Schopf, Otto - Ein gesegnetes Gastmahl

Schopf, Otto - Ein gesegnetes Gastmahl

Es bat ihn aber der Pharisäer einer, daß er mit ihm äße. Und er ging hinein in des Pharisäers Haus, und setzte sich zu Tisch. Und siehe, ein Weib war in der Stadt, die war eine Sünderin. Da die vernahm, daß er zu Tische saß in des Pharisäers Hause, brachte sie ein Glas mit Salbe, und trat hinten zu seinen Füßen, und weinte, und fing an, seine Füße zu netzen mit Tränen, und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße, und salbte sie mit Salbe. Da aber das der Pharisäer sah, der ihn geladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte. Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüßte er, wer und welch ein Weib das ist, die ihn anrühret; denn sie ist eine Sünderin. Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister sage an. Es hatte ein Wucherer zwei Schuldner. Einer war schuldig fünfhundert Groschen, der andere fünfzig. Da sie aber nicht hatten, zu bezahlen, schenkte er’s beiden. Sage an, welcher unter denen wird ihn am meisten lieben? Simon antwortete und sprach: Ich dachte, dem er am meisten geschenket hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht gerichtet. Und er wandte sich zu dem Weibe, und sprach zu Simon: Siehest du dies Weib? Ich bin kommen in dein Haus, du hast mir nicht Wasser gegeben zu meinen Füßen; diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzet, und mit den Haaren ihres Hauptes getrocknet. Du hast mir keinen Kuß gegeben; diese aber, nachdem sie hereingekommen ist, hat sie nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. Du hast mein Haupt nicht mit Oel gesalbet; sie aber hat meine Füße mit Salbe gesalbet. Derhalben sage ich dir: Ihr sind viele Sünden vergeben, denn sie hat viel geliebet; welchem aber wenig vergeben wird, der liebet wenig. Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben. Da fingen an, die mit zu Tisch saßen, und sprachen: Wer ist dieser, der auch die Sünden vergibt? Er aber sprach zu dem Weibe: Dein Glaube hat dir geholfen; gehe hin mit Frieden.
Lukas 7,36-50.

In vielen Häusern wird jeden Tag gebetet: “Komm, lieber Herr Jesu, sei unser Gast.“ Hier lesen wir auch von einem, der den Herrn Jesum gebeten hatte, sein Gast zu sein. Und wir sehen, der Herr ist gekommen, gerade wie er zu Kana kam ins Haus seiner Bekannten oder Verwandten, wie er zu Matthäus dem Zöllner kam, so kam er auch zu dem Pharisäer Simon. Und weil der Herr Jesus zu Gaste geladen war, war es nicht bloß eine Mahlzeit, wie viele gedankenlose Menschen sich heutzutage vor und nach dem Essen “Mahlzeit“ wünschen, sondern es war eine “gesegnete Mahlzeit“, wie sie nur die haben können, die den Herrn Jesum zu Gaste laden.

Es ist doch merkwürdig, wie in Jesu gesegnetem Leben auf jeden Schritt und Tritt sich bei den verschiedenartigsten Anlässen für ihn Gelegenheiten bieten, um den Vater zu verherrlichen. Wenn er jemanden um einen Trunk Wasser bittet, schließ sich ungekünstelt eine gesegnete Unterhaltung an, von der wir nach 1800 Jahren noch zehren. Wenn er einen Augenblick in jemandes Schiff Platz nimmt, so zahlt er nicht nur reichliche Miete dem, der ihm den Nachen geliehen, sondern er läßt ihn, ohne daß er ihm ein Wort sagt, in tiefer Sündenerkenntnis zurück. Die Krankheit und die Not der Menschen ist eine Offenbarungsstätte seiner Herrlichkeit. Ob er im Tempel als ein müßiger Zuschauer am Gotteskasten sitzt, ob er im Schiffe während des Sturmes schlummert, ob er in der Wüste lange gepredigt, ob er zögert, dem todkranken Lazarus zu helfen oder dem Töchterlein des Jairus, gesegnet ist sein Ausgang und Eingang, sein Tun und Lassen, sein Wirken und Ruhen, sein Schweigen und Reden, und wenn es nur ein Tischgespräch ist.

