Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Brief an Titus

Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Brief an Titus

Tit. 2

Die heilsame Gnade züchtiget uns. Tit. 2,12.

Weil viele Menschen das Wort Gnade unrecht verstehen und mißbrauchen, so hielt Paulus für nöthig, Röm. 6,1.15. die Fragen aufzuwerfen: sollen wir in der Sünde beharren, auf daß die Gnade desto mächtiger werde? Sollen wir sündigen, dieweil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade sind? Er beantwortet aber diese beiden Fragen so, wie es einem heiligen Apostel zustand; er antwortet beidemal: das sei ferne, und leitet seine Antwort aus der innerlichen Beschaffenheit der Gnade Gottes her, wie sie in dem Evangelio beschrieben wird. Tit. 2,12. aber sagt er sogar: die heilsame Gnade züchtiget uns, daß wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt. Er nennt die Gnade eine heilsame Gnade, das ist eine Gnade, welche dem Menschen zum Heil oder zur Seligkeit verhilft. Er sagt: sie züchtige uns, das ist, sie treibe uns an, sie gewöhne und stärke uns, zu verleugnen das ungöttliche Wesen u.s.w. Man darf nur bedenken, daß die heilsame Gnade uns Empfindungen der Liebe Christi gewähre, und daß nach derselben uns der Heilige Geist gegeben werde, und dieser durch das Blut Christi unser Gewissen und unsere ganze Seele reinige, so wird man bald einsehen, daß sie zu einem heiligen Wandel treibe und tüchtig mache. Wer also mit dem Munde sagt, er hoffe aus Gnaden selig zu werden, und stehe schon jetzt in der Gnade, dabei aber das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste nicht verleugnen, und in dieser Welt nicht züchtig, gerecht und gottselig leben will, dessen Hoffnung ist eitel, dessen Ruhm von der Gnade ist lügenhaft, der kann wohl das ehrwürdige Wort Gnade im Munde führen, aber von der Kraft derselben fühlt er nichts in seinem Herzen. Gleichwie es Gnade ist, wenn man gerechtfertigt wird, also ist es Gnade, wenn man geheiligt und Christo innerlich ähnlich gemacht wird. Es ist Gnade, wenn man von der Schuld und Strafe der Sünden los wird, es ist aber auch Gnade, wenn man von der Herrschaft der Sünde frei, und wenn die Sünde hernach noch weiter in der Seele abgethan wird. Ja es ist auch Gnade, wenn man über einer jeden Uebereilung eine innerliche Bestrafung bekommt, bei einer jeden Gefahr, in die Sünde zu fallen, in eine Angst und Furcht geräth, und zuweilen durch ein Leiden am Fleisch von dem Wandel nach dem Fleisch, wozu man hingerissen werden könnte, abgehalten wird. Wer die Verleugnung des ungöttlichen Wesens und der weltlichen Lüste, und züchtiges, gerechtes und gottseliges Leben für eine verdrießliche Last und für eine Pein hält, hat noch keine Erfahrung davon bekommen, und in das vollkommene Gesetz der Freiheit noch nicht durchgeschauet. Das Joch Christi ist sanft, und Seine Last ist leicht, und geistlich gesinnet sein, ist Leben und Friede: deßwegen wird auch jene Verleugnung und jenes Leben aus der Gnade hergeleitet. Die allen Menschen erschienene heilsame Gnade werde auch mir und den Meinigen zu Theil, und erhalte uns auch heute bei dem Einigen, daß wir Gottes Namen kindlich fürchten, und diese kindliche Furcht durch einen vorsichtigen Wandel offenbaren. Was das Gesetz, welches die Sünde reizt und den Sünder verdammt, bei uns nicht zuwege bringen kann, wirke die Gnade in uns. Sie mache uns frei vom Gesetz der Sünde und des Todes, das ist von dem Trieb zu sündigen und in das Verderben hinein zu rennen; hingegen verschaffe sie, daß die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in uns als Leuten, welche nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben, erfüllet werde.(Magnus Friedrich Roos)

Die heilsame Gnade züchtiget uns, daß wir – warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heilandes Jesu Christi. Tit. 2,11.12.13.

