Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 1. Brief an die Thessalonicher

Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum 1. Brief an die Thessalonicher

1. Thess. 1

Jesus hat uns von dem zukünftigen Zorn erlöset.
1 Thess. 1,10.

Es gibt also einen zukünftigen Zorn, und es ist eine große Gnade, von demselben erlöst zu sein. Auch der Täufer Johannes redete von diesem Zorn, da er zu den Pharisäern und Sadducäern, die zu seiner Taufe kamen, sagte: ihr Otterngezüchte, wer hat denn euch geweiset, daß ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet? Die heilige Schrift sagt zwar mehrmals, daß der Zorn Gottes über die muthwilligen Verächter der Gnade ausbreche, dieweil sie noch auf der Erde leben, wenn sie nämlich schwere Strafgerichte erfahren, s. Ps. 85,6. Jes. 9,12. Jes. 60,10. Luk. 21,23., aber doch ist nichts dem zukünftigen Zorn zu vergleichen. Dieser bricht aus, wenn die Langmuth Gottes aufhört, wenn kein Raum zur Buße mehr gegeben wird, wenn der Richter Alles an’s Licht bringt, und einem Jeglichen vergilt nach seinen Werken. Eine fürchterliche Beschreibung dieses zukünftigen Zorns steht 2 Thess. 1,8.9., wo gesagt wird: der HErr Jesus wird mit Feuerflammen Rache geben über die, so Gott nicht erkennen, und über die, so nicht gehorsam sind dem Evangelium unsers HErrn Jesu Christi, welche werden Pein leiden, das ewige Verderben von dem Angesicht des HErrn und von Seiner herrlichen Macht. Wie herzlich und demüthig haben wir also dem Sohn Gottes, Jesu Christo, zu danken, daß Er uns von dem zukünftigen Zorn erlöset hat, und wie sehnlich haben wir darnach zu streben, daß wir dieser Erlösung wirklich froh werden! Von den Plagen, welche Gott dem Adam und der Eva und allen ihren Nachkommen 1 Mos. 3. aufgelegt hat, hat uns Christus nicht erlöset, weil sie den Sündern nöthig und heilsam sind. Er hat überhaupt die zeitlichen Trübsale, welche von daher auf den Menschen liegen, nicht aufgehoben. Meint Jemand bei denselben einen Zorn Gottes wahrzunehmen, wie denn diese Vorstellung bei Trauernden, die ihre Sündenschuld erkennen, oft vorkommt, so darf man doch dabei sagen: ich will des HErrn Zorn tragen, denn ich habe wider Ihn gesündigt, bis Er meine Sache ausführe, und mir Recht schaffe; Er wird mich an’s Licht bringen, daß ich meine Lust an Seiner Gnade sehe. Mich. 7.9. Der Zorn des HErrn also, den bußfertige und zugleich durch äußere Leiden gedemüthigte Menschen tragen müssen, ist nicht derjenige Zorn, welchen die heilige Schrift den zukünftigen nennt. Es ist auch nicht der lautere Zorn (Off. Joh. 14,10.), sondern mit einer verschonenden Liebe gemildert. Man trägt ihn ohne Murren, weil man sich bewußt ist, daß man wider den HErrn gesündigt hat. Der HErr führt aber die Sache solcher gedemüthigten Sünder aus. Er schaffet ihnen Recht gegen ihre Feinde, aber auch vor Ihm selbst lässet Er ihnen das Recht der Erlösten und Glaubigen widerfahren, indem Er sie rechtfertigt. Er bringt sie an’s Licht, nachdem sie vorher im Finstern gesessen waren, V. 8., und läßt sie ihre Lust an Seiner rechtfertigenden Gnade sehen. Diesen Zorn haben alle Heiligen eine Zeit lang tragen müssen. Die Pfeile des Allmächtigen, die drückende Hand Gottes, die Wasserwogen und Wellen Gottes, die Grube, die Finsterniß, die Tiefe, der Grimm Gottes, die Verstoßung, der Tod, auf welchen eine Lebendigmachung folgt, die Hölle, aus welcher Gott wieder herausführt – dieses Alles, und was noch mehr von dieser Art genannt wird, darf ein Christ nicht scheuen, weil alle Heiligen es erfahren haben. Aber vor dem zukünftigen Zorn bewahre uns, lieber HErr Gott!(Magnus Friedrich Roos)

Jesus hat uns von dem zukünftigen Zorn erlöset.
1 Thess. 1,10.

