Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Propheten Jesaja

Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Propheten Jesaja

Jes. 12

Zu derselbigen Zeit wirst du sagen: ich danke Dir, HErr, daß Du zornig bist gewesen über mich, und Dein Zorn sich gewendet hat, und tröstest mich. Jes. 12,1.

Es ist dieses eine Weissagung, die alsdann erfüllt werden wird, wenn das Volk Israel ein begnadigtes und mit den Gaben des Heiligen Geistes reichlich gesegnetes Christenvolk sein, und den Heiden selbst mit seinem Licht vorleuchten wird. Vor diesem gesegneten Zustand geht ein anderer her, bei welchem Israel den Zorn Gottes empfindlich spüren wird. Die Beschreibung dieses Zustandes findet man in andern Weissagungen, die auf eben diese Zeit zu deuten sind. Jes. 54,7.8. spricht der HErr: Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen; Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen; und V. 1.: Du Elende, über die alle Wetter gehen, und du Trostlose. Jes. 51,17.19.20. aber wird von Jerusalem gesagt: du hast von der Hand des HErrn den Kelch Seines Grimms getrunken, die Hefen des Taumelkelchs hast du ausgetrunken, und die Tropfen gelecket; diese zwei sind dir begegnet, wer trug leid mit dir? da war Verstörung, Schaden, Hunger und Schwert, wer sollte dich trösten? Deine Kinder waren verschmachtet; sie lagen auf allen Gassen, wie ein verstrickter Waldochse, voll des Zorns vom HErrn und des Scheltens von deinem Gott. Diese und andere Beschreibungen stellen die Noth Israels als sehr groß vor, wenn aber der HErr demselben wird Gnade und Licht und auch eine Errettung von der leiblichen Noth haben widerfahren lassen, so wird es zur selbigen Zeit sagen: ich danke Dir, HErr, daß Du zornig gewesen bist über mich, und dein Zorn sich gewendet hat, und tröstest mich. Siehe, Gott ist mein Heil, ich bin sicher, und fürchte mich nicht; denn Gott, der HErr ist meine Stärke, und mein Psalm, und ist mein Heil u.s.w.

Ein jeder Mensch erlebt eine Zeit oder auch Zeiten, da er sagen muß: ich will des HErrn Zorn tragen, denn ich habe wider Ihn gesündiget, Mich. 7,9.; oder: Deine Pfeile, o Gott, stecken in mir, und Deine Hand drücket mich, Ps. 38,3.; oder: Du hast mich in die Grube hinuntergelegt, in die Finsterniß und in die Tiefe; Dein Grimm drücket mich, und drängest mich mit allen Deinen Fluthen, Ps. 88,7.8. Doch verstoßet der HErr nicht ewiglich, sondern Er betrübet wohl, und erbarmet Sich wieder nach Seiner großen Güte, Kl. Jer. 3,31.32. Auch unter der Empfindung Seines gerechten und väterlichen Zorns darf man hoffend sagen: Er wird mich an’s Licht bringen, daß ich meine Lust an Seiner Gnade sehe, Mich. 7,9. Wenn aber dieses geschieht, so soll man danken. Das göttliche Licht, welches nun aufgeht, entdeckt dem Menschen, daß der Zorn Gottes wie eine bittere Arznei heilsam sei, und die Gnade, an welcher man nun seine Lust sieht, läßt keine mürrische Klage, über das was man davon erfahren hat, aufkommen. Man dankt nur für Seine gute Führung, die vom Zorn zur Gnade und von der Finsterniß in’s Licht leitet. HErr, laß noch über mich kommen, was mir nöthig und heilsam ist: verlaß mich nur nicht, verwirf mich nicht von Deinem Angesicht, und führe ein jedes Gericht bei mir zum Sieg aus. Billig sollen Deine Wege immer meinen Augen wohlgefallen; wenn sich aber in mir Schwachen Ungeduld und Mißtrauen reget, so habe Geduld mit mir, vergib mir, und fahre fort, Deinen ganzen Willen an mir zu erfüllen, bis ich nach demselben als gerechtfertigt und bewährt in Deine Ruhe eingehen kann.

