Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 2. Brief an Timotheus

Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 2. Brief an Timotheus

2. Tim. 1

Wir haben empfangen den Geist der Zucht.
2 Tim. 1,7.

Als Paulus vor dem Landpfleger Festus und der vornehmen Gesellschaft, die bei demselben war, seine Bekehrung, und was darauf erfolgt war, erzählt hatte, sprach Festus mit lauter Stimme: Paule, du rasest, die große Kunst macht dich rasend, d.i. du hast eine kranke Phantasie durch’s Studiren bekommen, und erzählst deßwegen mit großer Lebhaftigkeit Erscheinungen, die du dir einbildest, und die nie geschehen sind. Paulus aber gab zur Antwort: mein theurer Festus, ich rase nicht, ich rede nicht als ein Phantast, meine Sinnen sind nicht verrückt, sondern ich rede wahre und vernünftige Worte, Ap. Gesch. 26,24.25. Vernünftige Worte sind solche Worte, die man mit einem wohlgeordneten Gemüth, mit gesunden Sinnen, mit Mäßigung redet. Es wird hier eben das Wort gebraucht, welches 2 Tim. 1,7. Zucht heißt, und welches auch Röm. 12,3. gebraucht wird, wo Paulus sagt: ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, Jedermann unter euch, daß Niemand weiter von ihm halte, denn sich’s gebührt zu halten, sondern daß er von ihm mäßiglich halte, ein Jeglicher, nachdem Gott ausgetheilet hat das Maß des Glaubens. Hier wird dasjenige, was in der ersten Stelle vernünftig heißt, durch das Wort mäßiglich ausgedrückt. 2 Tim. 1,7. aber wird der Geist der Zucht, nach welchem man vernünftig oder mäßig handelt, dem Geist der Furchtsamkeit entgegengesetzt.
Ein glaubiger Christ soll sich also nicht Dinge einbilden, die nicht sind, und sich nicht durch Bilder betrügen lassen, die nirgends als in seiner Phantasie ihr Wesen hätten. Er soll auch von sich selbst mäßiglich halten, nachdem Gott ihm ein Maß des Glaubens gegeben hat. Folglich soll er kein Prophet, kein Wunderthäter, kein Lehrer sein wollen, wenn ihm Gott die Gabe der Weissagung, und die Wunder, und die Fähigkeit zum Lehren nicht gegeben hat. Er kann bei dem Mangel dieser Gaben doch ein wohlanständiges und nützliches Glied am Leibe Christi sein: nur soll er bei dem Maß seines Glaubens bleiben, und nichts über dasselbe hinaus wagen. Auch soll er sich die Furchtsamkeit nicht übernehmen lassen, daß er sich eine Unmöglichkeit einbilde, wo doch keine ist, oder sich die Gefahr und den zeitlichen Schaden, die mit einem guten Werk verbunden sind, allzugroß vorstelle, und sich durch dieses Alles zu einem übertriebenen Nachgeben, oder zu heftigen Versuchen, sich selbst zu helfen, oder zum trostlosen Verzagen treiben lasse. Jes. 50,10. sagt der Messias, nachdem Er von Seinem eigenen Leiden und von Seinem Glauben geredet hatte. wer ist unter euch, der den HErrn fürchtet, der Seines Knechtes Stimme gehorchet? der im Finstern wandelt, und scheinet ihm nicht: der hoffe auf den Namen des HErrn und verlasse sich auf seinen Gott. Hier redet der Messias mit geistlich armen und leidtragenden Seelen, die aber den HErrn fürchten, und Seines Knechts, des Messiä Stimme gehorchen: dabei aber, wie Er zuweilen, im Finstern wandeln. Diese werden angewiesen, wie Er selbst in diesem Zustand gethan hat, auf den Namen des HErrn zu hoffen, und sich auf ihren Gott zu verlassen. Allein dieses dünkt diejenigen, die den Geist der Mäßigung nicht haben, allzu armselig und gering zu sein. Sie zünden also ein Feuer einer falschen Weisheit an, und wandeln im Licht ihres Feuers, und sind mit Flammen heftiger Affeckten gerüstet, und dünken sich dabei außerordentliche Leute zu sein. Was sagt aber der Messias? Er sagt V. 11.: siehe, ihr Alle, die ihr ein Feuer anzündet mit Flammen gerüstet, wandelt hin im Licht eures Feuers, und in Flammen, die ihr angezündet habt. (Wenn euer Selbstbetrug offenbar werden wird): so widerfährt euch dieses von Meiner Hand, daß ihr in Schmerzen liegen müsset.(Magnus Friedrich Roos)

