Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Brief an die Epheser

Roos, M. Magnus Friedrich - Andachten zum Brief an die Epheser

Eph. 1

Gott hat uns gesegnet mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum.
Eph. 1,3.

Es gibt einen leiblichen und einen geistlichen Segen; es gibt irdische und himmlische Güter. Der geistliche Segen und die himmlischen Güter sind den Glaubigen und Heiligen zugedacht, denen gemeiniglich der leibliche Segen und die irdischen Güter sehr mäßig zufließen, und die mit ihrem Verlangen darüber hinaufsteigen. Es besteht aber der geistliche Segen in himmlischen Gaben oder Gütern. Die Glaubigen auf Erden fangen nämlich an, vor Gott heilig und unsträflich in der Liebe zu werden, V. 4., wie diejenigen, die schon in den Himmel aufgenommen worden, in der Vollkommenheit sind. Sie sind Kinder Gottes, V. 5., wie die Bewohner des Himmels. Sie haben Gnade, und sind dem Vater angenehm gemacht in Seinem geliebten Sohn, V.6.; welches auch die größte Freude und Ehre derjenigen ist, die schon im Himmel sind. Sie haben die Vergebung ihrer Sünden, V. 7., deren sich auch die verklärten Menschen und Menschenseelen freuen. Sie haben den Heiligen Geist empfangen, V. 13., welcher auch die Geister der vollkommenen Gerechten und die auferweckten Heiligen, die im Himmel wohnen, erfüllt und belebt. Auf diese Weise ist den Glaubigen auf Erden schon viel Himmlisches geschenkt; ihr Zustand hat schon mit dem Zustand derer, die im Himmel wohnen, eine Aehnlichkeit, und deßwegen wird auch das Reich Gottes auf Erden, welches wir das Gnadenreich zu nennen pflegen, von Christo oft ein Himmelreich genannt. Gott gibt den geistlichen Segen, der in himmlischen Gütern besteht, wie Er dann schon mit Seiner Erwählung, ehe der Welt Grund gelegt ward, darauf gezielt hat. Er gibt ihn aber in Christo oder durch Christum. Um Christi willen empfängt man ihn, und wer ihn empfangen will, muß durch den Glauben in Christo Jesu sein und bleiben; da es dann billig ist, daß man Gott und den Vater unseres HErrn Jesu Christi wegen dieses Segens täglich lobe, V. 3. Wenn nun Jemand in unser Haus käme, und wir zeigten ihm unsern Vorrath von Gold, Silber, Kleidern, Wein und Korn, und nenneten dieses Alles mit dem gewöhnlichen Beisatz: Gottlob einen Segen Gottes, so müßten wir die Frage ertragen können, oder auch uns selber fragen, ob wir auch einen geistlichen Segen, der in himmlischen Gütern besteht, empfangen haben? Jener Vorrath beruhigt das Herz nicht, und ist vergänglich, da hingegen der geistliche Segen die Seele zur Ruhe bringt und ewig ist. Hier gilt aber auch das Wort des Täufers Johannes: ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm dann gegeben vom Himmel, Joh. 3,27. Zu Gott muß man sich bei seiner geistlichen Armuth wenden, und zwar durch Christum; den himmlischen Vater muß man anrufen, und zwar im Namen Jesu Christi. Der Fluch des Gesetzes steht dem Segen entgegen; jener wird aber durch die Rechtfertigung von denjenigen abgewendet, die durch Christum zu Gott nahen, und dem Segen dadurch Raum gemacht. Je treuer hernach eine Seele in dem Fortgang der Heiligung ist, und je williger sie ich dem Leiden unterwirft, desto reichlicher empfängt sie diesen Segen, aber immer durch Christum, welcher als Hoherpriester diejenigen segnet, die durch Sein Blut versühnt worden sind, und durch Ihn zu Gott nahen.(Magnus Friedrich Roos)

Gott hat uns in Jesu Christo erwählet, ehe der Welt Grund geleget war, daß wir sollte sein heilig und unsträflich vor Ihm in der Liebe.
Eph. 1,4.

Offenb. 13,8. wird gesagt, daß die Namen der Auserwählten, die in der letzten Zeit von der schärfsten Versuchung nicht hingerissen werden, vom Anfang der Welt in dem Buch des Lebens des Lämmleins geschrieben seien; Paulus aber sagt Eph. 1,4.: Gott habe uns in Christo Jesu erwählet, ehe der Welt Grund geleget worden. Vor der Einrichtung oder Schöpfung der Welt war keine Zeit; was vorher geschehen ist, geschah vor dem Anfang, folglich in der stillen, einförmigen, unendlichen Ewigkeit, die kein Menschenverstand begreifen kann. Ehe also die Welt gemacht war, erwählte Gott diejenigen, die selig werden, in Christo Jesu. Indem nämlich Gott dieselben erwählte, so beschloß er zugleich, das wesentliche Wort, das bei Ihm war, in die Welt zu senden, Fleisch werden zu lassen, und durch dasselbe eine große Erlösung auszuführen. Er sahe auch voraus, daß dieses Alles geschehen werde, und erwählte also diejenigen, die durch den Tod Seines Sohnes versöhnt werden, und diese Versöhnung durch den Glauben ergreifen und empfangen würden. Keine Gesetzes-Werke, welche diese Erwählten thun würden, und keine Würdigkeit, welche ihnen selbst ankleben würde, bewog Ihn, sie zu erwählen, sondern Er sahe dabei auf die Erlösung Seines Sohnes, und auf ihre glaubige Theilnehmung an derselben, wie es auch der Erfolg oder die wirkliche Ausführung dieser Erlösung bewies. Daß also die Menschen nur in Christo Jesu ihr Heil finden sollen, war keine Verordnung, die Gott erst in der Zeit gemacht hatte: die ewige Erwählung war schon so abgefaßt, folglich ist diese Verordnung unabänderlich. Weil aber die Menschen das Heil in Christo Jesu nicht genießen könnten, wenn sie in der Sünde beharreten, ja weil der völlige Genuß dieses Heils eine völlige Befreiung von der Sünde als dem größten Uebel erfordert, so sagt Paulus, Gott habe uns in Christo Jesu erwählt, daß wir vor Ihm heilig und unsträflich oder ohne Tadel in der Liebe sein sollen. Vor Ihm sollen wir so sein, denn Er kennet uns, Er richtet uns, Ihm müssen wir gefallen. Wie sollen wir aber vor Ihm sein, damit der Zweck Seiner Erwählung erreicht werde? Heilig sollen wir sein, weil Er heilig ist, und Ihm nichts gefällt, als was heilig ist. Unsträflich oder ohne Tadel sollen wir sein, weil der Tadel vor Ihm unanständig wäre, und unsere Seligkeit auch bei uns störte. Diese Heiligkeit und diese untadelhafte Beschaffenheit soll aber in der Liebe zusammengefaßt sein, weil Johannes den ganzen Ruhm, der Gott gebührt, darin zusammen gefaßt hat, daß er zweimal schrieb: Gott ist Liebe. Wenn ein Mensch ganz in das Element der Liebe hinein gekommen und ganz von der Liebe durchdrungen ist, oder ganz in der Liebe legt, so ist er ganz heilig, ganz ohne Tadel, folglich ganz Gott ähnlich, und gefällt Seinen Augen. Der Zweck der Erwählung ist also Liebe. Durch Jesum Christum sollen wir heilig und ohne Tadel in der Liebe werden. Darauf zielen alle Wirkungen des Heiligen Geistes in uns. Wohl uns, wenn wir denselben immer Raum geben! Es ist für einen Menschen gefährlich, wenn er vor oder bei dem Anfang seiner Bekehrung erforschen will, ob er zur Seligkeit erwählt sei oder nicht. Er soll nur trachten, durch den Glauben in Christo Jesu zu sein und bis an sein Ende der Heiligung nachjagen, alsdann hat er das Kennzeichen der Erwählung in sich selber.(Magnus Friedrich Roos)