Wenn die heilige Schrift von den Strafen redet, welche Gott über sterbliche Menschen verhängt, so thut sie oft des göttlichen Zorns Meldung: es ist aber dieser Zorn immer noch durch eine verschonende Barmherzigkeit gemildert, und die Strafen selbst sind mit Wohlthaten vermengt, deren Genuß Gott den Menschen noch übrig läßt, weil Er doch noch immer die Absicht hat, sie zur Buße zu leiten. Derjenige Zorn Gottes aber, welchen die heilige Schrift den zukünftigen nennt, ist schrecklich und fürchterlich. Seine Wirkung ist Verdammniß, Pein, ewiges Verderben, der andere Tod. Ein Mensch, der unter diesem Zorn liegt, kann nichts mehr glauben und hoffen; er kann seinen Schöpfer nicht mehr lieben, nichts mehr von Ihm begehren; Gott gedenkt auch seiner nimmer; er ist von der wohlthätigen Hand Gottes abgesondert. Gott, der sonst Liebe heißt, ist ihm ein verzehrendes Feuer. Diesen zukünftigen Zorn fühlt eine arge und unglaubige Menschenseele, sobald sie von ihrem Leibe getrennt ist; noch völliger aber wird ihn der ganze Mensch empfinden, wenn er zum Gericht wird auferstanden sein.
Welch einen großen Dank sind wir also dem HErrn Jesu schuldig, daß Er uns von dem zukünftigen Zorn errettet hat und erretten wird! er hat uns davon errettet, da Er Sein Leben am Kreuz für uns gelassen hat, und dadurch die Versühnung für unsere Sünden worden ist, welche den zukünftigen Zorn über uns hätte bringen können. Er hat uns davon errettet, da Er durch Seinen Geist Buße und glauben in uns gewirkt hat; denn wer an Ihn glaubt, kommt nicht in’s Gericht, sondern ist vom Tod zum Leben hindurch gedrungen. Er errettet uns täglich davon, indem Er uns in seiner Gnade erhält und befestigt, und uns keine feindliche Gewalt aus Seiner Hand reißen läßt. Er wird uns aber auch von diesem zukünftigen Zorn erretten, wenn Er vom Himmel als der Richter der Lebendigen und der Todten kommen wird. Paulus sagt deßwegen: die bekehrten Menschen, welche dem lebendigen und wahren Gott dienen, sollen des Sohnes Gottes vom Himmel warten, der sie von dem zukünftigen Zorn errette. Bei der Zukunft des Sohnes vom Himmel wird der Zorn, den wir jetzt zukünftig nennen, auf das Vollkommenste offenbar werden. Wehe denen, die er alsdann ergreifen und verzehren wird! Es wird keinen irdischen Zufluchtsort geben, welcher vor demselben verbergen und schützen könnte. Wer aber jetzt das Evangelium glaubt, wie es die Thessalonicher geglaubt haben, wer durch den Glauben Gnade erlangt, und wenigstens im letzten Theil seines irdischen Lebens, und bei dem Sterben in Jesu Christo erfunden wird, und das Siegel Seines Geistes in sich hat, wird von Jesu selbst von dem zukünftigen Zorn errettet. Zur Rechten Seines Richterstuhls, wo Er die Gerechten hinstellen wird, wird er nicht ausbrechen. Hier wird der wahre Zufluchtsort sein, und im neuen Himmel, auf der neuen Erde, und im neuen Jerusalem wird ewige Ruhe und Wonne sein. Es wird da kein Verbanntes sein, welches dem Zorn Gottes übergeben werden müßte. HErr Jesu, in Deine Gnade und Pflege empfehle ich mich, damit ich durch Dich dem zukünftigen Zorn entrinnen könne.(Magnus Friedrich Roos)

1. Thess. 4

Wir wollen euch, lieben Brüder, nicht verhalten von denen, die da schlafen, auf daß ihr nicht traurig seid, wie die Andern, die keine Hoffnung haben. 1 Thess. 4,13.