Wir haben empfangen den Geist der Kraft.
2 Tim. 1,7.

Paulus hatte den Timotheus ermahnt, die Gabe Gottes, die in ihm war, zu erwecken, oder wieder aufzuschüren, wie man ein Feuer aufschüret, damit es heller brenne. Es ist aber die Gabe Gotte, die Timotheus empfangen hatte, aufgeschüret worden, wenn er mit einem muntern Fleiß das Amt eines evangelischen Predigers nach der Anweisung Pauli gethan, und sich dabei keiner Leiden geschämt und geweigert hat. Allein hier hätte ein verzagter, furchtsamer Geist dem Timotheus vorspiegeln können: es ist nichts zu thun; die Schwierigkeiten sind zu groß; Gott ist ein harter Mann, und schneidet, wo Er nicht gesäet hat, und sammelt, wo Er nicht gestreuet hat, d.i. Er fordert unmögliche Dinge. Schüre also deine Gabe nicht auf, verbirg sie lieber, fange nicht an, weil du nichts hinausführen wirst. Um nun diesen kleinmüthigen Gedanken, welchen es an einem mannigfaltigen Vorwand nicht fehlte, zu begegnen, schrieb Paulus: wir haben den Geist der Kraft empfangen, und schrieb dieses theils in der Rücksicht auf sich selbst und den Timotheus, und theils in der Absicht auf diejenigen, mit denen beide es im Dienst Gottes zu thun hatten. Paulus und Timotheus und ein jeder wahrer Christ hat einen Geist der Kraft empfangen, welcher zum Dienst Gottes willig und muthig macht, wenn er auch mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, und lange währt. Wer das Werk, das ihm befohlen ist, oder auch seine Bekehrung nur mit seiner Vernunft und mit der Heftigkeit seiner Natur anfängt, wird bald schwach und müde, weil sich ihm der Satan und die Welt entgegen setzen, und er nichts verleugnen will. Die Welt ist voll guter Vorsätze, aber auch voll müder, verlegner, muthloser Leute, welche von ihren ersten Vorsätzen wieder zurückgetreten sind, und nun nur noch thun, was sie zur Erhaltung ihres eigenen zeitlichen Glückes noch thun müssen. Der Geist der Kraft hingegen, welche keine natürliche Fähigkeit, sondern eine Gnadengabe ist, macht den Christen tüchtig, den guten Kampf, den er angefangen hat, auszukämpfen, und den Lauf nicht nur anzutreten, sondern auch zu vollenden.
Gleichwie aber ein wahrer Christ den Geist der Kraft empfangen hat, daß er ihn innerlich zur Fortsetzung und Vollendung seines Laufes und Dienstes stärke: also hat er ihn auch empfangen, damit er bei Andern etwas Gutes zur Ehre Gottes ausrichte. Was von den Aposteln Ap. Gesch. 4,33. gesagt wird: sie gaben mit großer Kraft Zeugniß von der Auferstehung Jesu, und was von Stephanus, Ap. Gesch. 6,10., geschrieben steht, zeigt sich in gewissem Maße bei einem jeden Christen. Das Wort Gottes, das er unter der Leitung des Heiligen Geistes im Mund führt, ist nicht nur ein Schall, nicht nur ein todter Ausdruck seiner Gedanken, sondern ein Schwert, Eph. 6,17., folglich mächtig, in den Seelen der Menschen zu verstören die Anschläge und alle Höhe, die sich erhebet wider das Erkenntniß Gottes (2 Kor. 10,5.), und eine Kraft Gottes, selig zu machen Alle, die daran glauben (Röm. 1,16.). Gott läßt keines Seiner Kinder ohne allen Segen bei seiner Arbeit an Andern sein. Wer Pfunde oder Gaben empfangen hat, soll andere damit gewinnen (Matth. 25.). Nur muß man hiebei zu unserer Zeit diese zwei göttlichen Aussprüche zu Herzen nehmen: du begehrest die großen Dinge: begehre sie nicht (Jer. 45,5.) und: wer ist, der diese geringen Tage verachte? (Zach. 4,10.).(Magnus Friedrich Roos)

