Schopf, Otto - Letzter Brief vom Sterbebett an seine Schwester Anna

Schopf, Otto - Letzter Brief vom Sterbebett an seine Schwester Anna

Mein Herzensliebling!

Nun hat der Herr die Sache doch anders ausgeführt, wie wir so dankbar und freudig zu hoffen wagten. Er traut dir Großes zu. Er legt dir Schweres auf. Aber Du darfst auch ihm Großes zutrauen, und Du darfst Deine Last auf ihn werfen. Wir zwei Geschwister sind so glücklich gewesen wie wenige Geschwisterpaare. Wie hast Du Dich bemüht, mich zu verstehen und Dich hinein zu versetzen in meine Arbeit! Ich danke Dir. Wie hast Du mit mir Dich gefreut und mitgetragen, o, dafür danke ich Dir. Wie haben wir zwei uns überhaupt verstanden! Dafür müssen wir dem Herrn danken. Was mein Herz empfindet, kann ich nicht aussprechen. Habe nur noch einmal innig Dank für Deine große, tiefe, mutige, tapfere Liebe.

Und nun wird es durchs Tal der Todesschatten gehen. Ich bin natürlich noch nie vollständig gestorben, aber doch schon zwei- oder dreimal vor dem ganzen Ernst dieser Frage gestanden. Ich rechne mit der Treue des Treuesten, mit der Liebe des Liebevollsten. Er wird mit mir durchgehen, bis ich werde bei Christo sein. Vielleicht kommst Du bald nach.

Und nun bitte ich Dich, Liebling, so schwer es Dir sein mag, mache so schnell wie möglich das Testament.„

(Es folgen nun bis ins kleinste gehende Wünsche und Anordnungen).
Dann lautet der Schluß:

„Der Herr wolle Dich in allem leiten! Und nun, mein Liebling, es ist für mich keine schreckliche Sache, bei Christo zu sein. Christus wird auch mit Dir sein. Wer weiß, wie bald ich Dich droben an den goldenen Pforten der Ewigkeit grüßen darf!

Ich bin Dir unaussprechlich dankbar, und ich bitte Dich für alles um Vergebung, wo ich Dir irgendwie wehe getan, auch in der Korrespondenz dieser Krankheitszeit.

Ich muß es Dir noch einmal ausdrücklich aussprechen, wie Deine Briefe Grüße Gottes und Fortschritte innerer Arbeit sind. Das hat mich sehr zu Dank gestimmt.

Lebe wohl, meine Anna! Vier von uns sind nun schon droben, und das letzte, das wird die Liebe auch heimbringen.

Ich danke der lieben Schwester H. für alles, was sie Dir ist und war. Der Herr vergelte es ihr.

Gottlob, daß im Sterben wir nicht Unterliegende, sondern Siegende sind. Der Tod ist verschlungen in den Sieg!

Rühmt an meinem Grabe die Gnade, die ich besonders in den letzten sieben Jahren so herrlich, so voll und groß und frei habe kennen lernen dürfen.

Grüße alle meine Freunde.

Der, dessen Kraft in den Schwache3n mächtig ist, sei nun auch in Dir mächtig. Er wird jetzt auch in mir mächtig sein, wenn es so ist,wie es scheint, daß er mich an die Quelle der Kraft führt.

Gelobt sei der Vater der Barmherzigkeit und der Gott alles Trostes! <Gepriesen sei der zarte Heiland, Amen!

Dein Dich innig liebender Otto

Gleichzeitig mit dem Briefe diktierte, wie schon erwähnt, der Sterbende das Telegramm, das zugleich nach dem Heimgang an die Schwester abzusenden sei. Wie ein Gruß aus einer andern Welt liest es sich. Es lautet:

„Teurer Liebling! Der Heiland hat es nun doch für gut befunden, mich zu sich zu rufen. Sein zartes Herz hat es für Dich und mich für gut befunden. Nicht wahr, wir sagen: „Dein Wille geschehe., Dein Name werde geheiligt.“ Wir sind ja Glieder eines Leibes in Christo. Sein Haupt denkt für uns, sein Herz schlägt für uns. Er gebe Dir neue Kraft, das neue Leid zu tragen. Blicke auf Jesum.

In unaussprechlicher, dankbarer Liebe und Teilnahme

Dein Dich innig liebender Bruder Otto.

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