Paulus sagt von den Ephesern Kap. 2,12., daß sie keine Hoffnung gehabt, und ohne Gott in der Welt gewesen seien; und auf solche Heiden deutete er auch, da er an die Thessalonicher schrieb, sie sollen nicht traurig sein, wie die Andern, die keine Hoffnung haben. Wie solche Leute gedacht haben, hat der Verfasser des Buchs der Weisheit K. 2,1. u.ff. ausführlich beschrieben. Es sind rohe Leute, spricht er, und sagen: es ist ein kurz und mühselig Ding um unser Leben, und wenn ein Mensch dahin ist, so ist’s gar aus mit ihm; so weiß man Keinen nicht, der aus der Höllen wieder kommen sei. Ungefähr sind wir geboren, und fahren wieder dahin, als wären wir nie gewesen; denn das Schnauben in unserer Nase ist ein Rauch, und unsere Rede ist ein Fünklein, das sich aus unserm Herzen reget. Wenn dasselbige verloschen ist, so ist der Leib dahin, wie eine Loderasche, und der Geist zerflattert, wie eine dünne Luft. – Wohl her nun, lasset uns wohl leben – wir haben doch nicht mehr davon, denn das, - lasset uns den armen Gerechten überwältigen – was wir nur thun können, das soll recht sein; denn wer nicht thun kann, was ihn gelüstet, der gilt nichts u.s.w. Paulus faßt es 1 Kor. 15,32. kürzer, und sagt, die fleischliche Weisheit dieser Leute besteht darin, daß sie sprechen: lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt. Hiermit kommt die Beschreibung überein, die Paulus Röm. 1. von den Heiden macht. Wer also glaubt, daß nach dem Tod nichts zu hoffen, folglich auch nichts zu fürchten sei, und den Menschen für ein vernünftiges Thier hält, von dem nach dem Tod nichts als ein Leib, der niemals aufersteht, übrig bleibe, lebt als ein Thier, und ist aller Wollüste und Bosheit fähig, weil ihn, wenn er einmal das Gewissen erstickt hat, nichts als der schwache Zaum zeitlicher Belohnungen oder Strafen zurück hält. Was die heidnischen Weltweisen von der Vortrefflichkeit der Tugend gesagt haben, hat ohne Zweifel den Pöbel nicht gerührt, gleichwie es bei jenen selbst eine geringe Wirkung gehabt hat. Zwar haben die Klügsten unter ihnen auch für wahrscheinlich gehalten, daß die Seelen nach dem Tod übrig bleiben, und Strafen oder Belohnungen empfangen; weil sie es aber billig für unglaublich hielten, daß Menschenseelen, die zur Bewohnung der Leiber bestimmt seien, immer außer den Leibern bleiben, so haben sie, weil sie keine Auferstehung glaubten, den albernen Wahn gehabt, daß das höchste Wesen diese Seelen wieder in andere durch die Empfängniß gebildete Leiber schicke, da sie dann den mühseligen Lauf auf dieser Welt wieder, wer weiß, wie oft, machen müssen. Hier war also die Hoffnung wieder sehr beschnitten, aber auch Alles ungewiß. Wie köstlich ist also die Lehre des Evangeliums, welche uns Hoffnung macht, nämlich Hoffnung der Auferstehung, durch welche der Mensch wieder ganz und in einer bessern Welt unaussprechlich vergnügt und herrlich werden kann! Christen sollen also über den Todten, die im HErrn sterben, nicht unmäßig trauern. Es ist nichts von ihnen verloren. Sie werden leben. Sie werden ganz leben. Sie werden auferstehen, und alsdann mit denen, welche die Zukunft des HErrn als lebendig ergreifen wird, in den Wolken hingerückt werden, dem HErrn entgegen in der Luft, und werden also bei dem HErrn sein allezeit. So tröstet euch nun, ihr Kinder Gottes, mit diesen Worten untereinander.