Gott hat uns verordnet zur Kindschaft gegen Ihm selbst durch Jesum Christ.
Eph. 1,5.

Wenn ein Mensch, der die Bibel noch nicht gelesen hat, alle Geschöpfe Gottes nach ihren verschiedenen Heeren oder Klassen übersehen könnte, so würde er staunen, wenn er sähe, daß unter denselben eine gewisse Klasse als ein Erstling weit oben stehe, welche aus Menschen besteht, die Gott Seine Kinder nennt, und die Ihn ihren Vater nennen dürfen. Diese Klasse oder dieses Heer würde er ohne Zweifel für sehr glückselig halten. Nun ist’s uns schon lange aus der Bibel bekannt, daß alle Glaubigen und heiligen Menschen Kinder Gottes seien: allein wir achten diese Gnade bei Weitem nicht hoch genug. Paulus sagt Eph. 1,4., Gott habe uns durch Christum erwählet, ehe der Welt Grund gelegt war, daß wir sollten sein heilig und unsträflich vor Ihm in der Liebe. Wenn Er uns dann wirklich zu heiligen und unsträflichen Geschöpfen machte, und als solche liebte, und Seine Knechte und Mägde nennete, so wäre es schon viel mehr, als wir Sünder hätten bitten und erwarten können. Allein der Vorsatz Gottes ging so weit, daß Er uns zur Kindschaft gegen Ihm selbst, das ist in dem Verhältniß gegen Ihn als den Vater, verordnete durch Jesum Christ. Er hat uns also bestimmt, Seine Kinder zu sein, und diese Bestimmung hat ihren Grund in Jesu Christo dem Sohn Gottes: denn wie Viele diesen aufnehmen, denen gibt Er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an Seinen Namen glauben. Jesus Christus ist der eingeborne Sohn Gottes, und kommt als ein solcher in keine Vergleichung mit andern. Er läßt sich aber auch mit einer unbeschreiblichen Liebe zu den Kindern Gottes, die es aus Gnaden sind, herab, und heißt alsdann der Erstgeborne, ja der Erstgeborne unter vielen Brüdern. Er theilt ihnen als der Sohn Gottes Seinen Namen und Seine Rechte mit, so viel sie davon fassen können. Er sagt: Mein Vater ist auch euer Vater. Er begehrt ihrethalben, daß die Liebe, damit der Vater Ihn liebt, auch in ihnen sein soll, Joh. 17,26. Und gleichwie Ihn der Vater zum Erben über Alles gesetzt hat, Hebr. 1,2., also läßt Er sie Seine Miterben sein, Röm. 8,17., und es wird Off. Joh. 21,7. zu ihnen gesagt: wer überwindet, der wird Alles ererben. Bei diesem Allem ist Sein Vorzug unermeßlich groß; denn Er ist der Eingeborne, das Haupt der Gemeinde, der König und Priester auf dem Thron, wo Er sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt hat. Ihn beten alle Engel und Auserwählten an, denn Er ist nicht nur ein Menschensohn, sondern auch Gott über Alles gelobet in Ewigkeit.
Wegen der Kindschaft Gottes wird der Heilige Geist, der den Glaubigen gegeben wird, ein kindlicher Geist oder ein Geist der Kindschaft genannt, und von Ihm gesagt, daß Er, wenn Er dem Gebet der Glaubigen Seine neutestamentliche Form geben wolle, in ihnen rufe: Abba, lieber Vater. Eben derselbige Geist aber treibt sie auch an, gehorsame Kinder Gottes zu sein, und, weil sie denjenigen als Vater anrufen, der ohne Ansehen der Person richtet, ihren Wandel, so lange sie hier wallen, mit Furcht zu führen, 1 Petr. 1,14.17. Er ist aber auch das Angeld des Erbes, welches sie als Kinder in jener Welt empfahen sollen, Eph. 1,14. Gott gebe, daß wir Alle, und mit uns Viele dieser Kindschaft durch die Wiedergeburt und den Glauben an Christum theilhaftig werden, dieselbe bis an unser Ende behaupten, und die herrlichen Folgen derselben in jener Welt genießen.(Magnus Friedrich Roos)

Auf daß wir etwas wären zum Lob Seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christum gehofft haben.
Ephes. 1,12.

Paulus schrieb dieses von sich und allen glaubigen Israeliten. Diese hatten zuvor auf Christum gehofft, oder in Christo eine Hoffnung des ewigen Lebens gehabt, ehe die Heiden zu dieser Hoffnung gelangten. Schon zur Zeit des alten Testaments war die Hoffnung rechtschaffener Israeliten auf den zukünftigen Christum gebaut, und da Er erschienen war, offenbarte Er Sich zuerst den Israeliten, und der erste Ansatz der christlichen Kirche bestand aus Juden. Paulus sagt aber V. 13.: durch Christum habt auch ihr Epheser und Andere, die ihr von Heiden abstammet, das Wort der Wahrheit gehört, und seid, da ihr glaubig wurdet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung.