Gott hat uns gegeben den Geist der Liebe. 2 Tim. 1,7.

Zweimal belehrt uns der HErr Jesus in Gleichnissen von der Schädlichkeit der Furcht, denn Matth. 25,25. legt Er einem Schalk und faulen Knecht die Worte in den Mund: ich fürchtete mich, und ging hin, und verbarg deinen Centner in die Erde, und Luk. 19,21. sagte Er, der Schalk, der sein Pfund im Schweißtuch behalten, spreche zu seinem Herrn: ich fürchtete mich vor dir, denn du bist ein harter Mann; du nimmst, das du nicht geleget hast, und erntest, das du nicht gesäet hast. Die Welt wird durch Lust und Furcht umgetrieben. Wegen der Furcht wird insonderheit sehr viel Gutes unterlassen. Man stellt sich in der Furchtsamkeit vor, die Gebote Gottes seien zu schwer, Gott fordere unmögliche Dinge, die Schwachheit sei groß, und die Zeit bös; man fürchtet sein Glück zu verscherzen, wenn man immer an der Gerechtigkeit und Wahrheit fest halten wollte. Man thut also lieber gar nichts, oder nur so viel, als die Erhaltung des zeitlichen Wohlstandes erfordert; man wankt zuerst, hernach fällt man in den Strom der Welt hinein, und endlich fährt man mit diesem Strom dahin, und hält Andere für Thoren, welche sich diesem Strom widersetzen wollen. Ganz anders sind diejenigen gesinnt, denen Gott den Geist der Liebe gegeben hat. Der Geist der Liebe sagt nicht zu Christo: Du bist ein harter Mann, sondern er dringet den Menschen, nicht sich selbst zu leben, sondern demjenigen, der für ihn gestorben ist. Der Geist der Liebe verbirgt den Centner nicht in die Erde, und behält das Pfund nicht im Schweißtuch, sondern macht den Menschen muthig, die Gabe Gottes, die in ihm ist, zu erwecken, wozu Paulus auch den Timotheus ermuntert, 2 Tim. 2,6. Der Geist der Liebe schämt sich des Evangeliums, und derer, die das Evangelium glauben, nicht, sondern bekennt jenes ohne Furchtsamkeit, und hat mit diesen ohne Scheu Gemeinschaft, ob es schon von der Welt für eine Thorheit gehalten wird, und sie von den Gottlosen gehaßt werden. Der Geist der Liebe läßt sich die Leiden und Mühseligkeiten, welche mit dem Dienst des Geliebten verbunden sind, nicht schrecken und müde machen. Ihm ist’s süß, daß er dem Geliebten dienen darf, da er ohnehin weiß, daß derselbe reich, freundlich, treu, herrlich und unveränderlich sei, und Seine Diener mit ewigen und unvergleichlichen Gaben belohnen wolle. Der Geist der Liebe kann auch den Nächsten nicht mit einem gleichgiltigen Gemüth verderben sehen, sondern wendet den empfangenen Centner, oder die vom HErrn verliehene Gabe gern dazu an, daß demselben, wo es möglich ist, geholfen werde. Kurz zu sagen, der Geist der Liebe macht fleißig, muthig, treu, vergnügt, unverdrossen. Er belebt den ganzen Dienst, den man dem HErrn leisten soll, und macht ihn angenehm. Er ist sinnreich in Ansehung der Mittel, die darin anzuwenden sind. Er thut mehr, als die Menschen fordern und belohnen. Er erhält die Willigkeit des Knechtes oder der Magd Gottes, bis jener oder diese von dem irdischen Posten abgerufen werden. Er gehet aber auch mit ihnen in jene Welt, und belebt den ganzen Dienst, den sie Gott in Seinem himmlischen Tempel, und in dem neuen Jerusalem als Priester und Könige leisten sollen. Wenn Alles vergehen und verändert werden wird, so wird doch der Geist der Liebe bleiben. HErr, gib ihn mir reichlich.(Magnus Friedrich Roos)