Auf was wartest du, mein lieber Mensch? Vielleicht auf gute Tage in dieser Welt, die noch kommen sollen; vielleicht auf ein Ehrenamt, das dir noch zu Theil werden soll; vielleicht auf einen Reichthum, der dir noch zufallen soll? Wie aber, wenn dein Warten vergeblich wäre? Alsdann wärest du äußerst mißvergnügt. Und wie, wenn dein Warten und Hoffen erfüllt würde? Alsdann wärest du auch mißvergnügt; denn Salomo, der Alles bekam, was ein Mensch auf Erden begehren kann, sagt, es sei doch Alles Eitelkeit und Mühseligkeit gewesen, und unter der Sonne bleibe einem Menschen nichts übrig, oder er finde kein bleibendes Gut, Pred. 2,1.; ja, es habe ihn verdrossen zu leben, denn Alles, was unter der Sonne sei, habe ihm übel gefallen, weil es so gar eitel und Mühe sei, V. 17. Auf dieses Mißvergnügen läuft alles Begehren und Warten derjenigen hinaus, welche unter der Sonne ihr höchstes Gut suchen; wie auch die Lebensläufe vieler Menschen, die sehr glücklich zu werden schienen, einen Jeden belehren können. Auf was sollst du also warten, mein lieber Christ, wenn das Wort Salomo’s Spr. 10,28. an dir erfüllt werden soll: das Warten der Gerechten wird Freude werden? Du sollst warten auf die selige Hoffnung, du sollst nämlich warten, daß die Hoffnung, welche an sich schon selig macht, und welche auf eine vollkommene Seligkeit gerichtet ist, an dir ganz erfüllet werde. Du sollst warten auf die Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und Heilandes Jesu Christi, welche dich unaussprechlich erquicken, und zu einer herrlichen und völlig vergnügten Kreatur machen kann. Auf dieses sollst du warten. Ist aber das Erwartete auch gewiß? Es ist an sich selbst gewiß, denn der wahrhaftige Gott, der nicht lügen kann, hat es verheißen. Es soll aber auch in Absicht auf dich selbst gewiß sein, damit du nicht vergeblich wartest, und bei deinem Warten zu Schanden werdest. Darum, mein Lieber, weil du darauf warten sollest, so thue Fleiß, daß du vor dem HErrn unbefleckt und im Frieden erfunden werdest, 2 Petr. 3,14. Zu diesem Ende soll dich die allen Menschen in Christo erschienene heilsame Gnade züchtigen, das ist anleiten und anweisen, daß du verleugnest das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig lebest in dieser Welt. Diese Welt ist aber eine böse Welt. So überwinde sie denn durch den Glauben. Wie aber, wenn ich bei einem solchen Leben in dieser Welt überall zurückstehen und Schaden und Schmach leiden muß? Alsdann tröste dich mit jener Hoffnung und Erscheinung. Wenn jene Hoffnung erfüllt werden, und jene Erscheinung geschehen wird, so wirst du viel reicher, vornehmer, herrlicher und vergnügter werden, als du in dieser Welt bei einer königlichen Würde geworden wärest. Dieses Warten währt aber so lange? Was sagt aber die Schrift Hab. 2,3.4.? Die Weissagung wird noch erfüllet werden zu seiner Zeit, und wird endlich frei an den Tag kommen, und nicht außen bleiben. Ob sie aber verzeucht, so harre ihr, sie wird gewiß kommen, und nicht verziehen. Siehe, wer halsstarrig ist, wird keine Ruhe in seiner Seele haben; denn der Gerechte lebet seines Glaubens.(Magnus Friedrich Roos)

Tit. 3

Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir gethan hatten, sondern nach Seiner Barmherzigkeit macht uns Gott selig.
Tit. 3,5.

