Roos, Magnus Friedrich - Christliche Gedanken von der Verschiedenheit und Einigkeit der Kinder Gottes,

Roos, Magnus Friedrich - Christliche Gedanken von der Verschiedenheit und Einigkeit der Kinder Gottes,

verfasst von M. Magnus Friedrich Roos, damals Diakonus zu Göppingen, zuletzt Prälat zu Anhausen,
wieder herausgegeben von einem Enkel desselben,
Pfarrer M. W. Fr. Roos zu Ditzingen.
Stuttgart. Verlag von J. F. Steinkopf. 1850.

Vorwort des Herausgebers.

Der Hinblick auf die Zustände unserer vaterländischen Kirche insbesondere einerseits, und andererseits auf das, was der so vielfach zerspaltenen Kirche im Großen, und Allgemeinen Not tut, veranlasste einige Freunde der christlichen Wahrheit, sich nach einem Wort aus alter Zeit für unsere Zeit umzusehen, nach einem Wort im Geist der echten Liebe. Sie glauben, was sie suchten, gefunden zu haben, in diesem, nun wieder ans Licht geförderten, längst vergriffenen Büchlein über die Verschiedenheit und Einigkeit der Kinder Gottes. Es erlebt dasselbe hiermit seine dritte Auflage. Der beauftragte Herausgeber desselben, ein Enkel des Verfassers, wünscht ihm auf seinen neuen Gang den lieblichen und ewig dauernden Segen derjenigen, die den Frieden verkündigen, die das Gute verkündigen. Röm. 10,15. Matth. 5,9.

Ditzingen, den 2. September 1850.

Pfarrer M. W. Fr. Roos.

Vorrede zu der ersten Auflage.

Die Verschiedenheit der Kinder GOttes auf Erden kann einen Menschen, der ein zartes Gewissen hat, und weder die Liebe verletzen noch der Wahrheit etwas vergeben will, in manches Gedränge bringen, und ihn an der Freudigkeit des Glaubens, die er in der Nachfolge Christi beweisen solle, hindern: darum habe ich in diesen Blättern mir und Andern diejenigen Wahrheiten vorhalten wollen, welche zur Beruhigung des Herzens und zu einem rechtschaffenen Verhalten hierin dienen können.

Göppingen, den 6. September 1764.

Christliche Gedanken von der Verschiedenheit und Einigkeit der Kinder Gottes

§. 1. - Es gibt eine Verschiedenheit unter den Kindern GOttes.

Wenn man die Schriften der heiligen Propheten und Apostel mit einander vergleicht, so sieht man, dass ihr Vortrag ein verschiedener gewesen sei, und wenn man das alte Testament mit dem Neuen vergleicht, so erkennt man deutlich, dass man im Alten in vielen Stücken anders gedacht, geredet und gehandelt habe, als in dem Neuen. Zu der Zeit der Apostel gab es viele tausend gläubige Juden, welche Eiferer über dem Zeremonialgesetz Mosis waren, Ap. Geschichte 21,20., da hingegen die Gläubigen aus den Heiden nichts davon beobachteten. Wer heut zu Tag die Schriften der alten Kirchenväter und die Nachrichten von den alten Einsamen liest, der findet, dass zwischen ihnen und den Schriften und Lebensarten der heutigen Kinder und Knechte GOttes ein merklicher Unterschied sei. Und wer nicht parteiisch ist, erkennt, dass GOtt nicht nur in der evangelisch-lutherischen, sondern auch in der reformirten, römisch-katholischen, griechischen und in anderen Kirchen Seine Kinder habe. Wenn aber diejenigen, die in verschiedenen Kirchen aufgewachsen sind, einander begegnen, so können sie einander gemeiniglich wenig verstehen, und taugen selten zum vertraulichen Umgang für einander, weil sie verschiedener Art sind. Auch diejenigen, die sich zu Einer Kirche mit einander bekennen, sind nicht von Einer Art. Einige reden mehr und ausführlicher von geistlichen Erfahrungen, oder von dem Werk des Heiligen Geistes im Herzen, Andere mehr von dem Werk der Erlösung, das der Sohn GOttes ausgerichtet hat, und von einem einfältigen Glauben, wobei die mannigfaltigen geistlichen Erfahrungen zwar nicht geleugnet oder übergangen, aber doch nicht so deutlich auseinander gewickelt werden. Einige drücken sich von der Buße, von dem Glauben und von dem neuen Gehorsam so aus, Andere anders. Einige sehen ein Kind GOttes lieber fröhlich, andere lieber traurig oder doch tiefsinnig. Wiederum gibt es Einige, welche den öffentlichen Gottesdienst und die Sakramente mit Hochachtung und Segen gebrauchen; Andere aber geben vor, dass sie davon ganz oder zum Teil in ihrem Inwendigen abgezogen werden, und bleiben mehr für sich, oder halten sich nur zu Wenigen, die ihres gleichen sind usw.

§. 2. - Wie weit diese Verschiedenheit der Kinder GOttes gehe?

Es ist gewiss, dass man bei aller Verschiedenheit, auch eine große Einigkeit unter allen Kindern GOttes antrifft. Der Dreieinige GOtt, den sie Alle anbeten, ist und bleibt ihres Herzens Trost und ihr Teil. In Ihm finden sie Licht, Leben und Ruhe, außer Ihm nicht. Christus ist ihnen Allen der Weg zum Vater. Sie wissen und spüren, dass nicht ihr eigenes Tun und Lassen, sondern Christus allein der Grund ihrer Zuversicht und Hoffnung zu GOtt sei. Sie erkennen, dass es keine heilsame Erkenntnis und wahre Heiligkeit gebe, als diejenige, die ihnen GOtt um Christi willen durch Seinen Geist schenkt. Sie sind Alle darin Eins, dass man züchtig, gerecht und gottselig in dieser Welt leben, und dem Vorbild Christi immer ähnlicher werden müsse. Sie wissen auch, dass allerlei Leiden, die GOtt auflegt, dabei nötig und heilsam seien, und dass den Gerechten in der Ewigkeit eine überschwängliche Freude und Herrlichkeit zu Teil werde. Diese und andere dergleichen Wahrheiten sind nicht nur unter allen Kindern GOttes außer Streit gesetzt, sondern auch in ihren Herzen von GOtt Selbst so bestätigt, dass sie darauf leben und sterben können. Die heilige Schrift ist dabei ihre Richtschnur und unfehlbares Lehrbuch, und das Gebet ihr gewisses Mittel, allerlei gute und vollkommene Gaben von GOtt zu erlangen. Die Welt gewinnt also nichts, wenn sie sich über die Verschiedenheit der Kinder GOttes aufhält. Diese sind im Grund unter sich Eins, aber von der Welt, die im Argen liegt, von Grund aus geschieden. Der Geist, der in ihnen ist, ist ein ganz anderer, als der Geist, der in Kindern des Unglaubens sein Werk hat. Die wahrhaftigen Eindrücke, welche GOtt durch Sein Wort in die Herzen Seiner Kinder gemacht hat, sind von den lügenhaften Bildern und Begierden, welche die ungläubigen Seelen von einer Sünde in die andere jagen, so weit unterschieden, als das Licht von der Finsternis. Ein Weltmensch sei der göttlichen Wahrheit, die allen Kindern GOttes kräftig und gewiss ist, gehorsam: so wird er auch ein Kind GOttes, und alsdann wird ihm seine Verschiedenheit von den übrigen Kindern GOttes an der Erlangung der ewigen Herrlichkeit nicht hinderlich sein.

§. 3. - Wie fern diese Verschiedenheit von GOtt herkomme?

Es ist gewiss, dass der gute Wille GOttes eine Verschiedenheit unter Seinen Kindern wirkt, damit sich Sein unerforschlicher Reichtum und Seine unbegreifliche Weisheit auch in der Mannigfaltigkeit derselben offenbare. GOtt hält diese Weise in der sichtbaren Natur: warum nicht auch in der unsichtbaren? Kein menschliches Angesicht ist dem andern vollkommen ähnlich: so ist auch kein erschaffener Geist, er habe nun entweder nur die erste oder auch die andere Schöpfung in Christo erfahren, dem andern vollkommen gleich. Das neue Jerusalem hat zwölf verschiedene Edelsteine zum Grunde, und auf einem jeden Edelstein steht der Name eines Apostels. Gleichwie nun die Edelsteine unter sich eine Verschiedenheit haben, so sind auch die Apostel nach dem wohlgefälligen Willen GOttes bei aller Einigkeit im Geist ewiglich unterschieden. Auf den zwölf Toren des neuen Jerusalems stehen die Namen der zwölf Geschlechte Israels. Hieraus schließt man billig, dass der wahre Samen Abrahams, Röm. 4, das wahre Israel, das GOttes Eigentum vor allen Völkern ist, ewiglich in zwölf Stämme eingeteilt bleibe. Dass aber bei dieser Einteilung nicht allein auf die natürliche Geburt gesehen werde, erhellt daraus, weil auch viele auserwählten Seelen aus den Heiden dazu gehören. Zu welchem Stamm Israels wird nun eine jede Seele gerechnet werden? Ohne Zweifel zu demjenigen, dessen geistlichen Charakter sie in sich hat? Die zwölf Stämme haben also zwölf geistliche Charaktere, welche bei ihrer Verschiedenheit die allerlieblichste Symphonie machen werden. Auch auf Erden zeigt die Erfahrung, dass GOtt eine jede Seele anders bildet und führt als die andere, und der einen diese, der andern jene vorzügliche Gabe gibt. Paulus sagt, 1. Kor. 12,4. u. ff. Es sind mancherlei Gaben, aber es ist Ein Geist, der sich in allen diesen Gaben verschiedentlich offenbart. Es sind mancherlei Ämter, (Bedienungen oder Arten des Dienstes, den man GOtt und seinem Nächsten leisten soll) aber es ist Ein HErr, (Christus, der als der König Seines Volks, als das Haupt der Gemeine, als der Pfleger des himmlischen Heiligtums alle solche Bedienungen unter Sich hat und austeilt) und es sind mancherlei Kräfte, aber es ist Ein GOtt, der da wirkt Alles in Allen. In einem Jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutzen, (durch diesen gemeinen Nutzen, der durch den liebreichen Gebrauch der Gaben erreicht wird, wird die Vereinigung der Gläubigen gestiftet und unterhalten), Einem wird gegeben durch den Geist zu reden von der Weisheit, dem Andern wird gegeben zu reden von der Erkenntnis nach demselben Geist. Die Weisheit geht mit den Werken, Wegen, Gerichten und Geheimnissen GOttes um, und sieht den Zusammenhang der geistlichen und leiblichen Dinge ein; die Erkenntnis aber geht mit Sachen und Personen um, die sie einzeln, oder in einzelnen Gattungen prüft, schätzt, liebt oder hasst. Weisheit gehört dazu, wenn man die Offenbarung Johannis oder auch nur etwas davon verstehen soll, Offenb. 13,18. Hingegen sagt Petrus 1. Petr. 3,7. ein Mann soll bei seinem Weibe mit Erkenntnis, d. i. mit einer liebreichen Einsicht in ihre Notdurft, Tugenden, Schwachheit usw. wohnen; also gibt sie denn überhaupt einem Jeden das rechte Geschick, dem Nächsten recht zu begegnen. Die Weisheit ist ein tiefer und weiter Verstand des Wortes GOttes: die Erkenntnis eine Geschicklichkeit, dasselbe recht an den Mann zu bringen, und auf eine zärtliche oder scharfe, gelinde oder drohende Art, wo es sein soll, zu applizieren. Salomo bekam Weisheit in einem sehr reichen Maß, aber in einem niedrigeren Grad, als die Propheten, denn er bekam die tiefen Einsichten in die unsichtbare Welt, und die Offenbarungen von zukünftigen und geheimen Begebenheiten nicht, welche die Propheten erlangten. Insofern unterscheidet der Heiland Matth. 23,34. Propheten und Weise von einander; gleichwie auch Eph. 1,17. Weisheit und Offenbarung unterschieden werden, weil jene eine bleibende Gabe, diese aber ein vorübergehende Einstrahlung des göttlichen Lichts ist, die hier und da besonders nötig ist. In unserem Text wird die Weisheit nicht nur von der Erkenntnis, sondern auch von der Weissagung, die V. 10. vorkommt, unterschieden: ob sie wohl in andern Stellen insbesondere in den göttlichen Lobsprüchen, Offenb. 5, 12. 7, 12. alles, was sonst auf eine geteilte Weise Erkenntnis und Weissagung heißt, in sich begreift; gleichwie auch 1. Kor. 13,8.9. von der Erkenntnis so geredet wird, dass dabei auch die Weisheit, die aus derselben fließt, gemeint ist. GOtt gibt nicht nur Weisheit, sondern auch eine Rede der Weisheit, so dass man nicht nur im Geist weise ist, sondern auch im Sinn deutliche Gedanken fassen, und davon einen tauglichen Vortrag halten kann. Also gibt er auch eine Rede der Erkenntnis, denn durch die Rede wird vornehmlich die Weisheit und die Erkenntnis Anderen nützlich, wiewohl auch die Feder der Zunge Stelle vertreten kann. Alle gründlichen und tiefen Auslegungen der Werke, Wege und Gerichte GOttes, alle allgemeinen Erklärungen der göttlichen Geheimnisse sind Reden der Weisheit: alle herzlichen, zärtlichen oder auch eifernden Reden, mit Einem Wort, alle applicaten zugeeigneten, und angewandten Reden sind Reden der Erkenntnis. Die Rede der Weisheit wird gegeben durch den Geist, als welcher Blicke in die göttliche Wahrheiten gibt, die sich durch ihre Klarheit, Einfalt, Kraft und Zusammenhang mit andern gleich selbst rechtfertigen. Der Geist ist da das Licht, durch das die Wahrheit, die man einsieht und redet, helle gemacht wird. Die Rede der Erkenntnis aber wird gegeben nach dem Geist. Denn hier sieht man einzelne Sachen und Personen vor sich, die nicht erst entdeckt, sondern nur geschätzt und geprüft werden müssen. Dieses geschieht dann nach dem Geist, so dass der Geist der Prüfstein ist. Ein innerlicher geistlicher Geschmack, ein geistliches Gefühl, eine Regel, welche der Geist in der Schrift ausgesprochen hat, ist die Richtschnur, nach welcher man urteilt oder handelt. Kann man aber die Weisheit ohne alle Erkenntnis, und die Erkenntnis ohne alle Weisheit haben? Mitnichten. Aber wer stark in der Weisheit, und in der Rede derselben ist, kann hingegen schwach in der Erkenntnis und in der Rede derselben sein, und so auch umgekehrt. 1. Kor. 14,6. werden die Offenbarung, und die Erkenntnis, und Weissagungen, und die Lehre von einander unterschieden. Von einer Offenbarung handelt Paulus 2. Kor. 12,1. und ff.; seine Erkenntnis oder Einsicht in die vorliegenden Umstände zeigt er, wo er die Korinther lobt und schilt, dem Blutschänder mit dem Bann droht, in Ansehung der Ehe, und des Götzenopfers einen klugen, und nach der damaligen Zeit eingerichteten Bescheid gibt, usw. Weissagungen sind 1. Kor. 15,24.28.41.42. enthalten. Lehren aber von Christo dem Gekreuzigten, vom Glauben, von der Liebe, von der Hoffnung der Auferstehung und des ewigen Lebens und dergleichen in allen Kapiteln. Diese allgemeinen Lehren sind Reden der Weisheit, welche den Aposteln in großem Grad gegeben war. Was gibt es aber mehr für besondere Gaben? Einem Andern, spricht Paulus, wird gegeben der Glaube in demselben Geist; einem Andern die Gabe, gesund zu machen in demselben Geist. Diese Gaben sind etwas Inniges, und brechen nicht so oft in äußerliche Werke, oder in Mitteilungen gegen Andere aus, als die Reden der Weisheit und der Erkenntnis, darum wird hier die Redensart in demselben Geist gebraucht. Wer also nicht viel lehren, oder den Leuten ans Herz reden kann, hat etwa einen heroischen Glauben, der bei seiner Unmündigkeit große Dinge wagen, und große Leiden ausstehen und überwinden kann. Die Gabe gesund zu machen ist zu unserer Zeit, da man auf menschliche Wissenschaften, und nicht auf den Geist zu vertrauen gewohnt ist, ziemlich unbekannt worden, doch aber nicht erloschen. Sie wird von den Wundern, die V. 10. genannt werden, unterschieden, und schließt also die natürlichen Mittel nicht aus. Die Wunder, die Weissagung, die Unterscheidung der Geister, die Sprachen und die Auslegung derselben V. 10. sind uns als Geistesgaben meistens unbekannt worden; so gemein sie zu den Zeiten der Apostel waren. Ist die Kirche mit diesen Gaben untreu umgegangen, dass sie dieselben verloren hat? hat GOtt dieselben entzogen, weil der Gebrauch derselben meistens unnötig und gefährlich worden ist? Dieses mögen Verständige untersuchen. Wir schließen aber aus diesem allem, dass der Unterschied der Gaben, der von dem Willen des Einigen Geistes herkommt V. 11., eine Verschiedenheit unter den Kindern GOttes mache, die nicht zu tadeln, sondern zu bewundern ist. Paulus vergleicht sie deswegen in eben diesem Kapitel mit den verschiedenen Gliedern eines Leibes, die zu verschiedenen Geschäften bestimmt sind. Das eine Kind GOttes muss die Stelle eines Fußes, das andere eines Auges, Ohres oder einer Hand vertreten. Die Ehre bei GOtt und die Gnadenbelohnung richtet sich nicht nach dem Ansehen. Niemand lasse sich seine eigene Gabe gering dünken, Niemand verachte den Bruder neben sich. Ein jeder erwecke und brauche die Gabe, die ihm verlieben ist, Röm. 12,7.8., und begehre kein Universalgeist zu sein, der alles wissen, alles können, alles unternehmen müsste, denn aus solchem Übermut entstehen ungeschickte Werke, deren man sich in der Ewigkeit schämen wird. Wenn in einer Gemeine alle Glieder einander so ähnlich sind, dass wenn man Eines gesehen, oder gehört hat, es so viel ist, als ob man alle gesehen oder gehört hätte: so ist es kein gutes Zeichen, denn bei der Eintracht sollte eine Mannigfaltigkeit der Geistesgaben vorhanden sein, und das eine Glied diese, das andere jene Gabe vorzüglich zeigen. Wenn man nun ferner bedenkt, wie die göttliche Vorsehung den einen in diesem, den andern in jenem Land, Stadt oder Dorf oder Geschlecht geboren und erzogen werden lässt, dem einen diese, dem andern jene geistlichen Lehrer und Schriften zuweist, und einen Jeden durch andere Erfahrungen der Leiden und Wohltaten führt, als den andern: so ergibt sich wiederum, dass eine gewisse Verschiedenheit der Kinder GOttes von GOtt Selbst herkomme, und also ungetadelt bleiben müsse.

