Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Brief an die Philipper

Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Brief an die Philipper

Phil. 1

Der in euch angefangen hat das gute Werk, Der wird es auch vollführen bis auf den Tag Jesu Christi.
Phil. 1,6.

Es gibt ein Werk Gottes, welches in dem Menschen, der erschaffen und erlöst ist, einmal seinen Anfang nimmt. Gott fängt nämlich in der Seele an zu wirken, und dringt mit Seiner Wirkung in die Tiefe derselben, welche Andern unergründlich ist, hinein: von da aus bricht sie auch auswärts hervor, und der ganze Mensch wird verändert. Gott fängt an zu wirken, ehe der Mensch Ihn sucht und bittet. Wenn aber Gott angefangen hat, so kann der Mensch Ihn auch bitten und suchen. Er kann im Wort Gottes mit einigem Licht forschen, er kann beten, enthaltsam sein und Gutes thun, und wenn er dieses treulich thut, so haben die Wirkungen Gottes ihren Fortgang, und der Mensch empfindet und empfängt täglich etwas neues, wobei er wieder eine neue Treue zu beweisen hat. Weil aber Gott zwar mit der überschwenglichen Größe Seiner Kraft wirket, dabei aber sachte verfährt, und den Bewegungen des menschlichen Willens Raum läßt, so kann der Mensch Ihm auch widerstreben, Ap. Gesch. 7,51. Gleichwie nämlich ein Mann, der ein Kind nicht schleppen, sondern führen will, geschehen läßt, daß das störrige Kind sich aus seiner starken Hand loswinde: also läßt Gott geschehen, daß der halsstarrige Mensch der überschwenglichen Größe Seiner Kraft widerstrebe, oder sich derselben entziehe, weil Er sie nicht auf eine gewaltsame Weise anwendet, sondern mit dem Menschen als einem vernünftigen und freiwilligen Geschöpf umgehen will. Wehe aber demjenigen, der sich Gottes Wirkung entziehet; denn Sein Werk ist ein gutes Werk.
Gott aber, der es anfängt, will es auch vollführen. Will Er’s aber vollführen, so will Er’s auch fortsetzen. Indem er’s aber fortsetzt, wirkt Er so mannigfaltig, so behend, so wunderbar, daß man’s nicht beschreiben kann. Ueberhaupt kann man sagen, daß Er tödte und lebendig mache, in die Hölle führe und wieder herausführe, daß Er betrübe und tröste, zerstöre und aufbaue, daß Er aus der Finsterniß das Licht mache, und Seine Kraft in der Schwachheit mächtig sei, daß Er den Menschen unterweise, zu Sich ziehe, und mit Sich vereinige, daß Er seine Seele immer völliger einnehme, mit Sich selber erfülle, und darin lebe, u.s.w. Wenn aber nun das Werk Gottes, welches unzählige Empfindungen und Erfahrungen in der Seele schafft, und sie auch zu unzähligen Proben der Anbetung und Treue sänftiglich antreibt, auf diese Weise seinen Fortgang hat, so wird es endlich auch vollführt oder vollendet bis auf den Tag Jesu Christi. Dieser Tag ist also der von Gott festgesetzte Termin dieser Vollendung. Vorher gibt es zwar Geister der vollendeten Gerechten: aber in Absicht auf den ganzen Menschen, wie auch auf den Gnadenlohn und das himmlische Erbe wird das Werk Gottes bis auf diesen Tag vollendet. Obschon die Seele eines Gerechten, wenn sie vom Leib geschieden ist, von der Sünde völlig frei sein kann, so wird doch der ganze Mensch nicht bälder als am Tag Jesu Christi der vollkommenen Herrlichkeit, die ihm Gott bereitet hat, theilhaftig werden.(Magnus Friedrich Roos)

Wir sollen lauter und unanstößig sein, bis auf den Tag Christi, erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit, die durch Jesum Christum geschehen in uns zur Ehre und Lob Gottes.
Phil. 1,10.11.