Jes. 28

Sein Rath ist wunderlich, und Er führet es herrlich hinaus.
Jes. 28,29.

Jesaias hatte in diesem Kapitel wie auch in dem vorhergehenden von einem Verderben und Steuern geweissagt, so vom HErrn Zebaoth in aller Welt geschehen werde, V. 22. Er hatte nämlich verkündigt, daß Gott Sein Volk Israel und andere Völker durch harte Strafen, welche vielen zum Verderben ausschlagen würden, heimsuchen, doch aber auch diesem Verderben um der auserwählten willen steuern, und durch Christum, den Eckstein der Kirche, V. 16., ein großes Heil erzeigen werde. Weil es aber Spötter gab, die weder das Verderben noch das Steuern glaubten, so bezeugte er mit sehr nachdrücklichen Worten, daß seine Worte wahr seien, und erläuterte endlich dieselben durch das Beispiel des Ackermannes, welcher den Acker nicht immer durch die Pflugschar umbreche, sondern auch guten Samen darauf säe, und welcher die Frucht, die darauf gewachsen, zwar schlage oder dresche, aber doch nicht gar zu nichte mache. Also, sagte der Prophet, geht Gott auch mit Seinem Volk und mit den Menschen überhaupt um. Er läßt durch Seine Gerichte den Pflug tief gehen, aber nur deßwegen, daß eine Frucht aufgehen könne. Er stäupt auch Seine Auserwählten, aber so, daß sie es ertragen können, und zum ewigen Leben erhalten werden. Er schickt also ein Verderben, und steuert ihm wieder. Sein Rath ist also wunderbar, weil Er so straft und züchtigt, daß es das Ansehen hat, als wollte Er Alles verderben: Er führet es aber herrlich hinaus, weil endlich ein herrliches Heil zu Stande kommt, eine herrliche Frucht entsteht, und die Gezüchtigten durch Christum erhalten, geläutert, und zur Herrlichkeit bereitet werden. Dieses ist’s, was auch Assaph Ps. 73. bezeugt hat, da er sagte: ich bin geplagt täglich, und meine Strafe ist alle Morgen da; dennoch aber bleibe ich stets an Dir; denn Du hältst mich bei meiner rechten Hand; Du leitest mich nach Deinem Rath, und nimmst mich endlich mit Ehren an. Gott steuert dem Verderben bei ganzen Völkern, wenn Er zwar die halsstarrigen Spötter in großer Menge in Seinem Zorn wegrafft, aber die Uebrigen selig macht, s. Röm. 9,17.28. Er steuert ihm aber auch bei einzelnen Menschen, die Er erwählt hat, und die an Ihn glauben, wenn Er ein Verderben über sie kommen läßt, welches ihre zeitliche Habe, ihre ehre bei den Menschen, ihre Gesundheit und andere zeitliche Gaben bis auf einen gewissen Grad, ja zuletzt bis zum Tod des Leibes wegnimmt, sie aber dabei innerlich tröstet, im Glauben erhält, und endlich aus allem Uebel erlöst, und in Sein himmlisches Reich versetzt. Wer ist, der sich in diesen Rath Gottes recht schicken kann? Nach dem Willen des Fleisches und der Vernunft sollte es nicht also gehen; ja die Regierung Gottes ist für alle Geschöpfe, auch für die vortrefflichsten und weisesten unter ihnen unergründlich und unbegreiflich; daher entstehen die Fragen: warum? und wie lange? die im Psalter oft vorkommen. Ja daher entsteht die Begierde der Engel, an der Kirche die mannigfaltige Weisheit Gottes einzusehen, Eph. 3,10. 1 Petr. 1,12. Was wunderbar ist, soll bewundert und nicht getadelt werden. In den Werken Gottes ist das Ende besser als der Anfang. Wohl dem, der bei dem Anfang derselben seine gute Absicht erkennt, bei dem Fortgang diese gute Absicht immer mehr an sich erreichen läßt, und am Ende Ihm fröhlich danken kann.