§. 4. - Wiefern diese Verschiedenheit aus bösen Quellen entspringe?

Es ist kein Zweifel, dass das Fleisch und der Satan geschäftig sind, die Kinder GOttes nur allzu weit aus einander zu setzen. Man trifft Kinder GOttes an, die verschiedener Meinung in Religionssachen sind. Unter den zwei Meinungen, die einander gerade widersprechen, kann nur die eine wahr sein; wer also irrt, hat seinen Irrtum nicht von GOtt, sondern von seinem Fleisch und dem Satan. Du sagst: ich sei zu streng, und mich dünkt: du seist zu leichtsinnig. Es kann beides wahr sein. Aber das Übertriebene, das ich und du an uns haben, und das uns von einander unterscheidet, ist nicht göttlich, sondern menschlich, oder gar eine Überredung des Satans. Du machst dir ein Gewissen aus Dingen, die ich mit Ruhe des Herzens tue; ich aber soll dich nicht darüber richten, das ist, keiner Argheit beschuldigen, und du mich nicht; doch rührt entweder deine Skrupulosität oder meine Freiheit aus einem Mangel des Glaubens her, und dergleichen. Du denkst vielleicht hierbei: warum berichten denn Kinder GOttes einander nicht, dass sie in allen Stücken Eins werden? Ja wohl! aber auch hier steht eine große Schwachheit des Fleisches im Wege. Die Eigenliebe denkt zum voraus: ich habe recht. Die parteiische Hochachtung der gewohnten geistlichen Führer, Schriften und Mitgenossen macht einen Manchen gegen alle Einreden unleidsam. Sie macht aber auch schüchtern, sich anders belehren zu lassen, damit man bei ihnen den Kredit nicht verliere. Der Mangel an der Weisheit macht, dass man sich nicht deutlich und gründlich genug ausdrückt, oder die deutlichsten Ausdrücke nicht recht fasst: und der Mangel an der Erkenntnis macht, dass man nicht scharf, oder gelind genug redet, wenn man Andere überzeugen will. Der Anstoß, den man an einem Andern nimmt, oder der schlechte Begriff, den man sich zum voraus von seiner Einsicht und Lauterkeit macht, verschließt das Herz, und macht es zum voraus ungeneigt, etwas anzunehmen. Man versieht sich also nicht zum Lernen, sondern zum Disputieren und zur Verwahrung seiner selbst. Überhaupt sieht man oft zu viel auf die Person, die etwas sagt, und zu wenig auf die Wahrheit selbst, da doch David auch von Joab sich hätte warnen lassen sollen, als er das Volk zählen lassen wollte. Überdies scheut man oft den Kampf und das Seelenleiden, unter welchem man die lautere Wahrheit suchen und finden müsste, und bleibt also lieber bei seiner bisherigen Weise und Erkenntnis, wenn sie auch nicht lauter genug wäre, und tröstet sich damit, dass man doch dabei unter der Geduld GOttes Gnade empfangen habe, und selig werden könne. Man hält die Gedanken, die man aufs Gebet, und unter der Zukehr des Herzens zu GOtt ohne vorsätzliche eigene Wirksamkeit bekommt, für so lauter, dass man sie keiner weiteren Prüfung unterwerfen will, und vermag das, was GOtt in der Seele wirkt, was der eigene Wille auf eine behende Art dazu tut, und was der Satan als ein verstellter Engel des Lichts hineinmischt, nicht zu unterscheiden. Endlich machen einen Manchen auch die Exempel derjenigen, die durch Wohlredenheit und guten Schein betrogen worden sind, schüchtern, dass er auch da nicht traut, wo er trauen sollte. Alles dieses aber ist Schwachheit und Sünde.

§. 5. - Von den verschiedenen Stufen des Christentums.

Die verschiedenen Stufen des Christentums bewirken auch eine Verschiedenheit unter den Kindern GOttes, und weil es teils der Wille GOttes ist, dass man nicht auf einmal Alles erreiche, sondern erst nach Beweisungen der Treue im Kleinen zu einer höheren Stufe gelange, teils aber die Untreue und Trägheit der Menschen ihren Fortgang von einer Stufe zu der andern hindert: so darf man die Verschiedenheit, welche in Ansehung dieser Stufen zwischen ihnen vorwaltet, bald von GOtt, bald von ihnen selbst herleiten. Die Menschen haben von den Stufen des Christentums verschiedene Beschreibungen und Einteilungen gemacht. Lasst uns auch hierin bei der heiligen Schrift bleiben, welche nicht zu viel und nicht zu wenig davon sagt. Paulus, ob er wohl Phil. 3,12. schrieb: dass er noch nicht alles ergriffen habe, und noch nicht vollendet sei, sagt doch V. 15. wie viel unserer vollkommen sind, die lasst uns also gesinnt sein. Wer ist nun ein vollkommener Christ? Derjenige, der so gesinnt ist, wie es Paulus V. 7-11. beschreibt. Ferner derjenige, der zu allem guten Werk (wozu er nämlich nach seiner besonderen Gabe gebraucht werden soll), geschickt ist, 2 Tim. 3,17. Er ist einem Meister gleich, der alle Arten der Arbeit, die bei seinem Handwerk vorkommen, machen kann; weil er sowohl die Stärke, als den Verstand dazu hat. Doch kann und soll ein Vollkommener auch noch wachsen, denn Paulus wollte Christum noch weiter gewinnen, Phil. 3,8., und dem Kleinod nachjagen, V. 12. 14. Ein Vollkommener kann ein Lehrer Anderer sein, ob er gleich in keinem öffentlichen Lehramt steht, er kann auch selbst eine starke Speise der Lehre ertragen, dergleichen die Lehre von dem Hohenpriestertum JEsu ist, wie sie in der Epistel an die Hebräer vorgetragen wird. (Hebr. 5,12.13.) Woher kommts, dass ein heller und reicher Trost aus dem Evangelio Manchen ärgerlich ist, als ob er leichtsinnig machte? Warum ist Andern ein scharfes Wort von der Verleugnung zu hart, als ob es allen Trost wegnähme? Warum dünkt einen Andern ein wahrhaftiges Geheimnis, das doch in der Schrift enthalten ist, unglaublich? Darum, weil man noch nicht vollkommen ist, und starke Speisen nicht vertragen kann. Hier hilft keine Anstrengung der Sinne bei dem Schüler, und keine Deutlichkeit der Beweise bei dem Lehrer; sondern jener muss sich noch weiter zum HErrn bekehren, und stärker im Geist werden, so wird er sich nimmer stoßen, wo er sich gestoßen hat. Die Vollkommenen haben durch Gewohnheit (oder durch eine innerliche Stärke des geistlichen Lebens) geübte Sinne zum Unterschied des Guten und Bösen, Hebr. 5,14. Sie haben also nicht nötig, sich nur mit dem Rat des Pharisäers Gamaliels zu behelfen, der Ap. Gesch. 5,38.39. steht, sondern können in allem, was auf sie andringt, ihre geistlichen Sinne, besonders das Gesicht oder den Verstand so gebrauchen, dass sie mit Gewissheit das Gute anzunehmen, und das Böse zu verwerfen im Stande sind. Es bliebe also kein Streit in Glaubenssachen unausgemacht, wenn es lauter vollkommene Christen gäbe. Den Vollkommenen werden junge Kinder entgegen gesetzt, Hebr. 5,13., denen man Milch der Anfangslehre geben, und sonst weniger, als jenen zuschreiben und zumuten muss. Paulus nennt 1. Kor. 3,1. die jungen Kinder in Christo auch Fleischliche, und die Vollkommenen Geistliche; nicht als ob jene nicht auch schon etwas Geistliches an sich hätten, sondern weil das Fleisch sie noch sehr an der Übung des neuen Lebens, an der Vollbringung manches guten Werks und Annahme der starken Speise hindert. Weil die Korinther noch so fleischlich waren: so musste ihnen Paulus Milch der Anfangslehren zu trinken geben, und nicht (starke) Speise, und es war unter lauter guter Meinung und Vorwand, Eifer und Zank und Zwietracht unter ihnen, V. 2. 3. Siehe da die Ursache, warum zu allen Zeiten so viele Irrungen unter den Kindern GOttes sind! Sie liegt darin, weil so Viele in dem fleischlichen und kindischen Stand stehen und allzu lange stehen bleiben. Den Hebräern wird vorgehalten: ihr solltet der Zeit (eurer Erweckung) nach, schon Lehrer und Vollkommene sein, Hebr. 5,12. Dies Wort sollten Viele auf sich denken, und sich dadurch beschämen lassen. Wiederum schreibt Paulus Eph. 4,13.14. Wir sollen Alle hinankommen zu einerlei Glauben, und Erkenntnis des Sohnes GOttes, und ein vollkommener Mann werden, der da sei in der Maße des vollkommenen Alters Christi, auf dass wir nicht mehr Kinder seien, und uns wägen und wiegen lassen von allerlei Wind der Lehre, durch Schalkheit der Menschen und Täuscherei, damit sie uns erschleichen zu verführen. Hieraus sieht man, dass der kindische Zustand im Christentum es mit sich bringe, dass man leicht durch die verschiedenen Meinungen und Vorträge in Glaubenssachen verwirrt, hin und her getrieben, ja gar verführt werden könne. Hier ist nun kein andrer Rat übrig, als derjenige, den Paulus gibt, dass man ein vollkommener Mann in Christo werde, und zu der geistlichen Natur der Fülle Christi, (oder der Völligkeit aller Gaben, die man in Christo erlangen kann,) heranwachse. Je höher dieses Ziel ist, desto ernstlicher soll man darnach laufen. Je näher man demselben kommt, desto weniger kann man mehr verwirrt oder verführt werden. Das Herz wird fest durch Gnade. Hebr. 13,9. Man wird mit allen Heiligen zusammengefasst in der Liebe zu allem Reichtum des gewissen Verstandes, zu erkennen das Geheimnis GOttes und des Vaters und Christi. Kol. 2,2. Johannes teilt die Gläubigen, denen er seinen ersten Brief schrieb, und die er sämtlich in zärtlicher Liebe Kindlein nannte, C. 2. in Väter, Jünglinge und Kinder ein. Er sah dabei auf das geistliche, aber ohne Zweifel auch auf das natürliche Alter, denn von Rechtswegen soll beides mit einander fortlaufen. Den Vätern schreibt er Erkenntnis, den Jünglingen Stärke, den Kindern auch Erkenntnis als vorzügliche Eigenschaften zu. Die Erkenntnis der Väter geht über alle Zeit und Ort auf den, der von Anfang ist, auf das Wort, das im Anfang war und Fleisch wurde. Die Erkenntnis der Kinder geht auf den Vaternamen, der fasslicher ist, als der Name des ewigen und wesentlichen Wortes. Die Väter warnt Johannes nicht, aber die Jünglinge warnt er vor der Liebe der Welt, und die Kinder vor der Verführung der Widerchristen. Wie sollten sich aber die Kinder wider ihre spitzfindigen Beredungen wehren? So, dass sie dächten: wir sind Glieder am Leib Christi, und ihr seid von uns ausgegangen, dadurch zeigt ihr, dass ihr nicht von uns, und also nicht rechtschaffen seid. Wir wissen schon alles durch die Salbung, darum bedürfen wir keiner neuen Lehre. Wir haben die Wahrheit gewiss in und unter uns, darum ist eure Lehre, die sich nicht dazu reimt, eine Lüge. Wir bleiben bei dem Sohn, und dem Vater, darum erklären wir euch, die ihr den Sohn leugnet, und deswegen auch den Vater nicht habt, für Widerchristen. 1 Joh. 2,19-27. Siehe das ist die beste Art, zu disputieren für Kinder in Christo. Wer nun diese verschiedenen Stufen des Christentums vor Augen hat, der weiß, woher viele Irrungen kommen, und was er einer jeden Seele, die im Grund redlich ist, zumuten oder zutrauen dürfe.

§. 6. - Von dem Stückwerk, das sich bei den Gläubigen befindet.

