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Schopf, Otto - Vom Geben.

Schopf, Otto - Vom Geben.

(Eine Frauenfestrede, gehalten in Witten, am 30. November 1896.)

Ich tue euch kund, lieben Brüder, die Gnade Gottes, die in den Gemeinden in Mazedonien gegeben ist. Denn ihre Freude war da überschwenglich, da sie durch viel Trübsal bewähret wurden; und wiewohl sie sehr arm sind, haben sie doch reichlich gegeben in aller Einfältigkeit. Denn nach allem Vermögen (das zeuge ich) und über Vermögen waren sie willig, und fleheten uns mit vielem Zureden, daß wir aufnähmen die Wohltat und Gemeinschaft der Handreichung, die da geschieht den Heiligen; und nicht, wie wir hoffeten, sondern ergaben sich selbst zuerst dem Herrn und danach uns, durch den Willen Gottes… Denn ihr wisset die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, daß, ob er wohl reich ist, ward er doch arm um euretwillen, auf daß ihr durch seine Armut reich würdet.

2.Korinther 8,1-5 und 9.

Unsere lieben Frauen wollen heute ein Fest feiern. Man könnte fragen: Warum? Wir lesen in der Schrift, daß die Israeliten Feste feierten, an denen sie ihren Dank und ihrer Freude Ausdruck gaben für die Heilstaten, die Gott in ihrer Mitte getan, für die Gnaden und Gaben, die er ihnen alljährlich wieder geschenkt. Kinder des Neuen Bundes können, wenn immer es der Stimmung und Stellung unserer Herzen entspricht, Feste feiern, alle Tage, wenn ihr wollt und könnt, zum Dank für alle Gnadengaben, die Gott uns fürs innere und äußere Leben geschenkt hat.

Aber gerade da scheint nun die Schwierigkeit zu liegen. Die lieben Frauen haben ja etwas getan; sie haben etwas gegeben, und nun wollen sie deswegen gar noch ein Fest feiern, statt daß sie die linke Hand nicht wissen lassen, was die rechte tut.

Ich will ihre Verteidigung nicht übernehmen, denn ich bin weder als Verteidiger noch als Lobredner, wohl aber als Festredner hier und bedarf mit ihnen einer Verteidigung, wie sie unser Text sie mir zu bieten scheint. In demselben ist, wie im 9. Kapitel, von der Gabe die Rede, die die heidenchristliche Gemeinde von Griechenland der judenchristlichen Gemeinde in Jerusalem als Hülfeleistung zusandte, weil die zahlreiche Gemeinde dort während einer in Judäa herrschenden Hungersnot nicht allein für ihre Bedürfnisse aufkommen konnte. Diese reiche Gabe, die durch eine Gesandtschaft der bedeutendsten Gemeinden und Gemeindegruppen unter Führung des Apostels Paulus überbracht werden sollte, sollte ein kräftiges Lebens- und Liebeszeichen der Heidenchristen gegenüber den Judenchristen sein, ein Zeichen, daß die Predigt vom Glauben, die unter ihnen erscholl, sie nicht fruchtleer lasse an guten Werken, und daß sie sich als Schuldner der Juden wußten, von denen ihnen das Heil kam.

Ueber diese Liebesgabe korrespondierte Paulus auch mit den Korinthern und hat in dem 8. u. 9. Kapitel seines zweiten Briefes eine Fülle der bemerkenswertesten Wahrheiten über das Wesen und die Kraft und die Voraussetzung des Gebens niedergelegt, von denen wir nur einige hier näher betrachten können.

Die erste Wahrheit, die wir aus unserem Text ersehen, ist die denkwürdige Behauptung, daß das Geben etwas von Gott stammendes ist, daß es eine Gnade ist, ja daß das Geben selbst einem gegeben sein muß, daß das Geben eine Gabe ist. Und wenn dem so ist, dann haben auch wir heute Grund zum Festfeiern, soweit wenigstens, als wir unser Tun und Geben als Gabe Gottes betrachten dürfen, nicht als die unsere, soweit, als wir es als Gnade betrachten können, und soweit das der Fall ist, mag die Gnade Gottes, die euch gegeben ist, auch kundgetan werden. Aber das sei kein Mantel, unter dem wir unsere Eitelkeit und Selbstzufriedenheit verbergen, sondern Wahrheit; dann wird durch wahre Festfreude unser Fest ein Freudenfest, durch herzlichen Dank ein Dankfest sein.

