Schopf, Otto - Für Versammlungsleiter

Schopf, Otto - Für Versammlungsleiter

Es ist Allianzversammlung heute abend. Verschiedene Brüder werden sprechen. Einer bekommt die Leitung; er soll ein Lied ausgeben und vorsagen. Er wußte genau, daß er die Leitung haben würde, auch daß er ein Lied vorzusagen hätte, auch daß es ein Lied aus dem ihm unbekannten Gesangbuch der anderen Gemeinschaft sein würde. Nun blättert er schon fünf Minuten, bis er ein Lied gefunden hat. Der liebe Bruder ist kein Held im Lesen, das weiß er auch, aber wenigstens könnte er das wissen; denn alle anderen wissen es. Sie wissen, was jetzt kommt: er wird das Lied so vorlesen, daß man es teils nicht verstehen, teils nicht singen kann. Seine freien Grundsätze haben ihm nicht gestattet, vorher einmal das Lied durchzulesen, sodaß er ohne Anstoß und Fehler lesen konnte, und nicht ein paar Silben oder Worte ausließ, sodaß man mitten in der Zeile im Singen stecken blieb. Seine freien Grundsätze haben ihm nicht gestattet, zuerst einmal festzustellen, welche Melodie allgemein geht; darum singen die Geschwister von der Baptistengemeinde ihre Melodie und die von der freien Gemeinde die ihre, es tut zwar nicht schön, und man merkt, daß man in einer Allianzversammlung ist, an einer Stelle, wo man es nicht zu merken braucht. Aber die freien Grundsätze des Bruders sind gerettet.

Das nächste Mal hat Br. Pünktlich von der evangelischen Gemeinschaft die Leitung - er war schon 10 Minuten vor der Versammlung da. Er hatte verschiedene allgemein bekannte Lieder und Melodien in Vorschlag. Er hat sich erkundigt, ob auch wirklich die Lieder und Melodien allgemein bekannt sind und siehe da, alles geht ruhig und glatt vor sich. Man weiß das schon immer, wenn er die Leitung hat. Er ist ja zwar „ein bißchen gesetzlich“, aber die Aufmerksamkeit der Geschwister wird nicht gestört durch ihn. Ihre Lachmuskeln werden nicht gereizt, sie können gesammelt und ohne Hindernis die unentstellt und sinngemäß vorgesagten Verse singen. Es ist nur eine Kleinigkeit und Treue im Kleinen gewesen; aber der Kleinigkeitskrämer dankt dem lieben Bruder Pünktlich doch im stillen sehr, daß er es so gemacht hat.

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1908

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