Wir haben empfangen den Geist der Liebe.
2. Tim. 1,7.

Paulus setzt in dieser Stelle den Geist der Kraft und der Liebe und der Zucht dem Geist der Furchtsamkeit entgegen; und fürwahr, die Furchtsamkeit machet die Seele schwach, und, wenn Pflichten da sind, die sie erfüllen sollte, bitter, und wenn noch schärfer auf sie gedrungen wird, so entstehen heftige Gemüthsbewegungen, sowohl wenn man wegen der Furchtsamkeit sich den Pflichten entziehen will, als auch wenn man sich bei derselben anstrengt, sie zu erfüllen. Paulus hatte den Timotheus erinnert, daß er die Gabe Gottes, die in ihm war, erwecken, das ist, durch die treue Anwendung derselben bei der Predigt des Evangelii sie in eine rechte Thätigkeit setzen sollte. Weil aber eine große äußerliche Gefahr dabei war, und man sich, wie er V. 8. sagt, mit dem Evangelio leiden mußte, so sagte er: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furchtsamkeit (daß wir uns vor dem Leiden fürchten müßten) sondern den Kraft und der Liebe und der Zucht, oder Mäßigung. Was nun den Geist der Liebe anbelangt, so macht derselbige willig, um des Geliebten willen zu thun, was zu thun ist, und zu leiden, was zu leiden ist; der Geliebte aber, von dem hier die Rede sein kann, ist Jesus Christus, den Paulus in allen seinen Briefen hoch preiset und den armen Sündern so vor die Augen malet, daß dadurch bei Allen, die Sein Wort annehmen und glauben, eine herzliche Liebe zu diesem ihrem Erlöser entstehen kann. Er hat uns zuerst geliebt: lasset uns Ihn hinwiederum lieben. Dieß ist aber die Liebe zu Ihm, daß wir Seine Gebote halten, und Seine Gebote sind bei der Liebe nicht schwer. Das Halten Seiner Gebote ist aber mit Leiden verbunden? Freilich; aber Ihn hat die Liebe willig gemacht, die größten Leiden für uns zu übernehmen: warum sollten wir also nicht in der Liebe willig sein, etwas Weniges um Seines Namens willen zu leiden? Ohne den Geist der Liebe ist der Dienst Gottes schwer, und das Leiden dabei unerträglich, der Geist der Liebe aber macht jenen angenehm, und dieses unerträglich. Ohne diesen Geist lassen alle guten Anläufe bald wieder nach, alle guten Vorsätze werden wieder zu nichte, aber dieser Geist läßt nicht ermüden, nicht zurückgehen, nicht überdrüssig werden. Der Geist der Liebe denkt: der Geliebte ist werth, daß man das Leben um Seinetwillen lasse: warum sollte man nicht gern etwas Geringeres um Seines Namens willen fahren lassen? Man hat es bei dem Dienst Gottes oft mit dem Nächsten zu thun, welcher sich durch seine Schwachheit oder Bosheit, durch seine Zudringlichkeit oder durch seinen Undank lästig macht: allein auch auf dieser Seite macht der Geist der Liebe willig, Gutes zu thun und nicht müde zu werden, s. 1 Kor. 13,4-8.
Wer sich also recht bekehren will, muß bis zum Geist der Liebe durchdringen, und derjenige soll für den Heiligsten unter allen Christen gehalten werden, der ihn in dem reichsten Maß hat. Die Weltkinder sind nach Matth. 7. stechenden Dornen und Disteln gleich, weil sie den Geist der Liebe nicht haben. Ihre Liebe ist wie das Geschrei, das man gegen den Winkel eines Thales so lange fortsetzt, als man sich an dem Wiederhall ergötzt.(Magnus Friedrich Roos)