Er selbst, der HErr, wird mit einem Feldgeschrei, und Stimme des Erzengels, und mit der Posaune Gottes hernieder kommen vom Himmel.
1 Thess. 4,16.

Es werden hier von der Zukunft unseres HErrn zum Gericht solche Umstände gemeldet, die sonst nirgends auf diese Weise beschrieben sind. Dasjenige, was Luther Feldgeschrei übersetzt hat, ist eigentlich eine laute Stimme, wodurch eine ganze Menge von Menschen auf einmal angeschrieen wird. Vielleicht ist also hier die Stimme des Sohnes Gottes selber gemeint, welche von Allen, die in den Gräbern sind, auf einmal gehört werden wird. Neben, oder nach diesem lauten Ruf wird aber auch die Stimme eines Erzengels oder eines Fürsten unter den Engeln gehört werden. Ob dieser Engelfürst der Michael, dessen Dan. 10,21. 12,1. Jud. 9. Meldung geschieht, oder ein Anderer sein werde (wie es dann ohne Zweifel viele solche Fürsten unter den Engeln gibt), wissen wir nicht. Auch wissen wir nicht, was die Stimme dieses Erzengels sagen oder wirken werde. Was die Posaune oder eigentlich die Trompete Gottes anbelangt, so sagt Christus Matth. 24,31.: Er werde bei Seiner Zukunft Seine Engel mit einer Trompete, die einen großen Laut habe, senden, und sie werden Seine Auserwählten sammeln von den vier Winden, von einem Ende der Himmel bis zu dem andern Ende derselben; 1 Kor. 15,51.52.53. aber schreibt Paulus: siehe, ich sage euch ein Geheimniß, alle zwar werden wir nicht entschlafen, alle aber werden verwandelt werden in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Trompete, denn er wird trompeten, und die Todten werden auferweckt werden als unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Hieraus möchte zu schließen sein, daß bei der Zukunft des HErrn den Engeln etwas, das eine Trompete von einem großen Laut heißen kann, werde gegeben werden, und daß diese Trompete eben deßwegen, weil sie sehr stark tönen wird, die Trompete Gottes heiße, aber auch die letzte Trompete, weil vorher andere, sonderlich die sieben, deren die Offenbarung Johannis Meldung thut, gebraucht worden sind. Durch diese Trompete werden die Auserwählten zusammenberufen werden, damit sie sich versammeln; indem sie aber so zusammenberufen werden, wird zugleich bei Allen, bei den Lebendigen wie bei den Todten, eine Verwandlung vorgehen. Bei der Gesetzgebung auf dem Berg Sinai hörte man Donner, man sahe Blitzen, folglich Feuer, man hörte den Ton einer sehr starken Trompete, der nach und nach stärker wurde, und hörte endlich eine sehr laute Stimme, welche die zehn Gebote aussprach. Aber bei der letzten Zukunft des HErrn wird es noch herrlicher hergehen. Ist uns in der Beschreibung aller dieser Dinge noch Vieles dunkel; so können wir doch merken, daß Sich der HErr Jesus durch dieselben als ein herrlicher und mächtiger HErr offenbaren werde. Wer wird aber den Tag Seiner Zukunft ertragen können? Wer wird bestehen? Das Volk Israel, das bei der Gesetzgebung vor dem Berg Sinai stund, erschrak und floh, und Gott schonete seiner Schwachheit, indem Er hernach mit der fürchterlichen Offenbarung Seiner Herrlichkeit inne hielt, und mit Mose allein redete. Allein am jüngsten Tage wird ein Jeder für sich stehen, und Alles sehen und hören müssen, und es wird kein Zufluchtsort vorhanden sein. Man bedenke also bei Zeiten, was Luk. 21,34.35.36. 2 Petr. 3,14. und 1 Joh. 2,28. steht, und richte sich darnach.(Magnus Friedrich Roos)

1. Thess. 5

So lasset uns nun nicht schlafen, wie die Andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein.
1 Thess. 5,6.