Ach möchte, wenn wir zu Gaste geladen werden, für unsern Besuch und unsere Tischunterhaltung die seine zum Muster dienen, damit sich an uns das Wort erfülle: „Ihr esset oder trinket oder was ihr tut, tut alles zu Gottes Ehre.“ Er, der Meister und Herr, tritt so still und anspruchslos auf, daß der Pharisäer es nicht für nötig hält, so viele Umstände zu machen, wie man sie sonst etwa mit geschätzten Besuchen macht. Wenn es uns etwa einmal schwer werden und schmerzen sollte, daß die Leute, wenn wir sie besuchen, uns mit verletzender Kälte und Unaufmerksamkeit behandeln, dann mag die Erinnerung an die Aufnahme, die unser Herr und Meister in des Pharisäers Hause fand, uns das Bittere süß machen, indem wir uns erinnern an sein Wort, daß der Jünger nicht ist über seinem Meister, noch der Knecht über seinem Herrn.

Doch laßt uns zu der herrlichen Geschichte selbst kommen, die sich bei einem so geringfügigen Anlaß abgespielt hat, und die jedes Herz ergreifen sollte, das diese Geschichte nimmt.

Was zuerst unseren Blick fesselt, ist jenes Weib, die als ein ungeladener Gast sich in des Pharisäers Hause einfand. Ihr Antlitz trug wohl die Spuren eines Lebens der Sünde, und hätten nicht alle gewußt, wer sie war, so hätten diese Spuren der Sünde ihre Geschichte verraten. „Siehe, ein Weib“, schreibt der Evangelist, der in damaliger Zeit das Ungewöhnliche, daß ein Weib bei solchem Anlaß ungeladen erscheint, noch viel mehr empfand, als wir es heute empfinden. “Die eine Sünderin war,“ fährt er fort, und damit scheint er anzudeuten, daß die Sünde bei ihr einen besonderen Grad erreicht hatte, daß die Sünde ihr Gewerbe gewesen und daß sie wegen ihres sündhaften Lebenswandels stadtbekannt war. – Und dieses Weib kam zu Jesu! Ach, daß wir heute doch zu vielen solchen reden dürften, die, wer weiß durch welche Ursachen, als das äußerlich gebrandmarkt sind, was wir alle unserem innersten Wesen nach sind. Aber wenn uns diese Gnade heute noch nicht geschenkt ist, daß die Verworfensten und Ausgestoßensten in unsere Versammlung kommen, so können wir doch immer wieder den Herrn darum bitten, daß er sie uns schickt, und wir wollen gehen und sie einladen, mehr als bisher. Ich fürchte, wir, die wir begnadigte Sünder und Sünderinnen sind, tun nicht genug, um unsere elendesten Brüder und Schwestern einzuladen. Jesu Wesen und Wort übte eine solche Anziehungskraft auf diese Unglücklichen aus, daß sie kamen, ja kommen mußten, wie viele Hindernisse auch immer sich ihnen in den Weg stellten. Denkt an den Gichtbrüchigen, den seine Unfähigkeit, sich zu bewegen, und die dichte Volksmenge nicht abhalten konnten, der hin mußte zu Jesu Füßen mit seinem Leid und seiner Schuld; denkt an den Schächer, der zu einer Zeit und an einem Ort, wo jeder Erfolg unwahrscheinlich schien, den Mut faßte, sich Jesu zu nahen und seine Gnade zu erflehen. Und seht auf die, von der wir heute reden. Sie, die doch wohl wissen konnte, was Pharisäerherzen von ihr und ihresgleichen dachten; sie, die doch wohl verspürt hatte, welche Kluft war zwischen der Hoheit und Reinheit Jesu und ihrer eigenen Verworfenheit. Sie war durch der Pharisäer Verachtung nicht abzuschrecken und wurde durch die Verachtung, die sie selbst vor sich empfinden mußte, nicht zurückgehalten, sich Jesu zu nahen. Ach, daß die suchenden Seelen durch unser Wesen und unsern Wandel auch angelockt würden und die Gedankenlosen und Gleichgültigen angeregt würden, auch den zu suchen, der uns so glücklich macht! Wenn ich wählen dürfte zwischen der Gabe, der glänzendste Redner zu sein, zu dessen Füßen die Hohen und Klugen und Geachteten sitzen, und zwischen der Gnade, den Hoffnungslosen den letzten und wahren Hoffnungsstern zu zeigen, den Elenden, Unwissenden und Geächteten die Botschaft des Lebens zu verkündigen, so würde ich das letztere wählen. Aber wir haben nicht zu wählen, wir haben unsere Botschaft auszurichten, möglichst einfach, möglichst deutlich, mit allem Nachdruck und Ernst und mit allem Locken der Liebe, denen, die wir erreichen können, und dies will auch heute tun.