Unser Wissen ist Stückwerk, und unser Weissagen ist Stückwerk; wenn aber kommen wird das Vollkommene: so wird das Stückwerk aufhören. So schreibt Paulus 1 Kor. 13,9.10. Nicht alle Kinder GOttes haben eine vorzügliche Erkenntnis, nicht alle können weissagen; aber auch bei denen, welche solche Gaben haben, sind sie Stückwerke. Hier ist also nicht von dem Unterschied der Gaben die Rede, sondern von der Beschaffenheit derselben; und Paulus führt die Erkenntnis und Weissagung als zwei Exempel an, weil aus der notwendigen Unvollkommenheit derselben der Schluss auf die notwendige Unvollkommenheit aller übrigen (die Liebe ausgenommen) gemacht werden kann und soll. Die Gläubigen haben Gemeinschaft mit dem Dreieinigen GOtt. Sie haben in Christo JEsu völlige Vergebung aller ihrer Sünden, die Kindschaft GOttes und das Gnadenrecht an alle himmlischen Güter. Lassen sie sich vom Geist der Gnade in alle Wahrheit leiten und darin heiligen: so erreichen sie diejenige Vollkommenheit, oder wie Einige reden, das rechte Ganze im Christentum, wovon Paulus Phil. 3. redet. Hingegen ist und bleibt ihr Wissen und Weissagen Stückwerk, so lange sie auf Erden sind, denn sie erreichen damit nicht alles, was in ihrem Herzen ist, und noch vielweniger alles, was in GOtt ist, und was ihnen GOtt in Christo beschieden hat. Das Wissen, oder die Erkenntnis erfordert eine deutliche Vorstellung von einer Sache im Gemüt, das Weissagen auch. Bei der Erkenntnis tun neben dem göttlichen Licht auch die leiblichen Sinne ihren Dienst, aber bei der Weissagung nicht, weil diese allein auf verborgene und zukünftige Dinge geht. Wenn die Korinther weissagten, und es kam etwa ein ungläubiger oder unwissender Mensch in den Ort ihrer Versammlung hinein: so wurde er von denselben Allen gestraft, und von Allen gerichtet, und also wurde das Verborgene seines Herzens offenbar, und er fiel also auf sein Angesicht und betete GOtt an, und bekannte, dass GOtt wahrhaftig in ihnen sei, 1 Kor. 14,24.25. Warum? weil die weissagenden Korinther solche Dinge von seinem Herzen ausgesprochen hatten, welche sie weder selbst gesehen, noch von Andern gehört hatten. Man musste also bekennen, dass GOtt wahrhaftig in ihnen sei, der ihren Sinn auf solche Dinge gelenkt hatte, die Niemand, als der Herzenskündiger hatte wissen können. So wird also die Weissagung überhaupt dazu gegeben, dass verborgene Dinge, sie seien vergangen, gegenwärtig oder zukünftig, dadurch entdeckt werden. Die Erkenntnis aber, welche den Dienst des natürlichen Gesichts und Gehörs nicht ausschließt, wird gegeben, um zu prüfen, was das Beste sei, Phil. 1,9.10. Alle Erkenntnis nun, die den Gläubigen auf Erden gegeben wird, und alles Weissagen ist Stückwerk, denn das Reich GOttes ist einem Garten von unermesslicher Länge und Breite gleich, in welchen GOtt einen Gläubigen durch die enge Pforte der Wiedergeburt hineingeführt hat, und ihm sodann hier und da etwas von der Herrlichkeit desselben durch Erkenntnis und Weissagungen entdeckt. Gleichwie nun einer, der gegen Morgen in einem Garten steht, einen andern Überblick von demselben bekommt, und also auch einen andern Riss macht, als der gegen Abend, Mittag oder Mitternacht sieht, und doch alle Einen Garten sehen, der ihnen noch dazu ganz von dem Herrn desselben beschieden ist: also haben die verschiedenen Propheten und Kinder GOttes zu allen Zeiten verschiedene Weissagungen und Blicke der Erkenntnis vom Reich GOttes gehabt. Die Männer GOttes im alten Testament haben das Reich GOttes in einem andern Überblick beschrieben, welcher dem Bedürfnis ihrer Zeit gemäß war, und die Männer GOttes im neuen Testament wieder in einem andern; aber keiner unter ihnen hat alles erreicht. Hat doch Jesaias als ein Prophet nicht gesehen, was Daniel sah, und dieser nicht, was Ezechiel sah, und Ezechiel nicht, was dem Johanni gezeigt wurde: sondern ein Jeder von diesen und allen Propheten hat stückweise geweissagt, so dass den Andern etwas zu weissagen übrig blieb. Ist denn also, möchte man hier fragen, das Wort GOttes, das durch die Propheten und Apostel ausgesprochen und beschrieben worden, ein Stückwerk, oder besteht es wenigstens aus vielen einzelnen Stückwerken? Antwort: Insofern die Bibel, oder ein jedes Buch der Bibel ein Wort des lebendigen GOttes ist, ein Wort, das GOtt Selbst ausgesprochen hat, ist es kein Stückwerk, denn GOttes Erkenntnis ist vollkommen. Die heilige Schrift und ein jedes Buch derselben handelt mit kurzen und wahrhaftigen Worten von GOtt und von der ganzen Welt, und von allen Zeiten und von allen Ewigkeiten, und dies alles ist vor GOttes Augen bloß und aufgedeckt: also ist bei Ihm kein Stückwerk: aber bei den Propheten und Aposteln war das Weissagen und Wissen ein Stückwerk, weil ihr Verstand die ganze Menge der Dinge, von denen sie weissagten, oder schrieben, nicht fasste. Sie redeten von GOtt, und erkannten GOtt, aber nicht alle Tiefen der Gottheit. Sie redeten von dem Himmel, Erde, Abgrund, und von allem, was darinnen war, überhaupt und mit allgemeinen Worten, kannten aber alle einzelnen Geschöpfe, und ihre Veränderungen durch alle Zeiten und Ewigkeiten hindurch unmöglich einzeln mit ihren Begriffen erreichen, ob sie schon unter den allgemeinen Ausdrücken enthalten waren. So ist also die heilige Schrift als ein Wort Gottes etwas Vollkommenes, aber alle Erkenntnis ist bei den irdischen Menschen ein Stückwerk. Und was werden die himmlischen Dinge sein, von denen der Heiland sagt: wie würdet ihr glauben, wenn Ich euch von himmlischen Dingen sagen würde? Was die unaussprechlichen Worte, die Paulus gehört hat? Was die redenden sieben Donner, die Johannes versiegelt hat? Darauf deutet die heilige Schrift, als von ferne, und gibt damit zu verstehen, dass es viele Dinge gebe, die sich durch keine menschliche Sprache ausdrücken, und die dem Sinn der sterblichen Menschen sich nicht anvertrauen lassen. Doch sind auch diese geheimen und übersinnlichen Dinge in den allgemeinen Ausdrücken der Schrift, wenn sie z. E. von allem, was sichtbar und unsichtbar, was im Himmel und auf Erde ist rc. redet, enthalten. Hat es nun mit den heiligen Propheten und Aposteln diese Bewandtnis, dass ihr Wissen und Weissagen ihrerseits Stückwerk war: wie vielmehr wird dieser Ausspruch von gemeinen Christen wahr sein, oder gelten. Woher kommts, dass die erbaulichen Schriften von so verschiedener Art sind, und dass man in jeder Kirche oder Partie, worein die Christenheit zerteilt ist, eine gewisse Wahrheit oder ein gewisses Stück der Wahrheit stärker treibt als alle anderen? Kommts nicht daher, weil unser Wissen Stückwerk ist? Wer nun ohne Liebe ist, oder wenigstens kein in der Liebe ausgebreitetes Herz hat, gerät, wenn er unter vielerlei Leute kommt, darüber in Zanksucht oder in Zweifel. Es ärgert ihn etwa, dass die Lieblingsmaterie, die bei ihm vor anderen gang und gäbe ist, Anderen nicht auch so hell aufgeschlossen und so wichtig ist, und bedenkt nicht, dass Andere in anderen Stücken desto mehr Aufschlüsse haben, die auch wichtig sind. Er zeiht Andere, als ob sie die Sache selbst nicht haben, wenn sie den deutlichen Begriff und Ausdruck davon nicht haben, und richtet sie also ohne Not. Die sogenannten Mystiker haben die geistlichen Erfahrungen auf eine subtile Art ausgelegt: sollten aber Andere, welche in diesem Stück der Erkenntnis schwach sind, jene Erfahrungen nicht haben können auch ohne ihr Wissen? Hinwiederum haben manche Mystiker den Glauben, der von Paulo so häufig gerühmt, und als die Wurzel des ganzen Christentums angepriesen wird, wenig genannt, sollten sie aber darum ohne Glauben gewesen sein? Wer also bedenkt, dass unser Weissagen und Wissen Stückwerk sei, der begehrt seine Erkenntnis für nichts Vollkommenes auszugeben, noch der ganzen Christenheit aufzudrängen. Er dient Andern mit seiner Gabe, und macht sich die Gabe des Anderen hinwiederum zu nutzen. Er nimmt sich in acht, dass er die Erkenntnis eines geistlichen Menschen nicht leicht richte, oder verwerfe, weil er denkt: vielleicht sieht Jener etwas, das GOtt ihm, und nicht mir gezeigt hat, und das ich also stehen lassen muss. Doch soll sich der Irrtum dieser Freiheit nicht anmaßen, und unter der Decke einer besonderen Erkenntnis nicht ungestraft bleiben wollen. Wohl dem, der zu derjenigen Vollkommenheit gelangt, von welcher Paulus Phil. 3,15. redet, und also so gesinnt ist, wie es Paulus V. 8-11. beschreibt. Nicht nur Einsame, sondern auch Leute, die im bürgerlichen Leben geblieben sind, nicht nur Mystiker, sondern auch Leute von weniger Reflexion, nicht nur Leute von dieser, sondern auch von jener Gemeine, die eine genugsame, das ist zureichende Beilage der Wahrheit unter sich hat, haben sie erreicht und können sie noch erreichen, wenn man nur, nachdem man von Christo ergriffen ist, nicht wieder faul wird, sondern der ganzen Wahrheit bei sich Eingang lässt. Eine jede Lehrart kann zu dieser Vollkommenheit führen, wenn sie mir alle eigene Gerechtigkeit als Schaden, und Dreck offenbart, und mich dagegen zu einer wahren Gemeinschaft mit dem Leiden, Tod und Auferstehung JEsu bringt. GOtt wirkt alsdann mehr in meiner Seele, als ich erkenne. Hier ist der Mittelpunkt, worin alle Partien der Christenheit zusammen fließen sollten. So Jemand anders gesinnt wäre, (als die Vollkommenen,) so sollte er nicht zanken, sondern GOtt bitten, dass Er ihm den Sinn der Vollkommenen auch offenbare, und so würden endlich Alle nach Einer Regel wandeln und gleich gesinnt sein. Phil. 3.15.16.

§. 7. - Von den Spaltungen.

Der Unterschied der Gaben und der Stufen im Christentum, wie auch die unvollkommene Erkenntnis bei allen und jeden Gliedern Christi ist etwas Nötiges, Liebliches und Erträgliches, aber die Spaltungen sind immer etwas Klägliches. Paulus schreibt 1. Kor. 1,14. Ich ermahne euch, liebe Brüder, durch den Namen unsers HErrn JEsu Christi, dass ihr allzumal einerlei Rede führt, und lasst nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet fest an einander in Einem Sinn, und in Einerlei Meinung. O wie müssen Spaltungen dem lieben Paulo so zuwider gewesen sein, weil er die Korinther durch den Namen unsers HErrn JEsu Christi ermahnt, davon abzustehen! Worin offenbarten sich aber die Spaltungen bei den Korinthern? Darin, dass sie nicht alle Einerlei Rede führten, sondern, wie es im folgenden Vers heißt, der eine sagte: ich bin Paulisch, der andere: ich bin Apollisch, der dritte: ich bin Kephisch, der vierte: ich bin Christisch. Hätten sie Alle gesagt: ich bin Paulisch: so wäre zwar das Anhangen an die Person Pauli bei Allen zu bestrafen gewesen, doch wäre keine Spaltung da gewesen. Die Rede ist ein Ausdruck des Sinnes, und enthält eines Jeden Meinung, darum ermahnt Paulus: haltet fest an einander in Einem Sinn (denn wenn der Sinn nicht einig wäre: so wäre die Einigkeit in der Rede nur eine Verstellung) und in Einerlei Meinung. 1. Kor. 12,25. gibt Paulus zu verstehen: dies würde eine Spaltung an einem menschlichen Leib verursachen, wenn die Glieder nicht mehr für einander sorgten, wenn ein Teil der Glieder den andern als einen Schandfleck des Leibes äußerte. Wenn das Aug zu dem Fuß spräche: ich bedarf dein nicht usw. und dies alles wendet er hernach auf den Leib Christi, oder die christliche Kirche an. 1. Kor. 11,18.19. schreibt er: zum ersten, wenn ihr zusammen kommt in der Gemeine, höre ich, es seien Spaltungen unter euch, und zum Teil glaube ichs, denn es müssen Rotten, (Ketzereien, Partien, die vom Eigenwillen den Namen haben) unter euch sein, auf dass die, so rechtschaffen sind, offenbar unter euch werden. Spaltungen und Rotten sind also Werke des Fleisches, oder der verderbten Natur, welche rechtschaffenen Seelen ein Leiden verursachen, aber auch ihre Rechtschaffenheit bewähren. Das Fleisch erhebt sich gerne, und zerreißt die Seile der Liebe. Von außen kommt die allzu große Hochachtung einer gewissen Person oder mehrerer Personen dazu, denen man sich so ergibt, wie man sich dem HErrn Selbst, der für uns gekreuzigt, und auf den wir getauft sind, ergeben sollte. 1. Kor. 1,13. Wenn nun der eine Haufe diesen, der andere jenen blindlings zum Haupt erwählt: so entstehen Spaltungen, da man hingegen Christo als dem Haupt anhangen, in Ihm Eines sein, und die begabtesten Leute für Brüder und Gehilfen der Freude achten sollte. Wenn nun diejenigen, die man zu Häuptern der Parteien aufwirft, dieser ungebührlichen Hochachtung ihrer Personen so lauterlich steuren, wie Paulus bei den Korinthern, und die Leute sich zurecht weisen lassen: so ist die Spaltung gehoben; wo es aber nicht von Allen geschieht: so bleibt sie; doch hat derjenige, der rechtschaffen ist, keinen Teil oder keine Schuld daran, denn eben darin muss er offenbar werden. 1. Kor. 11,19. Die Spaltung selbst äußert sich darin, wenn man verschiedene Unterscheidungsnamen führt, als Paulisch, Kephisch, Apollisch, Christisch, und dabei einen verschiedenen Sinn und Meinung in Glaubenssachen hat, 1. Kor. 1,14.15. Wenn keiner mehr in Liebe für den andern sorgt, jeder den andern äußert, keiner mit dem andern Gemeinschaft haben, oder eine geistliche Handreichung von ihm empfangen will. 1. Kor. 12,25. Desgleichen zeigen sich die Spaltungen bei den gottesdienstlichen Zusammenkünften, wenn nämlich jeder Haufe für sich seine Erbauung und Andacht besonders haben will, und keiner sich mit dem andern in der Anbetung GOttes und Betrachtung Seines Worts verbinden will und kann. 1. Kor. 11,18. Dabei ist dann Eifer, Zank und Zwietracht, 1. Kor. 3,3., folglich manche Unlust. Es ist aber leicht zu erachten, dass solche Spaltungen nicht allemal plötzlich, sondern meistens nach und nach entstehen und vergehen, und es mit der einen weiter kommt, als mit der andern. Bei den Korinthern stund es so, dass sie sich über Paulo, Kephas und Apollo trennten, von deren keinem sie eine falsche Lehre empfangen konnten, und doch war die Trennung selbst schon schädlich, weil sie die Liebe verletzte. Die falschen Apostel, die zu Pauli Zeiten Parteien machten, rühmten sich ihres Anhangs, Gal. 6,13.: aber der rechtschaffene Paulus erniedrigte sich in den Briefen an die Korinther und in allen seinen Schriften sehr. Er weist die Leute, die Apollisch und Kephisch sein wollten, nicht dazu an, dass sie alle Paulisch werden sollten, sondern er bestraft eine Gattung wie die andere, und weist sie Alle zu dem gekreuzigten Heiland. Er hatte zu Rom erfahren, dass gewisse Leute Christum um Hass und Haders willen predigen, um seinen Banden eine Trübsal zuzuwenden, Phil. 1,15.16. Wie leicht wäre nun eine Spaltung entstanden, wenn Paulus fleischlicher Weise wider diese Leute geeifert hätte, und wie viel Recht hätte er vor Menschen dazu gehabt? Wie leicht hätte er eine Partei wider sie sammeln können? s. V. 14. Aber er tats nicht, sondern freute sich vielmehr, dass nur Christus verkündigt werde, V. 18., wiewohl er das Unlautere dabei, das er Holz, Heu und Stoppeln nennt, nicht ungeahndet ließ, das Feuergericht aber demjenigen überließ, der da recht richtet. 1. Kor. 3,10. Hätten alle Kirchenvorsteher jederzeit diesen Sinn gehabt: so wären viele Spaltungen verhütet worden, aber der fleischliche und ungeduldige Eifer über eigener Ehre und Nutzen hat zu allen Zeiten viele Trennungen gemacht. Nun ist die Christenheit in viele besondere Kirchen, Gemeinen und Haufen zerteilt. Was ist nun da zu tun? Willst du dich, um nicht sektiererisch zu sein, von allen absondern: so siehe zu, dass du nicht für dich selbst Sektiererei treibst; in einem verkehrten Sinn, wie ein Teil der Korinther, Christisch sein wollest, und indem du das Ansehen Anderer zernichtest, dein eigenes Ich zu deinem Götzen machest. Was ist also zu tun? Werde immer völliger Christi! wie Paulus 1. Kor. 3,23. schreibt. Bitte GOtt, dass er dir den Sinn der Vollkommenen schenke, den Paulus Phil. 3. beschreibt, und ergib dich also der ganzen Wahrheit des Evangelii, alsdann schadet dir der besondere Namen, den man dir von deiner Kirche oder Gemeine her gibt, nichts. Du folgst Paulo, oder einem andern Lehrer, der dir das Evangelium vorträgt, und bist doch nicht Paulisch, du brauchst die Gaben eines Apollo, und bist doch nicht Apollisch, denn du hast Christum gefunden, den Paulus predigt, und Apollo anpreist. Du bist also nicht sektiererisch, wenn du gleich einer besonderen Gemeine zugetan bist, wie es ja nicht anders sein kann; denn in Christo liebst du alle Kinder GOttes in allen Gemeinen, und hast Gemeinschaft mit ihnen im Geist, und brauchst ihre Gaben, womit sie dir zum Teil in ihren Schriften dienen, so weit es deine Notdurft erlaubt oder erfordert. Siebe, so stirbt man in Christo JEsu der Parteilichkeit und Sektiererei ab, und wird im Geist über alle Spaltungen erhoben.

§. 8. - Wie man in eine wahre Gemeinschaft mit allen Kindern GOttes gelange?