Ich weiß, an Welchen ich glaube, und bin gewiß, daß er mir meine Beilage bewahren wird bis an den Tag. 2 Tim. 1,12.

Paulus hatte durch den Glauben an Christum Jesum keine zeitlichen Vortheile gewonnen, und sich viele und langwierige Leiden zugezogen, die ihn, wenn er ein unglaubiger Jude geblieben wäre, nicht betroffen hätten. Er stand auch damals, da er den zweiten Brief an den Timotheus schrieb, in einem tiefen Leiden, denn er war ein Gefangener zu Rom, und sah seinen gewaltsamen Tod nahe vor sich. Er sagte aber: ich schäme mich meiner Leiden nicht; ich denke nicht, daß ich bei meinem Uebergang zum Christenthum und bei der vieljährigen Verwaltung meines beschwerlichen Apostelamts thörlich gehandelt habe, und mich also schämen müßte, wie sich diejenigen schämen müssen, die sich in ihrer Hoffnung betrogen haben; denn ich weiß, an Welchen ich glaube, und Wem ich mich ganz vertraut habe. Dieser ist Jesus, den ich zuerst verfolgt hatte, der mich aber aus großer Barmherzigkeit vom Himmel herab berufen, aber auch zur selbigen Zeit schon gesagt hat, ich solle Sein auserwähltes Werkzeug sein, Er wolle mir aber auch zeigen, wie viel ich um Seines Namens willen werde leiden müssen. Diesen Jesum hatte Paulus immer als treu, als freundlich, als mächtig gefunden. Er war inne worden, daß Er sein Erlöser, Fürsprecher, Nothhelfer, seine Gerechtigkeit und seine Stärke sei. Er hatte Ihn immer so gefunden, wie sein Herz hatte wünschen können. Er achtete sich von Ihm nicht beleidigt zu sein, ob Er ihn schon einen rauhen Weg geführt hatte, und zuletzt wie ein Schlachtschaf dem Tod übergab, sondern war gesinnt, wie hernach der Bischof Polycarpus, der, als ein heidnischer Richter von ihm forderte, daß er Jesum zur Rettung seines Lebens lästern sollte, zur Antwort gab: achtzig Jahre diene ich Ihm, und Er hat mich nie beleidigt: wie soll ich Ihn denn lästern? Aber wie? wenn Paulus über den Tod hinaussah, was hatte er da für eine Aussicht? er sagte: ich bin gewiß, daß der, an welchen ich glaube, mir meine Beilage bewahren wird bis an jenen Tag. Was war diese Beilage? Sie war Pauli Seele, die er seinem Heiland auf den Fall ihrer Trennung vom Leib zu treuen Händen empfohlen hatte. Eine solche abgeschiedene Seele könnte nun freilich als ein schwacher Geist, dem die Werkzeuge des Leibes mangeln, in dem großen Weltraum herumirren, und vielen feindlichen Anfällen ausgesetzt sein, aber Paulus sagt: der Heiland wird meine Seele schon bewahren bis an jenen Tag des Gerichts, da eine ganz neue Einrichtung in der Welt gemacht, und alle Möglichkeit einer Bedrängniß verschwinden wird.
HErr Jesu, Du bist’s, an den ich glaube. Dir vertraue ich mich an. Von Dir wünsche ich geführt zu werden bis an mein Ende. Wenn ich bei dem Glauben an Dich und bei dem Dienst, den ich Dir leiste, manches Weltglück zu verscherzen und also ein Thor zu sein scheine, so schäme ich mich dessen nicht. Du, HErr, wirst mir alles in Deinem Reich überschwänglich ersetzen. In Deine Hände befehle ich meinen Geist, Dir übergebe ich ihn als eine Beilage, die Du bis an jenen Tag bewahren wollest.(Magnus Friedrich Roos)

2. Tim. 2

Das ist je gewißlich wahr: dulden wir, so werden wir mit herrschen. 2 Tim. 2,11.12.