Ich lerne aber aus den Worten Pauli, daß Christen etwas sein sollen zum Lob der Herrlichkeit Gottes. Darauf geht der Vorsatz Dessen, der alle Dinge wirket nach dem Rath Seines Willens, V. 11., die Herrlichkeit Gottes oll also an den Christen geoffenbart und deßwegen gelobt werden. Die Herrlichkeit Gottes ist Alles, was man von Gott rühmen kann: Seine Güte, Erkenntniß, Weisheit, Kraft, Gerechtigkeit. Dieses Alles zusammen genommen ist, wenn es sich offenbart, Seine Herrlichkeit. Und dieses Alles wendet Gott an, wenn Er Menschen selig macht. Durch die Erlösung, die Christus vollbracht hat, ist dieses Alles schon geoffenbart und erwiesen worden; hernach fließt dieses Alles auch in das Werk der Heiligung ein. Christen sollen deßwegen sich dem großen Gott ganz hingeben, daß Er Seine Herrlichkeit an ihnen offenbaren könne, und sich’s nicht befremden lassen, wenn bei dem Werk der Heiligung oft eine züchtigende und zermalmende Schärfe vorkommt, denn auch diese gehört zur Offenbarung der Herrlichkeit Gottes, und ist nöthig, wenn etwas Ganzes herauskommen soll.

Diese Herrlichkeit Gottes soll, wie sie sich an ihnen offenbart, gelobt werden. Darum sind sie, was sie sind, damit dieses geschehen könne. Nicht uns, HErr, nicht uns (zweimal wird dieses Ps. 115,1. gesagt, weil der Mensch gern sich selber Lob und Ehre gibt), aber nicht uns, HErr, sondern Deinem Namen gib Ehre, um Deiner Gnade und Wahrheit willen. Christen werden dadurch nicht unglücklich, wenn alle Ehre und alles Lob auf den Namen oder die Herrlichkeit Gottes geleitet wird; denn sie sind dadurch genug gesegnet und beglückt, daß Gott als ihr Gott die Bedeutung Seines Namens an ihnen erfüllt, und Seine Herrlichkeit an ihnen offenbart. Demjenigen gebührt das Lob, dessen dieser Name und diese Herrlichkeit ist: sie aber werden dadurch überschwänglich beglückt, und wenn sie selber Gott loben, oder die Herrlichkeit Gottes ihretwegen gelobt wird, so gereicht es zu ihrer großen Wonne, und Gott erfüllt dabei das Wort: wer Mich ehret, den will Ich wieder ehren. HErr, lasse auch mich etwas sein zum Lobe Deiner Herrlichkeit. Du bist das A und das O. Von Dir, durch Dich und zu Dir sind alle Dinge. Gleichwie alle Dinge ihr Wesen von Dir haben, also werden sie auch durch Dich bearbeitet und zu ihrem Ziel geführt. Dieses Ziel aber bist Du selber, o Gott. Deinem Namen sei Ehre in Ewigkeit!

Durch Christum seid ihr, da ihr glaubtet, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung, welcher ist das Pfand unsers Erbes zu unserer Erlösung, daß wir Sein Eigenthum würden, zu Lobe Seiner Herrlichkeit.
Eph. 1,13.14.

Wenn von Weissagungen gesagt wird, daß sie versiegelt werden, so wird dadurch angedeutet, daß sie den Menschen eine Zeit lang verborgen werden, wie die Schrift eines versiegelten Briefs verborgen ist. Dan. 12,4. Offenb. Joh. 22,10. Wenn aber von Menschen gesagt wird, daß sie versiegelt werden, so wird dadurch angezeigt, daß sie unter Andern als ein Eigenthum Gottes ausgezeichnet werden, s. Offenb. 7,2.3. Eph. 4,0. 2 Kor. 1,22., gleichwie das Siegel, das man auf einen Brief drückt, ein Zeichen ist, woran man denjenigen erkennen kann, von dem er herkommt. Welches ist aber das Siegel, durch welches die Auserwählten gezeichnet, und von allen andern Menschen unterschieden werden? Paulus sagt, der Geist der Verheißung, das ist der verheißene Geist, sei es, den man empfange, wenn man an Christum glaubig werde. Wer nämlich Christi Geist nicht hat, der ist nicht Sein, wer Ihn aber hat, ist Sein. Welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder. Unter dem ganzen menschlichen Geschlecht sind also diejenigen, die den verheißenen Geist empfangen haben, versiegelt und ausgezeichnet als das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums, und diese sollen verkündigen die Tugenden Deß, der sie berufen hat von der Finsterniß zu Seinem wunderbaren Licht (1 Petr. 2,9-). Der Heilige Geist ist aber nicht nur das Siegel, womit sie gezeichnet sind, sondern auch das Pfand oder Angeld ihres himmlischen Erbes. So gewiß derjenige, der ein Angeld empfängt, die ganze Bezahlung einer versprochenen Schuld von einem ehrlichen Mann hoffen darf, so gewiß, ja noch viel gewisser ist’s, daß derjenige das ganze himmlische Erbe, welches das ewige Reich Gottes heißt, hoffen dürfe, der den verheißenen Geist empfangen hat. Wir werden mit demselben versiegelt zu unserer Erlösung von allem Uebel, folglich zur völligen Befreiung von der Sünde und von allem Elend, welches die Sünde in unserer ganzen Wallfahrt und bis auf die Verwesung des Leibes hinaus nach sich zieht. Von diesem Allem werden diejenigen erlöst, die mit dem Heiligen Geist versiegelt sind, und wenn sie so erlöst worden, sind sie ein errettetes Eigenthum Gottes. Andere gehen verloren, sie aber werden selig. Zu Andern sagt der Richter: gehet hin, ihr Verfluchten, zu diesen aber: kommet her, ihr Gesegneten Meines Vaters. Andere müssen in die ewige Pein gehen, sie aber dürfen in’s ewige Leben gehen. Diese Glückseligkeit widerfährt allen denjenigen, aber auch nur denjenigen, die mit dem verheißenen Geist versiegelt worden sind, und dieses Alles gereicht zum Lob der Herrlichkeit Gottes. Die herrliche Gnade, der herrliche Reichthum, die herrliche Macht und Pracht Gottes wird nämlich an diesen Versiegelten offenbar, und an ihnen gepriesen, wenn sie auch herrlich werden.
Die Welt hat Titel, Wappen, Kleidungen und andere Zeichen, wodurch viele Menschen als Leute von hoher Geburt, von vornehmerem Stand, und als Mitgenossen gewisser Orden ausgezeichnet werden. Dieses alles ist unter dem Ausspruch enthalten: das Wesen dieser Welt vergehet. Die Kindschaft Gottes aber ist eine ewige Würde, und das Siegel, welches die Kinder Gottes empfangen, ziert und beglückt sie in dieser und in der zukünftigen Welt.(Magnus Friedrich Roos)

Der Gott unsers HErrn Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu Seiner selbst Erkenntniß.