Begnadigte Christen sind Kinder des Lichts und Kinder des Tages, welcher durch die Erscheinung Jesu Christi in der Welt angebrochen ist, und durch Seine Zukunft in’s Herz bei einem Jeden insbesondere anbricht. Sie sind nicht von der Nacht, noch von der Finsterniß. So lasset uns nicht schlafen wie die Andern, die noch in der Finsterniß sind, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein, 1 Thess. 5,5.6. Wir sollen immer wachen, und Alles behend merken, was sich in uns und außer uns im Bezug auf unsern geistlichen Nutzen oder Schaden regt, und jeden Augenblick bemerken, in welchem wir jenen erlangen und diesem entgehen können. Wachen sollen wir, und dabei im Licht wandeln, denn die Finsterniß macht schlafend, und ist mit dem Schlaf verbunden. Wenn aber Christus als der Morgenstern in unsern Herzen leuchtet, wenn Er als das Licht uns Alles, was nöthig ist, entdeckt, wenn Er als das Licht des Lebens uns immer Kraft zum Thun und Leiden gibt, so können wir wachen und wachend bleiben: das Licht und der Schlaf schicken sich nicht zusammen. Wachen sollen wir und dabei nüchtern sein. Wenn nämlich mein Herz mit Fressen und Saufen und mit Sorgen der Nahrung beschwert ist, wenn ich falsche Meinungen, reizende Bilder, thörichte Anschläge und eitle Einbildungen von mir selbst mit Lust in meinem Gemüth herumtrage, wenn ich mich mit Geschäften, zu denen ich weder berufen noch tüchtig bin, überlade, wenn ich das Geräusch liebe, und am leeren Geschwätz oder auch am Lesen unnützer Bücher mich vergnüge, so ist meine Seele gleichsam berauscht. Sie kann also nicht wachen, sie ist nicht bei ihr selber. Sie kann das Wichtigste und Nöthigste, was nämlich ihr ewiges Heil angeht, nicht bedenken. Auch ist es Nacht bei ihr; denn die Dinge, welche sie liebt, stehen dem Licht im Weg: folglich kann sie auch deßwegen nicht wachen. Wachen sollen wir, und beten; denn das Beten ist eine gute Uebung für das geistliche Leben, und zugleich ein Mittel, noch mehr Licht und Kraft von dem HErrn zu erlangen. Ein Wachender ist geschickt zum Beten, da hingegen eine leichtsinnige Trägheit, mit welcher man etliche Stunden zugebracht hat, die Lust und Kraft zum Beten alsbald schwächt. Hinwiederum kann derjenige, der gläubig und oft betet, desto besser wachen: weil Gott, zu dem man im Beten wachet, die Seele erleuchtet und belebt. Wachen sollen wir, und nicht schlafen wie die Andern, die in der Finsterniß sind, und weder Gott noch sich selbst kennen. Solche Leute hat man überall um sich herum. Viele unter ihnen sind zum Plaudern, zu zeitverderblichen Ergötzungen, ja auch zum Arbeiten sehr munter, und doch schlafen sie. Wer sich nun nicht in Acht nimmt, den macht ihr Schlaf auch schläfrig. Darum sagt Paulus Eph. 5.: seid nicht ihre Mitgenossen, wandelt wie die Kinder des Lichts, prüfet, was da sei wohlgefällig dem HErrn, habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß, strafet sie aber vielmehr, sehet zu, wie ihr vorsichtiglich wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen.

Gott hat uns nicht gesetzt zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen durch unsern HErrn Jesum Christum.
1 Thess. 5,9.