Paulus schrieb in diesem Kapitel an den Timotheus V. 3.: leide dich als ein guter Streiter Jesu Christi. Von sich selber aber sagt er V. 9.: ich leide mich über dem Evangelio bis an die Bande, und V. 10.: ich dulde Alles um der Auserwählten willen u.s.w. Hernach hielt er sich und dem Timotheus diese Wahrheit zum Trost vor: das ist je gewißlich wahr, dulden wir, so werden wir (königlich) mit herrschen. die Zeit, die man in der Welt zubringen muß, ist zum Dulden gegeben. Man sei gerechtfertigt, und durch Gnade zum Erben Gottes erklärt, und ein Tempel Gottes und ein Glied am Leib Christi: so ist man doch zum Dulden berufen. Paulus hält es den Korinthern zu ihrer Beschämung vor, daß sie schon ohne die Apostel herrschen, das ist oben schwimmen, Andere meistern, sich um nichts bekümmern, und alles Ungemach von sich wegstoßen wollen, setzt aber hinzu: wollte Gott, ihr herrschetet in der Wahrheit, und hättet schon wirklich alle Duldung rechtmäßig überstanden, damit auch wir mit euch herrschen möchten. Allein er legt ihnen hernach die großen und mannigfaltigen Leiden ausführlich und nachdrücklich vor die Augen, welche die Apostel noch dulden müssen. Auch die Salome dachte zu bald an das Herrschen, da sie den HErrn Jesum bat, von ihren Söhnen einen zu Seiner Rechten, und den andern zu Seiner Linken in Seinem Reich zu setzen: allein der weise Heiland wies sie und ihre Söhne auf Seinen Leidenskelch und auf Seine Schmerzenstaufe, und mahnte sie also an das Dulden, welches vor dem Herrschen hergehe. Paulus sagt nicht: indem wir dulden, so herrschen wir schon als Könige, sondern er stellt das Dulden als gegenwärtig, und das Herrschen als zukünftig vor. Das Dulden sollen wir jetzt durch die Kraft der Gnade Gottes ausüben, das Herrschen aber hoffen, und dieses wird auch von denjenigen ausgeübt werden, die gewürdigt werden, Bürger im neuen Jerusalem zu sein; denn von diesen wird Offenb. Joh. 22,3.5. gesagt, daß sie Gott und dem Lamm als Seine Knechte dienen, aber auch königlich regieren werden von Ewigkeit zu Ewigkeit. Wer duldet, ergibt sich zum Tragen, Nachgeben, Schweigen, Zurückstehen, und wird von der Welt, die sich, so lange Gott es ihr zuläßt, durch List und Gewalt zu helfen weiß, und dabei Ungerechtigkeit ausübt, für einen Thoren gehalten: aber eben diese duldenden Christen werden als Könige im neuen Jerusalem auftreten, indem die Welt als das Auskehricht draußen im Feuersee liegen wird. Ueberhaupt wird die Verfassung in der zukünftigen Welt ganz anders sein, als die Verfassung in der gegenwärtigen. Wer sich selbst erhöhet hatte, wird erniedrigt sein, und wer sich selbst erniedrigt hatte, wird erhöhet sein. Darnach wollen wir uns richten, im Dulden nicht müde werden, und die Vorzüge des Christenthums oder den Adel der Kindschaft Gottes jetzt nicht nach einem fleischlichen Sinn gebrauchen, oder in die Verfassung dieser Welt einzuführen begehren, wie schon Viele zu ihrem Schaden versucht haben. Ein Jeglicher sei gesinnet, wie Jesus Christus auch war. Lasset uns aber herzhaft glauben, was gewißlich wahr ist, daß nämlich diejenigen, die hier dulden, mit Christo herrschen werden. Das Dulden will uns oft zu schwer werden, und zu lange währen; darum ist bei der Geduld auch Langmüthigkeit nöthig.(Magnus Friedrich Roos)

Verleugnen wir, so wird Er uns auch verleugnen. 2 Tim. 2,12.

