Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 1. Brief an Timotheus

Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 1. Brief an Timotheus

1. Tim. 1

Der HErr Jesus Christus ist unsere Hoffnung.
1 Tim. 1,1.

Wahre Christen sind Kinder Gottes, und gerechtfertigt durch den Glauben an Christum, und haben Gnade. Der Heilige Geist ist ihnen als ein Siegel und Pfand gegeben; ja sie haben schon das ewige Leben: doch hoffen sie noch Vieles. Sie hoffen eine Erlösung von allem Uebel, ein unvergängliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit. Ohne diese Hoffnung wären sie die elendesten unter allen Kreaturen; denn sie hätten alsdann auch diejenigen geistlichen Gaben nicht, welche ein Angeld und Erstling der zukünftigen sind, und müßten dieses ihre ganze Weisheit sein lassen: lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt. Paulus sagt aber: Jesus Christus ist unsere Hoffnung. Der Sinn dieser Worte ist dieser: wenn der Heiland Christus nicht wäre, so hätte auch keine Hoffnung bei uns statt. Weil aber Gott die Welt also geliebt hat, daß Er seinen eingebornen Sohn gab, und der Sohn Gottes Sich selbst zur Erlösung gegeben hat, so ist für die Glaubigen eine Hoffnung vorhanden. Sie dürfen hoffen, um des vergossenen Blutes Jesu und um Seiner Fürbitte willen von allem Uebel erlöset und in das himmlische Reich Gottes aufgenommen zu werden. Der HErr Jesus Christus hat ihnen Alles, was sie hoffen können, erworben; er ist’s aber auch, der es ihnen selber geben wird. Er nimmt ihre Seelen, wenn sie von den Leibern getrennt werden, auf. Er erweckt ihre Leiber aus den Gräbern. Er spricht ihnen das himmlische Erbe am jüngsten Tag durch einen richterlichen Machtspruch zu, und gibt es ihnen wirklich nach dem Willen Seines Vaters. Lasset uns also auf Christum sehen, wenn wir hoffen wollen. Wenn wir nur uns selber ansehen, wie wir elende, mangelhafte, sterbliche und überdieß unreine, und schuldhafte Menschen sind, so steht kein Grund der Hoffnung vor unsern Augen; ja wenn wir die ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, von welcher die heilige Schrift redet, das Herrschen mit Christo, das Sitzen auf Seinem Thron, den Sonnenglanz in des Vaters Reich, das Erben mit Christo u.s.w. betrachten, so scheint es unglaublich zu sein, daß ein Mensch, der nach vielem Straucheln und Leiden auf dem Todtenbette röchelt, und unter erbärmlichen Umständen sterben muß, auf diese erstaunliche Höhe werde erhoben werden: aber Jesus Christus ist unsere Hoffnung. Dieser füllet den unermeßlichen Abstand, der zwischen der himmlischen Herrlichkeit und dem irdischen Elend ist, mit Seiner Gerechtigkeit und mit Seiner Lebenskraft aus. Dieses ist Seine Ehre, daß Er aus der Tiefe in die Höhe, aus dem Tod in’s Leben, aus der Traurigkeit in die Freude führt. So will ich denn bei der Erkenntniß und Empfindung meiner Sünden und Leiden fleißig auf meinen HErrn Jesum Christum sehen, weil Er meine Hoffnung ist. Der Heilige Geist verkläre Ihn noch weiter in mir, und mache mich tüchtig, Glaubensblicke auf Ihn zu thun; damit ich mit guter Hoffnung, wie es einem Christen gebührt, die mir beschiedenen Leiden ertragen, und dereinst auch im Frieden dahinfahren könne.

Gott dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, dem alleinigen Gott, sei Ehre und Preis in Ewigkeit.
1 Tim. 1,17.