Auf den Tag Christi kommt Alles an. Wer an demselben rechtschaffen erfunden wird, und ein gutes Urtheil bekommt, dessen Glück ist auf die unendliche Ewigkeit hinaus befestigt. Der Todestag entscheidet zwar auch schon Vieles: doch ist der Ausschlag, den es an demselben in Ansehung der Seligkeit und Verdammniß gibt, nicht so vollständig, als derjenige, den der jüngste Tag mit sich führen wird, weil an demselben der ganze Mensch sein ganzes Urtheil und Loos bekommen wird. Wir sollen aber bis auf den Tag Christi lauter sein in Ansehung unserer selber, und unanstößig in Ansehung anderer Personen und Sachen. Die Lauterkeit ist der Falschheit des Geistes (Ps. 32,2.), oder dem Rath des Herzens (1 Kor. 4,5.), nach welchem der Mensch sich selber lebt, und Alles um sein selbst, und nicht um Gottes willen thut, entgegengesetzt. Wer einen wahren Glauben und eine aufrichtige Liebe gegen Gott und den Nächsten hat, ist lauter. Dabei soll ein Christ unanstößig sein, daß er selber nicht anstoße, und aus seiner Schuld Andere nicht an ihm anstoßen. Wer selber nicht anstoßet, hat gegen Gott und Menschen ein unanstößiges Gewissen, Apost. Gesch. 24,16., weil er weder von den Werken Gottes noch von den Werken der Menschen Anlaß nimmt, aus Unzufriedenheit, Ungeduld, Haß, Neid, Zorn wider sein Gewissen zu sündigen. Dabei soll er auch, so viel an ihm ist, verhüten, daß Andere nicht an ihm zum Schaden ihrer Seele anstoßen oder sich ärgern, wie denn Paulus 1 Kor. 10,32. die Korinther ermahnt, sie sollen sich in Ansehung der Gastmahle und anderer Dinge so verhalten, daß sie weder den Juden, noch den Griechen, noch der Gemeinde Gottes anstößig seien, oder daß weder Juden, noch Heiden, noch Christen sich an ihnen ärgern müssen, oder durch sie zu sündlichen Urtheilen und Werken verleitet werden. Ein Christ soll aber auch mit der Gerechtigkeitsfrucht erfüllt sein durch Jesum Christ zur Ehre und Lob Gottes. Wer durch Jesum Christ ein Gerechter geworden ist, kann ein guter Baum genannt werden. Dieser gute Baum hat aber einen guten Saft, nämlich den Heiligen Geist, welcher ihm auch durch Jesum Christ, das ist um Seines Verdienstes und um Seiner Fürbitte willen, gegeben worden ist. Durch den Trieb dieses Heiligen Geistes kommt bei ihm eine Gerechtigkeitsfrucht hervor, welche Gal. 5,22. eine Frucht des Geistes genannt wird, weil ein jeder Gerechter auch ein geistlicher Mensch ist. Mit der Gerechtigkeitsfrucht soll er als ein guter Baum reichlich erfüllt sein. Es wird hiemit erstlich angezeigt, daß die Frucht des Geistes oder der Gerechtigkeit nach allen Gattungen derselben bei einem Christen vorhanden sein müsse: wie denn zwar an einem Christen eine oder die andere gute Eigenschaft vor andern völlig sein und in’s Gesicht fallen kann, doch aber auch alle anderen guten Eigenschaften ohne Ausnahme zugegen sein müssen, und z.B. Niemand ohne alle Liebe geduldig, und ohne alle Sanftmuth enthaltsam sein kann. Es soll aber auch eine jede Gattung dieser Frucht immer völliger werden, und gleichsam immer mehr erstarken. Der Glaube soll wachsen, die Liebe zunehmen, 2 Thess. 1,3., die Geduld groß werden, 2 Kor. 6,4. u.s.w.(Magnus Friedrich Roos)

Phil. 2

Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.
Phil. 2,12.

