein. Einst stieg er herab, dann zieht er uns hinauf.

Die Glückseligen.

Matth. 5,1-12.

Selig sind, die da geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr
(V. 8).

Am Anfang der Seligpreisungen steht gleichsam als Grundlage die der geistlich Armen. Voraussetzung für die Rettung eines verlorenen Sünders, für die Brauchbarkeit eines Kindes Gottes ist geistliche Armut. Je weniger wir von uns selbst aus können, je mehr kann der Herr in uns. Keiner ist je ärmer geworden und gewesen als Jesus. Vom höchsten Thron stieg er herab zur Krippe. Er konnte nichts von ihm selber tun, sondern was er sah den Vater tun. Das aber tat er gerne. Seine Worte waren nicht sein. Wie er hörte, so richtete er. Und als er ans Kreuz ging, gab er nicht nur das letzte Kleid und den letzten Blutstropfen dahin, sondern er wurde auch geistlich arm bis zur Gottverlassenheit und zwar bis zu dem Grad, daß er nicht mehr wußte, weshalb er verlassen war, und fragen mußte: Warum hast du mich verlassen? Aber welche Erhöhung wartetet seiner: der Name über alle Namen. Welche Seligkeit war ihm die Verherrlichung des Vaters und unser aller Errettung. Wer heute gläubig und dankbar blickt auf unsern armen Heiland, der wird fähig werden, ihm nachzufolgen, und sein Leben wird immer mehr ein Echo des seinigen werden.

Die Geburt Jesu.

Luk. 2,1-14.

Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren
(V. 10.11).

Diese große Freude ist sogar zuerst für die Niedrigsten und Aermsten bestimmt. Es ist Freude für alles Volk, das heißt zunächst für ganz Israel, aber dann weiter für alle unter allen Zonen, die dieser Freude sich nicht verschließen. Freude, so groß, daß die Ewigkeiten der Ewigkeiten von ihr widerhallen werden, wie sie vorbereitet ward seit Jahrtausenden und geplant vor aller Zeit. Freude, die selbst die Engel erfreut, ja, Freude, die selbst Gottes Herz erfüllt. Wem gilt sie? „Euch“! die ihr hört und glaubt; euch, die ihr einen Heiland nötig habt. Wann gilt sie? „Heute!“ Jahrtausende haben auf sie geharrt, aber nun wäre es Sünde, „morgen“ zu sagen und bis morgen zu warten. Worin besteht sie? In der Geburt des Heilandes, des einzigen, allgenugsamen, der von Schuld und Macht der Sünde uns retten kann und will. Und der „geboren“ ist, nicht majestätisch sich vom Himmel herabließ, sondern uns gleich wurde, um uns recht verstehen, recht vertreten, recht Vertrauen einflößen zu können. Hast du diese wahre Weihnachtsfreude? Wenn ja, merken’s die Leute dir an, daß das eine große, alles überstrahlende Freude ist? Und bist du gerade heute besonders traurig, dann glaube, gerade dich will er besonders erfreuen, und wolle du auch dich freuen.

Die Evangelisten.

Luk. 2,16-20.

Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kind gesagt war
(V. 17).

Die Hirten zeugten von dem, was sie gesehen hatten. Manche Leute sehen oft lange nichts von der Herrlichkeit Christi, weil sie erst sehen und dann glauben wollten. Die Hirten aber glaubten der Engelbotschaft und kamen, und zwar eilend. Und als sie kamen, da fanden sie auch, und als sie gefunden hatten, da breiteten sie das Wort aus, und über dem Ausbreiten wurden sie noch fröhlicher und noch mehr zum Preise und Lob Gottes getrieben. Alle verwunderten sich über die Botschaft der Hirten. Leider hört man nicht, daß alle oder einige sie geglaubt haben. Jedes Wunder soll Verwunderung erwecken, jedes Zeichen etwas zeigen, aber mit derjenigen Wirkung, die diese wunderbaren Erlebnisse bei Maria hatten, die alle diese Worte in ihrem Herzen bewegte. Manche kommen vor lauter Hören und Reden auch in diesen Tagen nicht zum ruhigen inneren Verarbeiten der Weihnachtsbotschaft. Mögen wir, je nachdem wir veranlagt sind, von Maria oder mehr von den Hirten lernen, und möge auch diese Weihnachtszeit uns Gottees und Jesu Liebe größer machen. Wer aber nichts gesehen hat, der kann auch noch nichts bezeugen. Er bitte um geöffnete Augen. Der sogar Laodicäa Augensalbe anbot, gibt sie auch ihm.

Das Glück der Harrenden.

Luk. 2,25-35.

Herr, nun lässest du deinen Diener im Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen
(V. 29.30).

„Nun“ – wie erfaßt uns dies Wort des alten Simeon. In früher Kindheit hatte er zuerst vom Trost Israels gehört. Allmählich verstand er das Bedürfnis solchen Trostes. Dann teilte er das Bedürfnis. Dann schrie er um Stillung dieses Trostbedürfnisses. Dann lernte er warten auf den Trost, und als ihm durch den Geist auf sein Flehen und Fragen die Antwort geworden war, er sollte den Tod nicht sehen, er hätte denn zuvor den Christ des Herrn gesehen, da lernte er erwarten. Und endlich kam der Tag, da der Geist ihn anregte, zum Tempel zu gehen. Nun waren da die Eltern Jesu. Nun hielt er den Christ des Herrn in seinen Armen. Nun hatte das Warten ein Ende. Nun konnte und wollte er heimgehen. Auch für uns gibt es ein oder zwei solche „Nun“; erst das: Ich habe nun den Grund gefunden, der meinen Anker ewig hält Und wenn wir das erfahren haben, dann das andere, wenn auch für uns die Stunde gekommen, wo nun auch unsere Augen den sehen dürfen, den wir so lange nicht gesehen und doch geliebt haben, und den wir nun ewig schauen dürfen in seiner Schöne. Selige Aussicht, herrliches „Nun“ der Zukunft, das jedes trübe „Nun“ der Gegenwart verklärt.

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