Es liegt ohne Zweifel einem Jeden vornehmlich ob, zu bedenken, wie er selber beschaffen sei, und es ist eine gefährliche Versuchung, wenn man über dem Anstoß an Andern, oder Eifer über Andere, oder auch über der Liebe zu Andern, seiner selbst vergisst, und seinen eigenen Seelenzustand zu erforschen und zu bessern unterlässt. Willst du nun mit Andern, ja mit allen Kindern GOttes eine wahre Gemeinschaft haben, so trachte zuvörderst selbst ein Kind GOttes zu werden, und zu bleiben. Dazu ist aber die äußerliche Gleichstellung mit ihren Reden, Gebärden, Übungen und Sitten nicht genug. Man kann dabei doch ein Herr - Herrsager oder eine übertünchte Wand bleiben, und sich mit Einbildungen behelfen, die auf einen Selbstbetrug hinaus laufen. Man kann mit rechtschaffenen Seelen bis an die Pforte der Ewigkeit mitlaufen, und hernach erst von ihnen auf eine klägliche Art getrennt, und in die äußerste Finsternis gestoßen werden. Das Wort Christi: ihr müsst von neuem geboren werden, muss an demjenigen erfüllt werden, der ein Kind GOttes in Wahrheit heißen soll. Johannes drückt es weitläufiger aus, wenn er Joh. 1,12.13. schreibt: wie Viele Ihn (den HErrn JEsum) aufnahmen, denen gab Er Macht, GOttes Kinder zu werden, die an Seinen Namen glauben, welche nicht von dem Geblüte, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von GOtt geboren sind. Siehe da, was dazu gehört, ein Kind GOttes zu werden! JEsum auf- und annehmen, an Seinen Namen glauben, über die natürliche Geburt eine geistliche Geburt aus GOtt erfahren, und also ein geistliches Leben in seinem Herzen empfahen. JEsus ist der ewige und einige Sohn GOttes. Nur um Seinetwillen, und in Ihm, hat ein Sünder, der gläubig worden, das göttliche Kindschaftsrecht aus Gnaden. Das Siegel oder Versicherungszeichen desselben ist der Geist des Sohnes, der im Herzen Abba Vater schreit, Gal. 4,6. Die Folge aber ist im Wandel, der vor den Augen des himmlischen Vaters mit Furchten geführt wird, 1. Petr. 1,17. zu sehen. Ich will aber hievon nicht weitläufig handeln, sondern auf die Gemeinschaft mit Kindern GOttes kommen. Paulus lehrt Eph. 4,5.6. worin die Einigkeit mit Kindern GOttes bestehe, und sagt, die ganze Menge derselben sei Ein Leib, und es sei Ein Geist, der diesen ganzen Leib belebe, und es sei Einerlei Hoffnung des Berufs, auf welche alle berufen seien. Es seien nämlich Alle und Jede berufen, das himmlische Erbe zu empfangen. Dieses dürfen sie durch Christum hoffen, weil sie dazu berufen seien, und GOtt Seinem Beruf von Anfang bis zu Ende Kraft gebe. Kinder GOttes sind also unter sich Eins, weil Ein Geist sie als Glieder Eines Leibes auf eine unerforschliche Weise, wovon man aber doch zuweilen etwas empfinden kann, zusammen hält. Wer den Geist empfangen hat, ist mit allen Kindern GOttes auf eine geheime Art verbunden, aber ohne diesen Geist ist diese Verbindung nicht möglich. Eine natürliche Menschen- oder Tugendliebe reicht hier nicht zu. Hingegen, wer Kinder GOttes von Grund des Herzens anfeinden kann, der ist ein geistloser Mensch, und hat kein Leben in sich. Liebe und Leben, Hass und Tod, sind miteinander verbunden, wie Johannes 1. Ep. 3,14. bezeugt. Dieser einige Geist aber ist allen Kindern GOttes ein Brunnen, der in ein ewiges Leben quillt, Joh. 4,14. Er führt und bringt sie Alle zu Einem Ziel der Hoffnung, ja Er ist auch schon auf Erden in den Herzen der Gläubigen das Pfand oder das Angeld des himmlischen Erbes, das sie hoffen. Wer berufen ist, und den Geist empfangen hat, darf es hoffen, und wer sich der Wirkung des Geistes bis ans Ende seines Laufes überlässt, wird es erlangen. Es ist auch Ein HErr, Christus, und Ein Glaube an Ihn, durch welchen Alle in Ihm erfunden werden, Ihn gewinnen, und durch Ihn zum Vater kommen, und Eine Taufe, die Er zum Andenken Seiner Menschwerdung eingesetzt hat, wodurch wir auf Seinen Tod getauft, und zum Gehorsam gegen Seine Lehre verpflichtet werden. Es ist auch Ein GOtt und Vater Aller, der mit Seiner ewigen Liebeskraft über allen seinen Kindern waltet, und ihr starker Schutz ist, der durch sie Alle wirkt, und sie als Werkzeuge nach Seinem Wohlgefallen gebraucht, der in ihnen Allen ist, und sie als Seinen Tempel bewohnt. Sind dieses nicht starke und tiefe Gründe der Einigkeit im Geist, welche in der heiligen Dreieinigkeit selbst liegen? Sorge also nicht, wie du mit allen Kindern GOttes zurecht kommst! Trachte nur in der Gemeinschaft mit GOtt dem Vater und Seinem Sohn JEsu Christo durch den Geist zu stehen; so bist du mit ihnen Allen auf eine unauflösliche Art vereinigt! 1. Joh. 1,3. Denke nicht: dieses Kind GOttes redet mehr von dem Vater, jenes mehr von dem Sohn: also sind sie im Grund unterschieden: denn der Heiland sagt, Joh. 17,22. zu Seinem Vater von den Gläubigen: dass sie Eines seien, gleichwie wir Eines sind. In der höchsten Einheit des Vaters und Sohnes liegt also die höchste Ursache, warum die gläubigen Anbeter GOttes Eines sein müssen, und bei ihrer Anbetung nicht zwei oder mehrere Parteien ausmachen können. Wir müssen aber auch ferner bedenken, dass wir ohne eine gesunde Lehre diese Gemeinschaft mit dem dreieinigen GOtt und Seinen Kindern nicht erlangen und behaupten können. Ist es nicht wahr? In allen Gemeinen auf Erden unterrichtet und ermahnt, bestraft und tröstet man die Leute mit Worten, und hat eine Lehre fest gesetzt, bei welcher alle Glieder der Gemeine bleiben sollen. Wie soll nun diese Lehre beschaffen sein, wenn sie zur Gemeinschaft mit GOtt und Seinen Kindern taugen soll? Paulus sagt Eph. 2,19. zu den Gläubigen aus den Heiden: so seid ihr nun nicht mehr Gäste, und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und GOttes Hausgenossen, erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da JEsus Christus der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau in einander gefügt, wächst zu einem herrlichen Tempel in dem HErrn; auf welchen auch ihr mit erbaut werdet zu einer Behausung GOttes im Geist. Im alten Testament blieb ein mancher Heide mit seinen Nachkommen ein Gast und Fremdling in Israel, wenn er sich gleich zu dem GOtt Israels bekehrte: aber im neuen Testament ist es nicht so. Da sind die Gläubigen aus den Heiden Bürger im Reich GOttes mit den heiligen Israeliten, ja gar GOttes Hausgenossen, wie ehemals die Patriarchen vor Mose, da GOtt noch keinen andern Stand, als den Hausstand eingesetzt hatte, und sich darin als den Hausvater offenbarte. Sie sind aber zugleich erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten. Dieser Grund ist ohne Zweifel die Lehre dieser heiligen Männer, in welcher Christus der Eckstein oder der Hauptartikel ist, in welchem alle Wahrheit zusammen fließt. Und auf diesen Eckstein wird der ganze Bau (der Kirche, durch die Liebe) zusammen gefügt, und wächst (inwendig und auswendig) zu einem heiligen Tempel in dem HErrn. Siehe also, wie wichtig der Grund oder die Lehre der Apostel und Propheten ist! Sie steht im Text zwischen den größten Vorrechten der Gläubigen mitten inne. Will man diese haben: so muss man auf jenen erbaut sein. Man mag also von einem innerlichen Licht, Wort, Trieb oder Aufschluss sagen, was man will: so ist gewiss, dass das Zeugnis der Apostel und Propheten gewisser als alles, und was mit demselben streitet, keine Wahrheit, sondern Lüge ist. Denn wäre es eine Wahrheit: wie könnte es mit der Wahrheit, die im Herzen und Munde dieser heiligen Männer war, streiten. Auf den Toren des neuen Jerusalems stehen die Namen der zwölf Geschlechte Israels geschrieben, und auf den Gründen die Namen der zwölf Apostel des Lammes. Die Tore leiden also Niemand als einen Bürger in dieser Stadt, er sei denn durch den Glauben ein wahrer Israelit, und zu dem Samen Abrahams gerechnet worden, Röm. 4,11.12.16., und die Gründe lassen Niemand als Bürger hinzu, er sei denn auf den Grund der Apostel, (welcher auch der Grund der Propheten war), erbaut. Doch merke, dass man mit den Schriften und der Lehre der Apostel und Propheten nicht spielen, oder sie nur in ein aufblähendes Wissen hinein ziehen, oder mit einem kalten Beifall ehren dürfe. Ihre Lehre ist ein Grund. Stehst du auf diesem Grund? Sieht er deinem Herzen eine Kraft oder Festigkeit gegen die Eindrücke und Anläufe der Welt und des Satans? Willst du ein Kind GOttes heißen, so sei und bleibe dein Leben lang ein begieriger und aufmerksamer Schüler des heiligen Geistes, der durch die Apostel und Propheten geredet hat. Gewinne ihr Zeugnis lieb, und betrachte es fleißig, wie dich der erste, neunzehnte und hundert und neunzehnte Psalm anweist. Hüte dich dein Leben lang, etwas zu behaupten, was wider die Schrift ist; oder einem Geist zu glauben, der sie verachtet, und dich von ihr abführen will! Lasse sie dein Plan, dein System, dein Glaubensbekenntnis, dein Prüfstein, dein Lustgarten, dein Schatz, und deine Nahrung sein! Werde dem Herzen und Munde, dem Sinn und der Rede nach recht biblisch!

§. 9. - Von dem königlichen Gebot der Liebe.

Jakobus sagt, Kap. 2,8.9.: So ihr das königliche Gesetz vollendet nach der Schrift: liebe deinen Nächsten als dich selbst: so tut ihr wohl, so ihr aber die Person anseht, (oder parteiisch seid,) tut ihr Sünde und werdet gestraft vom Gesetz als Übertreter. Die Liebe ist keine so besondere Gabe, wie die Rede der Weisheit, der Erkenntnis usw. Es heißt nirgends: dem Einen wird die Liebe gegeben, dem Andern etwas anders. Nein, die Liebe wird Allen gegeben. Merke die drei Wörter, die Johannes besonders oft braucht, und die mit Einem Buchstaben anfangen: Leben, Licht, Liebe. In JEsu Christo, dem ewigen Wort des Vaters, ist das Leben, und dies Leben ist das Licht der Menschen, und dies Licht ist, und heißt Liebe. GOtt ist Liebe. So viel du GOttes teilhaftig bist, so viel bist du der Liebe teilhaftig. GOtt ist Licht. So viel du also Liebe hast, so viel hast du auch Licht in dir. Wer ohne Liebe ist, der bleibt im Tod und in der Finsternis. Diese Wahrheiten treibt Johannes in seiner ganzen ersten Epistel. Die Liebe ist köstlicher, als alle anderen Gaben, denn sie schickt sich auch zu der Vollkommenheit des himmlischen Lebens: da hingegen andere Gaben Stückwerke sind, und nur zu dem Stand der Unvollkommenheit taugen. Wenn ein Mensch, der jetzt weissagt, Sprachen redet, oder Erkenntnis hat, das höchste Ziel der Vollendung erreichen wird, so wird er nimmer weissagen, keine fremden Sprachen mehr reden, und keine Erkenntnis mehr haben: aber wenn er bis dahin geliebt hat: so wird er noch fortfahren zu lieben. 1 Kor. 13,8-13. Rühmst du dich tiefer Einsichten und großer Taten, bist aber dabei neidisch, zänkisch, mürrisch, richtest und verdammst gern, und hast mit Einem Wort Mangel an der Liebe, so fürchte dich; denn der HErr möchte dich etwa für ein tönendes Erz und eine klingende Schelle achten, woran zwar ein Schall und Schein, aber kein Leben ist; er möchte dich, der du dir etwas, und zwar etwas Sonderliches zu sein einbildest, für ein Nichts in Seinem Reich achten, und an statt deiner Meinung, worin du Andere bessern und bekehren willst, dir das Urteil sprechen, dass du nichts nütze seist. 1. Kor. 13,1.2.3. Das Wissen ohne Liebe bläht auf, (unter solchen Stolzen ist immer Hader, Spr. 13,10.). Aber die Liebe bessert, 1 Kor. 8,1. Wie töricht und sündlich ist es also, wenn du disputieren, lehren und bekehren willst, aber denjenigen, mit dem du es zu tun hast, nicht liebst. Es wird kein Segen und keine Kraft in deinen Bemühungen sein. s. Eph. 4,15.16. Merke aber auch, wie sich die rechtschaffene Liebe, die aus der neuen Geburt herstammt, beweise. Sie ist langmütig, und währt länger, als die Beschwerden, die sie trägt. Sie ist freundlich oder gütig, und gibt sich Andern zu genießen. Die Liebe eifert nicht; sie begehrt nicht im Eifer etwas auszurotten, das doch der Herr noch länger stehen lassen will. Matth. 13,29. Die Liebe treibt nicht Mutwillen, oder führt sich nicht übermütig auf, Andere mit Fleiß zu beschämen und zu beschweren. Sie bläht sich nicht auf im Wohlgefallen an sich selber: sie stellt sich nicht ungebärdig, oder setzt den Wohlstand nicht auf die Seite. Sie sucht nicht das Ihre, nicht ihre Ehre bei dem Vorzug der Erkenntnis und Frömmigkeit, nicht ihren Vorteil im Nehmen und Gewinnen, nicht ihre Wollust im Genuss der Gaben. Sie lässt sich nicht erbittern, dass sie heftig im Disputieren würde, und ins Richten, oder gar ins Schelten hinein geriete. Sie trachtet nicht nach Schaden, oder sie rechnet das Böse, das man ihr antut, nicht nach, und kann dem, ders getan hat, dennoch hold sein, und sein Bestes suchen. Sie freut sich nicht über der Ungerechtigkeit, (derer, die etwa nicht von der Kirche sind). Tun Solche einen Sündenfall, so spricht sie nicht: da, da, das sehen wir gern. Auch freut sie sich nicht über der Ungerechtigkeit derjenigen, die sich zu Einerlei Kirche mit ihr bekennen. Das Böse hasst sie überall und trägt Leid darüber, sie freut sich aber der Wahrheit, oder des rechtschaffenen Wesens, das in Christo JEsu ist, sie mags antreffen, wo und bei wem sie will. Sie trägt alles, (was um sie herum geschieht mit Stille und Gelassenheit,) sie glaubt alles (Gute von dem Nächsten, das wahr oder wahrscheinlich ist, und ist nicht schwer zu bereden, dass er unschuldig sei). Sie hofft alles (Gute von demjenigen, der wirklich schuldhaft, und verkehrt ist, weil die Barmherzigkeit des HErrn in Herumholung der Sünder so groß ist). Sie duldet alles, was ihr GOtt zu tragen auflegt. GOtt aber ist treu, der sie nicht über Vermögen versucht werden lässt. 1 Kor. 13,4-7. Um eine solche Liebe bitte, eine solche Liebe ziehe an, so wirst du ein nützliches und wohlanständiges Glied an dem Leib Christi sein.

§. 10. - Von der Liebe zur Wahrheit.