Nachdem Paulus die Barmherzigkeit, die ihm als einem ehemaligen Lästerer und Verfolger und Schmäher widerfahren war, gepriesen, und dieselbe aus der Erlösung Jesu Christi hergeleitet hatte, so erhob er sich endlich zu der höchsten Quelle, aus welcher Alles, auch die Erlösung Jesu Christi, herfloß, und sagte: Gott dem ewigen König, dem Unvergänglichen und Unsichtbaren, dem alleinigen Gott, sei Ehre und Preis in Ewigkeit! Gott ist ein ewiger König, der das höchste Recht hat zu begnadigen und zu verdammen, und der, wenn Er begnadigen will, auch einen Mittler, durch den die Begnadigung geschehen konnte, hat aufstellen können. Wenn Er einem Sünder Barmherzigkeit erzeigt, so hat es ewige Folgen, da die sterblichen Könige auf Erden nur auf eine kurze Zeit wohlthun können. Er hört nie auf König zu sein; folglich werden auch die Geschöpfe, über die Er herrscht, nie aufhören zu sein. Er ist unvergänglich, weil Er das Leben in Sich selber hat. Die nach einander dahin fließenden Zeiten und Ewigkeiten verursachen Ihm kein schwaches Alter, Er bleibet wie Er ist, der immer gleich lebendige, gleich weise, gleich gute, gleich heilige Gott. Die Ausflüsse und Mittheilungen, die von Ihm herkommen, vermindern nichts und erschöpfen nichts bei Ihm. Alle Seine Werke ermüden Ihn nicht. Wer also in Ihm ist, kann es ohne Aufhören sein. Gott ist unsichtbar im höchsten Verstand, folglich von den Göttern der Heiden unermeßlich unterschieden, von denen man glaubte, daß sie eine sichtbare Natur haben. Unsern Gott hat kein Mensch gesehen, und kann kein Mensch sehen, obschon einige Propheten Seine Gestalt, worin Er ihnen Seine unsichtbare Kraft und Gottheit als in einem Spiegel zeigte, gesehen haben. Aber Sein geistliches Wesen hat kein Mensch je gesehen, und kann kein Mensch sehen, und dieses beweist die unbegreifliche Vortrefflichkeit desselben, als welche so unendlich über Alles erhaben ist, daß keines Menschen leibliche oder geistliche Sinnen sie erreichen können. Doch damit uns der unsichtbare Gott nicht unbekannt bliebe, und weil die Gestalt, welche die Propheten sahen, nicht Alles entdecken konnte, so mußte Jesus Christus das sichtbare Bild des unsichtbaren Gottes werden, damit wir die Herrlichkeit Gottes in Seinem Angesicht sehen könnten. Wer Ihn sahe, der sahe den Vater. Wer Gott erkennen will, erkenne Christum, wie Er uns im Evangelium vor die Augen gemalt ist. Christus hat Seinen Sinn durch Worte und Werke genugsam geoffenbart, aber so, wie Er gesinnt war und noch ist, ist der unsichtbare Gott gesinnt. Gott ist der alleinige Gott, und hat deßwegen verboten, andere Götter neben Ihm zu haben. Wenn Er Seinesgleichen hätte, so wäre das Ihm gleiche Wesen auch Gott: Ihm ist aber nichts gleich, Er ist unvergleichlich, Er ist unermeßlich über Alles erhaben. Niemand soll also gefürchtet, geliebt, gelobt und angebetet werden, wie Er. Er ist der Einige, dem wir uns aufopfern, dem wir anhangen, und in dem wir selig sein sollen. Ob Er schon der Einige, und außer Ihm kein Gott ist, so hat Er Sich doch als der Vater, das Wort und der Heilige Geist geoffenbart: diese Drei aber sind Eins. Ihm sei Ehre! Ihm sei Herrlichkeit von mir und allen Geschöpfen! Ehre, weil Er der König der Ewigkeit ist; Herrlichkeit, weil Er der Unvergängliche, Unsichtbare und der alleinige Gott ist. Alles, was Athem hat, lobe Ihm. Hallelujah!(Magnus Friedrich Roos)

Uebe dich, daß du habest Glauben und gut Gewissen, welches etliche von sich gestoßen, und am Glauben Schiffbruch erlitten haben.
1 Tim. 1,19.