Jes. 45

Fürwahr Du bist ein verborgener Gott, Du Gott Israels, der Heiland.
Jes. 45,15.

Jesaias sah im Geist und weissagte, daß das Volk Israel von den Chaldäern überwältigt und in die Gefangenschaft weggeführt werden, und hernach als zerstreut, verachtet, gehaßt und gedrückt, unter den Heiden kümmerlich leben werde. Der Fall des jüdischen Reiches und die Gefangenschaft Israels konnte Vielen ein Anstoß werden; denn wer die Wege und Gerichte Gottes nicht erkannte, konnte es damals für erwiesen halten, daß die Götzen der Heiden mächtiger seien, als der Gott Israels, und vermuthen, daß die jüdische Religion, welche mehr äußerliche Anstalten als die christliche erforderte, bald gar verlöschen werde, und zugleich dafür halten, der Ruhm der Juden von göttlichen Verheißungen, die ihnen gegeben worden seien, und von dem Messias, der unter ihnen zu Bethlehem geboren werden sollte, sei nichtig und eitel. Es ist auch kein Zweifel, daß viele Israeliten wider den Unglauben werden zu kämpfen gehabt haben. Wo sollte nun eine Hülfe herkommen? Das chaldäische Reich war sehr mächtig, und seine Hauptstadt Babel eine sehr feste Stadt. So lange aber Babel herrschte, konnte Zion nicht aufkommen. Was that aber der HErr? Er erweckte, nachdem das chaldäische Reich nur 70 Jahre gewährt hatte, den Geist des Königs eines armen und geringen Volkes, nämlich den Geist des Kores, des Königs der Perser, und gab ihm Sieg über Sieg, daß er das chaldäische Reich überwältigen und Babel einnehmen konnte. Auch lenkte Er ihm das Herz, daß er schon im ersten Jahre seiner Regierung den Juden die Erlaubniß gab, in ihr Land umzukehren, und den Tempel des HErrn wieder zu bauen. Nun war Alles wieder in’s rechte Geleis gebracht; nun sah man, daß alle Verheißungen an den Juden bis auf die letzte Weltzeit hinaus erfüllt werden würden. Jesaias rief, nachdem er dieses Alles geweissagt und überdacht hatte, aus: fürwahr Du bist ein verborgener Gott, Du Gott Israels, der Heiland. Das hätte Niemand gedacht, Niemand vermuthen, Niemand voraussagen können, daß es so gehen werde. Die chaldäischen Wahrsager haben dem Reich Babels eine ewige Dauer verkündigt; sie wurden aber durch den Erfolg zu Schanden gemacht. Der verborgene Rath Gottes aber, der nie fehlt, ist erstlich den heiligen Propheten geoffenbart, und hernach durch die Erfüllung Jedermann kund worden. Er ist Israels Heiland: wie Er’s aber sein wolle, war, ehe Er’s offenbarte, der ganzen Welt verborgen.
Zu allen Zeiten ist Gott ein verborgener Gott, und zugleich der Heiland derer, die Ihm vertrauen. Er will helfen; wie aber und wann Er helfen werde, und durch was für Werkzeuge Er helfen werde, kann vorher Niemand errathen. Unerwartete Wege und Gerichte Gottes kommen immer zum Vorschein. Ja wenn Gott auch etwas von den Propheten hat vorher verkündigen lassen, so ist doch die Erfüllung einer jeden Weissagung in solche Umstände eingewickelt, die sich vorher Niemand hat vorstellen können. Wenn ich also denke: ich sehe nicht hinaus, ich sehe keinen Weg vor mir; wenn es mich dünkt, es sei Alles abgeschnitten, Alles verloren, so soll ich mich erinnern, daß Gott ein verborgener Gott sei, und mich nicht vorher errathen lasen wolle, was Er thun werde. Aus Seiner verborgenen Tiefe wird aber Eines nach dem Andern hervorkommen, zur Erfüllung Seiner Verheißungen; und ich werde hintennach sagen können: Sein Rath ist wunderlich, und Er führet es herrlich hinaus. Selig sind also, die nicht voraus sehen, und doch glauben.

