Schopf, Otto - Der Todesweg Jesu, eine Verherrlichung des Vaters.

Schopf, Otto - Der Todesweg Jesu, eine Verherrlichung des Vaters.

Jetzt ist meine Seele betrübet. Und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde! Doch darum bin ich in diese Stunde kommen. Vater, verkläre deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn verkläret, und will ihn abermal verklären. Da sprach das Volk, das dabeistund und zuhörte: Es donnerte. Die andern sprachen: Es redete ein Engel mit ihm. Jesus antwortete und sprach: Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen. Jetzt gehet das Gericht über die Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden. Und ich, wenn ich erhöhet werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen. (Das sagte er aber, zu deuten, welches Todes er sterben würde.) Da antwortete ihm das Volk: Wir haben gehöret im Gesetz, daß Christus ewiglich bleibe; und wie sagest du denn: Des Menschen Sohn muß erhöhet werden? Wer ist dieser Menschensohn? Da sprach Jesus zu ihnen: Es ist das Licht noch eine kleine Zeit bei euch. Wandelt, dieweil ihr das Licht habt, daß euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hin gehet. Glaubet an das Licht, dieweil ihr’s habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid.

Johannes 12,27-36.

Der Gedanke an den Sterbensweg, dessen Nähe ihm die Griechenfrage angekündigt, dessen Notwendigkeit und herrliche Frucht Jesus soeben gezeigt hatte, war darum, weil er das Ende sah, für Jesum doch kein leichter, sondern vielmehr ein die Seele erschütternder. Er sah den Tod und seine Schrecklichkeit, wie kein anderes menschliches Auge ihn je gesehen hat. Er ssah die Feindschaft der Sünder, und die Gottwidrigkeit und Unnatürlichkeit des Sterbens empfand er, der die Wahrheit ist, tief und klar. Und so spricht er es aus: Jetzt ist meine Seele erschüttert.

Dieser Ausspruch gehört in die Linie der beiden andern Aussprüche Luk. 12,50 und Matth. 27,46. Sie zeigen, daß Jesus nicht als ein marmorner oder überhaupt gegen Furcht und Schrecken gepanzerter Heiland dem Leiden entgegen ging, sondern daß er die Wahrheit und Tiefe des Leidens empfand.

“Und was soll ich sagen?“ Es ist eine innere Arbeit des Denkens und Wollens ebenso wie des Fühlens. Darum wohl fragt er sich. Es dürfte doch wohl keine rethorische Frage sein. Er bliebe in seiner Abhängigkeit, wenn er den Vater bäte: “Vater, hilf mir aus dieser Stunde!“ Diese Bitte würde Gott auch ehren, aber sie würde nicht nur die Verherrlichung des Vaters im Auge haben. Dazu aber ist er in die Welt gekommen, daß der Vater verherrlicht werde. Darum verwirft er diese Frage und fleht zum Vater: “Vater, verherrliche deinen Namen!“

Nach dem, was der Heiland in Joh. 15 ausführt, wird der Vater geehrt durch vieles Fruchtbringen. Das Fruchtbringen ist aber nur möglich auf dem Weg des Sterbens. Darum erwählt, ja erbittet er nun das Sterben. Damit ist eine wichtige Entscheidung gefallen und Gott gebeten, den Weg zu beschreiten, von dem nicht nur seiner Jünger ewiges Heil, sondern auch die Verherrlichung des erhabenen Namens Gottes abhängt.

Diese in der Gegenwart seiner Jünger ausgesprochene Bitte läßt Gott nicht ohne vernehmbare Antwort: “Ich habe ihn verkläret und will ihn abermal verklären.“ Das ist das drittemal, daß Gott vom Himmel redet. Das erstemal war es bei der Taufe, als Jesus als das Lamm Gottes, welches alle Gerechtigkeit erfüllte, zum Jordan kam. Das zweitemal war es auf dem Berge der Verklärung, als er mit Mose und Elias von dem Ausgang redete, den er nehmen sollte zu Jerusalem, und hier ist es nun das drittemal.

