Schopf, Otto - Leiden und Herrlichkeit.

Schopf, Otto - Leiden und Herrlichkeit.

So ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit; und so ein Glied herrlich gehalten wird, so freuen sich alle Glieder mit” sagt Paulus 1. Kor. 12,26. Er will damit offenbar Gegensätze einander gegenüberstellen. Und in der Tat, Leiden einerseits und Herrlichkeit und Freude andererseits sind schroffe Gegensätze. Aber, wie so oft in der Welt, die Gegensätze berühren sich. Bei einem flüchtigen Blick ins Neue Testament würden wir mit Leichtigkeit 20 Stellen oder mehr dafür finden, wie Freude und Leid auf wunderbare Weise beieinander wohnen und einander gegenseitig heiligen und verherrlichen. Wir wenden uns jedoch sogleich den beiden andern Gegensätzen, leiden und Herrlichkeit, zu. Denn, soviel die Schrift auch sonst von allerlei Segnungen redet, die aufs engste mit den Leiden verbunden sind, am meisten stellt sich doch Leiden und Herrlichkeit zusammen und zeigt das Leiden als den Vorboten, der unbedingt der Herrlichkeit vorangehen muß, ja der erst ihr Kommen ermöglicht.

Als der Herr Jesus nach seiner Taufe vom Satan in der Wüste versucht wurde, da bot ihm dieser eine Herrlichkeit ohne Leiden an, aber der zweite Adam begehrte diese Herrlichkeit nicht, er wußte, daß die Herrlichkeit, die die Schlange bietet, nur eine Scheinherrlichkeit ist. Damit zeigt er auch uns den Weg. Der erste Adam hat die von der Schlange ihm angebotene Herrlichkeit angenommen und mußte inne werden, daß der vorweggenommenen Herrlichkeit die Leiden um so sicherer nachfolgten. Und seitdem haben wir gelernt, daß Herrlichkeit ohne Leiden Leiden ohne Herrlichkeit in ihrem Gefolge hat. Und so bleibt es denn für die, welche dem zweiten Adam angehören, bei der Regel, die Petrus angibt: Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christo Jesu, nachdem ihr eine kleine Zeit gelitten habt, er selbst wird euch vollkommen machen, befestigen, kräftigen, gründen. Der Petrus, der einst seinen Meister vom Leidensweg hat zurückhalten wollen, hat es gelernt, daß Herrlichkeit und Leiden zusammengehören und daß die Leiden das erste sein müssen. So nennt er sich denn auch ganz bezeichnend 1. Petri 5,1 den “Zeugen der Leiden, die in Christo sind, und auch teilhaftig der Herrlichkeit, die offenbart werden soll.” Und Kap. 4,13 sagt er: “Insoweit ihr der Leiden des Christus teilhaftig seid, freuet euch, auf daß ihr auch in der Offenbarung seiner Herrlichkeit mit Frohlocken euch freuet.” Vgl. auch V. 14, wo er zum fünftenmal (wenn man 1,21 mitzählt) in seinem ersten Brief von der Herrlichkeit nach dem Leiden redet.

Der Grundsatz, von dem wir bisher schon sprachen, ist ein göttliches Grundgesetz, denn wir lesen Luk. 24,26 in Bezug auf den Herrn: “Mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?” Und in Bezug auf uns haben es nicht erst die Jünger ausgesprochen, daß wir durch viel Trübsal müssen in das Reich Gottes gehen, sondern der Herr selbst hat dieses Grundgesetz immer wieder verkündigt. Markus 10,37 lesen wir, daß die Söhne Zebedäi zu seiner Rechten und zu seiner Linken Jesu Herrlichkeit teilen wollten. Unverzüglich antwortet er ihnen mit der Frage, ob sie seinen Leidenskelch trinken und sich mit seiner Leidenstaufe taufen lassen wollen. Denen, die sein Kreuz ihm nachtragen, die alles um seinetwillen verlassen haben, die um seinetwillen in Trübsal überantwortet sind, verheißt er Lohn, Wiedererstattung und Gemeinschaft mit ihm, wenn er kommt in seiner Herrlichkeit. (Vgl. Matth. 16,25 mit 27; 19,27 mit 28 f. und 24,9 mit 30 f.)