Jes. 49

So spricht der HErr: nun sollen die Gefangenen dem Riesen genommen werden, und der Raub des Starken los werden.
Jes. 49,25.

Gott redet in dem 49. Kapitel Jesaiä von der noch zukünftigen Bekehrung, Begnadigung und Versammlung der Israeliten, und leitet dieselbe aus der Erlösung Seines Sohnes Jesu Christi her, welcher sogar auch in Seinem Lehramt auf Erden, ungeachtet Er die Frucht davon eine Zeit lang nicht gesehen, den Grund dazu gelegt habe, V. 1-8. Indem aber der HErr das große Heil beschreibt, das Er Seinem Volk Israel erzeigen wolle, so redet Er auch von einem Riesen, oder Starken, dem der Raub genommen, und von einem Gerechten und fürchterlichen Feind, dessen Gefangene los werden sollen. Wer ist nun der Riese, und der Gerechte, und der Starke, dessen V. 24.25. Meldung geschieht? Entweder ist dieser Riese der Antichrist, das Thier aus dem Abgrund, das Haupt über große Lande, der König, der sich wider Alles, das Gott ist, erhebt und aufwirft, und Sein sich bekehrendes Volk wird verderben und verschlingen wollen, oder er ist der Drache, die alte Schlange, das ist der Teufel, der jenem Thier seine Kraft und seinen Stuhl und große Macht gibt, und überhaupt als ein Feind Gottes in der Finsterniß dieser Welt herrscht. Der Teufel ist freilich vornämlich ein Riese oder ein Starker, wie ihn denn auch der HErr Jesus einen starken Gewaffneten genennet hat. Er hat, ob er schon mit Ketten der Finsterniß gebunden ist, noch von der Schöpfung her eine große Stärke in seiner Natur, mit welcher er, wo es Gott zuläßt, großen Schaden thun kann. Er ist der Arge, wie er denn mehrmals im Neuen Testament so genannt wird, und doch wird er V. 24. der Gerechte genennet; weil er in Ansehung der Menschen sich auf dasjenige Recht berufen kann, dessen Petrus 2 Petr. 2,19. Meldung thut, da er sagt: von welchem Jemand überwunden ist, deß Knecht ist er worden. Die Menschen haben sich nämlich von dem Satan überwinden lassen, darum sind sie von Rechtswegen seine Knechte und Gefangenen, bis sich ein Erlöser ihrer annimmt, der ein größeres Recht an sie hat, als jener arge Ueberwinder. Dieser ist aber auch ein gräulicher, harter Tyrann, ein Feind der Menschen, der ihr Verderben zum Zweck hat, und sie wirklich verderbt, wenn sie ihm nicht entrissen werden.
Was will aber der große und barmherzige Gott thun? Um Seine Güte und Macht als herrlich anzupreisen, fragt Er zuerst: kann man auch dem Riesen den Raub nehmen? oder kann man dem Gerechten, der sich auf das Recht eines Ueberwinders beruft, seine Gefangenen los machen? Niemand unter den Menschen kann solches. Niemand kann dem Riesen eine größere Stärke und dem Gerechten ein größeres Recht entgegensetzen, als der Sohn Gottes, Jesus Christus, der als der Stärkere über den starken Gewaffneten kommt, und der die Menschen durch Seinen Tod erlöset und mit Seinem Blut erkauft hat, daß sie Seine Heerde, Sein Volk, Sein Leib, Seine Braut sein sollen, folglich dem Recht des Satans ein viel stärkeres und größeres Recht entgegensetzen kann. Niemand fürchte also den Teufel allzusehr, Niemand lasse sich seine Anfälle verzagt machen. Die Macht Jesu und die Gerechtigkeit Jesu reicht über Alles hinaus. Wer Seinen Namen anruft, soll errettet und bewahrt, und endlich in die himmlische Freistadt geführt werden.(Magnus Friedrich Roos)

Jes. 57

Der Ich in der Höhe und im Heiligthum wohne, und bei denen, die zerschlagenen Herzens und demüthigen Geistes sind, auf daß Ich erquicke den Geist der Gedemüthigten und das Herz der Zerschlagenen.
Jes. 57,15.