Ein Moment, den Gott durch eine Rede vom Himmel auszeichnet, muß ein recht wichtiger sein. Das ist der erste Eindruck, den wir von dieser Rede haben, auch wenn wir den Inhalt noch nicht verstehen und noch nicht die Wichtigkeit selbst erkennen.

Es läge nahe, zu denken, daß es sich hier, wie später in dem Kampf in Gethsemane, auch um eine Stärkung Jesu handele, aber das weist der Heiland ab: “die Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen.“ Soll sie Jesu Leiden und Sterben ausdrücklich vom Himmel herab im voraus rechtfertigen? Die Gottverlassenheit am Kreuz gab keinen Raum zu einer solchen Erklärung. Der Wortlaut der Antwort entspricht dem Wortlaut der Bitte des Heilandes ebenso wie auch dem Inhalt.

Die Auffassung des Todesweges als eines Weges der Verherrlichung Jesu und des Vaters ist dem menschlichen Denken und Wesen, wie es durch die Sünde geworden ist, so zuwiderlaufend, daß auch sie die Bestätigung des Ausspruches Jesu an die Griechen durch den Vater rechtfertigt, gerade wie bei der Taufe Jesu Handlungsweise, die dem Verständnis des großen Täufers nicht entsprach, eine göttliche Bestätigung erfuhr, und wie die Verklärung Jesu und das Reden von seinem Ausgang parallel miteinander laufen. Hier an diesem Punkt, wo unsere Schwachheit und die Lügenmacht Satans uns nur Schrecken, Schmerz und Schmach zeigen, bestätigt Gott, daß Leiden und Herrlichkeit aufs engste miteinander zusammenhängen. Und so fällt in unsere Schwachheit, in unsern Schmerz und Schrecken, in unsere Trübsal und in unsere Leiden als helles Licht Jesu Wort und des Vaters Bestätigung, daß er auf diesem Wege seinen Namen, Jesu Namen und ebenso auch uns verherrlichen werde.

Der Ausspruch des Vaters weist zurück auf frühere Verherrlichungen. Wir haben uns schon der andern Gelegenheiten erinnert, wo Gott vom Himmel sprach und sich und Jesum verherrlichte. Wir können hier auch denken an die Auferweckung des Lazarus, die Jesus ähnlich öffentlich erflehte, und auch an die Heilung des Blindgeborenen, die in besonderer Weise zur Verherrlichung des Namens Gottes beitrug. Außerdem dürfen wir hier des ewigen Ratschlusses Gottes gedenken, durch den in der unsichtbaren Welt schon vor der Zeit der Name Gottes verherrlicht wurde und kraft dessen er in der Zeit durch die Offenbarung Jesu Christi verherrlicht werden sollte. In Jesu Niedrigkeit und Sterbensweg wird Gottes Heiligkeit, Gerechtigkeit und Gnade ebenso verherrlicht, wie in seinem Herrlichkeitsweg.

Die zuhörende Menge hat die göttliche Kundgebung verschieden aufgefaßt. Etliche waren der Meinung, es habe gedonnert, andere hatten eine artikulierte Sprache vernommen, die ihnen, ihres himmlischen Ursprungs wegen, als Engelsbotschaft erschien. Es wird aber nicht gesagt, daß sie die Sprache verstanden haben, sonst hätten sie wohl auch begriffen, daß es die Stimme Gottes sei, da der Ausspruch in der ersten Person getan wurde. Johannes und wohl auch die andern Jünger verstanden den Wortlaut. Jesus aber erläutert nun, seiner Bewegung sofort Herr geworden und schon wieder um andere besorgt, sofort den Zweck der Rede.