Wenden wir uns nun dem Gedanken zu, daß das Geben etwas von Gott stammendes, etwas Göttliches ist.

Unser himmlischer Vater ist der, der alles hat. Von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Wenn er der allmächtige, der alles besitzende Gott ist, wenn außer ihm keiner mehr ist, so ist auch keiner und nichts, von dem er etwas nähme. Wenn er sich äußern will, so kann er es nicht anders, als indem er gibt. Wenn er den ewigen Sohn zeugt, so legt er in ihn alle Fülle seiner Gotteskraft und Gottesgedanken nieder, wenn er Menschen schafft, so ist er es, der das Leben gibt und alles, was zu diesem Leben nötig ist. Das grundlegende Verhältnis Gottes zu allem außer ihm ist Geben. Dieses Geben aber hat seine Wurzel in seiner Liebe. Weil er die Liebe ist, bleibt er nicht allein, deshalb muß er einen Sohn haben, dem er alles geben kann. Weil er die Liebe ist, hat er vor Grundlegung der Welt uns alles zugedacht, was zum Leben und göttlichen Wandel dient. Und darum ist in unserem natürlichen wie in unserem Geistesleben alles göttliche Gabe. Jeder Atemzug ist ein Geschenk, jeder Pulsschlag ist ein Geschenk, jeder Augenblick ist ein Geschenk, jeder Fußbreit Boden ist ein Geschenk; ja, der Gedanke ist seine Gabe, jede Regung unseres Herzens und Gewissens ist seine Gabe. O, welche unendlichen Reichtümer schließen sich auf vor unserem so bald geblendeten Auge; wir leben nicht mehr in einer fühllosen Welt, in einer Zeit, die ein farbloses Etwas ist; wir leben nicht mehr in charakterlosen Umständen und Verhältnisses. Wir leben und weben in Gottes Gaben, in lauter Geschenken seiner Liebe; ja, in ihm leben, weben und sind wir.

O, wenn das die Menschen wüßten, die nichts von ihm wissen wollen, daß sie überströmt, umströmt und durchströmt von lauter Geschenken des Gottes sind, der der gute Gott ist und den sie gar nicht existieren lassen wollen!

O, daß wir doch daran gedächten, wenn die Sorgen und Lasten des Daseins uns bedrücken und die Kämpfe von außen und innen uns umtoben: wir leben in lauter Geschenktem, und während der Strom der Gaben Gottes unaufhaltsam und unerschöpflich weiterfließt und wir auf seinen unergründlichen Wogen dahingetragen werden, fragen wir, ob Gott uns so kleines, wohl auch ein Pfund Brot, einen ganzen Scheffel Kartoffeln und einige Meter Tuch geben werde, ob er etwas so wichtiges und unbedingt notwendiges wie seinen Geist, seine Kraft, seine Leitung, seine Liebe nicht versagen werde – uns, die wir diesen Gedanken nicht einmal denken könnten, ohne daß Gott uns die Kraft zu denken schenkte.

Und weil alles das, was wir sind und haben, was wir sein, bekommen und werden können, Gottes unverdiente Gabe an uns ist, die durch nichts anderes veranlaßt ist, als durch das Wohlgefallen seiner heiligen, weisen, allmächtigen Liebe, so ist jede Gabe eine Gnade und zwiefache Gnade, nun wir Sünder sind, und dreifache Gnade, wenn wir, die wir Gottes Gnadengaben mißbraucht haben und noch nicht völlig recht gebrauchen können, durch seine unaussprechliche Gabe erlöst sind. Nun verstehen wir wohl, wie der Apostel den viel in sich schließenden Satz aussprechen könnte, daß die Bereitwilligkeit der Mazedonier zum Geben eine Gnade Gottes sei, die ihn gegeben ward.