Ich denke, auch hier sind solche, die dieser Botschaft noch bedürfen. Vielleicht wissen und fühlen sie es schmerzlich, daß sie Sünder sind, und sie hätten auch gerne Frieden und Vergebung. Nun, ich will nicht ermüden, euch, soweit mir Gott Gnade schenkt, den Weg des Lebens so lange zu zeigen, bis ihr ihn versteht, bis ihn Gottes Geist euch zeigt, diesen einfachen Weg, auf dem selbst die Toren nicht irren mögen.

Vielleicht sind auch einige solche da, die, obwohl sie keine Kinder Gottes sind, doch nicht seufzen unter dem Druck ihrer Sünden, oder solche, die wohl hie und da einmal daran denken, daß sie sich bekehren müssen, aber es noch hinausschieben wollen oder wenigstens noch nicht ernstlich das Heil ihrer Seele suchen. Vielleicht aber ist auch jemand da, der mutlos und verzagt ist, der einen Anlauf genommen hat und wieder matt und mutlos geworden ist, weil er nicht auf die Weise zum Frieden kam, wie er sich das gedacht hatte. Ach, für euch alle ist diese köstliche Botschaft da trotz alledem und wegen alledem, was euch hindert und aufhält!

Ach, macht es der Sünderin nach, die kam, wie sie war, und brachte, was sie hatte! Sie kam nicht erst dann zu Jesu, als sie durch einen tadellosen Wandel sich die Achtung ihrer Mitbürger erworben hatte. Sie kam, sobald sie erfaßt und verstanden hatte, daß dieser Jesus sie liebte. Wohl kamen ihr in seiner heiligen Nähe alle ihre Sünden noch sündiger vor, noch unverzeihlicher, noch unverantwortlicher und abscheulicher. Wohl strafte sie sein ganzes Wesen. Wohl lagen in seinen Worten niederschmetternde Anklagen; wohl fühlte sie Jesu gegenüber erst recht, was für ein verlorenes Leben sie hatte, wieviel schlechten Samen sie ausgesät, wieviel Gelegenheiten Gutes zu tun sie versäumt hatte. Aber in Jesu Werken und Wort war auch noch etwas anders. Es war so etwas ermutigendes in seinen Reden, so etwas hoffnungsvolles und Hoffnung weckendes. Vielleicht hatte sie am Anfang gedacht: Ach, das ist für andere Leute, aber für mich nicht. Ach, hätte ich das früher gehört! Ach, hätte ich nicht so oft Gottes Gnade mit Füßen getreten! Aber was sie auch immer dachte und was der Mörder der Seelen, der Lügner von Anfang, ihr auch immer vorlog, endlich faßte sie Zutrauen zu Jesu. Endlich wagte sie zu denken: Ja, wenn der Heiland kam, um Verlorene zu suchen, dann kam er sicher für mich, denn in meinem Gewissen und Herzen klingt es ja fortwährend: verloren, verloren! Und je länger sie hörte, desto mehr Mut faßte sie. Ach, daß ihr es alle auch so machtet, die ihr Vergebung der Sünden bracht; daß ihr Jesu Worte und Jesu Bild solange auf euch wirken ließet, bis es in euer Herz hineingedrungen ist: Er ist auch für mich gestorben!

Doch wir wollen die Sünderin jetzt verlassen und uns zu dem Pharisäer wenden. Er war ein frommer Mann, nach der Meinung der Leute und auch wohl nach seiner eigenen Meinung. Er scheint kein Durchschnittspharisäer gewesen zu sein, denn die gewöhnlichen Pharisäer luden Jesum nicht ein. Und weil er ein klein wenig anders war als die andern, so konnte Jesus wenigstens zu ihm kommen; und er kam so gerne! Wie lehrreich für uns, die wir zwar gerne mit suchenden Seelen zu tun haben, aber nicht mit solchen, die nicht merken und wissen, daß sie verlorene Sünder sind, die kein klares Bewußtsein dafür haben, daß ihnen der wahre Friede fehlt, daß sie keine Vergebung und keine gewisse Hoffnung des Lebens haben.