“Nicht um meinetwillen ist diese Stimme geschehen, sondern um euretwillen.“ In welchem Sinne wir diese Worte verstehen, ist oben schon angesprochen, vielleicht geben uns aber auch die nachfolgenden Worte noch ein besonderes Licht über dieselben:

“Jetzt ist das Gericht dieser Welt; jetzt wird der Fürst (Beherrscher) dieser Welt hinausgeworfen werden.“ Es ist oben schon erwähnt, daß Gottes Name verunehrt war in der Welt. Der Urheber dieser Verunehrung ist der, der tatsächlich in dieser Welt eine Herrschaft ausübt, der Teufel. Jesus hat den Vater gebeten, diese Verunehrung aufzuheben, und sich selbst bereit erklärt, das zu tun, was seinerseits dazu nötig ist. Damit ist das Gericht über den Satan eingeleitet. Was hat Satan aus der Welt gemacht, wenn in ihr der Sohn Gottes, weil er Gott verherrlicht und verherrlicht sehen will, sterben muß! Was hat er aus ihr gemacht, daß in einer Schöpfung des Gottes, der der Quell alles Lebens ist, ein Sterben Raum hat, das an sich Gott nicht verherrlicht, sondern dem Willen Gottes entgegengesetzt ist! So richten ihn Jesu Worte.

Aber nicht nur Jesu Worte, sondern vielmehr noch Jesu Gesinnung und Handlungsweise, Jesu Tun und Leiden richten den Fürsten dieser Welt. In die widergöttlich bestimmte Welt ist einer eingetreten, der kam, um Gottes Willen zu tun, dem es Speise, Lebensnotwendigkeit und Lebensförderung war, Gottes Willen zu tun um jeden Preis. Der gibt sein Leben in diese Welt des Sterbens hinein und das ist der Tod des Todes, denn damit gibt er der Welt das Leben und verdrängt auf heilige, herrliche Weise und durch eine unwiderstehliche Macht den Machthaber den Fürsten dieser Welt, aus seinem Herrschaftsgebiet hinaus.

“Dieser Welt.“ Das Wort redet von einer Welt, in der der Satan herrscht im Gegensatz zu einer, in der er nicht herrscht. In der Welt der Herrlichkeit, in den himmlischen Oertern herrscht er nicht; sein Herrschergebiet liegt in dieser Welt, auf der Erde und ihrer Umgebung, in der Finsternis dieser Welt, unter dem Himmel, da herrscht Satan. und aus dieser Welt wird er ausgeworfen. Noch sehen wir nicht, daß er schon seine Herrschaft verloren hat, aber er ist nicht mehr unumschränkter Herr, Jesus hat ihm die Macht genommen. Grundsätzlich ist er schon um seine Herrschaft gekommen, denn Jesus herrscht jetzt schon mitten unter seinen Feinden. Und bald kommt der Tag, wo die Herrschaft Satans auf dieser Erde tatsächlich aufhören muß. Jesus ist der Herr aller Herren und der König aller Könige. Bald wird er kommen, um sein Reich einzunehmen und die Herrschaft, die er jetzt schon besitzt, öffentlich auszuführen. Gelobt sei sein herrlicher Name.

“Und ich, wenn ich erhöhet werde von der Erde, so will ich sie alle zu mir ziehen.“ Während Satan hinausgeworfen wird, wird Jesus erhöht, erhöht von der Erde. Seine tiefste Demütigung ist der Beginn seiner Erhöhung. In seiner abstoßenden Gestalt übt er die größte Anziehungskraft aus. Der Ausdruck: erhöht aus der Erde, ist doppeldeutig; er weist sowohl hin auf das Kreuz, als auch auf die Auferstehung Christi.