Gott wird in der heiligen Schrift oft der Höchste genannt. Die Engel sagten bei der Geburt Christi: Ehre sei Gott in der Höhe. Er wohnet in der Höhe, und in einem erhabenen himmlischen Heiligthum. Er ist unermeßlich herrlicher als alle Geschöpfe, und hat eine unumschränkte Gewalt über alle erschaffene Wesen, als die Er aus Nichts zu Etwas gemacht hat, an Einem fort erhält, und mit Wohlthaten überschüttet. Wenn man dieses Alles bedenkt, so möchte man fragen: wer will den Gott erreichen? Wer will Ihn finden? Wer will zu einer Vereinigung mit Ihm gelangen? Vielleicht sind die Menschen zu gering, als daß Er ihrer achtete. Allein die Liebe verbindet den Höchsten mit dem Niedrigen, und erhebet das Niedrige zu dem Höchsten. Gott ist Liebe, und deßwegen wohnt Er, ob Er schon in der Höhe und im Heiligthum wohnet, auch bei denen, die zerschlagenen Herzens und demüthigen Geistes sind. Diejenigen aber haben ein zerschlagenes Herz und einen demüthigen Geist, denen Gott nach V. 12. ihre Gerechtigkeit und ihre Werke so gezeigt oder vor Augen gestellt hat, daß sie überzeugt worden sind und gefühlt haben, sie seien ihnen kein nütze; die erkennen, daß ihre Haufen (Menschenwerke oder Güter) ihnen nicht helfen können V. 13.; die den Zorn Gottes über die Untugend ihres Geizes gefühlt haben, die von dem HErrn geschlagen worden sind, vor denen sich Gott, zu dem sie sich wenden wollen, eine Zeit lang verbirgt, mit denen Gott heilsam zürnt, und die sodann als mühselig und beladen hin und her gehen in dem Weg ihres Herzens, und durch Anstrengung ihrer innersten Kräfte vergeblich Ruhe suchen, V. 17. Solcher Leute Herz ist zerschlagen, weil sie mit Schmerzen überzeugt sind, daß sie elend seien. Ihr Geist ist demüthig, weil ihr stolzer Muth ihnen benommen ist. Wenn sie nun meinen, Gott sei ferne von ihnen, und achte ihrer nicht, so sagt Er hingegen: Ich wohne bei ihnen. Er versichert sie hiedurch nicht nur Seiner Allgegenwart, welche alle Geschöpfe genießen, sondern Seiner gnädigen Aufsicht, Seiner Bereitwilligkeit zu trösten und zu helfen, ja Er versichert sie, daß es mit dem Trost und der Hülfe nicht lange anstehen könne; wie man denn aus der Nähe schnell Jemand beispringen kann. Ueberdieß gibt Er ihnen die Versicherung, daß Er sich schon zu einer ewigen Verbindung mit ihnen eingelassen habe, weil Er sie nicht nur ansehe oder besuche, sondern bei ihnen wohne, wie Er in der Höhe und im Heiligthum, welches Er nie verläßt, wohne. Wie empfinden aber die Leute, welche eines zerschlagenen Herzens und demüthigen Geistes sind, daß Gott bei ihnen wohne? Sie empfinden es so, daß Gott ihren Geist und ihr Herz erquickt. Es wehet nämlich von Seinem Angesicht ein Geist. Er macht Athem oder Luft, V. 16. Nun wird der Geist der Demüthigen sänftiglich erquickt, ihr Muth richtet sich auf, sie erkühnen sich, mit Gott als ihrem Vater zu reden, und sich als Seine Kinder anzusehen. Wir wollen uns gern durch innerliche Bestrafungen und äußerliche Leiden demüthigen lassen, weil Er den Demüthigen Gnade gibt. Wir wollen gern verlassen und vom Trost der Kreaturen entblößt werden, weil Er sich zu dem Gebet der Verlassenen oder Entblößten wendet, und es nicht verschmähet. Seinem Namen sei Ehre in Ewigkeit!(Magnus Friedrich Roos)

Jes. 61

Ich freue mich im HErrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn Er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils, und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet.
Jes. 61,10.