Dieser kurze, aber nachdrückliche Ausspruch des Apostels Paulus ermuntere mich auf’s Neue am Abend des heutigen Tages zur ernstlichen Sorgfalt für meine eigene und Anderer Seligkeit. Es ist unglaublich, wie sorglos die Menschen in Ansehung ihrer eigenen und Anderer Seligkeit sein können. Gemeiniglich ist das Geschäft ihrer Seligkeit das Letzte, was sie vornehmen. Sie haben so viel Anderes, ihrer Vorstellung nach Wichtigeres für sich selbst und Andere zu sorgen und zu schaffen, sie haben Fleiß anzuwenden, daß sie oder die Ihrigen geschickt, reich, brauchbar für diese Welt werden, und vergessen darüber ganz, zu schaffen, daß sie selig werden. Und wenn dann auch der Geist Gottes durch’s Wort der Wahrheit sie zu dem Wunsch, zu einigem Bestreben, zu einiger Bemühung, selig zu werden, erweckt hat, wie leicht nehmen sie’s oft noch! Und wenn sie endlich auch für sich selbst mit redlichem Ernste trachten, daß sie selig werden, wie träg und nachläßig sind sie nicht, an Anderer Seligkeit zu arbeiten! Nicht so! sagt der Apostel, sondern schaffet, daß ihr selig werdet, arbeitet an eurer gemeinschaftlichen Wohlfahrt und Seligkeit in meiner Abwesenheit so gut, als während meiner Gegenwart fort mit Furcht und Zittern.
Mit Furcht und Zittern etwas thun heißt in der Bibel gewöhnlich etwas mit allem Bedacht, mit allem Ernst, mit der größten Sorgfalt thun. In diesem Sinn ermahnt Paulus Eph. 6,5. die Knechte, daß sie ihren leiblichen Herren mit Furcht und Zittern gehorsam sein sollen, mit einer solchen edlen Einfalt des Herzens, als ob sie Christo diesen Gehorsam zu beweisen hätten. Und 2 Kor. 7,15. verbindet er auch wieder Gehorsam und Furcht und Zittern, da er von Titus sagt: er gedenke an ihrer aller (der Korinther) Gehorsam, wie sie ihn mit Furcht und Zittern haben aufgenommen. Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern, heißt demnach: arbeitet an eurer eignen und Anderer Seligkeit mit solchem Bedacht, mit solchem Ernst, mit so gewissenhafter Treue und Sorgfalt fort, wie ein Knecht oder eine Magd unter den Augen ihrer Herrschaft, gegen welche sie Ehrfurcht haben, zu arbeiten pflegen. Ja, denkst du vielleicht, ich bin ein schwacher Mensch: wohlan! Paulus setzt deßwegen gleich V. 13. hinzu: denn Gott ist’s, der in euch wirket beide, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen. Ihr könnet’s freilich nicht, aber Gott kann’s. Schon daß ihr wollet, ist ein Zeichen, daß Gott etwas in euch gewirkt hat. Gott, der mit Seinen Wirkungen zu Belebung eurer Erkenntniß den Anfang gemacht, und einen guten Willen, eine Lust, selbst selig zu werden, und Andere selig zu machen, gewirkt hat, wirkt auch das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen, wirkt, wenn ihr nur die einmal geschenkte Kraft gebraucht, zu schaffen, daß ihr selig werdet, auf’s Neue, und immer wieder auf’s Neue in euch. Gott ist’s, der in euch wirket beide, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen: aber ihr seid’s, die durch Gottes Wirkung im Anfang und Fortgang der Bekehrung Kräfte empfangen, zu wollen und zu vollbringen das Gute, und zu schaffen, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.
Gott wirke auch in mir beide, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen, und setze mich dadurch in den Stand, an meiner und Anderer Seligkeit mit redlichem Bedacht und gewissenhafter Sorgfalt zu arbeiten.(Magnus Friedrich Roos)

Gott ist’s, der in euch wirket beide das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen.
Phil. 2,13.

Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf, 1 Mos. 8,21. Wenn also ein guter Wille und ein gutes Werk bei dem Menschen entsteht, so ist Gott der Urheber und nicht das menschliche Herz. Gott, welcher der Schöpfer des Menschen ist, will auch, nachdem er ein verdorbenes Geschöpf geworden ist, ihn wieder zurecht bringen, und da Er nicht einmal einen guten Willen in ihm findet, diesen Willen wirken. Weil aber der gute Wille bald wieder erstickt, wenn keine weitere Kraft dazu käme, so will Er auch diese schenken. Er will die Seele stärken, das Gute, das sie will, ohne Trägheit und Furcht zu thun, und etwa auch dem Leib dazu die nöthigen Kräfte geben. Dieses Alles will Er nach Seinem Wohlgefallen thun. Wenn Jemand fragte, ob dann der Mensch, das verdorbene Geschöpf, werth sei, daß Gott in ihm wirke, so muß man antworten: Nein, sondern Gott thut’s nach Seinem Wohlgefallen. Sein Wohlgefallen, dessen Gegenstand immer etwas Gutes ist, ist die Ursache Seiner Gnadenwirkungen. Er hat kein Gefallen am Tode des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe, darum wirkt Er auch das Wollen und das Vollbringen dazu in ihm.. Weil auch, in dem Dienst, welchen die Bekehrten, die schon ein geistliches Leben empfangen haben, Ihm leisten sollen, der guten Dinge viele sind, so schafft Er, daß der Eine dieses Gute will und vollbringt, der Andere jenes, da dann durch die verschiedenen Gaben, Kräfte und Bedienungen eine mannigfaltige und doch harmonische Bemühung, Seine Ehre zu befördern und Sein Reich auszubreiten, entsteht, wozu Er Sein Gedeihen gibt. Weil auch Gott nicht nur das Vollbringen, sondern auch das Wollen wirkt, so ist klar, daß Er Niemand zwinge; denn bei dem Zwang ist kein Wille. Man erzwingt nur das äußerliche Werk, von welchem der Wille innerlich abgeneigt ist. Gott wirkt aber das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen, und macht dadurch Sein Volk tüchtig, ihm willig zu dienen im heiligen Schmuck. Das göttliche Wirken geht bei denen, die dessen gewürdigt werden und ihm bei sich Raum lassen, so weit, daß sie Alles ohne Murmeln und ohne Zweifel, folglich in der Liebe und im Glauben thun, und daß sie ohne Tadel werden, und lauter Gottes Kinder sind, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem sie scheinen als Lichter in der Welt, damit, daß sie halten ob dem Wort des Lebens, V. 14.15.16.
Lasset uns aber die Wahrheit, daß Gott beide das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen wirke, nicht zur Faulheit und Sicherheit mißbrauchen. Nur diejenigen thun Solches, welche diese Wahrheit nicht verstehen und auf einen Zwang zum Guten warten, welcher doch hier nicht versprochen und auch der Ehre Gottes und der Natur der Seele nicht gemäß ist. Gott wirkt zuerst. Er wirkt zuerst, noch ehe wir Ihn darum bitten, Er wirkt stufenweise. Wenn Er aber wirkt, soll sich die Seele Ihm nicht wieder entziehen und sich nicht wieder von Ihm wegwenden, sondern unter Seinem göttlichen Antrieb selber auch mit Furcht und Zittern schaffen, daß sie selig werde, V. 12. Die Wirkung Gottes macht willig und thätig.(Magnus Friedrich Roos)

Seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt.
Phil. 2,15.

Es gibt Leute, die sich selbst für fromm halten, weil sie Vieles wissen, oder weil sie etwas Sonderbares und Neues wissen, da es doch gemeiniglich nur ein alter, schon lange widerlegter Irrthum ist, oder weil sie äußerliche Uebungen und Gebräuche mitmachen, welche sie bei frommen Christen wahrnehmen. Solche Leute betrügen sich gemeiniglich selbst, und Andern wird ihre Heuchelei bälder offenbar, als ihnen selbst. Es ist nie keine gründliche Bekehrung in ihnen vorgegangen. Sie sagen, sie erkennen Gott, und mit den Werken verleugnen sie Ihn. Sie haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie, oder sie zeigen an, daß sie diese Kraft nicht haben. Sie wollen der Schrift Meister sein, und wissen nicht, was sie sagen oder was sie setzen, 1 Tim. 1,7. Ganz anders beschreibt Paulus rechtschaffene Christen, indem er ermahnungsweise sagt: seid ohne Tadel, daß man nämlich mit Recht nichts an euch tadeln kann (denn aus Haß und Unverstand tadelt man oft, was gut ist), und seid lauter, daß Niemand Ursache findet, sich an euch zu ärgern; seid unsträfliche Gottes-Kinder: seid, wie es Kindern Gottes gebührt, die ihres Vaters Geist haben, Ihn kindlich fürchten und lieben, und in Seiner Liebe ruhen, und bedenket, daß Kinder Gottes keiner Untreue oder Schalkheit bezüchtigt werden sollen. Seid solche Kinder Gottes nicht im Winkel, nicht zwischen vier Mauern, nicht in einem besondern gelobten Land, welches jetzt nirgends ist, sondern mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr nach Gottes Willen als zerstreut leben müsset. Freilich müsset ihr dabei beobachten, was Ps. 26,4.5.6. steht: ich sitze nicht bei den eitlen Leuten, und habe nicht Gemeinschaft mit den Falschen; ich hasse die Versammlung der Boshaftigen, und sitze nicht bei den Gottlosen; ich wasche meine Hände in Unschuld, und halte mich, HErr, zu Deinem Altar. Doch könnet ihr übrigens die Welt nicht räumen. Ihr müsset mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht wohnen, und auch in äußerlichen Dingen mit demselben zu thun haben: aber hier muß sich die Kraft eurer Gottseligkeit zeigen. Euer Glaube muß die Welt überwinden. Ihr sollet mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß keine Gemeinschaft haben, sondern sie vielmehr strafen. Ihr sollet, kurz zu sagen, euch unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht als Kinder Gottes Ihm zur Ehre beweisen. Unter den Leuten dieses Geschlechts, die in der Finsterniß wandeln, und inwendig lauter Finsterniß sind, scheinet ihr als Lichter in der Welt, wie denn Christus zu Seinen Jüngern gesagt hat: ihr seid das Licht der Welt. Ihr sollt Gott erkennen, den die Welt nicht kennet, verständig auf’s Seelenheil sein, alldieweil die Leute jenes Geschlechts unverständig sind, und andern mit euren Worten und Werken vorleuchten, daß sie von euch und an euch lernen können, wie ehrwürdig, heilig und vergnüglich das wahre evangelische Christenthum sei. Ein Christ, der nach dieser Ermahnung gebildet ist, ist ein wahrer Christ. Ach, daß deren Viele zu unserer Zeit wären! Der HErr kennet die Seinen; es trete aber ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet.