“Das sagte er aber, zu deuten, welches Todes er sterben würde.“ In seiner größten Schwachheit zieht er alle zu sich; in gewissem Sinne auch seine Feinde, die er um sein Kreuz vereinigt; im Vollsinn jedoch seine Freunde, die Gläubigen. So hilft er seinem Diener, zu sein, wo er ist, indem er ihn zieht ans Kreuz. Er erhöht seine Kinder und Diener, indem er sie ans Kreuz zieht und von der Erde trennt. Diese Stellung zwischen Himmel und Erde, die Jesus in seiner tiefsten Erniedrigung einnimmt, entspricht dem Mittleramt, welches er übernommen hat.

Noch herrscht Satan, indem er nicht gehorcht; dann wird Jesus ihn überwinden, indem er gehorsam ist bis zum Tode am Kreuz. Jetzt herrscht Satan durch seine Eigenliebe, dann wird Jesus die Leute zu sich ziehen durch seine gekreuzigte Liebe. Jetzt herrscht Satan mit List und Macht, dann wird Jesus herrschen in Wahrheit und Gerechtigkeit und in der unwiderstehlichen Macht seiner Liebe. Jetzt verheißt Satan den Menschen Leben und bringt ihnen den Tod, dann führt Jesus zum Tode des Eigenlebens und bringt das Leben. In den wenigen Worten des 32. Verses malt Jesus seinen Jüngern und dem Volk seinen Tod, die Art seines Todes und die Bedeutung desselben vor die Augen.

So deutlich der Heiland in den Versen 32 und 33 geredet hatte, so verstanden ihn die Zuhörer doch nicht. Etliche vom Volk sehen in ihm den Messias oder doch einen Anwärter auf die Messiaswürde; nun will dieser Jesus nicht bei ihnen bleiben, sondern erhöht werden, davon scheint ihnen die Schrift nichts zu sagen. Sie sahen überhaupt Kreuz und Grab nicht, sondern erwarteten einen Messias ohne dieselben. Soll Jesus nun nicht der Erwartete sein? Hat er das Gesetz gegen sich, oder ist der Menschensohn ein anderer als der Messias?

Der Heiland beantwortet die Fragen der Menschen oft nicht dem Buchstaben nach. Auf die Frage: Wer ist dieser Menschensohn? antwortet er: “Es ist das Licht noch eine kleine Weile bei euch. Wandelt, dieweil ihr das Licht habt, daß euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingeht. Glaubet an das Licht, dieweil ihr es habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid.“

Statt von dem Messias und Menschensohn redet er nun von dem Licht, das bei ihnen ist noch eine kleine Zeit, das ausgenutzt werden muß, solange es da ist, damit nicht die Finsternis die Wanderer überfalle. Denn der Wanderer in der Finsternis weiß nicht, wo er hingeht. Wer sich aber dem Licht öffnet, es aufnimmt, der wird zum Kind des Lichtes werden, dessen Fuß nicht im Finstern zu tappen braucht. Es handelt sich hier nicht um eine theoretische, sondern um eine ethische Frage. Ihre Frage verriet nicht ein theoretisches, sondern ein ethisches Dunkel. Wenn ihre ethische Stellung sich nicht änderte, nützte eine Aenderung der theoretischen nichts. Wenn sie auch zunächst den Sinn seiner Worte nicht verstanden, mußten die empfänglichen Herzen doch durch den Ernst, die Besorgnis, wurzelnd in jener heiligen Liebe zu den Menschen und zu dem Lichte, angezogen werden. Ohne Zweifel wurden sie davon überzeugt, daß hier nicht ein Schwärmer oder gar ein Lügner zu ihnen rede, sondern der, der von sich sagen kann: Ich bin die Wahrheit!

Ihre Unwissenheit zeigt ihr In-der-Finsternis-sein. Seine ruhige Bestimmtheit, seine bestimmte Klarheit zeigt seine Lichthaftigkeit. Sein Wort: „Auf daß ihr des Lichtes Kinder werdet,“ zeigt, daß sie es nicht sind, aber es zeigt auch, daß sie es werden können und wie sie es werden können, indem sie nämlich im Lichte wandeln und der Klarheit des Lichtes sich erschließen.

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