Paulus schrieb hier eben dieses, was der HErr Jesus Matth. 10,33. gesagt hatte: wer Mich verleugnet vor den Menschen, den will Ich auch verleugnen vor Meinem himmlischen Vater. Christus warnte vor diesen Worten vor der Furcht, und sagte, man solle sich nicht vor Menschen fürchten, die den Hausvater Beelzebub geheißen haben, und vielmehr seine Hausgenossen so heißen werden: ja man solle ich nicht vor Leuten fürchten, die den Leib tödten. Auf gleiche Weise redete Paulus, ehe er von der Verleugnung Christi redete, von Sterben und Dulden, V. 11.12. Hieraus wird klar, daß eigentlich die Furcht zur Verleugnung Christi treibe. Die Menschen können sich fürchterlich machen. Sie können spotten, schelten und schmähen, sie können mit dem Tod drohen, und, wenn es Gott zuläßt, wirklich tödten. Wer nun dieses Alles nicht dulden, wer nicht um Christi willen auch sterben will, verleugnet Christum, um dem Zorn der Welt zu entgehen. So verleugnete Petrus Christum in des Hohepriesters Palast, und sagte: er kenne ihn nicht, weil er fürchtete, er möchte sein Leben bei dem Bekenntniß Jesu einbüßen. Unter den Christen gibt es eine falsche scheinbare Kirche, welche Babel, oder die große Hure genannt, und von welcher Offenb. Joh. 17,6. gesagt wird, daß sie von dem Blut der Heiligen trunken worden sei. Auch gibt es ein Thier, da ist eine grimmige und fürchterliche Macht, welche mit den Heiligen schon einen öffentlichen Krieg geführt und sie überwunden hat. Wer das Bild dieses Thiers dereinst nicht wird anbeten wollen, soll getödtet werden, und wer sein Malzeichen nicht an sich nimmt, nicht kaufen und verkaufen dürfen. Offenb. Joh. 13,7.15.17. Bei diesen wichtigen Fällen sind wahre Christen auf die Probe gesetzt worden, und werden noch auf die Probe gesetzt werden, ob sie Christum vor den Menschen bekennen oder verleugnen wollen, und nach ihrer Treue oder Untreue, welche sie hiebei beweisen, richtet sich ihr Schicksal in der Ewigkeit. Doch da diese namhaften Gelegenheiten nicht allenthalben und allezeit vorkommen, so bedenke man, daß die Welt oft nicht verlangt, daß man Christum lästere, oder von seiner Religion abfalle, nur soll man keiner von den Frommen oder Heiligen sein, welche die Welt, wie Noah (Hebr. 11,7.), verdammen, und Heuchler, Pietisten, Mucker, Sonderlinge genannt werden. Wer zu tief in die Buße hinein gerathen, wer’s mit den Geboten Gottes genau nehmen will, wird von Welt-Freunden, oder vom Teufel selbst durch seine Eingebungen gewarnt. Man hält auf solche Leute nichts, sie werden zurückgesetzt, und machen ihr Glück nirgends. Große Männer lassen sie ihre Ungnade fühlen. Man spottet ihrer in’s Angesicht oder hinterwärts. Durch solche Vorstellungen wird oft ein schwacher Mensch in eine Furcht gesetzt, welche ihn bewegt, dem Heiligen Geist, der ihn fromm machen will, zu widerstreben, und mit Worten und Werken zu zeigen, daß er nicht zu jener verhaßten Partei gehöre. Man behilft sich eine Zeit lang mit den Gedanken, daß man Christum vor Seinem himmlischen Vater bekennen, folglich heimlich beten, lesen, fromm sein wolle. Christus aber fordert, man solle Ihn vor den Menschen bekennen. Wird am Tag des Gerichts die Welt ihren furchtsamen Anbetern helfen können? Werden alsdann die Vortheile, die man durch die mit der Verleugnung Christi erkaufte Gunst der Welt erlangt hatte, noch trösten können?(Magnus Friedrich Roos)

2. Tim. 4

Die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden.
2 Tim. 4,6.