Und wie behandelt Jesus diesen Mann? Nicht mit harten Vorwürfen, nicht mit unzarten Worten über seine Sündhaftigkeit, die der Mann gar nicht verstanden hätte, sondern mit ruhiger Freundlichkeit, die wartet, bis der Vater die Gelegenheit gibt, um den Mann auf seinen Herzenszustande aufmerksam zu machen.

Er kommt und legt sich zu Tische und läßt nichts davon verlauten, daß er mehr Aufmerksamkeit und Ehrerbietung verlangen kann. Und siehe, der Vater gibt ihm bald Gelegenheit, seinen Gastfreund in schonender und doch deutlicher Weise auf seine ungeahnte Krankheit aufmerksam zu machen. Als er des Pharisäers Gedanken wahrnimmt, da erzählt er ihm schlagfertig eine unverfängliche kleine Geschichte, auch hierin sich als den weisen Lehrer zeigend, von dem wir lernen können. Eine Geschichte wird zunächst mit Interesse angehört, das eingenistete Vorurteil verschließt des Hörers Ohr nicht und trübt sein Urteil nicht. Er fühlt sich nicht unmittelbar angegriffen und sieht im Spiegel des Beispiels deutlicher sein eigenes Gebrechen, als wenn man unmittelbar seine Wunden berührte. So auch in unserem Fall. Ohne Zögern urteilt der Pharisäer, daß der mehr liebe, dem mehr vergeben sei. Und nun ist für Jesum der Augenblick gekommen, wo er dem blinden Pharisäer in einer auch für ihn wahrnehmbaren Weise zeigen kann, daß er kein Gerechter ist, sondern ein Sünder, der von dem verachteten Weib zu Jesu Füßen viel lernen kann, der weniger Sündenerkenntnis, weniger Bedürfnis nach Gnade, weniger Glauben an Jesum, weniger dankbare Liebe hat, als das von ihm so gering geschätzte Weib. Laßt uns hier stille stehen! Hier gibt’s manches zu lernen! Vor allem ist dieser Teil unserer Geschichte dazu angetan, uns an das große Heer unserer Unterlassungssünden zu erinnern. Drei Unterlassungen weist der Heiland dem Pharisäer nach und einen Mangel an Liebe, der ihn das Weib und Jesum geringschätzen ließ. Und das alles war das Werk von ein paar Minuten. O Simon, wie schlecht nimmt sich in deinem Mund das Wort aus: „Sie ist eine Sünderin!“ Während du in derselben Zeit, wo jene durch ihren Glauben und ihre Liebe den Heiland erfreut und vielen ein gutes Beispiel gibt, dich einer dreifachen Unterlassungssünde, einer doppelten Lieblosigkeit und eines ungläubigen Zweifels schuldig machst, während du dich hochmütiger Ueberhebung schuldig machst, liegt jenes Weib zu Jesu Füßen, demütig und zerbrochen! Ach, wo wollen alle die guten braven Leute hin mit ihrer Gerechtigkeit, wenn der Herr Jesus anfängt, ihre Unterlassungssünden und deren Folgen ihnen vorzuhalten? Wir werden da erinnert an jene andere Rede Jesu, wo er zu denen zu seiner Linken spricht: „Mich habt ihr nicht gespeist, getränkt, bekleidet, besucht!“ Und wenn der Herr Jesus dann fortfährt, die Zweifelssünden, die Lieblosigkeiten, die hochmütigen Gedanken euch ins Auge zu stellen, o wo wollt ihr dann hin, ihr gerechten Leute?!