Ein Kind GOttes soll sich befleißigen, die Wahrheit zu erkennen, zu reden und zu tun. Die Wahrheit, die man erkennt, ist in dem Wort, oder in der Lehre enthalten, s. Joh. 17,17. 2 Kor. 6,7. Jak. 1,18. Ein solches Wort der Wahrheit wird Tit. 2,7. ein gesundes Wort genannt, gleichwie man eine Speise oder Arznei gesund nennt, die nach ihrer innerlichen Beschaffenheit echt und dem Leib heilsam ist. Wer sollte nun ein gesundes Wort, eine lautere Lehre nicht lieb haben, und ernstlich suchen? Wer sollte sie nicht fest halten, wenn er sie hat? Wenn Andere gleich bei etlichen falschen Meinungen, die sie haben, unter der Geduld GOttes selig werden, so soll ich doch dergleichen Meinungen, wenn ich ihre Falschheit einsehe, oder ihrethalben wenigstens ungewiss bin, nicht annehmen, sondern die denselben entgegengesetzte Wahrheit festhalten, und darüber leiden. Tue ichs nicht, so gehe ich mit einem Licht, das mir geschenkt ist, untreu um. Alle Strahlen der göttlichen Wahrheit, die in die finstere Welt hereingekommen sind, haben dem HErrn JEsum Sein Blut gekostet, folglich sind sie alle teuer. Wenn ich schon meine, es betreffe ein gewisses Stück der Wahrheit nicht den Grund der Seligkeit selbst, so soll ich es doch für kostbar halten, denn es ist eine unverdiente Gabe GOttes, es erleichtert den Lauf des Christentums, steuert unnötigen Verirrungen und Anstößen, macht zu gewissen guten Werken geschickt, und muss auch um der zukünftigen Versuchungen, ja um der Nachkommen willen, die eine solche Beilage von uns empfangen sollen, bewahrt werden. Dazu dient auch der Fleiß, den die Gelehrten auf den buchstäblichen Verstand der Schrift, und die Richtigkeit der daraus gezogenen Lehren wenden. Sind solche Gelehrte nicht wiedergeboren, so dienen sie doch demjenigen, der JEsum sucht, wie die Schriftgelehrten zu Jerusalem den Weisen aus Morgenland. Matth. 2,4.5.6. Wer aber nun die göttliche Wahrheit recht im Glauben fasst, und in derselben geheiligt wird, der redet und. tut auch Wahrheit. Ps. 15,2. Eph. 4,25. Joh. 3,21. 2 Joh. 4. 3 Joh. 4. Alles Böse sucht sich in seiner hässlichen Gestalt vor sich selbst und vor Anderen zu verbergen; daher entstehen Heuchelei und Lügen: aber was gut ist, darf sich in Worten und Werken geradezu offenbaren, wie es ist, und das ist Wahrheit. Wer sich in die Verschiedenheit der Kinder GOttes recht schicken, und überhaupt unanstößig durch die Welt kommen will, muss die Wahrheit, die in Christo JEsu ist, Eph. 4,21, in sich bekommen durch den Glauben, und sie in Worten und Werken wieder ausfließen lassen. Man soll nicht wünschen, gerechter, weiser, liebreicher, herzhafter, trauriger oder fröhlicher zu scheinen, als man ist. Alle Hoffnung, die man sich macht, durch Verstellungen oder Schmeichel-Reden eine Vereinigung zu stiften, ist vergeblich, denn GOtt hasst alle Falschheit, und macht sie zu seiner Zeit gewiss zu Schanden. Die Falschheit wird endlich offenbar; daraus entstehen Ärgernisse, die den Riss ärger machen.

§. 11. - Von der abgöttischen Liebe und Hochachtung der Menschen.

Es ist die abgöttische Liebe und Hochachtung der Menschen ein gemeiner Fehler der Anfänger im Christentum; die Gnade macht aber einen Jeden im Fortgang davon frei, wenn man ihr nicht widerstrebt. Woran kann man aber dieselbe erkennen? Daran, wenn man alles von einem Menschen ungeprüft annimmt, was er sagt, und über Andere böse wird, die es nicht auch so machen. Wenn einem kein Wort der Wahrheit gefällt, es sei denn von demjenigen ausgesprochen, den man abgöttisch liebt. Wenn man sich zwingt, ihm in der ganzen Art der Rede und des Wandels ähnlich zu werden, da doch GOtt eine jede Seele in der neuen Geburt anders bildet, und führt als die andere. Wenn einem nirgends wohl ist, es sei denn, dass man die geliebte Person höre, sehe, oder an sie denke. Wenn man nicht selber Grund geben kann der Hoffnung, die in einem ist, und sich damit beruhigt, dass man Jemand habe, der für einen reden könne. usw. Diese abgöttische Hochachtung der Menschen hindert die überschwängliche Erkenntnis JEsu Christi, wie auch die Einigkeit der Gläubigen, wie man an den Korinthern sieht, die darüber uneins wurden, weil der eine sagte: ich bin Paulisch, der andere ich bin Apollisch, usw. Du liebst einen frommen Lehrer, und achtest seine Schriften hoch. Du tust recht daran. Aber weißt du auch, dass man sogar an einem Apostel, dergleichen Paulus und Kephas waren, zu viel hat hangen können? Dein Lehrer hat seine eigene Gabe, und da bei seine schwache Seite: warum hängst du dich also an ihn allein? Warum haben andere Menschen Gottes nicht auch Kredit bei dir? Warum brauchst du nicht auch ihre Gaben, damit dir durch eine mannigfaltige Handreichung das Herz erweitert, und der Geist reichlicher dargereicht würde? Christus sagte Matth. 23,8.9.10. zu Seinen Jüngern: ihr sollt euch nicht Rabbi nennen Lassen, denn Einer ist euer (Lehr-) Meister, Christus, ihr aber seid Brüder. Und sollt Niemand Vater heißen auf Erden, denn Einer ist euer Vater, der im Himmel ist. Und ihr sollt euch nicht lassen Meister, (Führer) nennen, denn Einer ist euer Meister (Führer) Christus. Nun war es dem lieben Heiland nicht so wohl um die Worte als um die Sache zu tun, wie sich denn Paulus ohne Sünde 1 Kor. 4,15. einen geistlichen Vater genannt hat. Er wollte seine Jünger durch diese Worte in die Niedrigkeit des Herzens führen; deswegen setzte er hinzu: der Größte unter euch soll euer Diener sein, denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Was sind alle Apostel, Propheten, Hirten und Lehrer? Diener sind sie, (wie Paulus 1 Kor. 3,5. nach dem Sinn seines Herrn sagt,) durch welche Andere gläubig werden. Sie sind nicht Herren über deinen Glauben, die die in eigenem Ansehen befehlen, oder wehren dürften, etwas zu glauben, sondern Gehilfen deiner Freude, wenn du im Glauben stehst, 2 Kor. 1,24. Sie sind des Bräutigams Freunde, die demselben gerne eine reine Jungfrau zuführen möchten. Gib also dein Herz dem Bräutigam, und nicht dem Brautführer. Wenn ein Mensch fordert, dass man ihm schlechthin glauben solle, nur weil Er es sagt: so wirft er sich in einem bösen Sinn zu einem Rabbi auf. Wenn Jemand haben will, dass man alles geistliche Leben und alle Nahrung desselben nur von ihm holen solle: so will er ein Vater sein, und zwar ein solcher, der der Ehre des ewigen Vaters zu nahe tritt. Will Jemand sich unterstehen, die geistlichen. Erfahrungen und den Wandel einer Seele nach seinem menschlichen Sinn zu formen, ihre Freiheit auf eine herrschsichtige Weise einzuschränken, und sie so in seiner Gewalt zu haben, dass sie nicht weiter sehen dürfe, als er haben will: so wirft er sich zur Schmach Christi zu einem ungerechten Führer auf. Begehre du also und leide nichts dergleichen von irgend einem Menschen, aber hüte dich noch vielmehr vor einer solchen Erhebung deiner selbst! Lehrer und Zuhörer können einander hierin zur Versuchung werden. Nahe also selbst durch Christum zu Gott, wozu du aus Gnaden Fug und Recht hast. Lerne mit deinem GOtt als ein Kind, und zwar als ein erwachsenes Kind, das nimmer unter den Vormündern und Pflegern steht, reden und umgehen, wozu du im neuen Testament Fug und Recht hast. Sein Licht wird dir Seine Worte klar machen. Seine Liebe und Treue wird deiner als eines Kindes täglich pflegen. Sein Geist wird dich führen. Welche der Geist Gottes führt, die sind GOttes Kinder, Röm. 8,14.

§. 12. - Von dem rechten Gebrauch der Gaben, die GOtt Andern verliehen hat.

Paulus sagt, 1 Kor. 12,7: In einem Jeglichen erzeigen sich die Gaben des Geistes zum gemeinen Nutzen, und V. 21.: Es kann das Auge nicht sagen zu der Hand: ich bedarf dein nicht, oder wiederum das Haupt zu den Füßen: ich bedarf euer nicht. Also, will er sagen, soll Niemand im Eigendünkel sagen: ich bedarf keines Bruders oder keiner Schwester Beihilfe, Umgang und Unterstützung. Ich will für mich bleiben, und alles unmittelbar von dem HErrn selbst empfangen ohne auf die Werkzeuge zu sehen, durch die GOtt etwas mitteilt, usw. Das käme eben so heraus, als ob an einem Leib das Auge ohne die Hand bleiben wollte, da doch die Glieder (und also auch die Gläubigen) für einander sorgen sollen, V. 25. Eben dieses bezeugt Paulus noch gar nachdrücklich, wenn er Kol. 2,18.19. diejenigen bestraft, die nach eigener Wahl (obwohl in guter Meinung) einhergehen in (eigenwilliger) Demut, (die man auch darin zeigen kann, wenn man seinen eigenen Gedanken auf einem harten und finstern Weg nachwandelt, und sich des evangelischen Trostes, den man durch Andere bekommen könnte, ohne Not weigert,) desgleichen in dem Dienst der Engel, (wozu gewisse Leute zu Pauli Zeit geneigt waren,) und lassen sich in Sachen kühnlich ein, die sie (weder leiblich noch geistlich) gesehen haben, (wovon sie sich also nur Bilder in ihrer, vom Feind betrogenen, Phantasie machen,) und sind ohne Ursache aufgeblasen in ihrem fleischlichen Sinn, in welchem sie sich sonderliche Einsichten erreicht zu haben dünken, und sich über die gemeine Wahrheiten und Gnadenmittel, als obs Kindessachen wären, wegsetzen,) und halten sich nicht an dem Haupt, aus welchem der ganze Leib, durch Gelenke und Fugen, Handreichung empfängt, und an einander sich enthält, und also wächst zur göttlichen Größe. Diese letzten Worte kommen fast in gleichen Ausdrücken aber Ermahnungsweise, Eph. 4,15.16. vor, wo es heißt: lasst uns aber rechtschaffen sein in der Liebe, und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus, aus welchem der ganze Leib zusammengefügt, und ein Glied am andern hängt durch alle Gelenke, dadurch eines dem andern Handreichung tut, nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seinem Maße, und macht, dass der Leib wächst zu seiner selbst Besserung, und das alles in der Liebe. In beiden Stellen wird die Gemeinschaft mit Christo, und die Gemeinschaft mit andern Mitgliedern an Seinem geistlichen Leibe, (welcher die ganze Gemeine der Auserwählten ist,) angepriesen. An Christo als dem Haupt der Gemeine soll man sich durch den Glauben halten, Kol. 2,19, in Ihn soll man hineinwachsen, Eph. 4,15, so dass man sein ganzes geistliches Wachstum darin sucht, dass man inniger in Christum eindringe, in Christi Tod das Leben seines eigenen Willens verliere, und in seiner Auferstehung ein neues und ewiges Leben schon auf Erden finde. Diese Gemeinschaft mit Christo breitet sich auf alle Stücke des Christentums aus. Es ist nichts, was zum göttlichen Leben und Wandel dient, das man nicht in Ihm allein suchen sollte und finden könnte. Siehe dieses Halten an Christo, dieses Eindringen in Ihn ist auch der einige Weg, wodurch man dem abgöttischen Anhangen an Andern entflieht. Hast du Christum nicht gefunden, oder suchst du Ihn nicht, so kann dir weder ein Apostel noch Prophet, weder dieser, noch jener Lehrer oder fromme Mensch helfen. Alles Vertrauen, das du auf sie setzt, ist Abgötterei und Selbstbetrug. Aber siehe auch zu, dass du nicht unter dem Vorwand, du suchst oder hast Christum, dich Seinen Gliedern entziehst, oder gleichgültig gegen sie seist, denn Paulus sagt: dass aus Christo der ganze Leib der Kirche wachse, und sich also kein Glied Seiner mit Ausschluss anderer anmaßen dürfe. Dieser Leib sagt er ferner, sei so beschaffen, dass nach Kol. 2,19. an demselben Fugen seien, wodurch ein Glied an und auf das andere passe, und Bande, wodurch ein Glied an das andere angeheftet sei, und so gehe an demselben eine beständige Handreichung der Glieder gegen einander im Schwang, und er halte fest zusammen, und wachse nach einem Wachstum GOttes, welches sehr groß, herrlich und geheim ist, und sich in eine Länge, Breite, Tiefe und Höhe streckt, die kein sterbliches Auge übersehen kann. Eph. 4,16. wird eben dieses so ausgedrückt: der ganze Leib ist zusammen geordnet, und fest zusammen gefügt, und verrichtet durch alle Fugen der Handreichung nach der Kraft in dem Maße eines jeden Gliedes sein Wachstum in seiner Erbauung in der Liebe. Ich unterstehe mich nicht, die tiefen Ausdrücke, die hier Paulus gebraucht, völlig zu erklären. Nur so viel sehe ich daraus ein, dass die Kinder GOttes nicht wie einzelne Sandkörner im Himmel und auf Erden zerstreut herum liegen, sondern dass sie zusammen Einen Leib ausmachen, dass dieser Leib durch die Kraft und Weisheit GOttes zusammen geordnet, fest zusammen gefügt, und zur gemeinschaftlichen Handreichung der Glieder unter sich eingerichtet ist. Keine Pforten der Hölle können ihn also zertrennen. Zu dieser Vereinigung helfen Fugen und Bande. Jene scheinen auf den Unterschied der Gaben zu deuten, nach welchem immer ein Glied etwas hat, das dem andern mangelt, und also recht eigentlich zu demselben taugt, gleichwie ein jedes Glied oder Bein am menschlichen Leib in den Gelenken auf das andere passt, und sich an dasselbe nach seiner Form hinan schieben lässt. Die Bande halten solche Glieder, deren Form auf einander passt, wirklich zusammen. Was an dem Leib Christi für Bande seien, ist aus Eph. 4,3-6 zu ersehen. Die Fugen werden Fugen der Handreichung genannt, welche Handreichung auch Kol. 2, 19. vorkommt.

Denn bei den Unterschied der Gaben nicht auf Zank und Anstoß, sondern auf Hilfe und Unterstützung angesehen. Gleichwie ein Glied am menschlichen Leib das andere trägt, ja das Blut und andere Säfte demselben mitteilt: so sollen auch Kinder GOttes einander tragen, und eines dem andern mit der Gabe des Gebets, der Erkenntnis, der Weisheit usw., ja auch mit den leiblichen Gaben dienen. Keines soll, was es von dem HErrn empfangen hat, dem andern vorenthalten, wenn anders dieses fähig ist, es zu empfangen. Und dieses soll geschehen nach der Kraft, die in einem gewissen Maße einem jeden Gliede vom HErrn verliehen wird. Eph. 4,16. Und so wächst der Leib Christi zu seiner Erbauung in der Liebe, indem auf solche Art ein jedes Glied selbst seine gehörige Größe und Festigkeit erlangt, und noch immer mehrere Glieder hinzu kommen. Siebe also: was es sei, wenn Paulus Eph. 4,15. sagt: man solle wahrhaftig sein in der Liebe. Wer eine Liebe vorgeben wollte, ohne an dem Haupt Christo zu hangen, der hätte eine unreine Liebe, worin keine Wahrheit wäre, wer aber an Christo hangen, und doch mit den Gliedern seines Leibes in keinem Zusammenhang der Handreichung stehen wollte: der begehrte die Wahrheit, oder das rechtschaffene Wesen, das in Christo ist, ohne die Liebe zu haben, ohne welche es doch nicht ist. Zu Korinth gab es Leute, die weder Paulisch noch Kephisch noch Apollisch sein wollten, sondern sagten: sie seien Christisch, und das war eben auch eine Sektiererei; denn solche Leute wollten etwas Besonderes haben, und achteten die Gaben, die GOtt dem Paulus, Kephas und Apollo verliehen hatte, zu wenig, unter dem Vorwand, dass sie an Christo genug hätten, und von Ihm unmittelbar geleitet würden. Darum schrieb ein weiser Mann Jemand ins Stammbuch:

Mein Heiland lass mich on Dir hangen
In Einfalt, die schriftmäßig glaubt,
So werd ich niemals mit Dir prangen,
Als einem neuen Sekten-Haupt!

Es ist verkehrt, wenn Jemand heut zu Tag sich aufführt, als ob kein Christ in der Welt, oder wenigstens in der Nähe wäre, den man brüderlich lieben könnte. Es ist falsch und dem Sinn Christi und seiner Apostel entgegen, wenn man meint, ein Christ könne von des andern Gnadenstand keine Gewissheit haben, noch Jemand das Zeugnis der Bekehrung mit Freudigkeit geben. Denn wenn dem so wäre: so wären alle biblischen Ermahnungen zur brüderlichen Liebe und Gemeinschaft vergeblich. Es ist auch ungeziemend, wenn Jemand sich anstellt: als ob keine ausgemachte Wahrheit in der Welt wäre, und er selbst alles erst erfinden, folglich in alles, was GOtt durch Andere hat finden lassen, einen misstrauischen Zweifel setzen müsste. Auf diese Art will man ein allgemeiner Geist (Spiritus universalis) sein, und etwas leisten, das nur dem ganzen Leib Christi gemeinschaftlich gegeben ist. Der Fuß darf sich auf das Auge, in Ansehung des Weges, den er gehen solle, verlassen, wenn es nur einmal ausgemacht ist, dass das Auge ein Auge sei, und an eben dem Leib stehe, an welchem der Fuß ist. Was Andern geschenkt ist, das genieße du auch, denn es ist zum gemeinen Nutzen geschenkt: was Andere gefunden haben, brauche du. Du wärst nicht tüchtig gewesen, es zu finden, aber da es gefunden ist, kannst du es bald prüfen, obs Wahrheit sei, oder nicht, und dirs zu Nutzen machen. Dein Beifall darf nicht blind sein: doch wird er auch nicht zu langsam sein, wenn du demütig genug bist, von Andern etwas zu lernen, und daneben die Sprache des Geistes, der in der Schrift redet, verstehst.