Paulus hatte vorher die Glaubigen ermahnt, sie sollen als Leute des Tages nüchtern sein, angethan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe, und mit dem Helm der Hoffnung zur Seligkeit. Nun gibt er aber den Grund von dieser Hoffnung der Seligkeit an, und beruft sich dabei nicht auf das menschliche Wollen, nicht auf die eigene Würdigkeit und Gerechtigkeit, sondern auf Gottes Erbarmen. Gott, sagt er, hat uns nicht zum Zorn gesetzt; Er hat uns nicht dazu verordnet, daß Er Seinen Zorn an uns auslasse, und Sich gegen uns als ein verzehrendes Feuer offenbare. Wenn Er dieses thun wollte, wer würde es hindern, wer würde Seinem Willen widerstehen können? Ja wer ist unter der Menge der Sünder, die auf dem Erdboden wohnen, der alsdann über Unrecht klagen könnte? Gott läßt uns von Seinem Zorn predigen, und beschreibt uns in Seinem Wort die Hölle, in welcher man von dem Wein Seines Zorns, der eingeschenkt und lauter ist in Seines Zorns Kelch, trinket, und mit Feuer und Schwefel vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm gequälet wird (Offenb. 14,10.), Er zeigt uns aber diesen fürchterlichen Ort, diese schreckliche Qual, um uns zu warnen, und zur Nüchternheit und Wachsamkeit anzutreiben. Uebrigens hat Er kein Gefallen am Tode des Sünders, und will nicht, daß Jemand verloren werde, sondern daß sich Jedermann zur Buße kehre und lebe. Insonderheit hat Er Leute, welche, wie die Thessalonicher ( Thess. 2,13.), Sein Wort als Gottes Wort annehmen, und seine heilsame Wirkung in sich erfahren, nicht dazu gesetzt oder bestimmt, daß Er Seinen Zorn an ihnen ausbrechen lasse, ob Er sie schon auch väterlich züchtiget, sondern hat sie zum Besitz der Seligkeit durch unsern HErrn Jesum Christum verordnet. Seligkeit ist dem Zorn entgegengesetzt. Das Wort Seligkeit, welches hier vorkommt, wird nie gebraucht, wenn von Gott, oder von Seinen Engeln die Rede ist, weil es sich nur für Leute schickt, welche unglücklich oder verloren waren, wie wir Alle nach der Natur sind. Seligkeit ist eine Errettung von dem Uebel. Diese Seligkeit sollen aber die Glaubigen nach Gottes Willen durch ihren HErrn Jesum Christum, der für sie gestorben ist, erlangen, und hernach ewiglich besitzen. Der HErr Jesus hat Sich durch Sein Sterben am Kreuz für sie geopfert, ihre Sünden gebüßt, den Fluch des Gesetzes getragen, und alle Worte Gottes erfüllet, worin den Menschen Zorn und Strafe gedrohet war. Nun können sie es, denn auf einem andern Weg kommen sie nicht zu diesem Zweck. Ihre Werke und Leiden verhelfen ihnen nicht dazu, ob sie schon auch ihren Nutzen haben. Wenn uns also Jemand fragte, wie der Täufer Johannes die Pharisäer und Sadducäer gefragt hat: ihr Otterngezüchte (ihr böse Menschen) (ihr böse Menschen) wer hat denn euch geweiset, daß ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet? Matth. 3,7., so wollten wir antworten: wir haben diese Hoffnung durch unsern HErrn Jesum Christum, der für uns gestorben ist. Alsdann könnte man uns aber wieder antworten und sagen: sehet zu, thut rechtschaffene Früchte der Buße (weil ohne Buße kein Glaube statt hat), denket auch nicht, daß ihr bei euch wollt sagen: wir haben eigene Verdienste u.s.w., Gott ist nicht an euch gebunden. Auch ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. (Der Zorn Gottes wird bald anbrennen) Darum welcher Baum nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und in’s höllische Feuer geworfen.

Betet ohne Unterlaß. 1 Thess. 5,17.