Warum aber hat der Herr dieses unerbittliche Grundgesetz aufgestellt? Ihn, der an dem, das er litt, Gehorsam lernte (Ebr. 2,17), Jesum, sehen wir durchs Leiden des Todes gekrönt mit Preis und Herrlichkeit (Luther: Ehre). Denn es ziemte dem, um des willen alle Dinge sind und durch den alle Dinge sind, der da viele Kinder hat zur Herrlichkeit geführt, daß er den Herzog ihrer Seligkeit durch Leiden vollkommen machte. Leiden ist das Mittel gewesen, durch das Jesus der Begründer unserer Errettung wurde, durch das er befähigt ist, heute in der Herrlichkeit seines Amtes für uns zu walten. Und unsere Leiden sind der Weg, auf dem er uns, die wir an ihn glauben, am besten zubereiten kann für die Zeit, in der die volle Frucht seiner Leiden an uns geoffenbart werden soll. Jetzt ist unser Weg ein Sterbensweg, und es gilt das Wort: “Ihr seid gestorben und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott; wenn aber Christus, euer Leben, sich offenbaren wird, dann werden wir auch offenbar werden mit ihm in der Herrlichkeit” (Kol. 3,3 ff.).

Wenn wir sagen, unsere Leiden sind Mittel zu unserer Verherrlichung, so denken wir dabei nicht nur an Leiden, die uns unmittelbar treffen, sondern, wie wir in einem früheren Aufsatz zeigten, an die Leiden, die nur mittelbar die unsrigen sind, indem wir die Leiden anderer mitleiden. Also auch das Mitleiden lohnt sich, es bereitet uns mit zu für die Herrlichkeit. Umgekehrt zeigt uns der Apostel, daß es ein Leiden gibt, das er erleidet, damit andere der Herrlichkeit teilhaftig werden. Er sagt nämlich 2. Tim. 2,9 f., daß er über dem Evangelium leide bis zu den Banden, und fährt dann fort, darum dulde ich alles um der Auserwählten willen, auf daß auch sie die Seligkeit erlangen in Christo Jesu mit ewiger Herrlichkeit. (Vergl. auch Eph. 3,13; Kol. 1,24-27; 2. Kor. 1,6.) Wie viele hat das schon getröstet, daß die Verfolgungen und Mühen, die Schmerzen, die sie im Blick auf den Herrn stille zu tragen hatten, für andere ein Segen waren und zu ihrer Vollendung beitrugen.

Aber das seligste und herrlichste an all unserem Tun und Leiden ist, daß unser Herr von seinen Jüngern sagt: “Ich bin in ihnen verherrlicht,” wie dies in vielen Stellen der Schrift gezeigt ist. Dadurch, daß er litt, hat er uns den Weg zur Herrlichkeit gebahnt, dadurch, daß wir ihm nach, mit ihm und für ihn leiden, dürfen wir zu seiner Verherrlichung etwas beitragen, dürfen verkündigen (1. Petri 2,9) die herrlichen Tugenden des, der uns berufen hat durch seine Herrlichkeit und Tugend (2. Petri 1,3) zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade (Eph. 1,6 und 12).

Laßt uns so auf unsere Leiden und Trübsale blicken, laßt uns daran denken, was Paulus sagt (2. Kor. 4,17): “Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet (wirket) ein ewiges Gewicht von Herrlichkeit uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare.” Denken wir daran: “Sind wir Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, so wir anders mitleiden, auf daß wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden.” Dann werden wir es auch lernen durch den Geist der Herrlichkeit, zu sagen wie Paulus: “Ich halte dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht wert sei, die an uns soll offenbaret werden” (Röm. 8,17 f.).

Wenn wir in einem früheren Artikel gezeigt haben, daß die Schrift uns die Leiden selten allein zeigt, sondern gewöhnlich zugleich den Segen nennt, den sie mitbringen, so hat uns dieses Kapitel wohl zum Bewußtsein gebracht, daß es umgekehrt für uns Menschen keine Herrlichkeit allein gibt, sondern daß die gesegnete Regel, das unerbittliche Gesetz, der heilige Weg heißt, wie bei unserem Herrn: “Leiden und die Herrlichkeit danach.”

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