§. 13. - Von der Hochachtung der Ämter.

Es sind nicht nur mancherlei Gaben, sondern auch mancherlei Ämter; 1. Kor. 12,4.5. Das vornehmste Amt in der christlichen Kirche hatten die Apostel, hernach die Propheten, hernach die Evangelisten, und endlich die Hirten und Lehrer, Eph. 4,11., welche auch Bischöfe oder Älteste genannt wurden. Die Apostel bekamen den Befehl: geht hin in alle Welt, und predigt das Evangelium aller Kreatur. Sie waren nicht von Menschen, aber auch nicht durch Menschen, sondern durch JEsum Christum und GOtt den Vater unmittelbar berufen, unterrichtet und ausgesandt: Gal. 1,1. Sie mussten den HErrn JEsum Christum gesehen haben; 1. Kor. 9,9. und sich mit besonderer Geduld, Zeichen, Wundern und Taten als Apostel beweisen, 2. Kor. 12,12. Bei wem sich nicht solches alles findet, der soll kein Apostel genannt werden, obschon dieses Wort eigentlich nur einen Abgesandten bedeutet: allein es kommt dabei auf die Schriftbedeutung an. Ein Apostel konnte auch ein Prophet und Evangelist sein, hingegen waren nicht alle Propheten und Evangelisten Apostel. Nicht alle waren nämlich in die ganze Welt ausgesandt, nicht alle hatten Christum persönlich gesehen, nicht alle waren Wundertäter. Ein Prophet musste aber doch Offenbarungen zukünftiger oder doch geheimer Dinge von GOtt bekommen. Hierin gab es aber Stufen. Moses war ein Prophet im höchsten Grad, weil GOtt mit ihm von Mund zu Mund vernehmlich redete, wie ein Freund mit dem andern, ohne dass bei ihm jedes Mal eine besondere Veränderung vorgehen müsste, weil sein ordentlicher Zustand, in welchem er unter den Menschen wandelte, schon zu dem prophetischen Hören und Sehen eingerichtet war. So wandelte auch JEsus auf Erden. Es gab ferner bei den Propheten Entzückungen, da ein Prophet im Geist (Offenb. 1,10.) und dabei entweder in dem Leib oder außer dem Leib war (2 Kor. 12,2.3.). Es gab auch Träume, wodurch der Träumende eine Warnung, Anweisung, oder Trost einer zukünftigen oder sonst verborgenen Sache wegen, die zugleich entdeckt wurde, von GOtt bekam, wie wir von Joseph, dem Pflegvaters JEsu, wissen. Endlich gab es auch göttliche Aufschlüsse im Geist des Gemüts von verborgenen Dingen, die entweder in der heiligen Schrift enthalten sind, aber ohne diese besondere Gabe nicht verstanden werden, oder die sonst durch natürliche Sinne nicht erreicht werden. So war Joseph ein Prophet, weil er den Traum, den Pharao bekommen hatte, erklären konnte, da hingegen Pharao selbst keiner war, weil er seinen Traum nicht selbst verstund, und nur die Zeichen der zukünftigen Dinge, nicht aber ihre Bedeutung wusste. Wie die Entdeckung des Herzenszustands bei einem Andern zur Gabe der Weissagung gehöre, ist schon §. 6. angemerkt worden. Hieraus kann die Frage erörtert werden: ob nicht zu allen Zeiten die Gabe der Weissagung in der Kirche gespürt werde? Doch ists ein anders, wenn ich die Weissagung als eine Gabe, ein anders, wenn ich sie als ein Amt ansehe. Wer zu seiner eigenen Belehrung eine Offenbarung von einer ihn selbst angehenden geheimen Sache bekäme, stünde deswegen noch in keinem Prophetenamt; wer aber den Beruf und eine offene Türe erlangt, seine Aufschlüsse der ganzen Kirche, weil sie von gemeinem Nutzen sind, mitzuteilen, (welches durch Worte und Schriften geschehen kann) der steht in dem Amt eines Propheten. Die innerliche Führung eines Propheten ist tiefer und schmerzhafter, eines Evangelisten aber fröhlicher und leichter. Wer dieses bedenkt, wird sich weder an jenem, noch an diesem ärgern. Ein Evangelist geht mit der Geschichte von dem Leben, Leiden, Tod, Auferstehung und Himmelfahrt JEsu um. Er entdeckt also nichts Neues, wie die Propheten, sondern verkündigt, was schon entdeckt ist, der ganzen Kirche als ein Wort guter Botschaft. Nicht nur die vier heiligen Männer Matthäus, Markus, Lukas und Johannes waren Evangelisten, sondern auch Timotheus, 2 Tim. 4,5. und Philippus, Ap. 21,8. Kann ein Prophet auch ein Evangelist sein, wie wir an Johannes sehen: so kann ein Evangelist auch ein Hirt und Lehrer sein, wie wir von Timotheo wissen, der eine Zeitlang zu Ephesus das Hirten- und Lehramt verwaltete. Ist aber ein Hirt und Lehrer an eine besondere Gemeine gebunden, so dient ein Evangelist mit einer überfließenden Gabe nicht nur derselben, sondern auch der ganzen Kirche, entweder mündlich oder schriftlich. GOtt gebe immer große Scharen solcher Evangelisten. Ein Hirt regiert seine Heerde: ein Lehrer unterrichtet seine Zuhörer. Zur Zeit der Apostel war ein Ältester, der auch am Wort und an der Lehre arbeitete, ein Hirt und Lehrer zugleich; wenn er aber der Gemeine vorstund, ohne am Wort und an der Lehre zu arbeiten; so war er ein Hirt, aber kein Lehrer. Heut zu Tag kann man die noch übrige Kirchenzucht, die zwar meistens im Namen der Landesobrigkeit verwaltet wird, zu dem Hirtenamt, und den öffentlichen und besonderen Vortrag des Worts zum Lehramt rechnen. Der Zweck dieser Ämter ist sehr wichtig. Die Heiligen sollen dadurch (einzeln) zugerichtet, das Werk der Bedienung selbst (zum guten Zeugnis dessen, der es führt vor dem HErrn) vollbracht, und der Leib Christi (oder die ganze Kirche) erbaut werden, Eph. 4,12. Der Ursprung dieser Ämter ist göttlich, Eph. 4,11. 1 Kor. 12,28., folglich sind sie an sich selbst ehrwürdig. Will nun eine Gemeine bei der Ordnung GOttes bleiben, will sie den großen Zweck, der 1 Kor. 12,12. beschrieben ist, erreichen, so muss sie solche Ämter haben. Fehlte es auch an Propheten und Evangelisten: so müssen doch Hirten und Lehrer da sein, die ihr Amt führen. Sollen sie aber ihr Amt führen: so muss man dasselbe auch gelten lassen, den Lehrern gehorchen, und die Ältesten, die wohl vorstehen, zweifacher Ehre wert halten, sonderlich, die da arbeiten am Wort und an der Lehre. Man darf es dem lieben Heiland zutrauen, dass Er durch die Kirchenämter, die Seine eigene Anstalt sind, zu allen Zeiten einen besonderen Segen ausfließen lasse, und sie zur Erreichung des Zwecks, der Eph. 4,12. gemeldet ist, wirklich gebrauche. Die Welt ehrt einen Knecht Christi heut zu Tag nur insofern, als er unter dem Schutz eines Regenten steht, und von ihm in einen bürgerlichen Rang gesetzt ist: aber die verborgene Würde und Gewalt, die er als ein Knecht Christi hat, erkennt sie nicht, den Zweck seines Amts versteht sie nicht, das Wort, das er verkündigt, glaubt sie nicht, und den HErrn, dem er dient, ehrt und liebt sie nicht. Überhaupt ist die wahre Hochachtung und Ehrerbietung allein im Reich JEsu anzutreffen, wo Liebe und Demut im Schwang gehen; da hingegen alles, was diese Art im Reich der Finsternis zu haben scheint, Heuchelei und Lüge ist. Wer sich aber auch in einem gutmeinenden Eifer, wider einen treuen Knecht GOttes, der in einem Amt steht, auflehnen will, der spiegle sich an der Rotte Korah, Dathan und Abiram, und wer wider geistlose Männer, die in Kirchenämtern stehen, allzu heftig eifern will, der bedenke, dass der HErr in Seinen Briefen an die geistlosen Bischöfe zu Sarden und zu Laodicäa, zwar ihren Seelenzustand, aber nicht ihr Amt verworfen, und es ihren Zuhörern, unter denen auch redliche Seelen waren, (Offenb. 3,4.) nicht verargt hat, dass sie das Amt dieser Bischöfe bisher benützt haben; ja dass Er auch den Schriftgelehrten und Pharisäern, von denen Er sonst, wenn sie Ihm zuwider redeten, sagte: lasst sie fahren, sie sind blind rc., noch Mosis Lehrstuhl und die Macht, etwas zu sagen, das man halten müsse, zugeschrieben, Matth. 23,2.3. Heut zu Tag achtet Mancher sein eigenes Amt nicht hoch genug, weil es dabei vieles zu leiden gibt, da doch ein Amt, das man nach dem wohlgefälligen Willen GOttes führt, eine große Wohltat ist. Es ist eine, mit Schranken eingefasste, Laufbahn nach dem vorgesteckten Ziel. Es ist ein gemessener Bezirk, worin man dem Willen des HErrn dienen kann. Hast du ein Amt, so darfst du dich nicht alle Tage besinnen, mit was du deinem HErrn einen Gefallen tun wollest. Dein Amt gibt dir Gelegenheit genug dazu an die Hand, und ein Tag sagts dem andern, ohne dass du immer etwas Neues ausdenken dürftest, und dabei in Gefahr liefst, von der Vernunft und dem Eigenwillen verleitet zu werden. Macht nun die Verschiedenheit der Ämter eine Verschiedenheit unter den Kindern GOttes aus: so trägt wiederum die Hochachtung derselben vieles zur Einigkeit derselben bei.

§. 14. - Von der Prüfung der Geister.

Man soll bei der Verschiedenheit der Leute, die fromm sind, oder sich für fromm ausgeben, nicht nur die Meinungen und Lehrsätze, sondern auch die Geister prüfen, ob sie aus GOtt sind, denn es sind viele falschen Propheten ausgegangen in die Welt. 1. Joh. 4,1. Bei geistlichen Menschen macht es ein billiges Aufsehen, wenn man von Aufschlüssen, Eingebungen oder Trieben des Geistes redet. Die Weisen dieser Welt sind zwar mit diesem allem bald fertig, indem sie es als fanatisches und enthusiastisches Zeug verlachen und verwerfen, und es ist kein Zweifel, dass manche unter ihnen die Propheten und Apostel, ja Christum Selbst so verworfen hätten, wenn sie zu ihrer Zeit gelebt hätten. Johannes will hingegen, dass man die Geister prüfen, folglich die wahren von den falschen unterscheiden solle, und Paulus gibt 1. Kor. 12,10. zu verstehen, dass die Unterscheidung der Geister eine gewisse Gabe sei, die nicht allen gegeben werde. Was also Johannes 1. Joh. 4,1. der ganzen Kirche befiehlt, ist von jedem Glied derselben in seinem Maße zu verstehen. Wer jene Gabe hat, der soll Andern damit dienen; und ihnen solche Kennzeichen der Geister vorlegen, dass auch diese, die jene Gabe nicht haben, jene aber doch in dieser Sache mit Gebet unterstützen, vor dem Irrtum bewahrt werden. Ohne Zweifel kann ein geistlicher Mensch, der jene Gabe der Geisterprüfung und dazu geübte Sinne zum Unterschied des Guten und Bösen hat, einen andern Geist nach der Empfindung seines eigenen Geistes, oder seiner eigenen neuen Natur prüfen, denn es ist gewiss, dass zwischen einem reinen, und unreinen Geist eine verborgene Antipathie sei, gleichwie zwischen allen, die durch die Geburt aus GOtt geistlich worden sind, eine geheime Sympathie ist. Allein hier ist große Behutsamkeit nötig, dass man von dem Fleisch und der alten Schlange, die sich auch in einen Engel des Lichts verstellt, und mancherlei geistlich scheinendes Gefühl in der Seele erregen kann, nicht betrogen werde. Auch ist eine solche Empfindung mehr demjenigen, der sie hat, als Anderen nützlich, und deswegen haben die Apostel, welche gerne auf alle gegenwärtigen und zukünftigen Fälle Vorsorge tun wollten, mit ihrer Gabe der Geisterprüfung den Gemeinen, an die sie schreiben, so gedient, dass sie kurze Regeln vorlegten, nach welchen man die damals ausgegangenen Geister beurteilen sollte. Daran, schreibt Johannes, sollt ihr den Geist GOttes erkennen: ein jeglicher Geist, der da bekennt, dass JEsus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist von GOtt; und ein jeglicher Geist, der da nicht bekennt, dass JEsus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist nicht von GOtt. Und das ist der Geist des Widerchrists, von welchem ihr habt gehört, dass er kommen werde, und ist jetzt schon in der Welt. 1. Joh. 4,2.3. Und Paulus schreibt hievon 1. Kor. 12,3. also: Darum tue ich euch kund, dass Niemand JEsum verflucht, der durch den Geist GOttes redet, und Niemand, (der durch einen Geist getrieben wird) kann JEsum einen HErrn heißen ohne durch den heiligen Geist. Die Apostel weisen also die Gläubigen auf die Lehre, welche jeder Geist aus seinem inwendigen Grund hervorbringe, und weil dem Satan besonders daran gelegen ist, dass die Menschen verleugnen oder vergessen sollen, dass JEsus Christus der Seligmacher und Gesalbte im Fleisch gekommen sei, und dass Er der HErr sei: so sagen sie, man solle nur Achtung geben, was jeder Geist von JEsu bezeuge. Wie aber: wenn ein Geist seine Meinung von JEsu Christo verbirgt, und vieles von andern Materien vorbringt? Alsdann nehme man das ganze Evangelium, das Paulus gepredigt hat, nach allen Stücken desselben, zum Prüfstein, und verwerfe alle Geisterreden herzhaft, die ihm irgendwo widersprechen, Gal. 1,8.9. Überdies ist alles, was von der Wahrheit abweicht, wider JEsum gedacht, geredet und getan, und wer im Geist recht erkennt, dass JEsus Christus der HErr, und dass Er ins Fleisch gekommen sei, kann alle Irrlehren zur Genüge entdecken. Er Selbst, unser hochgelobter Erlöser, heißt uns bei den falschen Propheten überhaupt auf ihre Früchte Achtung geben, Matth. 7,16., das ist, auf dasjenige, was ohne Verstellung und Entlehnung von Andern aus ihrem inneren Seelengrund in Worten und Werken hervorbricht. Nach dieser Regel haben Petrus, 2. Petr. 2,1-22., und Judas, V. 4.8.10-13.16.19., und Paulus Kol. 2,8.18-23. Gal. 6,12.13. Phil. 3,2.18., und Johannes 1. Joh. 2,19., die Irrgeister geprüft, und sind den Gläubigen, die etwa zu schwach, und zu schüchtern waren, vorangegangen, dass diese, was sie für sich selbst nicht merkten, hernach auch erkennen konnten. Die Apostel nehmen überall die Lehre und die Werke zusammen, und waren desto schärfer wider alles, was dem Sinn Christi zuwider war, je brünstiger sie ihren Heiland liebten. Wären die damaligen Gemeinen bei jedem guten Schein gleich zugefahren, und hätten jedem Geist schnell geglaubt: so wären sie zerrüttet worden, wie es den Galatern gegangen; wenn sie aber entweder für sich selbst prüften, oder die Prüfungsgabe, welche die Apostel und andere begabten Männer, z. B. der Engel der Gemeine zu Ephesus (Offenb. 2,2.) hatten, sich zu Nutzen machten, so blieben sie unverworren. Fehlt es in trübseligen Zeiten an solchen Männern, wiewohl es nie ganz fehlt: so bitte man desto ernstlicher um die Salbung, und bleibe hernach bei dem Rat, den Johannes den Kindern in Christo gibt, 1. Joh. 2,18.19.20.27., und welcher darauf hinaus läuft: nehmt euch in Acht: bleibt bei der Lehre der Salbung, trennt euch nicht: lasst alles Fremde stehen; denn ihr habts wenigstens nicht nötig. Will Jemand zukünftige Dinge aus einer göttlichen Offenbarung weissagen, so muss er sich der Prüfungsregel, die 5. Mos. 18,21.22. steht, unterwerfen. Zeichen und Wunder sind nach den Früchten derer, die sie tun, zu prüfen, und nicht schlechthin als ein Beweis einer guten Sache anzunehmen. s. 5. Mos. 13,1.2.3. 2. Thess. 2,9. Offenb. 13,13. Es sei aber nun, wer es sei, der aus dem Geist reden, und Andere überzeugen will, so muss er sich prüfen lassen. Wenn in der Korinthischen Gemeine bei der ordentlichen Versammlung zwei oder drei geweissagt hatten: so durften und sollten die Anderen richten, 1. Kor. 14,29. Sie weissagten aus einer Offenbarung, V. 30., und doch durfte man richten, ob sie recht geweissagt haben; ob nicht alles oder etwas davon aus dem eigenen Geist geflossen sei. Ohne Zweifel kann ein Mensch, der den Geist GOttes empfangen hat, hier und da doch noch wachend und schlafend von dem Feind durch Vorstellungen und Eingebungen geäfft werden, besonders wenn er eine Begierde nach außerordentlichen Dingen hat. Überhaupt sind die Geister der Propheten den Propheten untertan, V. 32., dass sie sich nämlich ihrer Prüfung unterwerfen. Hat doch Paulus, was er schrieb, der Erkenntnis der Propheten und geistlichen Menschen unterworfen, V. 37., und in dem zweiten Brief an die Korinther und in dem Brief an die Galater die Gültigkeit seines apostolischen Berufs ausführlich bewiesen. Wer also mit seinem Ansehen Andere übertäuben, auf eine herrschsüchtige Weise Glauben fordern, und die Prüfung seiner selbst übel aufnehmen will, der verrät seinen stolzen Geist, und gilt desto weniger bei Leuten, die wahrhaftig geistlich, folglich sanftmütig und demütig sind.