Paulus hat in seinem ersten Briefe an den Timotheus etliche Mal mit großem Ernst von Gewissen geredet, 1 Tim. ,5. sagt er: die Hauptsumme des Gebots ist Liebe von reinem Herzen, und von gutem Gewissen, und von ungefärbtem Glauben. Kap. 3,9. sagt er von den Kirchendienern (Diaconis), daß sie das Geheimniß des Glaubens in reinem Gewissen haben sollen. Kap. 4,1. aber sagt er von gewissen Verführern, daß sie in Gleißnerei Lügenredner seien und Brandmale in ihrem Gewissen haben, das ist, das Angedenken eigener Uebelthaten, und die innerliche Verurtheilung wegen derselben als Brandflecken in sich herumtragen, Kap. 1,19. aber ermahnt er den Timotheus, daß er sich üben solle, Glauben und gut Gewissen zu haben u.s.w. Ueberall verbindet er das gute oder reine Gewissen mit dem Glauben, und es ist freilich nöthig, daß ein Sünder, den das Gesetz wegen aller seiner Werke und seines ganzen Zustandes verdammt, zuvörderst im Glauben zu Christo nahe, und die Reinigung des Gewissens durch Sein Blut suche und erfahre, Hebr. 9,14. Wer nie durch das Blut Jesu gerecht wird, wer nie Vergebung seiner Sünden und den Frieden mit Gott erlangt, hat nie kein gutes Gewissen, und was er für ein solches hält, ist Sicherheit, Unempfindlichkeit, Leichtsinn, woraus er durch das Gesetz aufgeweckt werden sollte, um durch den Glauben die Rechtfertigung und durch die Rechtfertigung ein gutes Gewissen zu bekommen. Wer es aber erlangt, muß sich üben, täglich bis an sein Ende Glauben und ein gutes Gewissen zu haben. Wer im Glauben des Sohnes Gottes lebt, hält auch Seine Gebote, und wer Seine Gebote hält, hat ein gutes Gewissen. Die Sprache eines guten Gewissens ist Jes. 38,3. in dem Gebet des kranken Königs Hiskia enthalten. Man ist sich zwar seiner Mängel und Gebrechen, aber auch der Gnade und der Aufrichtigkeit, mit welcher man vor Gott wandelt, täglich bewußt. Zuweilen kommt eine Uebereilung vor, worüber das Herz den Christen verdammt; er unterwirft sich aber schnell der Bestrafung des Heiligen Geistes, und sucht und findet wieder durch’s Gebet Gnade bei Gott, der größer ist als ein Menschenherz und alsdann ist das gute Gewissen wieder da, und der Glaube wieder in seinem vorigen Gang. Wenn aber ein Mensch nach der erlangten Gnade muthwillig sündigt, die Sünde lieb gewinnt, sich ihr als ein Knecht hingibt, und von seinem Fall nimmer aufzustehen begehrt, so hat er das gute Gewissen von sich gestoßen, und ist in seinem Gewissen durch das Bewußtsein seiner Uebelthaten gleichsam gebrandmarkt. Gleichwie ein Schiffmann sein Schiff in einem Schiffbruch verliert, also hat ein solcher Mensch den Glauben verloren. Wenn er aber doch noch vom Glauben und überhaupt vom Evangelio schwätzt, so thut er’s in der Heuchelei. Gemeiniglich aber erkühnen sich solche Leute auch als Lügenredner, die Greuel, die sie begangen haben, unter dem Vorwand einer sonderlichen tiefen Weisheit, wie die Isabel zu Thyatira, für unschädlich und erlaubt auszugeben, und Andere dadurch zu verführen. Nun HErr, sei uns gnädig und vergib uns unsere Sünden um Christi willen, so wollen wir uns üben, Glauben und ein gutes Gewissen zu haben bis an unser Ende.