Eph. 1,17.

Die Menschen prangen mit nichts, das ihrer Natur eigen ist, lieber, als mit ihrem Verstand, und trauen keiner Kraft ihrer Seele so viel zu, als ihrem Verstand. Sie gestehen leichter ein, daß ihr Wille böse sei, als daß ihr Verstand verderbt sei. Und doch warnt Salomo Spr. 3,5. einen Jeden vor dem Vertrauen, das er auf seinen Verstand setzen könnte, indem er sagt: verlaß dich auf den HErrn von ganzem Herzen, und verlaß dich nicht auf deinen Verstand. Ueberdieß nennt die heilige Schrift alle diejenigen Thoren, denen es an der Furcht Gottes als dem Anfang der Weisheit fehlt. Auch sagt Christus Matth. 11,25.: der himmlische Vater habe die geheime Beschaffenheit Seines Reichs den Weisen und Klugen verborgen, und Paulus 1 Kor. 2,14.: der natürliche Mensch vernehme nichts von dem Geist Gottes u.s.w. Jakobus aber verweist die Menschen, denen Weisheit mangelt, nicht eben auf die Erlernung und Ausübung menschlicher Regeln (wiewohl diese in der rechten Ordnung ihren Nutzen haben), sondern vielmehr auf das Gebet, indem er Kap. 1,5. sagt: wem Weisheit mangelt, der bitte von Gott – so wird sie ihm gegeben werden. Er nennt auch diese Weisheit, die von dem höchsten Gott den Betenden gegeben wird, Kap. 3,17. eine Weisheit von oben. Wie gibt aber Gott diese Weisheit? So daß Er den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu Seiner selbst Erkenntniß gibt. Der Heilige Geist hat in der heiligen Schrift viele Namen, welche von demjenigen hergeleitet sind, das Er dem Menschen mittheilt, oder in ihm wirkt. Er heißt der Geist der Wahrheit, in so fern Er in alle Wahrheit leitet, der Geist der Kraft, in so fern Er stärkt, der Geist der Liebe, insofern Er die Liebe Gottes zu fühlen gibt, und Liebe wirkt u.s.w. Also heißt Er dann auch der Geist der Weisheit, insofern Er den Menschen weise macht zur Seligkeit, und der Geist der Offenbarung, insofern Er den Menschen die Geheimnisse des Evangeliums, die in der heiligen Schrift enthalten sind, offenbart oder klar macht, oder insofern der himmlische Vater Seinen Sohn durch Ihn in uns offenbart, und der Sohn den Vater. Die Propheten und Apostel haben hierin einen großen Vorzug gehabt, indem ihnen der Heilige Geist Dinge geoffenbart hat, welche vorher nicht nur ihnen selbst, sondern auch allen Heiligen verborgen gewesen waren, und sie zugleich als untrügliche Lehrer unter dem Volk Gottes aufgestellt hat: uns aber will der himmlische Vater den Geist der Weisheit und der Offenbarung geben, damit wir Ihn erkennen, wie Er im Evangelium schon lange den Menschen vor die Augen gemalt ist. Gott ist ein Licht, es sind aber erleuchtete Augen nöthig, um das Licht zu sehen: diese Augen aber schafft Gott in uns durch Seinen Geist, V. 18., da dann das Sehen die Weisheit ist. Das Wort Gottes ist vorhanden: lasset uns aber das Wort Gottes nie ohne den Geist Gottes fassen, gleichwie wir auch nicht meinen sollen, daß uns der Geist Gottes in Glaubenssachen jemals über das Wort hinausführen werde. Der Geist der Weisheit und der Offenbarung wird zur Erkenntniß Gottes gegeben; denn Gott erkennen ist die größte Weisheit, obschon viele Leute diese Erkenntniß eine geringe und leichte Sache zu sein dünkt. So gebe uns denn der Gott unseres HErrn Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu Seiner selbst Erkenntniß. (Magnus Friedrich Roos)

Gott gebe euch erleuchtete Augen eures Verständnisses, zu erkennen, welches da sei die Hoffnung eures Berufs.
Eph. 1,18.

Gleichwie einem Blinden nicht geholfen ist, wenn die Sonne hell scheint, oder ein Licht angezündet wird, weil es ihm an der Tüchtigkeit zum Sehen fehlt, also ist einem natürlichen Menschen nicht damit geholfen, wenn ihm Gott die Wahrheit in Seinem Worte vorlegt, weil er als ein solcher nichts vom Geist Gottes vernimmt. Soll ihm diese Wahrheit klar und heilsam sein, so muß ihm Gott auch einen Sinn oder Verstand dazu geben (1 Joh. 5,20.), die Augen öffnen (Ps. 119,18.), das Verständniß öffnen, um die Schrift zu verstehen (Luk. 24,45.), und so erleuchtete Augen des Verständnisses geben. Christus heißt deßwegen nicht nur ein Lehrer, sondern auch ein Licht, und zwar in demjenigen Verstand, in welchem der Täufer Johannes, der doch viel Gutes predigte, nicht das Licht war (Joh. 1,8.9.). Auch betete David, ob er schon das geschriebene Wort Gottes vor sich hatte, noch besonders um die Oeffnung seiner Augen (Ps. 119,18.), und Jakobus, hieß Kap. 1,5. Gott um die Weisheit bitten, die er Kap. 3,15.17. die Weisheit von oben nennt. Auch wünschte Paulus Eph. 1,18., daß der Gott unsers HErrn Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, den Ephesern (die an der Lehre keinen Mangel hatten) den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu Seiner selbst Erkenntniß gebe. Lasset uns also auf unsern natürlichen Verstand nicht stolz sein, denn er ist nicht fähig, geistliche Dinge zu erkennen und zu fassen. Lasset uns nicht damit uns beruhigen, daß die Sonne der geoffenbarten Wahrheit uns scheint, und uns in der Bibel und andern guten Büchern das Licht aufgesteckt ist, denn es muß uns auch die Fähigkeit von Gott geschenkt werden, dieses Licht zu sehen. Wir haben insonderheit erleuchtete Augen des Verständnisses nöthig, um die Hoffnung unseres Berufs zu erkennen. Wir sind nämlich zum ewigen Leben, oder zur himmlischen Freude und Ruhe berufen, und dürfen dieses Alles vermöge unseres Berufs hoffen. Diese Hoffnung des Berufs erkennen, ist eine selige Sache; denn man erkennt sie mit einem erquickenden und stärkenden Eindruck, mit einer Gewißheit, die auch im Tode getrost macht, und mit einem Vorschmack der Kräfte der zukünftigen Welt, welcher den Glaubigen zuweilen gegeben wird. Ebenso verhält es sich mit allen andern Artikeln des christlichen Glaubens, wie denn Paulus Eph. 1,19 – 23. mehrere anführt. Wer sie recht erkennt oder versteht, wird dadurch getröstet, gestärkt, bestraft, geheiligt, und zur Gemeinschaft mit Gott dem Vater und Seinem Sohn Jesu Christo geleitet. Dazu hat man aber geöffnete Augen des Verständnisses nöthig, denn durch diese allein kann das göttliche Licht, welches ein Licht des Lebens heißt, folglich kräftig und wirksam ist, in die Seele eindringen. Wir wollen also fleißig, wie David mit allen Heiligen gethan, und Jakobus befohlen hat, um geöffnete Augen und Weisheit bitten. Wir wollen aber auch mit dem Wort Gottes fleißig umgehen, und dasselbe gern hören, lesen und betrachten, weil Gott mit demselben und durch dasselbe die Erleuchtung wirkt und Seinen Geist mittheilt. Uebrigens wollen wir der Wahrheit auch gehorsam sein, weil die Weisheit nicht in eine boshaftige Seele kommt und Gott, wenn Er durch Sein Wort erleuchtet, heilige Leute bilden will. Sein Licht war und ist noch das Leben der Menschen.(Magnus Friedrich Roos)