Ein Christ soll das Beten nicht als eine Nebensache ansehen, nicht mit einem flüchtigen Gemüth verrichten, nicht damit eilen, um bald an die Arbeit zu kommen, und noch weniger unter dem Vorwand des Fleißes, den er auf die Geschäfte wenden müsse, gar unterlassen, sondern dem Gebet als einer Hauptsache und sehr wichtigen Pflicht mit Fleiß obliegen. Die Morgen- und Abendstunden sind dazu vorzüglich bequem, doch sollen wir uns erinnern, daß Petrus und Johannes um die neunte Stunde, das ist Nachmittags um drei Uhr, in den Tempel gegangen, um zu beten, Ap. Gesch. 3,1., und Petrus ein andermal um die sechste Stunde, das ist Mittags um zwölf Uhr, gebetet, Ap. Gesch. 10,9., der HErr Jesus aber schlaflose Nachtstunden dazu angewendet habe. Ueberhaupt ist eine jede Zeit zum Beten bequem, weil der große Gott immer gegenwärtig ist, und immer höret. Meistens soll ein Christ allein beten, oder nur einen vertrauten Ehegatten oder Freund mit sich beten lassen: doch ist auch das gemeinschaftliche Gebet Vieler, die versammelt sind, von großem Werth. Uebrigens ist der Heilige Geist der Urheber aller erhörlichen Gebete, und wird deßwegen der Geist der Gnade und des Gebetes genannt. Er erweckt die Seele dazu. er schenkt und stärkt den Glauben, mit dem man beten soll. Er lehrt den Menschen, was und wie er beten solle. viele Leute meinen, sie beten, wenn sie ihre gewöhnlichen Gebetlein ohne Andacht wiederholen und auswendig daher sagen, oder wenn sie ein Gebet in einem Buch kaltsinnig lesen: allein diese Uebung ist kein Beten. Man naht dadurch nur mit seinem Mund zu Gott und ehret Ihn mit den Lippen, das Herz aber ist ferne von Ihm. Solche Leute begehren auch nichts von Gott, ja es wäre ihnen leid, wenn ihnen Gott dasjenige, was in ihren auswendig gelernten Gebetlein, oder in ihren Morgen- und Abendsegen enthalten ist, gäbe, weil sie alsdann fromm werden müßten, und nicht mehr muthwillig sündigen dürften. Viele Leute nennen das Verlangen nach geistlichen Gaben, die Zukehr des Herzens zu Gott und das Anhangen der Seele an Ihm ein innerliches Gebet, und wenn man diesen Namen brauchen will, so muß man auch bekennen, daß das innerliche Gebet an Einem fort währen müsse. Doch soll Niemand unter dem Vorwand dieses innerlichen Gebetes das Gebet mit dem Munde unterlassen, weil Jesus selbst mündlich gebetet hat, und alle Heiligen diese Weise beobachtet haben. David hat viele von seinen Gebeten aufgeschrieben, und diese aufgeschriebenen Gebete Davids sind ohne Zweifel von vielen einzelnen Israeliten bei dem Beten gebraucht, aber auch im Tempel als Psalmen öffentlich gesungen worden. Christus hat Seine Jünger das Vater Unser gelehrt, welches ein unvergleichliches und für Jedermann taugliches Gebet ist, aber von Wenigen verstanden wird. Hernach aber haben die Christen auch noch viele andere Gebetsformeln verfertigt, welche zum Theil Litaneien oder Lieder sind, und in den Büchern stehen. Diese Gebetsformeln sind Vielen nützlich und nöthig, und es thun auch geübte Christen wohl, wenn sie sich derselben zuweilen bedienen: doch soll ein Christ sich auch gewöhnen, aus dem Herzen zu beten, und seine Klagen, Verlangen, Dank und Lob mit eigenen Worten Gott vorzutragen. Er heißt und ist Vater, und siehet nicht auf kunstreiche Worte, sondern auf ein glaubiges Herz. Warum sollte also ein Christ mit diesem Vater nicht vertraulich reden können, ohne sich fremder Formeln zu bedienen?