Paulus redet Tit. 3,5. von der Wiedergeburt, da er sagt: Nicht um der Werke willen der Gerechtigkeit, die wir gethan hatten, sondern nach Seiner Barmherzigkeit hat Er uns selig gemacht, oder Heil widerfahren lassen, durch das Bad der Wiedergeburt und durch die Erneuerung des Heiligen Geistes. Ehe Paulus und Titus getauft worden sind, haben sie keine wahrhaftig guten Werke gethan. Sie haben wohl nach dem Trieb ihres Gewissens zuweilen gethan, was ihnen unter den Menschen das Lob ehrlicher oder gerechter Männer erwerben konnte: allein diese Werke der bürgerlichen Gerechtigkeit thaten sie sich selber zu Gefallen, und nicht Gott. Und dabei sündigten sie in der Unwissenheit und Unglauben schwer und mannigfaltig, s. Tit. 3,3. Sie waren also nach dem Urtheil Gottes gottlose Leute, bis ihnen Heil von Gott widerfuhr durch die Taufe. Zwar haben sie vor ihrer Taufe ohne Zweifel eine Zeit lang unter der Wirkung des Heiligen Geistes sich ihrer vorigen groben Sünden enthalten und ernstlich gebetet: allein damals fing das Heil schon an, zu ihnen zu nahen, und überdieß ist jene Enthaltung und jenes Beten kein Werk, um deßwillen ihnen Gott etwas schuldig worden wäre, denn ihre Sündenschuld überwog dieses Alles weit; und wer will sagen, daß derjenige etwas verdiene, der den andern gröblich beleidiget, und seit etlichen Tagen aufgehört hat, es nach der vorigen Weise zu thun? Wer wird das Bitten für ein Verdienst halten? Bittet man denn nicht selber um Gnade? Nun ist aber die Gnade dem Verdienst der Werke geradezu entgegen gesetzt, Röm. 11,6. Paulus und Titus wurden also bei ihrer Taufe als Sünder, welche der Herrlichkeit Gottes mangelten, gerechtfertigt, und zwar aus der Gnade Gottes durch die Erlösung, die durch Christum geschehen ist. Röm. 3, 23.24. Sie glaubten an Denjenigen, der die Gottlosen gerecht macht (folglich auch sie als gewesene Gottlose rechtfertigen wollte), und so wurde ihnen ihr Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet, Röm. 4,5. Der Heilige Geist wurde reichlich über sie ausgegossen, und sie wurden dadurch erneuert oder zu neuen Menschen gemacht, ohne daß sie es verdient hätten. Gott machte sie also selig, errettete sie von ihrem elenden und verdammlichen Zustand, und ließ ihnen Heil widerfahren nach Seiner Barmherzigkeit, und that es nicht um der Werke der bürgerlichen Gerechtigkeit willen, die Paulus und Titus vorher gethan hatten.
Was Paulus hier geschrieben hat, gilt auch mir und Allen, die zu allen Zeiten selig werden. Es ist Barmherzigkeit, wenn uns Heil widerfährt. Man wird aus Seiner Gnade gerecht und ein Erbe des ewigen Lebens, Tit. 3,7. Gott sieht dabei auf das Verdienst Seines Sohnes, und nicht auf unser Verdienst. Er thut es zur Ehre Seines Sohnes, wenn Er Gottlose rechtfertigt, und Gerechtfertigten das himmlische Erbe gibt. Er sieht auch nicht auf eine künftige Vergeltung, die wir Ihm leisten könnten; denn wer will Ihm etwas vergelten? Wer will Ihm einen Nutzen verschaffen? Danken sollen wir Ihm. Loben sollen wir Ihn. Ihm sollen wir dienen. Ihm leben und sterben. Hievon ist aber der Nutzen wieder unser. Er wird uns ewiglich Gutes thun, weil Er Liebe ist.(Magnus Friedrich Roos)

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