Gott gebe euch erleuchtete Augen eures Verständnisses, daß ihr erkennen möget, welcher da sei der Reichthum Seines herrlichen Erbes an Seinen Heiligen.
Eph. 1,18.

Gott hat uns das Erbe, welches den Wiedergebornen im Himmel behalten ist, mit vielen Worten und nach mancherlei Weisen in der Bibel beschreiben lassen: es sind aber erleuchtete Augen des Verständnisses nöthig, um den Reichthum dieses herrlichen Erbes zu erkennen. Warum wird es ein Erbe genannt? Ein Erbe bekommt man umsonst. Wer sich noch einbildet, er verdiene etwas, und mache Gott durch seine Werke oder Leiden zu seinem Schuldner, versteht noch gar nicht, was dieses Erbe sei. Ein Erbe bekommt man aber nach dem Kindesrecht. Wie wird man aber ein Kind Gottes? Wie empfindet und bewahrt man die göttliche Kindschaft unter den mancherlei Zufällen des menschlichen Lebens? Dieses erkennet Niemand ohne Erleuchtung und Erfahrung. Gott hat das Erbe für Seine Heiligen bestimmt. Welches sind denn die Heiligen Gottes? Wie unterscheiden sie sich von den übertünchten Todtengräbern, deren jetzt die Welt voll ist? Wer versteht ihre Würde, ihre Niedrigkeit, ihre Empfindungen, ihre eigenen Leiden? Niemand, als wer erleuchtet, und selber ein Heiliger Gottes durch die Gnade ist. Das Erbe, das Gott Seinen Heiligen bereitet hat, ist herrlich, und die Herrlichkeit ist bei demselben nicht sparsam angebracht, so daß nur hie und da ein kleiner Glanz hervorleuchtete: sondern es ist ein Reichthum der Herrlichkeit vorhanden. Man sehe nur das neue Jerusalem an, wie es Off. Joh. 21. und 22. beschrieben ist. Welch’ ein Reichthum der Herrlichkeit ist an demselben wahrzunehmen! Gassen von Gold, Thore von Perlen, Gründe von Edelsteinen, Mauern von Jaspis. Freilich wird jenes Gold nicht wie unser unreines und undurchsichtiges Gold sein, auch werden die Perlen und Edelsteine den irdischen nicht gleich sein. Es wird aber ein Gold von einer himmlischen Feinheit, es werden Perlen und Edelsteine von einer himmlischen Vortrefflichkeit sein. Ueberdieß wird der Thron Gottes, der jenes Alles übertrifft, in dieser Stadt sein. Was aber noch das Allerhöchste ist, so wird der HErr der Allmächtige und das Lamm selber der Tempel in dieser Stadt sein, die Herrlichkeit Gottes wird sie erleuchten, und ihre Leuchte wird das Lamm sein. Seine Knechte werden Ihm dienen, und sehen Sein Angesicht, und Sein Name wird an ihrer Stirne sein, und sie werden als Könige regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Ist dieses nicht ein Reichthum der Herrlichkeit? Und zwar der Herrlichkeit des Erbes? Denn wer überwindet, der wird’s Alles ererben. Wer erkennt aber diesen Reichthum? Kein Sterblicher erkennt ihn vollständig. Auch die Heiligen auf Erden denken und reden wie Kinder davon, und haben eine Erkenntniß, die ein Stückwerk heißt und aufhören wird. Doch haben sie eine wahre und kräftige Erkenntniß, zu deren kindischer Schwachheit sich der große Gott durch bildliche Vorstellungen und Gleichnißreden herabgelassen hat. Sie bekommen auch zu dieser Erkenntniß von Ihm erleuchtete Augen des Verständnisses. Ihnen ist also die Beschreibung des ewigen Erbes und Seiner reichen Herrlichkeit so klar und so eindrücklich, daß sie zur Beweisung der Geduld in der Hoffnung dadurch gestärkt werden.(Magnus Friedrich Roos)

Gott gebe euch erleuchtete Augen, zu erkennen, welche da sei die überschwengliche Größe Seiner Kraft an uns, die wir glauben nach der Wirkung Seiner mächtigen Stärke.
Eph. 1,19.

