Schopf, Otto - Die Geschwister "wir"

Schopf, Otto - Die Geschwister "wir"

Nicht leibliche Geschwister sind es, von denen der Kleinigkeitskrämer da wieder etwas zu reden hat, sondern es sind Geschwister im Herrn. Deshalb sagt er auch nicht jedem, wo er sie kennen gelernt hat, wie sie sich selbst nennen, auch nicht, wie sie ihm sonst gefallen haben. Nur das sei gesagt, daß er sie nicht in einer unserer Gemeinden traf.

Ja, die Geschwister „Wir“! Sie sagten nicht etwa: „Wir sind die allein seligmachende Gemeinde.“ Und doch mußte man immer an dies denken, wenn man sie reden hörte von unserer Gemeinde, unserer Mission, unserer Arbeit, unseren Brüdern, unseren Schriften, unserem Blatt, unserm Kalender, unseren Liedern, unseren Wahrheiten, unseren Konferenzen, unserem Platz und noch von vielem andern. Schon wollte der Kleinigkeitskrämer die Geschwister „Wir“ hinweisen auf das Gemeinsame des Volkes Gottes, das von unserm Herrn herkommt. Aber plötzlich kam ihm ein anderer Gedanke. Er nahm sich vor, von der Art der Geschwister „Wir“ sich selbst etwas zum eigenen Gebrauche mitzunehmen und zugleich aber auch einiges für seine Geschwister in unsern Gemeinden in seinen Sack einzupacken. Es wurde ihm auf einmal klar, wie gut seine Brüder und Schwestern daheim hierfür Verwendung haben müßten. Er dachte daran, daß solche gleich ihm auch Deutsche seien, die stets das Gute in erster Linie nur bei andern sähen, schätzten und suchten und deshalb auch gar zu wenig das Eigene, unsere Arbeit und Wahrheiten hoch hielten.

So ist der Kleinigkeitskräümer nun mit seinem Sacke da und möchte für alle die Unsrigen hin und her, die nie etwas von diesem „Wir“ der freien Gemeinden gehört haben eine gute Dosis austeilen und, wenn es möglich wäre, gar einzuimpfen. Er fürchtet garnicht, daß es so leicht bei uns zu einer Ueberschätzung unseres „Wir“ kommen wird. Sollte aber doch jemand mit ihm dieser Ware wegen rechten wollen, so will er diesem gesagt haben, daß er sogar auf Bestellung liefert. Hat doch auf der letzten Bundeskonferenz in Wetter ein betagter Bruder aus einer der ältesten Gemeinden es lebhaft bedauert, daß ihm nie gesagt worden sei, „der Gärtner“ sei das Organ unserer Partei - so sagte er noch wörtlich. Das Gegenteil der Geschwister „Wir“! Warum immer in die Ferne schweifen, wo das Gute doch so nahe liegt? Haben unsere Gemeinden nicht auch ihre eingenen Arbeiten, das Evangelisations-Komitee, das Diakonissenwerk und, will's der Herr, auch bald eine Ausbildungsstätte für Arbeiter, haben wir nicht auch unsere eigenen Blätter, die leider, ach so wenig gelesen werden, daß man nicht einmal weiß, daß der Gärtner unser Gärtner ist, haben wir nicht auch unsere eigenen Kalender und Schriften - möchten ihrer nur bald noch mehr werden - die des Verbreitens und Verschenkens durchaus wert sind, haben wir nicht auch Lieder, die die unsern sind, von einem Grafe, einer H. Paul u.a. gedichtet, hat unsere Vergangenheit nicht auch Männer, die wir stolz die Unsrigen nennen können, und noch so vieles andre dazu? Warum interessieren wir uns Theoretisch und praktisch nicht viel mehr für alles dies und betonen, daß es - allerdings in erster Linie des Herrn - dann aber auch unser ist? Deshalb ruft der Kleinigkeitskrämer, wobei er allerdings wünscht, man möge für diesmal vergessen, daß er ist, was er ist: Mehr Wertschätzung unseres Eigenen, das uns der Herr gab und anvertraute, und deshalb, aber nur im rechten Sinn, mehr von der Art der Geschwister „Wir“.

Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1908

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