Da Paulus das erstemal als ein Gefangener zu Rom war, schrieb er an die glaubigen Philipper, was Kap 1. 23.24.25.26. steht. Bald hernach schrieb er sogar an den Philemon V. 22.: bereite mir die Herberge; denn ich hoffe, daß ich durch euer Gebet euch geschenkt werde. Was nun Paulus damals gehofft, geschah hernach wirklich. Er wurde zu Rom losgesprochen, und er konnte hernach noch ungefähr zehn Jahre das Evangelium predigen. Da er aber hernach das zweitemal (wir wissen nicht, aus was für einer Veranlassung) gefangen genommen, und zu Rom vor des Kaisers Gericht gestellt wurde, so ging es zwar in seiner ersten Verantwortung oder Verhör gut, ob ihn schon damals alle Christen verließen; der HErr aber stand ihm bei, und stärkte ihn. Er durfte frei von Jesu Christo reden, auf daß durch ihn die Predigt des Evangeliums bestätigt würde, und alle (gegenwärtigen) Heiden, und durch dieselben alle heidnischen Nationen hörten, was die Christen glaubten. Er wurde auch damals nicht zum Tod verdammt und getödtet, sondern aus dem Rachen des Löwen, oder des grausamen heidnischen Richters, welcher vielleicht der Kaiser Nero selber war, erlöset, s. 2 Tim. 4,16.17. Doch wußte er, daß er dießmal mit dem Leben nicht davon kommen werde, und schrieb deßwegen an den Timotheus, den er gern vor seinem Ende sprechen wollte: ich werde jetzt geopfert, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden, 2 Tim. 4,6. Dieses war denn die rechte Zeit seines Abscheidens. Vorher hatte er oft Vorstellungen von einem nahen Sterben, s. Ap. Gesch. 20,22.24., 2 Kor. 1,8.9.10. 6,9. 11,25.26., und mußte seinen Willen in der Absicht auf dasselbe Gott aufopfern, nun kam aber die rechte Zeit des wirklichen Abscheidens, und es graute dem Paulus nicht davor. Er ging seinem Tod mit dem Trost entgegen: der HErr wird mich erlösen von allem Uebel, und mir aushelfen zu Seinem himmlischen Reich: welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit, 2 Tim. 4,18.
Ein Christ wird oft in seinem Leben durch Gefahren und Krankheiten in einen Zustand gesetzt, da er denken muß, er werde jetzt sterben. Zuweilen wird auch ohne eine äußerliche Gefahr die Vorstellung vom Abscheiden aus der Welt so lebhaft in ihm, daß er seinen Willen dazu ergeben muß, obschon der HErr ihm noch eine längere Frist auf Erden schenken will. Er ist also oft als ein Sterbender, und lebt noch eine Zeit lang, und als ein Gezüchtigter, und wird doch nicht getödtet. Wenn aber unter solchen Vorübungen seine Seele geläutert, von den Kreaturen abgezogen und mit Jesu Christo vereinigt worden ist, so soll es ihm nicht schrecklich sein, wenn die Zeit seines Abscheidens wirklich kommt. Er soll gestärkt durch’s Evangelium dieses Abscheiden als eine Erlösung von allem Uebel, und als eine hülfreiche Aufnahme in das himmlische Reich Jesu ansehen. Der HErr erzeige uns Seine Gnade reichlich, daß wir mit dieser seligen Hoffnung und Erfahrung zur rechten Zeit von der Welt abscheiden können.(Magnus Friedrich Roos)

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