Es gibt Leute, welche meinen, man werde so zum Glauben bewogen, wie man bewogen wird eine Reise zu machen, ein Haus zu bauen, oder sonst etwas, das ohnehin in des natürlichen Menschen Vermögen steht, vorzunehmen, da es dann nur auf deutliche Beweggründe ankommt, daß der Entschluß gefaßt werde. Allein mit dem Glauben, den Paulus Eph. 2. eine Gabe Gottes nennt, verhält es sich gar anders. Das Herz, welches voll Feindschaft gegen Gott und voll Furcht ist, soll sich mit Zuversicht zu Gott neigen. Es soll unter der Verleugnung der eigenen Gerechtigkeit und Kraft Christo als dem Erlöser die Ehre geben, daß Er allein der Grund der freimüthigen Ansprache an Gott sei. Es soll sich zu einer ewigen und innigen Vereinigung mit Gott und Christo hinneigen und hergeben. Wer kann dieses Alles wirken? Niemand als Gott, und zwar nach der überschwenglichen Größe Seiner Kraft und nach der Wirkung Seiner mächtigen Stärke, mit welcher Er Jesum von den Todten erwecket hat; denn die Verwandlung eines Unglaubigen in einen Glaubigen ist kein geringeres Werk als die Auferweckung eines Todten. Gott wendet aber Seine große Kraft und mächtige Stärke hiebei o an, daß Er sie mit Seinem Wort verbindet, welches dem Verstand die Wahrheit, die man glauben soll, vorhält, alldieweil sie der Seele von dieser Wahrheit einen Eindruck macht, der in das Innerste der Seele hineindringt. Ungeachtet aber die Kraft Gottes groß und Seine Stärke mächtig ist, so ist sie doch nicht unterdrückend und zwingend. Gott wendet sie so mild und weislich an, daß Niemand glauben muß, wenn er nicht glauben will. Sie ziehet sich auch zurück, wenn der Mensch im Unglauben sich lieber zu der Sünde als zu ihrem Erlöser hinneigen will, und alsdann sagt man, daß der Mensch dem Heiligen Geist widerstrebe. Er setzt diesem allmächtigen Geist freilich keine größere Kraft entgegen: er verursacht aber durch seinen unglückseligen Entschluß, unglaubig und ein Sklave der Sünde zu bleiben, daß der Heilige Geist Seinen Zweck nicht bei ihm erreichen kann, und von ihm abläßt. So kann ein starker Mann einen Knaben bei der Hand nehmen, um ihn irgend wohin zu führen. Weil er ihn aber nicht schleifen, oder tragen, sondern führen will, so läßt er ihn fahren, und ziehet die Hand von ihm ab, wenn er sich aus Halsstarrigkeit nicht führen lassen will. Niemand verzage also, wenn er die Macht seines Unglaubens fühlt. Niemand halte es für unmöglich, daß der glaube in ihm und Andern noch gewirkt werden könne; denn Gott wendet seine große Kraft und mächtige Stärke dazu an. Niemand warte aber auch auf einen unwiderstehlichen Zwang, weil Gott durch’s Wort wirket, und mit der Seele als einem vernünftigen Geist umgeht. Wer den Glauben hat, halte ihn mit einem demüthigen Dank für eine Gabe Gottes, und beweise vornehmlich darin seine Treue, daß er den Unglauben als die Wurzel aller Sünden verabscheue, und den Glauben täglich übe, und durch’s Evangelium stärken lasse; denn wer ihn verloren hat, kann ihn nicht mehr nach seiner Willkühr und aus eigenen Kräften wieder bekommen.(Magnus Friedrich Roos)

Gott, der Vater, hat Christum gesetzt zu Seiner Rechten im Himmel, über alle Fürstenthümer, Gewalt, Macht, Herrschaft und Alles, was genannt mag werden, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen, und hat alle Dinge unter Seine Füße gethan.
Eph. 1,20.21.22.

Unter allen Klassen vernünftiger Geschöpfe gibt es Solche, welche die Ersten und Obersten unter Allen von ihrer Klasse, und denselben vorgesetzt sind, und deßwegen Fürsten heißen. Ein solcher Fürst ist der Engel Michael, welcher deßwegen ein Erzengel oder Engelfürst genannt wird; es erhellt aber aus Dan. 10,13., wo Michael der vornehmsten Fürsten Einer genannt wird, daß es mehrere solche Engelfürsten gebe, deren ein jeder seiner Klasse vorgesetzt ist. Daß es auf Erden Fürsten gebe, deren jeder einen Theil des menschlichen Geschlechts regiert, weiß Jedermann. Ist nun der HErr Jesus auch nur Einer von den vornehmen himmlischen oder irdischen Fürsten? Nein. Er ist über alle Fürstenthümer, das ist über alle Klassen vernünftiger Geschöpfe, die von Fürsten regiert werden, gesetzt. Er ist der Fürst der Könige auf Erden, Offenb. 1,2., und das Haupt eines jeden himmlischen oder irdischen Fürstenthums, Kol. 2,10. Alle Fürsten haben auch Gewalt, wiewohl es auch Gewalthaber gibt, die nicht als Fürsten oder Vorsteher andern vernünftigen Geschöpfen vorgesetzt sind, aber doch das Recht haben, etwas zu thun oder zu verwalten. So werden diejenigen, die Seine Gebote halten, Gewalt haben über Holz des Lebens, und das Recht, zu den Thoren des neuen Jerusalems einzugehen, Offenb. Joh. 22,14. Der Engel, der Offenb. Joh. 14,18. erscheint, hat Gewalt über das Feuer. Auch auf der Erde hat ein jeder Mensch, wenn er auch keine Obrigkeit ist, Gewalt über dasjenige, was sein eigen, oder ihm anvertraut ist. ist nun der HErr Jesus auch nur Einer dieser Gewalthaber, deren jeder seinen eingeschränkten Bezirk, und viele andere neben sich hat? Nein, Er ist über alle diese Bezirke der Gewalt gesetzt. Er hat alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Es gibt auch Dinge, die nach ihrer Natur kräftig, viel vermögend und durchdringend sind, wie dann die Engel, einige Menschen, viele Thiere und Gewächse, die Gestirne, das himmlische und das irdische Feuer, das Wasser über und unter der Feste, und viele andere Dinge große Kräfte haben. Der HErr Jesus ist aber über alle diese kräftigen und wirksamen Dinge gesetzt. Ihm stehen sie zu Gebote. Er kann sie gebrauchen, wann und wie Er will. Es gibt aber auch Personen im Himmel und auf Erden, welche ohne Absicht auf eine fürstliche Herrschaft über Personen, oder auf eine Gewalt über Sachen, oder auf die Stärke ihrer Natur, nur um ihrer Vortrefflichkeit, oder um ihres von Gott beigelegten Adels oder Vorzugs willen Herren, oder Herrschaften, oder vornehme Personen genannt und so geehrt werden. Aber auch über diese ist der HErr Jesus gesetzt, wie Er dann überhaupt über Alles gesetzt ist, das genannt mag werden, nicht allein in dieser, sondern auch in der zukünftigen Welt, und alle Dinge unter seine Füße gethan sind. Dieses Alles soll unser Vertrauen, das wir auf Ihn setzen sollen, stärken, uns willig machen, Ihm von Herzen unterthan zu sein, und uns antreiben, Ihm die höchste Ehre zu geben.(Magnus Friedrich Roos)

Gott hat Christum gesetzt zum Haupt der Gemeinde über Alles.
Eph. 1,22.