1. Tim. 2

Gott unser Heiland will, daß allen Menschen geholfen werde.
1 Tim. 2,4.

Es ist sehr geziemend, daß in der heiligen Schrift, wo von der Verdammniß der Menschen geredet wird, des Willens oder Wohlgefallens Gottes nie Meldung geschieht. Gott verdammt freilich diejenigen, die bis an ihr Ende unbußfertig und unglaubig bleiben, Er hat aber kein Gefallen an dem Tod oder Verderben des Gottlosen, sondern daran hat Er ein Gefallen, daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe, Ez. 33,11. Er will nicht, daß Jemand verloren werde, sondern daß sich Jedermann zur Buße kehre, 2 Petr. 3,9. Er will, daß allen Menschen geholfen werde, und sie zur Erkenntniß der Wahrheit kommen, 1 Tim. 2,4. So geziemt es sich von Gott, der die Liebe ist, zu denken und zu reden. Weil Er aber weiß, daß die von ihrem Gewissen verurtheilten Menschen schwerlich glauben können, daß er einen so guten Willen gegen sie habe, so bestätigt Er Seine Aussage davon mit einem Eide, und sagt Ez. 33,11.: o wahr Ich lebe. Dasjenige, woraus die Verdammniß der Menschen hergeleitet wird, wird nie der Wille, sondern der Zorn Gottes genannt, welcher freilich heilig, gerecht und unaussprechlich schrecklich ist.
Wenn ich also für mich selbst Gott meinen Heiland bitte, daß Er mir helfe, oder mich selig mache, so bitte ich nach Seinem Willen. So wir aber etwas bitten nach Seinem Willen, so höret Er uns, 1 Joh. 5,14. Ich darf hiebei durch meine Unwürdigkeit mich nicht zurückschrecken lassen; ich darf nicht fragen, warum Er mir helfen wollen, der ich ein schnöder Mensch bin, und Seine Gebote so oft übertreten habe. Genug ist’s, daß Er mir helfen will. Er sagt: wem Ich gnädig bin, dem bin Ich gnädig, und wessen Ich Mich erbarme, deß erbarme Ich Mich, und will nicht, daß man weiter frage, oder sich um ein eigenes Verdienst umsehe. Ein Mensch darf seinem unglaubigen Herzen die Antwort des gütigen HErrn vorhalten: siehest du darum scheel, daß Ich so gütig bin; und wenn sich der Mensch so zu dem gütigen HErrn wendet, und sich im Bitten auf Seinen guten Willen beruft, so kann’s nicht fehlen: es muß auch in ihm, dem Sünder, ein guter Wille entstehen, mit welchem er sich zum Dienst des HErrn und zur Bearbeitung Seines Geistes ergibt.
Paulus trägt aber die große Wahrheit: Gott will, daß allen Menschen geholfen werde, auch in der Verbindung mit der schuldigen Fürbitte für andere Menschen vor; wie er denn 1 Tim. 2,1.2.3.4. schreibt: so ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen zuerst thue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, auf daß (wenn auch sonst nichts erbeten werden könnte, Gott Seine herzlenkende Kraft an ihnen beweise, und) wir ein geruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit; denn solches (Bitten) ist gut, dazu auch angenehm vor Gott unserm Heiland, welcher will, daß allen Menschen geholfen werde u.s.w. Wir dürfen also auch nicht schüchtern sein, wenn wir für Andere bitten. Solche Bitten sind Ihm angenehm. Er will schon vorher, was wir bitten, Seine Ehre aber erfordert es, daß Er darum gebeten werde. Alle Menschen, schreibt ein seliger Lehrer, sind wir ein einiger Mensch vor Gott; darum sollen diejenigen, die das Heil erlangt haben, für diejenigen bitten, die noch zurück sind.(Magnus Friedrich Roos)

1. Tim. 4

Wir werden geschmähet, daß wir auf den lebendigen Gott gehoffet haben.
1 Tim. 4,10.