Aber damit, daß meine eine Gabe hat, weiß man noch nicht immer, was damit anfangen. Schenkt eurem zweijährigen Kinde zu Weihnachten eine Dampfmaschine, oder eurem Sohne das feinste Häkelgarn und die schönsten Spitzenmuster dazu, sie werden euch wenig Dank wissen, denn sie vermögen leider nichts damit anzufangen. Wenn Gott aber Gaben gibt, ist es anders; er gibt angemessene Gaben, und im Begriffe der Gabe liegt schon, daß er das Vermögen gibt, sie anzuwenden. Nun bleibt allerdings die Frage, ob man die Gabe und das Vermögen, die Gabe zu gebrauchen, anwenden will oder nicht. Denn jede Gabe bringt eine Aufgabe, und wo diese Aufgabe nicht gelöst wird, da schwindet die Gabe. Das ist ein Gesetz Gottes, das nicht nur durch die Geisteswelt, sondern auch durch die Natur geht. Die müßige Hand wird ungeschickt, das lichtscheue Auge wird lichtfeind, der unbearbeitete Acker trägt Unkraut, das unbenutzte Eisen rostet. Und so ist’s mit der Gabe des Gebens auch; wer an die Aufgabe des Gebens nicht geht, dem wir sie über kurz oder lang nicht mehr gestellt, und wer nicht geben will, wird bald nicht mehr geben können. Es ist aber eine herrliche Kunst, die Kunst des Gebens, die den ganzen Menschen in Anspruch nimmt, aber nur, um ihn zu bereichern. Es ist eine seltsame Kunst, das sehen wir an den Versen unseres Textes, die sich damit beschäftigen; stehen doch die allerwidersprechendsten Worte darin nebeneinander. Freude und viel Trübsal, sehr arm und reichlich, nach Vermögen und über Vermögen, bitten, daß man geben dürfe usw. Was soll das alles heißen? Wir betrachten die verschiedenen Eigenschaften und Seiten des Gebens. Da steht vor allem eine überschwengliche Freude. Ja, eine fröhlichen Geber hat Gott lieb. Die Freude ist das Zeichen einer gehobenen Gemütsstimmung. Sie ist da, wo man erkennt, daß das Geben den Menschen hebt. Freude ist da, wo der Mensch völlig seiner Aufgabe als einem Bedürfnis entspricht; das ist der Fall beim Geben. Wir sind göttlichen Geschlechts, und geben ist göttlich, wie wir gesehen haben. Daher die Freude, die einzieht in ein Herz, das dieser in seiner göttlichen Bestimmung entspricht; denn kein Mensch ist für sich geschaffen, sondern jeder für alle andern, und das ist doch wahrhaftig billig, daß das Auge dem Leibe Licht gibt, wo der ganze Leib für das Auge arbeitet. Die überschwengliche Freude der Mazedonier zeigte sich aber besonders daran, daß sie äußerlich in viel Trübsal waren. O, ihr Trübseligen, hört es, und ihr, die ihr Trübselige waren. O, ihr Trübseligen, hört es, und ihr, die ihr Trübselige zu Hause habt, sagt ihnen von diesen Leuten, die in überschwenglicher Freude waren bei großer Trübsal; sagt ihnen, daß es möglich sei, - wie, davon später noch ein Wort. Es heißt wörtlich, die Freude sei übergelaufen, wie etwa die Milch auf dem Feuer. Wenn bei einigen von uns die Freude nicht überläuft, so ist’s vielleicht, weil wir vom Feuer weggestellt sind.

Aber damit die Freude rein sei, muß das Geben ohne alle Hintergedanken geschehen können. Die linke Hand darf nicht wissen, was die rechte tut. Ich hörte einmal einen englischen Prediger die Frage aufwerfen, wie es wohl komme, daß die Kollekte mehr ergebe, wenn auf einem offenen Teller, als wenn mit einer verschlossenen Büchse kollektiert werde. Jedenfalls kam es nicht von der Einfältigkeit der Geber.

Aber es gibt noch andere Hintergedanken, und da ist einer davon der: “Das ist zu viel!” Wenn das Geben und Wohltun dem Geber und Empfänger Freude machen soll, muß es eine reichliche Gabe sein. Wenn deine Wohltat, deine Teilnahme an einem christlichen Werk dich selber freuen soll, darfst du nicht bloß einen Schritt weit gehen, nicht bloß einmal kommen. Fülle und volles Genüge hat er uns gebracht; darum entspricht dem Reichtum unseres Vaters und seiner unaussprechlichen Gabe unsererseits ein reichliches Geben. Fülle entspricht unserm Wesen und erfreut und befriedigt uns.