Phil. 3

Ich Achte Alles für Schaden gegen der überschwänglichen Erkenntniß Christi Jesu, meines HErrn.
Phil. 3,8.

Der Stolz, welcher ein namhafter Theil der Erbsünde ist, bringt es immer mit sich, daß der Mensch den Grund seiner Zufriedenheit gern in sich selbst sucht, und seine eigene Gerechtigkeit vor Gott aufrichten will. Es geschieht aber dieses unter mancherlei Formen, je nachdem der Mensch eine Auferziehung gehabt hat. Ein Jude beruft sich auf seine Abstammung von Abraham, dem Patriarchen, auf seine Beschneidung, und auf die Haltung des Ceremonialgesetzes: ein Christ aber gemeiniglich auf seine Tugend, Wissenschaft und rühmlichen Werke. Es mag aber nun ein Mensch aufbringen, was er will, so ist’s nicht Christus Jesus, welcher uns von Gott zur Weisheit, und zur Gerechtigkeit, und zur Heiligung, und zur Erlösung gemacht ist. Es ist nicht der Gehorsam, den Christus Seinem Vater als unser Stellvertreter geleistet hat, es ist nicht Sein Leiden, Sein Tod, Seine Auferweckung, Seine Fürsprache bei dem Vater. Wer Trost finden, wer vor Gott bestehen, wer selig werden will, muß auf Christum Jesum sehen, und auf Ihn sein Vertrauen setzen. Es ist der unwiderrufliche Rathschluß des Vaters, daß kein Mensch vor Ihm gerecht sein könne, als in Seinem Sohn, und Niemand zu Ihm nahen dürfe, als durch Seinen Sohn, und daß auch Niemand die wahre Heiligung und endlich der Seelen Seligkeit erlangen könne, als durch diesen Seinen Sohn. Der Heilige Geist lehre uns dieses aus dem Evangelio gründlich und klar erkennen, und zwar so, daß diese Erkenntniß in uns überschwänglich werde, oder unsere Herzen kräftig neige, und von alle falschen Gerechtigkeit so abziehe, daß wir dieselbe sogar für einen Schaden achten, wenn wir nämlich einsehen, daß wir dadurch zu unserm ewigen Schaden betrogen werden könnten. Wie arm, wie bloß muß eine Seele sein, wenn sie Christum Jesum erkennen, und an Ihn glauben soll, weil sie Alles, was nicht Er selber ist, fahren lassen, ja für Schaden achten soll! Daß dieses nicht ohne innerliche Schmerzen geschehe, ist leichtlich zu erachten, allein der Gewinn, den man durch den Glauben erlangt, ersetzt Alles. Ich soll Christum Jesum als meinen HErrn erkennen; ich soll Ihn gewinnen; ich soll in Ihm erfunden werden, nicht habend meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben an Ihn kommt, nämlich die von Gott dem Glauben zugerechnet wird. So verliert man Alles, damit man Alles gewinne. So achtet man seinen alten Gewinn für Schaden, damit man durch den neuen Gewinn auf’s Beste berathen und auf die Ewigkeit hinein wohl versorgt werde. Viele zerstreuen sich in allerhand Wissenschaften, wenn aber ihre Sinnen nicht in der Einfältigkeit auf Christum oder in der überschwänglichen Erkenntniß Seiner zusammengefaßt werden, so haben sie keine Kraft und keinen Frieden in ihren Herzen, und gehen mit ihren Wissenschaften verloren. Die Erkenntniß Jesu entscheidet alle Religionsstreitigkeiten. Niemand hätte Paulo seine jüdischen Vorurtheile benehmen können, da er aber Christum durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes erkannte, so verschwanden sie. (Magnus Friedrich Roos)