§. 15. - Von dem Unterschied zwischen dem Buchstaben und Geist.

Paulus schreibt 2. Kor. 3,6. er führe nicht das Amt des Buchstabens, sondern des Geistes, und der Buchstabe töte, der Geist aber mache lebendig. Weil diese Redensarten dem Missverstand oft unterworfen sind, der zu Irrungen Anlass gibt, so wird nötig sein, sie zu erörtern. Was ist also der Buchstabe, von dem Paulus redet? Wenn ich die heilige Schrift lese, wie sie mit schwarzen Buchstaben auf dem Papier ausgedrückt ist, so tötet sie mich deshalb nicht, oder wenn ich Jemand höre, der Buchstaben, Silben und Wörter ausspricht, so werde ich nicht getötet. Hat doch Paulus selbst viele Buchstaben geschrieben und ausgesprochen, wenn er das Evangelium predigte. Er setzt den Buchstaben dem lebendigmachenden Geist entgegen. Wenn nun Worte, und dieser Geist beisammen sind, so heißt mans nicht mehr Buchstaben, obschon das Wort aus Buchstaben besteht; wenn man aber das Wort ohne diesen Geist fasst, so ists dem, der es so fasst, ein bloßer Buchstabe. Wenn dieser Buchstabe als ein tötender Buchstabe vorgestellt wird, so ist das Gesetz gemeint, denn was Paulus hier von dem Buchstaben sagt, dass er töte, das hat er Röm. 7,10. von dem Gesetz bezeugt, und gleichwie er hier dem Buchstaben den lebendigmachenden Geist entgegen setzt, so hat er Gal. 3, 21. von dem Gesetz bezeugt, dass es nicht lebendig mache. Also ist denn das Amt, das durch die Buchstaben tötet, und in die Steine gebildet war, nichts anders, als das Amt des Gesetzes, welches Moses führte 2. Kor. 3,7. Der Heiland hat zwar in der Bergpredigt und sonst mancherlei Gebote vorgetragen, und Sein Knecht Paulus hat in seinen Briefen viele Lebensregeln beschrieben: wenn aber der Geist des Lebens diese Gebote und Regeln dem Leser und Zuhörer ins Herz schreibt, wenn derselbe Seine lebendigmachende Kraft in und bei dem Wort durch den Glauben erfährt, so sind sie ihm kein tötender Buchstabe, sondern eine liebliche Regel des Lebens. Wer aber ohne den Glauben an Christum mit den Geboten, Drohungen und Verheißungen GOttes umgeht, der erfährt, dass sie ein Buchstabe seien, der töte. Sie sind nicht tot, sonst könnten sie nicht töten. Die tötende Kraft ist göttlich, sonst wäre sie unbefugt. Sie hat ihren Nutzen, indem sie zu Christo treibt. Sie findet auch im neuen Testament statt, wie man aus Röm. 7. sieht. Doch ist sie nicht die Hauptsache und der eigentliche Zweck bei dem Amt, das Paulus führte, und das alle wahren Hirten und Lehrer im neuen Testament führen, gleichwie sie es bei dem Amt Mosis war, deswegen sagte Paulus, er führe nicht das Amt des tötenden Buchstabens, und unterscheidet sich darin von Mose. Wenn ein Sünder im tiefsten Grund seiner Seele den Hass des heiligen GOttes wider die Sünde, und Sein Recht, ihn darüber zu verdammen, mit solchem Nachdruck fühlt, dass er dabei alle Hoffnung, sich selbst zu helfen und zu rechtfertigen, aufgeben muss; oder wenn die Kräfte seiner Seele, die sonst in der Eigenliebe zusammengefasst, und geschäftig sind, zertrennt, oder wie die Schrift sagt, zerknirscht und zerschlagen werden: so wird er getötet, denn alle Ertötung ist eine Zertrennung der Kräfte. Das Amt, das Moses auf dem Berg Sinai verwaltete, und dessen Hauptinhalt damals in die steinernen Tafeln gebildet ward, hatte diesen Zweck, dass es die Menschen tötete, nicht als ob die Worte, welche Moses auf dem Berg Sinai hörte, nicht auch in dem Mund JEsu und Seiner Knechte Geist und Leben sein könnten; sondern weil der lebendigmachende Geist damals nicht dabei war. Doch tötet der Buchstabe, oder das Gesetz nicht einen Jeden, sondern nur denjenigen, den es trifft, denn bei Einigen hat es gar keine Wirkung, und solche gehen damit um, als ob es ein totes Menschenwort wäre, und leben deshalb ohne Gesetz, Röm. 7,9. Diejenigen aber, die durchs Gesetz getötet werden, sollen hernach durch den Glauben erfahren, wie das Gesetz des Geistes, der da lebendig macht, von dem Gesetz der Sünde und des Todes frei mache, Röm. 8,2. Wenn nun Paulus Röm. 7,6. schreibt: wir sollen dienen im neuen Wesen des Geistes, und nicht im alten Wesen des Buchstabens, so will er, dass man sich nicht in einem knechtischen Sinn mit dem Gesetz allein aufhalten, oder darunter stehen bleiben, sondern die neue Geburt, die durch den unvergänglichen Samen des ewigen Wortes GOttes gewirkt wird, (da denn, was aus Geist geboren wird, auch Geist ist, Joh. 3.) erfahren, und in derselben wandeln solle. Hieraus lässt sich nun mancher Missverstand zu recht legen. GOtt hat manchmal und auf mancherlei Weise durch Seine Knechte die Propheten, in den letzten Tagen aber durch den Sohn geredet, und dieser hat Apostel, Evangelisten, Hirten und Lehrer verordnet. Überall ist ein äußerliches Wort zur Gewinnung der Seelen gebraucht, und entweder nur ausgesprochen, oder auch geschrieben worden. Auch Paulus, indem er schrieb, dass er nicht das Amt des Buchstabens, sondern des Geistes führe, hat wirklich Buchstaben mit der Tinte geschrieben. Es ist also ungeschickt, wenn man unter dem Vorwand des Geistes die äußerlichen Mittel verachtet und verwirft. Bei der Wassertaufe, die JEsus von Johannes empfing, ist die Stimme des Vaters gehört worden, und der heilige Geist gleich als eine Taube herabgefahren. Mit dem Anblasen hat der Heiland (Joh. 20.) den Aposteln den heiligen Geist gegeben. Am Pfingsttag kam der heilige Geist unter dem äußerlichen Zeichen des brausenden Windes, und offenbarte Sich unter der Gestalt feuriger Zungen. Durchs Auflegen der Hände haben die Apostel den heiligen Geist mitgeteilt. Und wann ist jemals die Kraft GOttes bei einem eigentlichen Wunderwerk gespürt worden, ohne dass ein äußerliches Zeichen der Rede, oder des Anrührens, oder Überschattens und dergleichen dabei gewesen wäre? Also sollen wir den Geist nie ohne die äußerlichen Zeichen und Mittel begehren: wer aber bei den Mitteln stehen bleibt, ohne den Geist zu empfahen, der dient GOtt im alten Wesen des Buchstabens. Vergeblich streitet man auch darüber, ob man das Gesetz auch im Neuen Testament noch gebrauchen solle; denn so lange Leute in der Welt leben, die ungläubig und Knechte der Sünde sind: so lange wird und muss das Gesetz oder der tötende Buchstabe seine Kraft beweisen. Soll es denn bei selchen Leuten nicht dahin kommen, dass ein Jeder sagen müsse: ich starb? Röm. 7,10. Also muss ein tötender Buchstabe da sein, oder ein Gesetz, das ihnen zum Tode gereicht. Niemand kommt zur seligen Erfahrung des achten Kapitels an die Römer, ohne durch den Weg des siebenten, denn in diesem beschreibt Paulus vom siebenten Vers an, nicht seinen Gnadenstand, sondern er stellt sich selbst Gleichnisweise als einen Menschen vor, der vom Stand der Sicherheit in den Stand der Gnade übergehe, und beschreibt, was das Gesetz dabei in ihm wirke. Wer will nun diesen Weg, den Paulus beschreibt, vorbei geben? Man predige einem fleischlichen Menschen, was man will: so kann man nicht verhindern, dass das Wort nicht eine verdammende oder tötende Kraft an ihm beweise: denn der heilige GOtt hat mit ihm zu rechten und ihn zu schelten; und ist ihm, wenn Er im Wort zu ihm naht, ein brennendes Feuer, oder ein zerschlagender Hammer; wiewohl es dabei nicht ohne freundliche Lockungen abgeht, damit der Sünder nicht zum Fliehen, sondern zum Kommen bewegt werde. Hingegen mag man einer gläubigen Seele, welche die Versöhnung durch Christum mit GOtt empfangen hat, predigen, was man will: so ist's ihr Geist und Leben, und also ein Evangelium, wenn es auch die zehn Gebote wären: es sei denn, dass sie zu ihrer weiteren Läuterung einen neuen Strahl des göttlichen Eifers wider die Sünde aus dem Wort nötig hätte und bekäme, welcher noch immer zu dem Berg Sinai zu rechnen wäre.

§. 16. - Von der Prüfung der Zeit.

Der liebe Heiland sagte nicht nur zu Seinen Aposteln, sondern zu einem ganzen Haufen Leute: Wenn ihr eine Wolke seht aufgehen vom Abend, so sprecht ihr bald: es kommt ein Regen; und es geschieht also, und wenn ihr seht den Südwind wehen, so sprecht ihr es wird heiß werden, und es geschieht also. Ihr Heuchler, die Gestalt der Erde und des Himmels könnt ihr prüfen: wie prüft ihr aber die Zeit nicht? Luk. 12,54.55.56. JEsus Christus ist zwar gestern und heute und eben derselbe in Ewigkeit, aber doch ist Seine Haushaltung unter den Menschen zu verschiedenen Zeiten verschieden gewesen. Vor der Zeit Mosis hat Er die Menschen meistens allein durch Hausväter regiert; hernach hat er die Theokratie, oder Sein eigenes königliches Regiment unter Israel angerichtet, nach seiner Himmelfahrt aber die christliche Kirche mit den verschiedenen Gaben und Ämtern angeordnet. Seit der Himmelfahrt des HErrn hat sich die Zeit wiederum oft und sehr geändert, so dass jetzt manches in der Führung der Ämter nimmer möglich, oder ratsam ist, was zur Zeit der Apostel tunlich war; gleichwie es zur Zeit der Apostel sündlich gewesen wäre, wenn Jemand mit dem König Herodes Agrippa, oder mit den römischen Landpflegern so hätte umgehen wollen, wie zu der Zeit der Richter gegen den Moabitischen König Eglon, oder gegen den Sissera gehandelt worden ist. Schicke dich also in die Wege und Gerichte GOttes, wie sie zu derjenigen Zeit sind, darin du lebst. Fasse keine übertriebenen Anschläge und Wünsche, und unternehme keine Anstalten, die über die Erträglichkeit der Zeit, worin der Zorn GOttes die Christenwelt drückt, hinaus gehen: sonst antwortet dir der HErr, wie er dem Baruch in gleichem Fall geantwortet hat: du begehrst dir große Dinge, begehre sie nicht! Jer. 45,5. Sei nicht zu hart über andere Knechte und Kinder GOttes, denn sie leben in einer bösen Zeit. Hast du kein Einsehen mit ihnen, so hats doch der HErr, der besser weiß, was zu dieser Zeit möglich und nützlich ist, als ich und du. Habe aber auch selbst Geduld, und lasse dichs nicht verdrießen, bei der jetzigen Zerstreuung und Wenigkeit der Kinder GOttes deinen Wandel zu führen, und deinen Dienst zu verrichten: denn der HErr, der allen Geschlechtern von Anfang her ruft, und dich in dem jetzigen zum Leben berufen hat, wills so haben. Hast du einen gutmeinenden Anschlag gefasst, und er geht nicht vonstatten, so denke, er tauge nicht in den allgemeinen Regierungsplan GOttes hinein, ob er schon dir gut vorkommt, denn sonst würde ihm der HErr, der alles in Seiner Hand hat, den Fortgang geben. Bleibe also gelassen und ruhe im Frieden Gottes! Frage nicht: was ists, dass die vorigen Tage besser waren, als jetzige? denn du fragst solches nicht weislich, Pred. Sal. 7,11. Denke nicht: weil ich nicht handeln kann, wie man zur Zeit der Apostel oder Patriarchen gehandelt hat, so will ich lieber gar nichts tun: denn du beschuldigst damit den HErrn der Zeiten einer Härtigkeit, nach welcher Er kein Einsehen habe, und wirst der Schalk und faule Knecht, der Matth. 24,24-27. beschrieben wird. Achte dasjenige nicht für gering, was GOtt auch in der kümmerlichen Zeit auf Erden schenkt und tut, sondern freue dich und lobe GOtt darüber, sonst trifft dich das Wort: wer ist, der diese geringen Tage verachte? Zach. 4,10. Handle im Vertrauen auf den HErrn ohne Menschenfurcht: so wirst du inne werden, dass dir in demjenigen, wozu dich der Herr brauchen will, die Hände oder Füße nicht so gebunden seien, als du dir etwa einbildest, sondern dass du eine offene Tür vor dir habest, die Niemand zuschließen kann. Endlich, wenn du einen Südwind wehen siehst, der ein heißes Zornwetter verkündigt, oder eine liebliche Hoffnungswolke, die einen Gnadenregen verspricht, so merke es für dich, und sage es Andern: doch lerne das prophetische Wort GOttes vor allen Dingen verstehen!

§. 17. - Von dem Vertrauen auf die liebreiche Vorsehung GOttes.