Ist’s möglich, daß man deßwegen geschmähet wird, weil man auf den lebendigen Gott hofft? Ja, es ist möglich, und es ist von Anbeginn geschehen, und geschieht immerdar. Paulus und alle Christen zu seiner Zeit, ja auch die Israeliten zur Zeit des Alten Testaments wurden geschmähet, weil sie auf den lebendigen Gott und nicht auf die todten Götzen hofften, und sich dadurch als Sonderlinge vor der unzählbaren Menge der Götzendiener auszeichneten, ja ihren Götzendienst für Thorheit erklärten. Auch von den Juden wurden die Christen geschmähet, weil sie auf den lebendigen Gott, der ein Heiland aller Menschen, absonderlich der Glaubigen ist, hofften, und ihre Hoffnung nicht auf den Tempel zu Jerusalem, und auf die Beschneidung, Opfer, Sabbathe, Neumonden u. dgl. setzten. Wir, die wir jetzt weder mit Heiden, noch mit Juden zu kämpfen haben, werden geschmähet, wenn wir auf den lebendigen Gott hoffen, und unsere Hoffnung nicht auf Fürsten und ihre mächtigen Diener, oder auf den Mammon setzen. Man schmähet uns als Thoren, daß wir nicht mit einer kriechenden Schmeichelei oder durch andere unerlaubte Mittel die Gunst der Gewaltigen erwerben, daß wir nicht auf krummen Wegen Ehrenstellen, Einkünfte und Schätze zu erhaschen trachten, und überhaupt nach der Weise der Welt unser Glück nicht machen wollen. Wenn wir dabei sagen: wir befehlen dem HErrn unsere Wege, und hoffen auf Ihn, Er werde es schon machen; wenn wir sagen: wohl dem, deß Hülfe der Gott Jakobs ist, deß Hoffnung auf den HErrn seinen Gott steht, der Himmel, Erde, Meer und Alles, was darinnen ist, gemacht hat, der Glauben hält ewiglich; wenn wir uns auf die Fußstapfen und die Gebote Jesu berufen, durch welche wir angewiesen sind, in der Niedrigkeit einherzugehen, nicht nach hohen Dingen zu trachten, der Welt uns nicht gleich zu stellen, und das Zeugniß zu erwerben, das Ihm Seine Feinde, da Er am Kreuz hing, zugerufen haben: Er hat Gott vertrauet – wenn wir auf diese Weise uns verantworten, und den Grund der Hoffnung, die in uns ist, angeben: so hält uns die Welt für Thoren, sie versteht unsere Sprache nicht; und weil sie bei ihrem Unglauben und bei ihren Tücken den lebendigen Gott für Nichts hält, so meint sie, wir setzen unser Vertrauen auf ein Nichts, wiewohl sie gemeiniglich eine feinere Sprache führt. Was ist nun zu thun? Man muß sich durch das Beispiel und die Einreden der Welt nicht irre machen lassen. Man muß fortfahren, auf den lebendigen Gott zu hoffen. Er ist treu, Er ist mächtig, Er ist allein gut und allein weise. Er ist Vater, Fürsprecher und Tröster. Niemand wird zu Schanden, der auf Ihn hofft. Er erzeigt seine Fürsorge zur rechten Zeit. Er leitet die Elenden recht, und erlöst sie endlich aus allem Uebel. Gegenüber steht die Welt mit ihrem Glück. Wie leer, wie eitel, wie vergänglich ist es! welch eine Unruhe und welches Mißvergnügen ist dabei! wie kläglich ist der Ausgang! Kein Buch in der Bibel gibt hier mehr Aufschluß als der Psalter. Endlich wird die Ewigkeit Alles klar machen.(Magnus Friedrich Roos)

1. Tim. 6

Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist, und lässet ihm genügen.
1 Tim. 6,6.