Unser Heiland Jesus Christus wird unsern nichtigen Leib verklären, daß er ähnlich werde Seinem verklärten Leib.
Phil. 3,21.

Adam hatte im Stand der Unschuld einen schönen, gefunden, und zu einem ewigen leben eingerichteten Leib: durch den Sündenfall aber ist sein und eines jeden andern Menschen Leib ein nichtiger Leib, oder ein Leib, welcher die Seele demüthigen kann, worden, weil er nicht nur viel häßlicher ist als de Leib Adams, sondern auch, weil er durch die darin eingerissene Unordnung die Seele oft in ihren Wirkungen hindert, und sie sogar zum Sündigen reizt. und weil er endlich nach vielen Schmerzen todt, und als ein Waizenkorn in Unehre gesäet wird, und unter der Erde vermodert. Wer sollte nun glauben, daß Gott mit einem solchen Leib etwas Großes vorhabe? Die Heiden haben es freilich nicht gedacht; wie denn die Leute zu Athen darüber gespottet haben, als sie Paulus von der Auferstehung der Todten reden hörten, Ap. Gesch. 17,32. Weil sie aber den Werth und die Bestimmung des menschlichen Leibes nicht erkannten, so haben sie die Unzucht, wozu der Leib reizet, und welche den Leib schändet, nicht für greulich gehalten, aus dem Selbstmord sich kein Gewissen gemacht, und die Ertödtung anderer Menschen, wenn nur ein scheinbarer Vorwand dazu vorhanden war, für etwas Geringes gehalten. Christen sollen sich erinnern, daß der heilige und hochgelobte Sohn Gottes einen Leib gehabt hab, und noch habe, und daraus schließen, daß ein menschlicher Leib etwas Heiliges und Ehrwürdiges sein könne. Sie sollen ferner glauben, was Paulus 1 Kor. 6,19. geschrieben hat, daß nämlich der Leib eines Glaubigen ein Tempel des Heiligen Geistes sei, und daß nach Röm. 6,19. die Glieder auch dadurch heilig werden, wenn man sie zum Dienst der Gerechtigkeit hergibt oder anwendet. Doch ist bei diesem Allem der Leib ein nichtiger oder demüthigender Leib. Ja freilich, aber es steht ihm eine Auferstehung bevor, wenn er in’s Grab kommt, oder eine Verwandlung, wenn ihn die Zukunft des HErrn als lebendig ergreift. Durch jene Auferweckung aber wird er nicht mehr in den vorigen Zustand zurückgesetzt, und durch diese Verwandlung werden seine vorige Gebrechen nicht mit andern verwechselt, sondern er wird zugleich verklärt oder herrlich gemacht, und zwar so, daß er dem verherrlichten Leib Christi ähnlich wird. Ist dieses nicht ein hohes Ziel für den Leib? Wer hätte sich unterstehen dürfen, für den Leib eine solche vortreffliche Herrlichkeit sich auszubitten? Aber der Heiland Christus Jesus hat ihm dieselbe bestimmt und verheißen, und wird sie ihm auch nach der Kraft, womit Er Ihm alle Dinge unterthänig machen kann, geben. Auch wird der himmlische Vater dadurch Seinen Rathschluß ausführen, nach welchem Er die Auserwählten verordnet hat, daß sie dem Ebenbild Seines Sohnes gleich werden sollen, auf daß derselbe der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern, Röm. 8,29., folglich ungeachtet Seines unermeßlichen Vorzugs, den Er als der Erstgeborne hat, viele Brüder habe, die Ihm durchaus ähnlich seien. Niemand denke also, daß Gott bei der Auferweckung für irgend einen Menschen einen neuen Leib aus Nichts erschaffen oder aus einer himmlischen Materie bilden werde. Nein, sondern eben derjenige Leib, welcher dem Menschen vorher zur Demüthigung gereicht, wird auferweckt und verherrlichet werden. Bei der Hoffnung dieser Herrlichkeit, welche auch dem Leib bereitet ist, will ich die Schwachheit desselben geduldig ertragen, und den Stand der Verwesung, als etwas Kurzes, das zwischen einem schwachen und herrlichen Leben mitten inne liegt, ohne Grauen betrachten. (Magnus Friedrich Roos)