Durch die liebreiche Vorsehung GOttes wird ein Jeder zu einer gewissen Zeit und in einem gewissen Volk, Geschlecht, Land und Ort geboren, und bekommt hernach gewisse Vorteile, und Mittel zur Erlangung der Gerechtigkeit und Herrlichkeit, auch eine Reihe von traurigen und fröhlichen Begebenheiten, leichten und schweren Arbeiten, welche gleichsam die äußeren Schranken sind, worin man nach dem vorgesteckten Ziel laufen soll. Nun ist kein Zweifel, dass wenn man in dem Ort, wo man wohnt, der nötigen Gnadenmittel entbehren müsste, der Gewissensfreiheit beraubt, und zum Aberglauben und anderen Sünden gedrungen würde, man entweder Gefängnis und Tod über der Wahrheit leiden, oder fliehen und ausgehen müsste. Allein der Unglaube will oft auch ohne Not scheel dazu sehen, wenn es ihn dünkt, als ob Andere einen gemächlicheren Weg, und reichere Vorteile zum geistlichen Wohlleben haben. Mancher denkt: wenn ich nur da oder da wohnte, wo ich höre, dass es so herrlich hergehe: so wollte ich auch in meinem Christentum weiter kommen. Hier bedenke man zuvörderst, was Paulus 1 Kor. 7,21. schreibt: bist du ein Knecht berufen, sorge nicht, (dass dir am innern Leben um des äußerlichen Sklavenstandes willen etwas abgehen werde,) doch kannst du frei werden, so brauche des viel lieber! Wie hart ging es den meisten Knechten zu Paulus Zeiten, besonders wenn sie ungläubige Herren hatten? Sie waren leibeigen, und ihre Weiber und Kinder auch. Wie viel Böses mussten sie sehen und hören! Wie wenig Freiheit, Ruhe und Muße mögen Manche zur öffentlichen und besonderen Übung des göttlichen Worts, wie auch zum Umgang mit andern Gläubigen gehabt haben! Wie schwer mag es ihnen geworden. sein, ihre Kinder, worüber ihre Herren mehr Macht, als sie selbst hatten, dem HErrn zu erziehen! Sie mussten bleiben, wo ihre Herren sie haben wollten, und durften nicht hinziehen, wo sie die Hoffnung eines geistlichen Nutzens hinneigen mochte. Und doch sagt Paulus zu einem solchen Knecht: sorge nicht; denke nicht, dass die Vorsehung GOttes, die dich in den Sklavenstand hat kommen lassen, dich an Erlangung deines ganzen Erbes im Reiche Gottes hindere; denn wer als Knecht berufen ist in dem Herrn, der ist ein Befreiter des Herrn. Der HErr hat ihn nicht als einen Sklaven, sondern als Sein Kind angenommen, inwendig frei, edel und reich gemacht, und liebt ihn nicht weniger als einen, der auch äußerlich frei ist. Fürwahr, wen der Sohn GOttes von der Sünde frei macht, der ist recht frei, und dieses kann man überall durch den Glauben an den Heiland, der allenthalben gegenwärtig ist, erlangen, wenn man schon äußerlich unter einer schweren Dienstbarkeit stünde. Doch wenn man frei werden, und seinen Stand unter der guten Hand GOttes ohne Verletzung der Liebe verbessern kann: so soll man dessen viel lieber gebrauchen. GOtt gönnt es dem Menschen. Merke aber auch ferner, dass oft eine große Gabe der Erkenntnis dazu gehört, wenn man prüfen will, welcher Stand und Ort für den inneren Menschen der vorteilhafteste sei. Am sichersten geht derjenige, dessen Wahl GOtt wenig überlässt, und ihn immer wider, und über sein Gutdünken führt. Glaube ferner, dass, wo viel Druck, viel Kampf und Demütigung sei, auch viele Gnadengaben und ein schönes Wachstum des neuen Menschen zu hoffen sei. Die Alten, die durch den Glauben Zeugnis überkommen, Hebr. 11,2., haben das Kreuz lieb gehabt, sind als Rosen unter den Dornen gewachsen, sind auf den beschwerlichen und gefährlich scheinenden Wegen getrost einhergegangen, haben viele Mühe und Arbeit im Dienst GOttes übernommen, und endlich selig überwunden, wie das ganze elfte Kapitel der Ep. an die Hebräer anzeigt. Genug ists, dass der Heiland weiß, wo du wohnst, gesetzt auch, dass des Satans Stuhl in der Nähe bei dir wäre, Offenb. 2,13. In der Zeit, worin du lebst, und in den äußerlichen Umständen des Standes, worin du stehst, hat der HErr schon manche Pflanze zu einem Baum der Gerechtigkeit gezogen, und endlich mit Frieden und Freude in das himmlische Paradies versetzt. Fürchte dich also nicht! Glaube nur! Es kann dir auch so gehen. Bei den besten Anstalten des Gottesdiensts kann man unbekehrt, oder schwach bleiben, hingegen kann auch ein Genuss der göttlichen Gnadenmittel, welcher von außen sehr eingeschränkt und deshalb sparsam ist, eine begierige und treue Seele sehr fördern. Kurz zu sagen, die Wege des HErrn (die Wege seiner Vorsehung) sind richtig, und die Gerechten wandeln darinnen, (sie kommen wohl darauf fort,) aber die Übertreter fallen darinnen. Wer ist weise, der dies verstehe, und klug, der dies merke? Hos. 14,10.

§. 18. - Wie man die ganze Lehre des Evangelii in wenige Worte zusammen fassen könne.

Es haben sich schon verschiedene Menschen berühmt, die ganze Lehre des Evangelii in einem kurzen Zubegriff zu fassen, und damit ihrem Nächsten die Erkenntnis derselben zu erleichtern, und alles unnötige Gezänk abzuschneiden. Es kommt hierin nicht auf den menschlichen Eigendünkel, sondern auf das Zeugnis der ewigen Weisheit an, welche am besten gewusst hat, wie sie den gefallenen Menschen zuweilen mit kurzen Worten die ganze Wahrheit sagen solle. Die Gebote: liebe GOtt, und liebe den Nächsten! sind zwar die Summa des Gesetzes, aber nicht des Evangelii. Adam hätte im Paradies genug daran gehabt, der Sünder aber nicht, weil diesem auch die Erkenntnis eines Erlösers nötig ist. Wer also nach dem Sündenfall, wie Nikodemus, begierig ist, zu erkennen, wie man in das Reich GOttes komme, der wird an der Rede Christi von der Wiedergeburt und vom Glauben, die Joh. im 3. steht, alles Genüge finden. Noch kürzer ist die Summa aller Predigten Christi in Galiläa, Mark. 1,14.15. vorgestellt. Paulus drückt den kurzen Inbegriff seiner Lehre so aus: wir predigen den gekreuzigten Christum, den Juden ein Ärgernis, und den Griechen eine Torheit, denen aber, die berufen sind, Beiden, Juden und Griechen, predigen wir Christum, göttliche Kraft und göttliche Weisheit, 1 Kor. 1,23.24. und Kap. 15. erinnert er die Korinther des Evangelii, das er ihnen gepredigt habe, und durch welches sie auch selig werden, und gibt dieses als den Inhalt desselben an: dass Christus gestorben sei für unsere Sünden, und dass Er begraben sei, und dass er auferstanden sei am dritten Tage nach der Schrift. Als er Phil. 3,8. sein eigenes Christentum, und den Sinn der Vollkommenen beschrieb, da sagte er: was mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Schaden geachtet, denn ich achte es alles für Schaden gegen der überschwänglichen Erkenntnis JEsu Christi meines HErrn, um welches willen ich alles habe für Schaden gerechnet, und achte es für Dreck, auf dass ich Christum gewinne, und in Ihm erfunden werde, dass ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Christum kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird; zu erkennen Ihn, und die Kraft Seiner Auferstehung und die Gemeinschaft Seiner Leiden, dass ich Seinem Tode ähnlich werde; damit ich entgegen komme zur Auferstehung der Toten. Darauf zielte schon die Antwort, die er dem erschrockenen Kerkermeister zu Philippi auf die Frage: was soll ich tun, dass ich selig werde, gab: Glaube an den HErrn JEsum Christum, so wirst du und dein Haus selig! Ap. Gesch). 16,31. Und Gal. 6,14.15. setzt er dem Sinn und der Lehre der falschen Apostel diese kurze Beschreibung seines Sinnes und seiner Lehre entgegen: Es sei ferne von mir rühmen, denn allein von dem Kreuz unsers HErrn JEsu Christi; durch welchen mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt; denn in Christo JEsu gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern eine neue Kreatur; und wie viele nach dieser Regel einhergehen, über die sei Friede und Barmherzigkeit, und über den Israel GOttes! Dergleichen summarische Vorstellungen des ganzen Evangelii kommen häufig in der heiligen Schrift vor. Man gebe nur Achtung, wo ein gewisser Zustand, Sinn oder Verhalten des Menschen beschrieben, und zugleich bezeugt wird, dass man dabei Gnade, Friede, Barmherzigkeit, Seligkeit, Herrlichkeit usw. erlange; da wird allemal das ganze Evangelium, oder der ganze Glaubensweg in einer kurzen Summe vorgelegt. Wozu dient es nun, wenn man solche kurze Begriffe der ganzen heilsamen Wahrheit vor Augen hat? Nicht dazu, dass man die weitläufige Ausführung der Wahrheit, die sonst in der Bibel oder andern geistreichen Schriften enthalten ist, verachte und ungebraucht liegen lasse; denn das arme menschliche Herz hat nötig, dass ihm einerlei Wahrheit auf vielerlei Art beigebracht werde, kurz und weitläufig, mit oder ohne Gleichnisreden, auf dieser und auf jener Seite, nach der Art einer Ermahnung, oder Lehre, oder Bestrafung, oder eines Trostes. Jene kurzen Inbegriffe nun stellen dem menschlichen Herzen, das sich in seinem Sinn, besonders wenn es von einer Not gedrängt wird, nicht allezeit weit ausbreiten kann, die ganze Wahrheit auf einmal vor Augen. Sie helfen also zur Einfältigkeit auf Christum. Sie sind dem kindlichen Sinn gemäß, worin ein Christ wandeln soll. Sie geben aber auch für die Einfältigen einen genugsamen oder hinreichenden Ausschlag bei allen Religionsstrittigkeiten ab. Wer zum Exempel von neuem geboren ist, wer an JEsum Christum von Herzen glaubt, wer sich des Kreuzes Christi rühmen kann, wer eine neue Kreatur ist usw., der kann unmöglich für seine Person in einem seelenverderblichen Irrtum stehen, denn ihm ist das Reich GOttes und die Seligkeit gewiss, das Kreuz Christi scheidet ihn von der Welt, die im Argen liegt und verloren geht, die neue Kreatur gilt in Christo JEsu usw. Hingegen ist Alles dasjenige, was der Buße, dem Glauben, der Erkenntnis des gekreuzigten Heilandes, der neuen Geburt und Schöpfung usw. zuwider ist, und davon abführt, gewiss ein schädlicher Irrtum, und ich darf es dafür halten, gesetzt, dass ich auch die Sprüche, worin derselbe Irrtum namentlich widerlegt wird, nicht gleich anführen könnte; wiewohl letzteres doch auch zur Befestigung des Herzens nötig ist. Auch ist eine Lehre, wenn sie auch viel Wahres enthält, nicht lauter und vollständig, wenn sie mich nicht zur Buße und Wiedergeburt bringt, wenn ich dabei Christum nicht gewinne, wenn ich mich dabei des Kreuzes JEsu Christi nicht allein rühmen soll usw. Alle Abweichungen in Glaubenssachen führen von Christo JEsu ab, und dagegen auf etwas, das entweder der jüdischen Beschneidung, Werkheiligkeit, Zeichenforderung, kraftloser Wissenschaft, blindem Eifer über der väterlichen Weise und dergleichen, oder der heidnischen Vorhaut, d. i. trockenen Vernunftsweisheit, spitzfindigen Wohlredenheit, ungezogener Freiheit und Gesetzlosigkeit und dergleichen ähnlich ist. Dazwischen ist das Kreuz Christi, nämlich das Kreuz, woran unser lieber HErr JEsus Christus gehangen ist, und welches sein ganzes blutiges Verdienst bedeutet, der Ruhm derer, die recht gesinnt sind. Sie spüren, dass sie durch die geheime Kraft desselben neue Kreaturen worden seien, und noch immer völliger werden, und dass die Welt ihnen gekreuzigt, das ist, von ihnen geschieden worden sei, und sie (von) der Welt. Sie gehen also nach dieser Regel des Geistes einher, und genießen dabei Frieden und Barmherzigkeit von GOtt, da hingegen jene Abweichungen in Unruhe und Verderben führen. Wohl also demjenigen, der jene kurzen Inbegriffe der Wahrheit nicht nur dem Buchstaben nach, sondern Erfahrungsmäßig inne hat, immer mehr darin geheiligt wird, und bis an sein Ende darin stehen bleibt!

§. 19. - Beschluss.

Wer die Wahrheiten, welche bisher vorgelegt wurden, zu Herzen nimmt, wird dadurch vor dem Schaden, den der Glaube und die Liebe bei der Verschiedenheit der Kinder GOttes leiden könnten, bewahrt werden. Was ich bei dem Beschluss noch anpreisen will, ist die Hoffnung. Wir haben herrliche Verheißungen in der Schrift, welche noch an der Kirche auf Erden erfüllt werden müssen. Wenn aber dieses geschieht, so werden zugleich viele guten Wünsche, und Vorschläge, die man bisher vergeblich gefasst hat, erfüllt werden, und die Kirche wird einen Frieden und eine geistreiche Verbindung ihrer Glieder genießen, dergleichen noch nie auf Erden vorhanden war. Wer aber hiervon noch nicht überzeugt wäre, wiewohl es heut zu Tag eine Schande ist, daran zu zweifeln, der bedenke, dass das Reich GOttes zu allen Zeiten auf Erden einem Gartenbeet gleich sei, wo man den Samen zwar sät und aufgehen lässt; wenn aber das Gewächs aufgegangen ist, und einige Größe erlangt hat, es ausrauft und versetzt, damit es seine Vollkommenheit erlange. So gibt es auf Erden lauter Anfänge des Gnadenwerks Gottes; und Seine Kinder haben auch, was ihre Vereinigung anbelangt, so lange ihr Leibesleben währt, nur einen schwachen Anfang zu genießen und werden auch in dem Genuss desselben durch die Nöte, welche von ihren Leibern, Ämtern, Haushaltungen, der Entfernung von einander, und von den sündlichen Schwachheiten entstehen, öfters gehindert. Aber in jener Welt, wohin GOtt eines nach dem andern durch eine selige Hinfahrt versetzt, wird es noch besser hergehen, da wird vor dem Vater die Brüderschaft stehen im heiligsten Feuer in seliger Brunst; die zieht zusammen des Königs Gunst. Da wird das Wort, das unser Heiland Joh. 17,22.23. mit Seinem himmlischen Vater geredet hat, in seine völlige Erfüllung gehen: Ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die Du Mir gegeben hast, dass sie Eines seien, gleichwie Wir Eines sind. Ich in ihnen, und Du in Mir, auf dass sie vollkommen seien in Eines. Die Herrlichkeit, die der Vater Seinem Sohn gegeben hat, besteht darin, dass der Sohn mit dem Vater Eines ist. Diese Herrlichkeit hat der Sohn auch den Gläubigen gegeben oder zugedacht. Sie sollen Eines, ja sie sollen vollendet sein in Eines. Ihre Vollendung soll also in einer völligen Einigkeit oder Einheit bestehen. Man bemerke, wie der Heiland stufenweise in Seinem Gebet von dieser Sache rede, Er sagt von den Gläubigen: sie sollen Eines sein und werden, gleichwie der Vater und der Sohn, V. 11. Sie sollen Eines sein und werden, gleichwie der Vater in dem Sohn, und der Sohn in dem Vater ist; sie sollen in dem Vater und Sohn Eines sein, V. 21. sie sollen Eines sein, gleichwie der Vater und der Sohn Eines sind, V. 22. Der Sohn will in ihnen sein, und der Vater in dem Sohn, auf dass sie vollendet seien in Eines, V. 23. Wer wird die Tiefen dieser heiligen Reden erforschen? Doch bemerken wir, dass V. 11., die Einheit des Vaters und des Sohnes als das Vorbild der Einheit der Gläubigen vorgestellt wird. Hernach kommt V. 21. der Ausdruck in uns dazu, und der Heiland zeigt an, dass Seine Einheit mit dem Vater auch der wirkliche Grund der Einheit der Gläubigen sei. Alle Gläubigen sind in dem Vater und dem Sohne, und also Eines, weil der Vater in dem Sohn, und der Sohn in dem Vater ist, und also sich Niemand an den Vater ohne den Sohn, oder an den Sohn ohne den Vater halten kann. V. 22. und 23. kommt der noch tiefere Ausdruck: Ich in ihnen dazu. Die Gläubigen sind nicht nur in dem Vater und Sohn nach V. 21., sondern der HErr JEsus ist auch in ihnen, und der Vater in dem HErrn Jesu, und so werden die Gläubigen in Eines vollendet. Hat schon der Sohn in Seiner Einheit mit dem Vater einen ewigen und unvergleichlichen Vorzug: so werden doch die Gläubigen so völlig in dem Vater und Sohn Eines sein, als es ihre erschaffene Natur erlaubt. Welch ein großes Werk GOttes ist das, dass Er die so zerteilten und zerstreuten Menschen zu einer Einigkeit unter sich, und die von Ihm abgefallenen Sünder zu einer Einigkeit in Ihm Selber bringt! Dazu wird der Anfang in diesem Leben gemacht, die Vollkommenheit aber in jenem Leben erreicht werden. Wenn große Scharen von Einem Geist belebt, in einer unaussprechlich-süßen Harmonie GOtt und dem Lamm ihre Anbetung leisten, ihre Loblieder singen, und ihre himmlischen Musiken anstimmen; wenn der HErr JEsus mit vielen Tausenden, die zusammen eine Braut ausmachen, Hochzeit halten; wenn der HErr der allmächtige GOtt selbst der Tempel der Bürger des neuen Jerusalems, und mit Einem Wort Alles in Allem sein wird; alsdann wird die Herrlichkeit, die der Heiland Seiner Kirche gegeben hat, offenbart, und die Vollendung in Eines in dem allerseligsten und unvergänglichen Genuss dargestellt sein. Mit dieser Hoffnung wollen wir uns trösten, und nach diesem Ziel laufen. GOtt helfe uns dazu!

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autoren/r/roos/roos-christliche_gedanken.txt · Zuletzt geändert: von aj
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