Aber wir sind arm. Das waren die Mazedonier auch, sehr arm sogar. Aber das scheint nach den Worten Pauli mit der Reichlichkeit des Gebens nicht im Konflikt zu stehen. Wir sind aber vielleicht anderer Meinung als er.

Arm und reich sind relative Begriffe. In Basel spricht man von einem armen und einem reichen Herrn M. Der reiche hatte ca. 20 Millionen, der arme dagegen nur 5 Millionen. Auch unser Herr selber ist auf Pauli Seite. Wir wissen, wie nach göttlicher Rechnung das Witwenscherflein als reichere Gabe angesehen wurde, als alle reichen Gaben der Reichen. Reich sind die Leute, die wenig brauchen; arm, die da viel haben müssen. Reich sind die Leute, die viel entbehren können; arm sind die Leute, die hauptsächlich an sich denken müssen.

Das nächste Wort gibt uns den richtigen Maßstab dafür, innerhalb welcher Grenzen sich das “reichlich” bewegen soll: innerhalb der Grenzen unseres Vermögens. Wird da nicht im Grunde offenbar, warum da und dort jemand nicht so viel Freude hat wie ein anderer? Der eine hat soviel Beitrag gezahlt wie die andern, ja vielleicht mehr; aber es war doch nicht nach Vermögen. Die Gabe zu geben hat auch nicht jeder gleich; viele sind einfältiger und sorgen wenige rund können mehr geben. Aber viele sind zu gedankenlos; sie fragen: Was gibt “man”? was zahlt “man”? statt “nach ihrem Vermögen” zu fragen. O, möchte der Herr manches gebundene Herz lösen, manche sträfliche Gedankenlosigkeit aufdecken, durch das Wort: “nach ihrem Vermögen.”

Aber es hat immer auch Leute gegeben, die haben in ungesunder Weise das Geben übertrieben; vielleicht weil sie es leichter fanden, ein äußeres Opfer zu bringen als sich selber; vielleicht weil sie nicht einfältig waren und vergaßen das: “nach ihrem Vermögen.” Der Heilige Geist zeigt jeder aufrichtigen Seele, die aufs Wort merken lernt, den Weg hindurch zwischen dem, daß man sein eigen Fleisch haßt, Vater, Mutter und Kinder nicht mehr liebt als den Herrn, und der anderen Gefahr, seine eigenen Hausgenossen nicht zu versorgen und gleich den Pharisäern zu sprechen: “Es ist dem Herrn geopfert, was dir zukommen sollte.”

Was soll aber nun das nächste Wort sagen: “über Vermögen”? Wenn die Mazedonier über Vermögen gaben, dann mußten sie Opfer bringen in dem Sinn, die das Wort gewöhnlich bei uns hat; sie mußte sich etwas versagen. Mit recht macht der alte Claudius seinen Sohn darauf aufmerksam, daß man für eine gute Sache Opfer gebracht haben müsse, wenn man wirklich an ihr teilnehme. Der Herr segne eure Opfer an Geld und Zeit, an Bequemlichkeit und an den Genüssen, Freuden und Bedürfnissen, die ihr im verflossenen Jahre gebracht habt! Der Herr kennt alle diese stillen Opfer, die gebracht werden, und sie sind angenehm vor ihm. Die aber, die die Kunst des Gebens verstehen, sie vergessen diese Opfer, denn sie sehen sie unter demselben Gesichtspunkt an, wie die Mazedonier, die, als ihnen die Gnade der Willigkeit zum Geben geschenkt war, baten um die Wohltat oder wörtlich Gnade, geben zu dürfen. Zwischen Wollen und Vollbringen liegt ein weg. Die Korinther hatten ihn noch nicht zurückgelegt, wohl aber die Mazedonier. O, wie sinken alle selbstgefälligen Gedanken in ihr Nichts zusammen vor dem Wort: Sie baten um die Gnade, geben zu dürfen.