Will man diesen Spruch in die neutestamentliche Sprache übersetzen, so kann man sagen, die Menge derer, die ihres Gnadenstandes gewiß sind, sage: nun wir gerecht worden sind durch den Glauben, so haben wir Friede mit Gott, durch unsern HErrn Jesum Christ – und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben soll – und rühmen uns der Trübsale – nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unsern HErrn Jesum Christ, durch welchen wir die Versöhnung empfangen haben. Röm. 5. Die Worte Jesaiä lauten prächtig, und doch ist in den Worten Pauli noch mehr enthalten, als in jenen. Wer kann aber diese Worte nachsprechen? Kein Gottloser, kein unbekehrter Heuchler darf es thun: ein begnadigter, aber ängstlicher und schwacher Christ dürfte es thun, kann es aber in seinem dermaligen Zustand nicht ohne Zweifel und Furcht thun. Die Worte Jesaiä und Pauli sind das Bekenntniß eines völligen Glaubens, wobei man vom bösen Gewissen los (Hebr. 10,22.), und seines Gnadenstandes gewiß ist. Wer gelangt aber bis zu dieser Stufe? Vielleicht nur diejenigen, die gar nicht, oder nur wenig gesündigt haben, und deßwegen immer mit sich selber zufrieden gewesen sind. Ach nein! Paulus hatte ja Röm. 3. bewiesen und behauptet, daß alle Menschen ohne Unterschied Sünder seien, und der Herrlichkeit Gottes mangeln, und ohne Verdienst aus der Gnade Gottes, und durch die Erlösung, die durch Christum geschehen ist, gerecht werden. Auch hat er V. 27. die Frage aufgeworfen: wo bleibet nun der Ruhm? und geantwortet: er ist aus; durch welch Gesetz? durch der Werke Gesetz? Nicht also, sondern durch des Glaubens Gesetz; da dann sein Ausspruch dieser ist, daß eben deßwegen kein Mensch einigen Ruhm behalte, weil das Gesetz oder die Regel der Rechtfertigung die Werke ausschließe, und nur Glauben erfordere. Was den Jesaias anbelangt, so hat er Kap. 61 zuerst von Elenden, von zerbrochenen Herzen, von Gefangenen, von Gebundenen, von Traurigen, von Leuten, die in Schmach und Schande gesteckt seien, geredet, und hernach angezeigt, daß eben dieselben durch den freudigen Geist zur rechten Zeit sagen lernen: ich freue mich im HErrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn Er hat mich angezogen mit den Kleidern des Heils, und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet. Aus traurigen Seelen will also Gott fröhliche machen, und Sünder, die verloren gehen sollten, will Er mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit kleiden. Gleichwie mein Kleid nicht aus meinem Leib herausgewachsen ist, also entspringt auch das Heil und die Gerechtigkeit nicht aus mir selbst. Beides ist ein Gnadengeschenk Gottes; mit beidem will mich Gott kleiden. Das Heil wehret dem Verderben, die Gerechtigkeit aber der Anklage und Verdammniß. Das Heil, welches im Gegensatz gegen die vielen Uebel, die Röm. 8, 35-39. genannt werden, mannigfaltig ist, und deßwegen mit Kleidern verglichen wird, erkennt man gemeiniglich bälder als die Gerechtigkeit, welche sich auf Gott allein bezieht, und deßwegen ein Rock genannt wird. Gott sei Dank für den Reichthum Seiner Gnade in Christo Jesu. Er lasse mich diesen Reichthum zu meiner Seligkeit und Rechtfertigung genießen!(Magnus Friedrich Roos)

Ich freue mich im HErrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott, denn Er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils, und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet.
Jes. 61,10.