In dem neunten und zehnten Gebot hat Gott die Ungenügsamkeit verboten, nach welcher den Menschen, der doch schon seinen bescheidenen Theil von Ihm empfangen hat, immer nach demjenigen gelüstet, was Gott seinem Nächsten und nicht ihm gegeben hat. Eine solche Ungenügsamkeit ist eine Marter für den Menschen selbst, und eine Wurzel vieler Sünden. Man versagt dabei dem großen Gott den schuldigen Dank für die Gaben, die man von Ihm empfangen hat; man murret wider Ihn mit einer heimlichen Feindschaft; man versäumt, in demjenigen treu zu sein, das Einem anvertraut ist; man macht sich untüchtig, Gott mit einem heitern Herzen zu dienen; man greift auch auf eine ungerechte Weise zu, wie man kann, will sich aus Ungeduld und ohne Gott bessere Umstände und ein größeres Glück verschaffen, greift aber dadurch nach einem stechenden Dorn, und verletzt insonderheit seine Seele. Salomo, der seinen Prediger in der Absicht schrieb, die Menschen die Genügsamkeit zu lehren, und deßwegen wider die unordentliche Lust und wider den Gram viele Zeugnisse darin ablegte, ermahnt den Menschen mehrmals, das Gute, das ihm Gott bescheret hat, unter Dessen Wohlgefallen mit Freuden zu genießen, und nicht immer mit Gram und Lust nach fremden Dingen, die doch eitel sind, zu gaffen. Paulus aber sagt: es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist, und lässet ihm genügen. Zu der Genügsamkeit ist also Gottseligkeit nöthig, denn ein Mensch ohne Gottesfurcht wird immer von seinen Lüsten umgetrieben, und hat seinen eigenen Peiniger in sich selbst. Er setzt hinzu: denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts (keinen Reichthum und keine einträglichen Ehrenstellen) hinausbringen. Dieses ist die Eitelkeit aller Dinge unter der Sonne, von welcher Salomo Vieles gesagt, und nach welcher ein jegliches nur seine Zeit hat, in welcher es anfängt, ist, und wieder vergeht. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, welche mit einander das tägliche Brod sind, um welches wir bitten dürfen, so lasset uns begnügen. Denn die da reich werden, und Alle die ihre Umstände in der Ungeduld mit Gewalt verbessern wollen, fallen in Versuchung, und, wenn sie von derselben überwältigt werden, in Satans Stricke, und viel thörichter und schädlicher Lüste, deren eine auf die andere folgt, und den Menschen in neue unruhige Bewegungen setzt, und diese Lüste versenken die Menschen in’s Verderben und Verdammniß, denn Geiz oder unersättliche Begierde ist eine Wurzel alles Uebels. Wer aber gottselig ist, und sich genügen läßt, hat einen großen Gewinn, weil er Ruhe der Seele und einen fröhlichen Genuß der gegenwärtigen Gaben Gottes, dabei aber auch eine heitere Hoffnung himmlischer Güter hat; darum sagt die Schrift: der Gerechte hat’s besser, denn sein Nächster, aber der Gottlosen Weg verführet sie, Spr. 12,26. Es ist besser, wenig mit Gerechtigkeit, denn viel Einkommens mit Unrecht, Spr. 16,8. Es ist besser eine Hand voll mit Ruhe, denn beide Fäuste voll mit Mühe und Jammer, Pred. 4,6. Großer Gott, Du hast mich berufen zum ewigen Leben. Hilf mir, daß ich’s erlange, und mir auf Erden bei der Gottseligkeit genügen lasse. (Magnus Friedrich Roos)

Ergreife das ewige Leben, dazu du auch berufen bist.
1 Tim. 6,12.