Ach, man muß so viel geben! lautet eine vielverbreitete Klage heutzutage. Ist diese Klage auch in dem Munde der Kinder Gottes zu finden oder doch in ihrem Herzen, wenn sie zu gut erzogen sind, um sie auszusprechen? Abraham verstand schon diese Kunst des Gebens und nötigte den göttlichen Besuch mit vielen Bitten. “Herr, wenn ich Gnade gefunden habe vor deinen Augen…” hebt er seine Einladung an. Ja, es ist in der Tat eine Gnade Gottes, Mitarbeiter bei seinem Werk sein zu dürfen, und wir sehen, wie die uns gegebenen Gaben geweckt werden müssen durchs Gebet und durch treuen Gehorsam in ihrer Verwendung. “Gnade sei euch vermehrt,” fängt der Apostel Paulus seine Briefe an. Auf sittlichem Wege fängt unser Leben an, geht es fort und geht es zu Ende. Die Mazedonier bitten aber nicht nur um die Gnade, sondern auch um die Gemeinschaft dieses Dienstes. Sie haben einen Sinn für die Bedeutung der Gemeinschaft; sie haben nicht die Art mancher Gläubigen, die für sich allein die Gnade erbitten, die in der Gemeinde eine Schar von so und soviel einzelnen sehen und nicht verstehen, daß die Gemeinde ein Leib ist nach dem Wohlgefallen des Herrn. Gerade das ist eines der größten Wunder seiner Liebe, daß er die zerstreuten Kinder Gottes in eins zusammenbringt. Millionen von Personen von individuellem Charakter – und doch eins!

Wer das nicht versteht, der übt vielleicht ganz treu seine Privatwohltätigkeit aus, der besucht vielleicht treu seine Versammlung und wandelt, so gut das ohne Gemeinschaftsbewußtsein möglich ist, mit seinem Herrn; aber er sieht kaum über seine eigenen vier Wände, geschweige über seine Gemeinschaft hinaus. Er hört und liest am Ende mit Interesse, was da und dort ein Bruder tut oder leidet; aber er hat nicht das Gefühl, daß das sein Bruder, seine Schwester, daß das unsere Sache ist, und die Gemeinschafts-Rechte und –Pflichten existieren zu seinem eigenen Schaden nicht für ihn. Der Mensch braucht Gemeinschaft, um über sich hinausgehoben zu werden, um sich zu seiner Größe zu entfalten, um seine Fähigkeit zu entwickeln, seine Aufgabe erfüllen zu können, und die Gemeinschaft braucht seine Dienste, wie er die ihren. Es heißt so schön in Apg. 4,23 von Petrus und Johannes: “Und sie kamen zu den Ihren.” Die, die um die Gnade und Gemeinschaft der Handreichung baten, die fühlten sich gegenüber den Jerusalemiten als die Ihrigen und sahen die Ihrigen in ihnen. Wir wollen keinen Parteigeist züchten, sondern die Freude des Gebens vermehren, indem wir bitten, doch in jedem Kind Gottes eins von den unsern zu sehen und zwar eines, dem wir dienen können. Wieviel Mühe hat der Herr, uns in diese dienstfertige Stellung zu bringen. Denn um einen Dienst handelt sich’s bei dieser Handreichung.

Sich selber behaupten, ja, das will der Mensch. Er will fromm sein, will arm sein, will Almosen geben, will auf den Knien rutschen und die niedrigste Arbeit tun – alles lieber, als sich selbst aufgeben, und wenn er sich selbst gibt, so ist es sein doch verlorenes Leben, um im Ruhme der Nachwelt fortzuleben. Weil der Mensch von Gott getrennt ist, kann er nicht lieben und nicht geben im vollsten und reinsten Sinn, und wer beides will, der muß zuvor sich selber geben an seinen Herrn. Wer sein Leben verliert um seinetwillen, der wird’s gewinnen. Wer’s zugibt, daß sein Herz und Leben in den falschen Händen ist, wer sich selber das Urteil spricht, daß er nicht wert sei zu leben, weil er Gott, die lebendige Quelle, verlassen, weil er nur genommen, statt zu geben, der hat die unerbittliche Voraussetzung erfüllt, um geben, d.h. leben zu können.

Ja, es ist ein niederschmetterndes Selbsturteil, das wir uns geben müssen, daß wir nämlich unser Leben, unsere Kraft, unsere Zeit, kurz alles, was wir als Gabe empfingen, entweder buchstäblich vergeudet oder doch vergeblich gebraucht haben. Wir haben vergeblich gelegt, weil wir los waren von Gott, weil wir nicht für Gott lebten, weil wir nicht mit gleicher Liebe jene unaussprechlich große Liebe beantwortet haben, die Gott uns sein bestes schenken ließ, seinen einzigen, geliebten Sohn.