Und fällt euch bei Jesu Sanftmut nicht euer Zorn ein? Fällt’s euch, wenn ihr seht, wie er die Verachteten verteidigt, nicht ein, wie oft wir Menschen feige sind in der Verteidigung der Geringen, wie leicht wir das Recht beugen und die Person ansehen? Fallen euch bei Jesu Tischunterhaltung nicht die unzähligen, unfruchtbaren, salzlosen, oft geradezu schädlichen Gespräche ein, die wir Menschen führen, wenn wir nicht auf die Zucht des Geistes Gottes achten? Ach, nicht wahr, wenn wir hierüber nachdenken, dann merken wir, daß wir alle Gnade, viel Gnade bedürfen, daß wir Vergebung brauchen so gut wie jenes arme Weib. Ach, wenn unsere guten Taten – und eine gute Tat war es doch in des Pharisäers Augen, daß er Jesum einlud – so mangelhaft sind, wie muß es dann mit unsern Versäumnissen, Fehlern und Sünden stehen, wenn wir sie im Lichte Jesu betrachten?

Ich möchte dann ganz besonders noch auf einen Punkt aufmerksam machen, nämlich auf die Tatsache, daß der Pharisäer, der für die Sünderin kein Verständnis und kein Herz hatte, auch für Jesum kein wahres Verständnis besaß. Weil er sich nicht kennt, versteht er Jesum nicht, weil er seine Sünde nicht ahnt, hat er kein Verständnis für die, die er so weit unter sich glaubt und die ihm doch so weit voraus ist. Ernste Wahrheit und deutlicher Spiegel! O, manche Leute meinen, sie können deshalb doch Jesu nahestehen, wenn sie auch keine Sünderfreunde seien wie er. Nein, wer auf die Sünder herabsieht, sieht auch auf den Sünderfreund herab, der versteht das nicht, was das herrlichste an Jesu und an seinem Werke ist.

Finden wir, daß wir kein Herz haben für die verlorengehenden Menschen, dann wollen wir uns prüfen, ob wir nicht auch darum so wenig lieben, weil uns wenig vergeben ist, weil wir bis jetzt den Heiland noch nicht so nötig brauchten und uns unsre Sünde keine Not machte. Wo wenig Liebe zu Jesu und den Sündern ist, da ist auch wenig Gnade, denn in die Herzen derer, die Frieden mit Gott haben, ist die Liebe ausgegossen durch den Heiligen Geist, welcher ihnen gegeben ist.

Auch wir, die wir Kinder Gottes sind, dürfen uns immer wieder zurufen, ob der Pharisäersinn sich nicht da und dort in uns noch regt, ob der Richtgeist nicht sich bemerkbar macht, ob wir nicht, für Augenblicke wenigstens, vergessen haben, wie wir Christum Jesum, den Herrn, empfangen haben? Ach, laßt uns immer wieder unter das Kreuz gehen, immer wieder dort das Lamm anschauen, das um unserer Sünde willen geschlachtet ist! Das wird uns beugen und in der Demut bewahren, und das wird auch immer wieder die dankbare Gegenliebe in uns wecken, die uns treibt, Jesu die Ehre und die Liebe zu erweisen, die wir ihm früher nicht erwiesen haben. Ach, enteilt uns nicht noch so manche Spanne Zeit, in der wir nichts unserem Heiland zuliebe getan haben? Drängen die Gedanken an uns und an das Eitle nicht oft die Gedanken zurück an das, womit wir bei unserer Alltagsarbeit unseren Meister verherrlichen könnten? Möchte der Herr uns heilen von unserer Gedankenlosigkeit, die uns so vieles vergessen und versäumen läßt, was ihn freut und uns so manches tun läßt, was ihn nicht freut!

Möchten besonders die Verachteten und Verkürzten, die durch fremde und eigene Schuld Unglücklichen bei uns ein teilnehmendes Herz finden! Möchten wir das scharfe Auge der Liebe haben, das so rasch die Anfänge des neuen Lebens entdeckt, wie es unser Heiland tat! Möchten wir so schnell vergessen können wie er, der kein Wort redet von ihrer Sünde, wohl aber sie als Beispiel hinstellt um deswillen, was sie bereits getan hat für ihren Herrn und was er in das Wort zusammenfaßt: „Sie hat viel geliebt!“

Wie ermutigend ist diese Geschichte für alle, die das Evangelium verkündigen, ein Evangelium, das solche Umwandlungen zustande bringt!