Der Mensch, vom Weibe geboren, lebet eine kurze Zeit, und ist voll Unruhe; gehet auf wie eine Blume, und fället ab, fleucht wie ein Schatten und bleibet nicht, Hiob. 14,1.2. Diesem Menschen nun wird zugerufen: ergreife das ewige Leben, dazu du auch berufen bist. Es gibt also ein ewiges Leben, dessen Anfang schon auf Erden in der Seele angerichtet wird, sobald sie an den HErrn Jesum gläubig, und Seiner theilhaftig wird; denn dieses Leben ist im Sohn Gottes; wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben, 1 Joh. 5,11.12. Es muß aber dieses Leben in der Seele erhalten werden, und sich immer weiter aufschließen und ausbreiten, bis sie vom Leibe scheidet, da es alsdann noch völliger in ihr anbrechen, und sie zu einem ganz vergnügten und herrlichen Geist machen wird. Endlich wird auch der Leib zum ewigen Leben auferweckt werden, folglich der ganze Mensch zu diesem Leben gelangen: denn auf der neuen Erde und im neuen Jerusalem wird der Tod nicht mehr sein, Off. 21,4. Das Erbe der Gerechten wird unvergänglich, unbefleckt und unverwelklich sein, 1 Petr. 1,4., und die Gerechten werden ohne Aufhören ernten, Gal. 6,9.
Dieses ewige Leben muß aber der Mensch ergreifen. Er muß den Anfang desselben ergreifen, indem er zu Christo kommt, Ihn gläubig ergreift, und so vom Tod zum Leben durchdringt. Er muß die Vermehrung desselben ergreifen, indem er aus der Fülle Jesu Gnade um Gnade nimmt, und den Geist der Gnaden bei der Fortsetzung seines Werks in seiner Seele Raum läßt. Er muß aber auch dieses ewige Leben nach seiner herrlichen Vollkommenheit, die zukünftig ist, in der Hoffnung ergreifen, und sich davon nicht abtreiben lassen. In dieses Ergreifen ist aber der ganze Ernst und Fleiß des Christenthums eingeschlossen, weßwegen Paulus, als er den Timotheus dazu ermuntern wollte, ihn zugleich ermahnte: du Gottesmensch, fliehe den Geiz und alle weltlichen Lüste, jage aber nach der Gerechtigkeit, der Gottseligkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmuth, kämpfe den guten Kampf des Glaubens, 1 Tim. 6,11.12. Auf diese Weise muß ein Glaubiger das vollkommene ewige Leben mit der Hand seiner Hoffnung ergreifen, und diese Hand bei allen Widerwärtigkeiten nicht mehr zurückziehen. Er darf’s aber thun, weil er dazu berufen ist. Gott will nicht, daß Jemand verloren werde, sondern daß sich Jedermann zur Buße kehre, und (ewiglich) lebe. Wenn dieser Liebeswille Gottes dem Menschen kräftig kund gethan wird, so wird er zum ewigen Leben berufen, und dieser Beruf gibt ihm das Recht, dasselbe mit dem Glauben und mit der Hoffnung zu ergreifen. Was Gott durch Seinen Beruf anbietet, darf man nehmen, was Gott verheißt, darf man hoffen. Hier soll sich der Mensch seine Unwürdigkeit nicht kleinmüthig machen lassen, sondern auf den Liebeswillen Gottes in Christo sehen, und nach demselben gesinnt sein.
Ein Geiziger greift nach dem Reichthum als seinem höchsten Gut, ein Wollüstiger nach der Wollust, ein Stolzer nach der eitlen Ehre. Oft entrinnt ihnen dieses Alles wie ein Irrwisch, indem sie darnach greifen; wenn sie aber auch etwas davon erhaschen, so ist’s ein Wind, den sie nicht halten können, ein Dorn, der sie sticht, eine Wasserblase die nichts Kräftiges in sich hat. Das ewige Leben hingegen ist ein wahres, unschätzbares und unvergängliches Gut. Man kann auch mit Gewißweit darnach greifen, weil Gott Seinen eingebornen Sohn darum gegeben hat, daß Alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern ewiges Leben haben.(Magnus Friedrich Roos)

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