Betet ohne Unterlaß. 1 Thess. 5,17.

Christus trug Luk. 18,2 u.ff. ein Gleichniß von einer Wittwe vor, die den Richter oder Vorsteher ihrer Stadt oft überlief, bis er ihr endlich half, und lehrete dadurch, wie Lukas sagt, daß man allezeit beten und nicht laß werden solle. Allezeit beten heißt also oft und zu einer jeden Zeit beten, und auch über Einer Sache, die Gott gefällig ist, im Bitten fortfahren. Den Thessalonichern aber schrieb Paulus: betet ohne Unterlaß, das ist: unterlasset das Gebet nie, wenn ihr Muße und Kraft dazu habt, und höret nicht auf, fleißig zu beten, so lange ihr lebet. Beten ist eine Uebung der geistlichen Kraft, und geschieht unter dem Zunahen zu Gott, und dieses führet eine Abkehr der Seele von allem irdischen Geräusch mit sich. Wenn man also noch nicht an die Gewährung der Bitten denken will, die man vor Gott bringt, so sollte man doch diese geistliche Uebung nicht unterlassen. Beten ist aber auch ein Gespräch mit Gott. Welche Creatur sollte aber sich’s nicht zur unverdienten und großen Gnade und Ehre rechnen, wenn sie mit dem höchsten Gott reden darf, und zwar vertraulich, herzlich, wie ein Kind mit dem Vater? Wer sollte also nicht das Gebot mit Freuden hören: betet ohne Unterlaß, das ist, gebet eure Unterredungen mit Gott nicht auf, so lang ihr lebet. Beten heißt vornehmlich Bitten, und zwar für sich und für Andere. Nun sagt Christus: bittet, so wird euch gegeben u.s.w., Matth. 7,7., und ein andersmal Joh. 16,23.: so ihr den Vater etwas bitten werdet in Meinem Namen, so wird Er’s euch geben. Solcher Verheißungen gibt es noch viele in der heiligen Schrift. Wer sollte nun nicht gerne im Beten anhalten und fortfahren, da das Bitten das Mittel ist, alle guten und vollkommenen Gaben zu erlangen, und die Dürftigkeit bei uns und Andern, so lange wir leben, nicht aufhöret. Beten heißt aber auch den HErrn loben und Ihm danken, welches David ein köstliches Ding nennet, und das eine Vorübung auf den Himmel, und eine ewige Pflicht aller vernünftigen Geschöpfe gegen Gott ist. Es ist also das Gebot: betet ohne Unterlaß, auch in Ansehung dieser Pflicht, billig und nothwendig. Unser Vater im Himmel weiß zwar, was wir bedürfen, ehe wir bitten. Diese Wahrheit, welche Viele im Unverstand als eine Einwendung wider die Pflicht des Betens mißbrauchen, trägt der HErr Jesus selber Matth. 6,8. vor, macht aber daraus nur diesen Schluß, daß man bei dem Beten nicht, wie die Heiden, plappern und sich auf die Menge der Worte verlassen solle; übrigens heißt Er uns ungeachtet jener Wahrheit dennoch beten, und schreibt uns das Vaterunser als die allerbeste Gebetsformel vor. Gott weiß Alles und will alles Gute. Unter dem Guten aber, das Er will, ist auch das Beten. Er will durch unser Beten geehrt werden, Er will bei der unumschränkten Freiheit, und bei der Wahl unter vielem Guten, die Er in Seiner Regierung offen hat, oft etwas Gewisses, das gut ist, darum thun, weil ihn ein glaubiger Christ darum bittet. Er will auch seine Kinder damit ehren und erfreuen, daß Er sie durch Seinen Geist zum Bitten erweckt, damit sie dasjenige, was Er hernach thut und gibt, als eine Gewährung ihrer Bitten und als ein Gnadenzeichen ansehen können. Betet also ohne Unterlaß, ihr Christen, und wenn ihr euch selbst für ungeschickte Beter halten müsset, so bittet zuvörderst um den Geist der Gnaden und des Gebets.

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