Wie ermutigend ist dieses Wort für die, die sich als Sünder fühlen, denn es zeigt ihnen, was für Leute Jesus annimmt, wie er sie behandelt und was er aus ihnen macht. Wie ermutigend selbst für solche, die sich in der Stellung des Pharisäers befinden, denn Jesus kehrt auch bei Pharisäern ein und belehrt sie schonend, freundlich so, daß sie es verstehen können. Und daß er auch Pharisäer umwandeln kann, dafür ist Paulus ein beredtes Zeugnis. Und wie klar ist uns hier der Weg des Lebens gezeigt!

Was hat dem Weibe geholfen, was hat ihr die Vergebung gebracht? Das, daß sie Jesu Worten glaubte, denn er spricht: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Nur die Mißachtung dieses klaren Heilandswortes kann zu der irrigen Erklärung führen, daß die Liebe das erste gewesen sei bei jenem Weibe, und daß diese Liebe und die Liebestaten ihr die Vergebung erworben habe. Nein, diese Liebesbeweise waren die Früchte ihres Glaubens. Immer ist der Glaube das erste; man kann niemanden lieben, dem man nicht vertraut.

Damit, daß die Sünderin Jesu vertraute, war sie in der Verfassung, um der Vergebung teilhaftig zu werden.

Ihre Tränen waren Tränen dankbarer und reuiger Liebe, die sich freut, einen gnädigen Heiland gefunden zu haben, und die darüber trauert, daß sie ihn betrübt hat.

Glaube, das ist auch für uns der Weg zur Vergebung und zum Frieden! Jeder, der seine Sünde in ihrer Sündhaftigkeit erkannt hat und sich verloren sieht, der nicht mehr länger Jesu Liebe mit Füßen treten und ihn durch Mißtrauen verunehren will, der wird ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade, nämlich durch die Erlösung, die durch Christum Jesum geschehen ist. Nicht aus euch, Gottes Gabe ist es, denn aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben.

Was heißt das: dein Glaube hat dir geholfen? Nun, sie hat die kräftigen Eindrücke, die von der Persönlichkeit Jesu und seinem Wort auf sie ausgingen, auf ihr Herz wirken lassen. Sie hat ihr Herz nicht verschlossen für die Stimme aus der unsichtbaren Welt, die sie zu Jesu hin rief und hinzog. Sie hat nicht mehr auf die Stimme des Fleisches und der Welt gehört. Sie hat Gott einen Einfluß über sich eingeräumt, und das ist der Weg zum Leben; das ist das Leben, denn nun kann Gott an die Sünde herankommen; nun kann Gott ihrer Schwachheit zu Hilfe kommen; nun kann Jesus sie richten, reinigen, regieren. Das, daß sie glaubte und das, was sie glaubte, an was und der, an den sie glaubte, hat ihr geholfen. Und ein gleiches wird jeder erfahren, der angesichts dieser Geschichte, angesichts der Handlungsweise und der Worte Jesu den Mut faßt, ihm sein Geschick in die Hände zu legen.

Und wenn jemand sagen sollte, ja sie hatte aber mehr als wir, sie sah und hörte Jesum selbst, so antworte ich: Ja, aber sie hatte auch mehr Schwierigkeiten angesichts der Haltung der Pharisäer und Priester und Schriftgelehrten. Und dann ist der Geist Jesu jetzt so wirksam in Verbindung mit dem geschriebenen und geredeten Wort, daß der empfängliche Hörer und Leser mit derselben Macht den göttlichen Wahrheiten gegenübergestellt wird, wie dies in jenen Tagen der Fall war. Und endlich haben wir Christi vollendetes, von Gott durch Ostern und Pfingsten bestätigtes Werk. Die aufopfernde, der Welt Sünde tragende, wegbahnende Liebe Jesu war schon zu der Stunde in Wirksamkeit und erkennbar, als das Weib glaubte. Aber wir sehen und haben mehr denn sie, weil wir das ganze Leben Jesu haben. Darum blickt aufs Kreuz, blickt auf das offene Grab, schaut auf die gläubige Gemeinde, das Werk von Pfingsten, von da jeder einzelne diese Worte hörte, und die Jesus auch jedem Glaubenden unter euch zurufen will: „Deine Sünden sind dir vergeben, dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin im Frieden!“

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