Der Sohn Gottes, Jesus Christus, hatte nicht nöthig von dem HErrn mit Kleidern des Heils angezogen, und mit dem Rock der Gerechtigkeit bekleidet zu werden; denn Er war selbst das Heil Gottes, und hatte die Gerechtigkeit als Gott und Mensch, und als Mittler zwischen Gott und Menschen wesentlich in sich selber. Zu Zion aber muß gesagt werden: siehe, dein Heil kommt, Jes. 62,11., und ihre Gerechtigkeit muß aufgehen wie ein Glanz, und ihr Heil wie eine Fackel, daß die Heiden ihre Gerechtigkeit sehen, und alle Könige ihre Herrlichkeit, Jes. 62,1.2. Das Heil und die Gerechtigkeit, womit der HErr Zion als einem Kleid, oder als einem Schmuck anzieht, ist ein Geschenk des HErrn, welches derjenige, der es vorher nicht hatte, aus Gnaden bekommt, und worüber er sich im HErrn freuen und in seinem Gott innerlich fröhlich sein kann.
Was aber hier Jesaias von Zion, das ist von dem bekehrten Israel weissagt, geht auch einen jeden einzelnen Menschen an, der an Jesum Christum gläubig geworden ist. Er war vorher bloß, das ist, er lebte ohne das Heil und ohne Gerechtigkeit dahin, und man sah oft seine Schande. Wenn er aber mit einem reuigen und zerknirschten Herzen an Jesum Christum gläubig wird, so erlangt er die Gerechtigkeit, die nicht aus dem Gesetz, sondern durch den Glauben an Christum kommt, nämlich die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird, und mit dieser Gerechtigkeit auch das Heil, das ist die wirkliche Errettung von der Gewalt der Sünde, des Satans und des Todes. Mit diesem doppelten Kleid muß ein Christ immer bekleidet sein, wenn er vor Gott wandeln und Ihm gefallen soll; insonderheit aber muß er’s anhaben, wenn er aus dieser Welt scheidet. O wie wird eine Menschenseele sich mit der äußersten Bestürzung schämen, wenn sie sich vor Gott in ihrer Schande bloß fühlt! Ihr Nationalcharakter, ihre amtliche Ernsthaftigkeit, und die scheinbare Form, welche sie durch menschliche Gebote und Beispiele bekommen, und womit sie in der menschlichen Gesellschaft geprangt hatte, wird ihr nichts helfen. Dieses Spinnegewebe taugt nicht zum Kleid, und dieses Gewirke taugt nicht zur Decke, Jes. 59,6. Ein von Gott geschenktes Heil, eine von Gott zugerechnete Gerechtigkeit kann die Seele allein decken und schmücken, und vor dem Verderben und der Verdammniß schützen. Sie hat alsdann eine sattsame Ursache, sich so in dem HErrn zu freuen, den ihre Sache ist nun auf ewig gewonnen, und ihre Glückseligkeit auf’s Beste gegründet. Man bedenke, wie Paulus schon bei Leibesleben, als er an dieses Heil und an diese Gerechtigkeit gedachte, gefrohlockt habe, Röm. 8,31-39.
So überzeuge uns denn der Heilige Geist immer mehr, daß wir unser Leben und unser Heil nicht in unserer Hand finden, und keine gültige eigene Gerechtigkeit vor Gott aufrichten können. Hingegen überzeuge Er uns auch kräftig, wie Christus Jesus uns von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung gemacht sei. Wer sich ihn so zueignen kann, wird mit Heil und Gerechtigkeit bekleidet, und kann alsdann auch im Tode getrost sein.(Magnus Friedrich Roos)

Jes. 65

Siehe, Meine Knechte sollen essen, ihr aber sollet hungern; siehe, Meine Knechte sollen trinken, ihr aber sollet dürsten; siehe, Meine Knechte sollen fröhlich sein, ihr aber sollet zu Schanden werden.
Jes. 65,13.