Christus wird Kol. 2,10. das Haupt aller Fürstenthume und Obrigkeit genannt, auch wird Eph. 1,10. gesagt, daß alle Dinge, die im Himmel und auf Erden seien, in Christo und durch Christum unter Ein Haupt gefaßt werden sollen. Diese Aussprüche bedeuten eben so viel als dasjenige, was Paulus Eph. 1,20.21.22. schrieb: Gott hat Christum gesetzt zu Seiner Rechten im Himmel über alle Fürstenthum, Gewalt, Macht, Herrschaft und Alles, was genannt mag werden, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen, und hat alle Dinge unter Seine Füße gethan. Ueber dieses Alles aber reichet dasjenige, was Paulus weiter sagt: Gott hat Christum gesetzt zum Haupt der Gemeinde. Daß hier etwas Ausnehmendes und Besonderes gesagt werde, erhellt daraus, daß die Gemeinde, deren Haupt Christus ist, Sein Leib genannt wird. Sonst wird nichts der Leib Christi genannt, kein Fürstenthum, keine Gewalt und überhaupt nichts von Allem, was in dieser oder in der zukünftigen Welt genannt werden mag, außer der Gemeinde oder Kirche. Von dieser sagt Paulus Eph. 4,16. und Kol. 2,19., daß sie aus Christo als Sein Leib durch Gelenke und Fugen Handreichung empfahe, und daß so ein Glied an dem andern hange, und der ganze Leib zu seiner selbst Besserung wachse zu einem Wachsthum, welches Gottes würdig sei. Christus ist also in einem besondern Verstand das Haupt der Kirche, und die Verbindung zwischen Christo und der Kirche, welche durch diese Redensart angezeigt wird, geht über Alles, was von dem Verhältniß Christi gegen andere Geschöpfe in der heiligen Schrift gesagt wird. Er ist das Haupt: die Kirche ist Sein Leib. Aus Ihm empfängt die Kirche Gnade und Wahrheit, Licht und Leben, Gerechtigkeit und Stärke, und deßwegen sollen wahre Christen als Glieder, an diesem Leib einander Handreichung thun, oder einander eine geistliche Hülfe leisten, oder Eines des Andern Mangel erstatten, aber auch untereinander Eines sein in der Liebe. Und so wächst der Leib sowohl innerlich als äußerlich zu einer Größe, die Gottes Vorsatz und Ehre gemäß ist.
Ein jeder Christ soll sich an Christum als das Haupt Seines Leibes halten; denn Paulus bestraft etliche Irrgeister, die zu seiner Zeit aufgestanden waren, Kol. 2,18. deßwegen, daß sie die Engel verehren, um von ihnen eine Hülfe zu empfahen, und sich nicht an das Haupt Christum halten. Es gibt viele sichtbare und unsichtbare Geschöpfe in der Welt, welche zum Theil eine große Macht und Herrlichkeit haben: aber über alle dieselben muß unser Glaube aufsteigen. An Christum muß sich ein wahrer Christ unmittelbar halten, weil Er das Haupt Seines Lebens, und ein wahrer Christ ein Glied an diesem Leib ist. Dünkt es Jemand ein Stolz zu sein, wenn man sich geradezu an den eingebornen und hochgelobten Sohn Gottes hält: so bedenke man dagegen, daß Paulus diejenigen, die mit ihrer Verehrung und Zuversicht sich zu den Engeln wandten, einer falschen Demuth beschuldige, Kol. 2,18., und daß der Vater selbst Christum zum Haupt der Kirche gesetzt habe. Wir sind also geradezu an Ihn gewiesen. Was wird hernach die Hochzeit des Lammes, was wird der ewige Ehebund zwischen Christo und der Kirche mit sich bringen? Selig ist, wer an diesem Allem einen Antheil hat.(Magnus Friedrich Roos)

Eph. 2

Da wir todt waren in Sünden, hat uns Gott sammt Christo lebendig gemacht.
Eph. 2,5.

Ein Todter hat keine Empfindung, und keine Bewegung von innen heraus. Wer in Sünden todt ist, hat also keine Empfindung der Gnade Gottes, keinen Genuß des Friedens Gottes, kein Gefühl der Liebe und Freundlichkeit Jesu Christi. Was Paulus Hebr. 6,4. von den Erleuchteten sagt, daß sie die himmlische Gabe des Leibes und Blutes Christi, und das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt schmecken, ist ihm gänzlich unbekannt. Zwar kann ein solcher geistlich todter Mensch die verdammende Kraft des Gesetzes zuweilen empfinden, auch kann er göttliche Gnadenzüge oder gute Rührungen zuweilen fühlen: allein diese Empfindungen sind nicht diejenigen, die ein geistliches Leben beweisen. Sie beweisen nur, daß der Mensch der Bekehrung fähig, nicht aber, daß er bekehrt sei. Ein geistlich Todter hat aber auch keine geistliche Bewegung von innen heraus. Der Heilige Geist treibet ihn nicht. Wenn seine Natur durch’s Gesetz oder von Menschen zu etwas, das einem Gottesdienst gleich sieht, getrieben wird, so ist sie unlustig, und läßt bald wieder nach. Er weiß nicht, was die ewig bleibende Liebe zu Jesu, das Anhangen an Ihm, die wahre Andacht im Gebet, das Nachjagen, wovon Paulus Phil. 3,14. und Hebr. 12,14. redet, die Luft abzuscheiden und bei Christo zu sein, und das Warten auf die Zukunft Jesu sei. Bei aller amtlichen, häuslichen und anderen Geschäftigkeit bleibt er in Ansehung seines Seelenzustandes gleichsam auf einer Stelle, stehet den ganzen Tag auf dem Markt der Welt müßig, und wird dem Ziel der Seligkeit um keinen Schritt näher gerückt.
Wie soll nun einem solchen geistlich Todten werden? Menschengebote, Weltweisheit und äußerliche Zucht machen keinen Todten lebendig. Leben kann Niemand geben als Gott, welcher Ps. 19. die lebendige Quelle, oder die Quelle des Lebens heißt. Er thut’s freilich durch Sein Wort, aber so, daß mit demselben eine Kraft von Ihm ausgeht. Wir wissen aber aus dem Evangelio, daß der himmlische Vater den Sünder, indem Er ihn lebendig macht, zur Gemeinschaft mit Seinem Sohn Jesus Christo durch den Heil. Geist bringt, deßwegen schrieb Paulus: Gott hat uns sammt Christo lebendig gemacht, das ist, Er hat uns, da Er uns zu Christo zog, und wir uns an Christo freiwillig ergaben, etwas von dem Leben geschenkt, das Er Christo bei Seiner Auferweckung gegeben hat. Glaubige leben also von dem Leben Christi, gleichwie Reben von dem Saft des Weinstocks grünen, da dann freilich ein geistliches Zunehmen statt hat, bis endlich Gott Alles in Allen sein wird.
Wir sollen uns prüfen, ob wir nicht den Namen haben, daß wir leben, und doch todt seien, Offenb. Joh. 3,1. Es gibt heut zu Tage viele scheinbare Tugendbilder, die inwendig todt sind, und es sind viele Anstalten und Bücher so eingerichtet, auch ist die Auferziehung vieler Kinder so beschaffen, daß solche todte Tugendbilder entstehen können. Freilich sind auch solche Tugendbilder, wenn man sie in der Nähe besieht, nicht so fein, als sie in der Ferne zu sein scheinen; wie denn auch der Bischof zu Sarden, ungeachtet seines guten Namens, Offenb. 3,2. wegen der Unterlassungs-Sünden, und V. 4. auch nicht undeutlich deßwegen, weil er seine Kleider, das ist seine Natur, durch Begehungssünden befleckt hatte, bestraft wird. Es seien aber solche Tugendbilder so fein, als sie wollen, so sind sie verwerflich, wenn sie kein Leben aus Gott in sich haben. Ein todtes Bild taugt nicht in den Himmel. (Magnus Friedrich Roos)