Phil. 4

Freuet euch in dem HErrn allewege, und abermal sage ich: freuet euch.
Phil. 4,4.

Wer Andere zur Freude ermuntern will, muß selbst auch ein fröhliches Gemüth haben, und dieses hatte Paulus, da er den Brief an die Philipper schrieb. Er betete als abwesend mit Freuden für sie, und stand ihretwegen in einer guten Zuversicht, Kap. 1,4.5.6. Er war zu Rom als ein Gefangener: allein auch diesen schmählichen und beschwerlichen Zustand sahe er mit einem heiteren Gemüth an, und rühmte, daß er zur Förderung des Evangelii gerathen sei, V. 12.13.14. Es gab Leute, welche Christum aus Zank und nicht lauterlich (vermuthlich mit einiger Vermengung mit dem Judenthum) verkündigten, und dadurch seine Banden eine Trübsal zuwenden, und die Christen bereden wollten, Paulus habe Christum nicht gepredigt: allein der heitere Paulus schrieb: was ist ihm aber denn? Daß nur Christus verkündiget werde allerlei Weise, es geschehe aus böser Absicht, oder rechter Weise, so freue ich mich doch darin, und will mich auch freuen u.s.w., V. 15/18. Er dachte, indem er diesen Brief schrieb, an das Sterben, aber mit Heiterkeit, V. 20/25. Kap. 2,17.18. Er hatte bei seiner Armuth eine Beisteuer von den Philippern bekommen, darüber war er in einem sehr lautern Sinn sehr froh, und dünkte sich jetzt reich zu sein. Ich habe Alles, sagte er, und habe überflüssig, K. 4,0.18. Er hatte aber auch schon in Ansehung der Nahrung demüthigende Umstände, ja Hunger und Mangel erfahren: allein auch darüber führte er keine wehmüthige Klage, sondern sagte: ich habe gelernt, dieses und das Gegentheil zu ertragen, ich bin dazu eingeweiht, daß ich mich in alle Dinge und in alle Menschen schicken kann. Ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christus, V. 11.12.13. Dieser heitere Paulus nun durfte und konnte an die Philipper unter Anderem schreiben: freuet euch in dem HErrn allewege, und abermal sage ich, damit ihr’s das erstemal nicht flüchtig überhöret: freuet euch. Die Philipper hatten zwar auch ihre Widersacher und Leiden, K. 1.28.29.30. Wenn sie aber dieselben so ansehen konnten, wie Paulus die seinigen; so konnten sie sich doch freuen. Ueberdieß verlangte Paulus nicht, daß sie sich über ihre äußerlichen Umstände freuen sollten, sondern schrieb: sie sollen sich in dem HErrn freuen. Freuen sollten sie sich also, daß sie Jesum zum HErrn haben, der ihretwegen Sich selbst geäußert und erniedrigt habe, und hernach verkläret und über Alles erhöhet worden sei, K. 2. Sie sollten sich freuen, daß sie, wie Paulus, in Ihm eine vollkommene Gerechtigkeit haben, und, weil Er nahe sei (K. 4.5.), bald das Kleinod der Herrlichkeit erlangen werden, K.3., und Gott alles Gute ferner in ihnen wirken, und Sein Werk in ihnen bis zur Vollendung fortführen werde, K.2,13. 1,6. Die Freude, wozu Paulus die Philipper ermunterte, konnte bei der Furcht und dem Zittern stattfinden, dessen er K. ,12. gedenkt, denn auch die Thränen, die Paulus unter dem Schreiben bei dem Anblick der Feinde des Kreuzes Christi vergoß, (K. ,18.), störten seine Freude nicht, welche er empfand, wenn er auf den HErrn sahe. Wenn die Welt fröhlich sein will, so hat sie Geld, Wein, Musiken, Buhlschaften und Anderes dazu nöthig, bleibt aber dabei innerlich leer, und verschuldet sich noch mehr. Die Freude im HErrn erfordert aber nichts Weiteres, als daß ein Christ seinen HErrn kenne, und in Ihm erfunden werde. Sie ist nur bei den Vollkommenen (Phil. 3,15.) allewege.(Magnus Friedrich Roos)