Obschon diese Worte, wie der Zusammenhang mit andern anzeigt, zunächst auf eine große Begebenheit zu deuten sind, die noch auf dieser Erde vorgehen soll, so darf man sie doch auch, wie Anderes, das in den letzten Kapiteln des Jesaias steht, so erklären, daß man die völlige Erfüllung derselben in der unsichtbare Welt sucht, wo ohnehin Vieles vorgehen wird, dessen Vorbild in der sichtbaren vorhergegangen war. Der HErr sagt also: siehe, Meine Knechte sollen von dem verborgenen Manna und von dem Holz des Lebens, das in Meinem Paradiese ist, essen, ihr aber, die ihr Mich verlasset, und Mir zu dienen euch weigert, sollet eine peinliche Begierde nach einem wahren sättigenden Gut in euch behalten, dieselbe aber nicht stillen können, sondern einen quälenden Hunger in euch fühlen. Siehe, Meine Knechte sollen vom Wasser des Lebens trinken, und dadurch unaussprechlich erquickt werden, ihr aber, die ihr Unrecht wie Wasser gesoffen, und die Augenlust, die Fleischeslust und das hoffärtige Leben für euer Element gehalten habt, sollet dürsten, und in den quälenden Flammen nichts, gar nicht, nicht einmal so viel, als mit einem Tropfen kalten Wassers verglichen werden könnte, bekommen. Siehe, Meine Knechte sollen als gerechte, geliebte und herrliche Personen fröhlich sein, ihr aber sollet mit eurem Stolz, mit eurer Kühnheit und Sicherheit, und mit der Rechtfertigung euer selbst zu Schanden werden, bestürzt da stehen, und keine Auskunft mehr finden. Siehe, heißt es ferner V. 14., Meine Knechte sollen als Errettete von allem Uebel, als Hingestellte zur Rechten des Richters, als Reichgemachte durch das himmlische Erbe, und als Hingerückte zu ihrem Gott, der allein gut ist, vor gutem Muth jauchzen, ihr aber sollet als Verworfene, Gerichtete, Verdammte und in das höllische Feuer Verstoßene vor Herzeleid schreien, und vor Jammer heulen. Auf diese Weise wird also offenbar werden, was für ein Unterschied sei zwischen den Gerechten und Gottlosen, zwischen dem, der Gott dienet, und dem, der Ihm nicht dienet. Auf Erden haben schon viele Knechte Gottes Hunger und Durst gelitten, alldieweil die Feinde Gottes herrlich und in Freuden lebten, alle aber haben Schmach und Traurigkeit empfunden, alldieweil trotzige Weltmenschen sich untereinander geehrt und ergötzt haben. Das Blatt wird sich aber wenden. Wer zuletzt essen, trinken, fröhlich sein und jauchzen kann, hat’s gewonnen, und wessen Ueppigkeit, Ansehen und lustiger Muthwille auf Hunger, Durst, Schande und Heulen hinausläuft, ist eine sehr unglückliche Kreatur. Wir sollen uns also befleißigen, nach der Wahrheit Knechte Gottes zu heißen. Ein Mensch kann meinen, er diene Gott, wenn er aber nur seine Zunge nicht im Zaum hält, sondern durch Mißbrauch derselben in sündlichen Reden ausschweift, und so sein Herz verführet, so ist sein Gottesdienst eitel, oder eine leere Einbildung, Jak. 1,26. Verhält es sich mit den Zungensünden so, so darf man den Schluß von denselben auch auf andere herrschende Sünden machen. Der Dienst Gottes erfordert also einen Haß gegen alle Sünden, und einen aufrichtigen Fleiß, den Willen Gottes nach allen Stücken zu thun. Ach Gott, laß mich Deinen Knecht bis an mein Ende bleiben!

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