Aber dem, der das zugibt, bietet sich eine neue Quelle des Lebens, eine neue Quelle der Gaben an, die wir entweiht und verloren haben. Es hat doch einen Menschen gegeben, der hat das Menschheitsbild, das Ebenbild Gottes, nicht geschändet. Von ihm heißt es nicht: Er nahm und aß. Wohl hatte er Macht zu sprechen, daß die Steine Brot werden; aber ihn konnte der Feind nicht zum Nehmen verführen; er nahm sich keine Ehre. Er wollte keine Macht sich nehmen, obwohl er sie hatte, er, der gesprochen hat: Geben ist seliger als Nehmen. Er, selbst eine Gabe, hat sich sein ganzes Leben hindurch hingegeben. Er ward arm; er liebte und gehorchte bis zum Tode am Kreuz. Er gab lieber seinen Leib und sein Blut, sein Leben und seine Herrlichkeit dahin, als daß er etwas festgehalten hätte, was seine Liebe ihn geben hieß. Er ging hinein in die Tiefen der Trübsal bis zur gänzlichen Armut und Entblößung, bis zur Gottverlassenheit. Er hat jede Kraft seiner Seele daran gesetzt und freiwillig sein Leben geopfert, das er Macht hatte zu nehmen oder zu lassen. Er hat sich tief gebeugt, uns zu dienen. Er hat wirksam und mit tiefer Erkenntnis unserer Gnadenbedürftigkeit für uns um Gnade gerufen, und in ihm ist tatsächlich die Menschheit repräsentiert als in ihrem Haupt. Und um des Hauptes willen und vom Haupte aus soll die ganze Menschheit heil werden, die geheilt werden will. “Durch seine Wunden sind wir geheilt,” und weil er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, so hat er es auch widdergenommen, und der Vater hat ihn auferweckt durch die Hand seiner Gerechtigkeit und ihn erhöht zur Rechten der Kraft und ihm Macht gegeben, seinen Sohnesgeist auch uns mitzuteilen, so daß wir in seinem Geist und Sinn handeln und wandeln können. Ob er wohl reich ist, ward er doch arm um unsertwillen, auf daß wir durch seine Armut reich würden.

Ja, er gibt! Er gibt alles, was ihr wollt. Er ist ganz Geben, ganz Liebe. Er ist das Licht, und das Licht muß ausstrahlen, kann nicht für sich licht sein. Er gibt der Welt das Leben. Was wollt ihr? Er gibt es euch! Er gibt euch Brot und Fleisch, er gibt euch lebendiges Wasser, er gibt euch sein Blut. Er gibt seine Hände und Füße zum Durchgraben, seine Seite zum Zerstechen, sein Haupt für die Dornenkrone, sein Angesicht für Schmach und Speichel, seine Kleider zum rohen Handel. Er hat noch mehr zu geben. Er gibt sein Gebet zum Vater, sein Beispiel, seine Erkenntnis, seine Macht, seinen Frieden, seine Herrlichkeit. Er gibt sich selbst, denn er hat sein Leben zur Erlösung für viele gegeben. Er gibt seinen Geist und seine Gaben. Er gibt seinen Thron, daß wir mit ihm herrschen. Er gibt uns teil an allem, was er ist und hat und haben wird.

Er selber, - aber ihn, den eingeborenen Sohn, hat der Vater der Welt gegeben. Also hat er die Welt geliebt! In ihm hat der Vater uns alles gegeben, was zum Leben und göttlichen Wandel dient. O, wie mag ein Menschenmund ausreden diese Liebe, die uns der Vater erzeigt! Ja, wir mögen wohl Feste feiern und Reden halten, aber nie, nie werden unsere Lippen seine Gabe aussprechen, nie sein Lob enden können! Wenn der Vater ihm alle Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt haben wird, dann wird der Sohn die Herrschaft dem Vater übergeben, dann wird Gott alles in allen sein. Und das wird ein Geben und Empfangen und Wiedergeben, ein Nehmen von Gnade um Gnade sein.

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