Der HErr ist nahe. Sorget nichts, sondern in allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.
Phil. 4,5.6.

Weil der HErr nahe ist, und bald Alles richten wird, soll ein Christ die Bösen nicht streng richten, ihnen nichts Böses anwünschen, und sich nicht selber rächen. Man kann ja das Gericht des HErrn erwarten. Ein Jeder warte nur bis zu seinem nahen Tod; denn nach demselben wird ihn die Bosheit der Menschen nicht mehr ärgern und anfechten, und die Zeit bis zu der wirklichen Zukunft des HErrn für ihn unvermerkt verstreichen. So lange aber dieses Leben währt, ist es eines Christen Schuldigkeit, seine Lindigkeit allen Menschen kund werden zu lassen, V. 5. Auch soll er im Glauben an den HErrn, der nahe ist, nichts sorgen, oder sein Herz nicht mit kümmerlichen Gedanken quälen, wozu die Armuth, die Sterblichkeit der Angehörigen, und der Haß der Welt, und insonderheit der Gewaltigen in der Welt eine Veranlassung geben können. Paulus war zu Rom als ein Gefangener. Sein Leben stand in Gefahr, auch litt er, weil sein Handel sehr lang währte, und er sich selbst verkösten mußte, Mangel. Welch’ eine reiche Materie zum Sorgen, wenn er nicht geglaubt und gebetet hätte! Aber indem er den Brief an die Philipper mit einem sehr heitern Herzen schrieb, versicherte ihn der Geist Gottes, daß er dießmal nicht sterben werde, ob er schon dazu willig gewesen wäre, Phil. 1,22-25. Was aber den Mangel anbelangt, so hatte er gelernt, sich genügen zu lassen, und ihn zu ertragen, Phil. 4,11.12. Uebrigens hatte er ohne Zweifel wegen desselben auch zu Gott gefleht, und alsdann wurde er höchlich erfreut, als die Philipper, ohne daß er bei ihnen gebettelt hätte, durch die herzlenkende Kraft Gottes wieder wacker wurden, für ihn zu sorgen, und ihm durch den Epaphroditus eine Beisteuer zuschickten, wie sie schon vorher einmal gethan hatten, Phil. 4,10-18. Auf gleiche Weise sollen glaubige Christen, anstatt der Sorgen in allen Dingen ihre Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden lassen. Wer den Sorgen nachhängt, behält sein Anliegen bei sich selbst, denkt ihm ängstlich nach und quält sich vergebens. Wer sich aber damit helfen will, daß er nur Menschen um Hülfe bittet, kann noch mehr betrübt werden, wenn sie ihn vergeblich bitten lassen; welches Gott zuweilen deßwegen geschehen läßt, damit man lerne, sich zuvörderst bei Ihm zu melden. Lasset also, ihr Christen, euer Bitten im Gebet und Flehen vor Gott kund werden. Er kann trösten, helfen, und wenn Er Menschen als Werkzeuge brauchen will, die Herzen derselben lenken. Das Beten selber macht schon eine Erleichterung, wenn es im Glauben geschieht. Vergesset aber dabei die Danksagung nicht. Danket Gott, ehe euch in dem gegenwärtigen Anliegen geholfen wird; denn ihr genießet doch auch bei demselben schon viel Gutes, und auch das Recht zu beten, das ihr in Christo Jesu habt, ist einer Danksagung werth. Harret alsdann eine Zeit lang, wie denn das Harren im Psalter den Betenden oft empfohlen wird. Paulus mußte auch harren, bis ihm die Philipper etwas schickten; denn die Zeit litt es vorher nicht, V. 10. Bald kann aber der Harrende sagen: da dieser Elende rief, hörete der HErr, und half ihm aus seinen Nöthen.

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