Christus Jesus ist unser Friede.
Eph. 2,14.

Zur Zeit des alten Testaments war das Ceremonialgesetz ein Zaun, welcher Juden und Heiden so von einander trennte, daß jene mit diesen wegen des Verbotes vieler Speisen nicht essen, und wegen des Sabbaths ihnen nicht leicht dienen konnten. Es waltete aber auch zwischen beiden eine Feindschaft, nach welcher die Juden von den Heiden wegen ihres besondern Gottesdienstes gehaßt, die Heiden aber von den Juden als unreine und unwissende Götzendiener verabscheut wurden, so war es schwer, sie zu einer Vereinigung zu bringen. Die Glaubigen aus den Juden verlangten, diejenigen von den Heiden, welche glaubig worden waren, sollten sich beschneiden lassen und das ganze Ceremonialgesetz halten, folglich bei dem Glauben an Jesum jüdische Proselyten werden, damit sie mit ihnen brüderlich umgehen könnten, Ap. Gesch. 15,1. Allein Petrus sagte V. 10.11.: was versucht ihr Gott mit Auflegung des Jochs auf der Jünger Hälse, welches weder unsere Väter noch wir haben mögen tragen? Sondern wir glauben, durch die Gnade des Herrn Jesu Christi selig zu werden, gleicher Weise, wie auch sie, nämlich die Jünger aus den Heiden. Doch wurde damals wegen des Eckels der jüdischen Brüder so weit nachgegeben, daß den heidnischen neben der Hurerei, welche sie im Heidenthum nie für Sünde gehalten hatten, das Essen vom Götzenopfer, vom Blut und vom Erstickten untersagt wurde, V. 29. Uebrigens hat Paulus hernach auf eine völlige Gleichheit und Vereinigung der glaubigen Juden und Heiden gedrungen, und insonderheit Eph. 2,14. behauptet, der Zaun zwischen ihnen sei zerbrochen und es sei der Wille Gottes, daß aus beiden Ein Mensch, Ein Bau und Eine Bürgerschaft im Reich Gottes werde. Der Grund dieser Einheit war nach der Lehre Pauli Christus Jesus. Er ist unser Friede, sagte er, und hat aus Beiden Eins gemacht. In Christo Jesu findet der Israelit durch den Glauben Gnade, Friede mit Gott, und die Hoffnung des ewigen Lebens: und der Heide findet dieses Alles auch in Christo Jesu durch den Glauben. Durch Ihn haben alle beide Zugang in Einem Geiste zum Vater, V. 8.
Auch zu unserer Zeit sind glaubige Christen nicht nur durch die leibliche Abstammung und durch den äußerlichen Stand, sondern auch durch Meinungen und gottesdienstliche Gebräuche, welche nicht zum Wesen des Christenthums gehören, von einander unterschieden: der Unterschied aber soll keine Trennung der Herzen machen. Christus Jesus ist unser Friede. Er ist das Haupt, der Herr, der Erlöser, der Fürsprecher und die Quelle des Lichts und Lebens für Alle. Freilich sollen diejenigen, die bei einander wohnen und zu Einer Gemeinde gehören, auch einerlei Rede führen und fest an einander halten in Einem Sinn, und in einerlei Meinung, wie Paulus den Korinthern 1 Kor. 1,10. befiehlt, weil sonst schädliche und beschwerliche Spaltungen auch über Nebensachen entstehen; doch muß auch zwischen solchen Christen, und zwischen allen übrigen, die einander ganz unbekannt sind, Christus Jesus der Friede sein. Wer sich nicht an Ihn als das Haupt hält, wer Seiner nicht durch den Glauben theilhaftig worden ist oder theilhaftig bleibt, ist kein Bruder, keine Schwester, kein Glied an Seinem Leibe. Er allein hält alle Glieder Seines Leibs durch Seinen Geist zusammen, gleichwie sie auch durch Ihn Friede mit Gott haben.(Magnus Friedrich Roos)

Christus hat getödtet die Feindschaft durch Sich selbst, und ist gekommen, hat verkündiget im Evangelio den Frieden.
Eph. 2,16.17.

Es ist ein theurer kostbarer Friede, der durch das Blut des Sohnes Gottes erkauft worden ist, aber auch ein wichtiger Friede, dessen selige und erfreuliche Folgen für Millionen von Menschen sich in unausdenkliche Ewigkeiten hinaus erstrecken! Das gerechte Mißfallen des heiligen Gottes an Seinen abtrünnigen Geschöpfen, und die bittere Feindschaft der sündhaften Menschen gegen ihren heiligen Schöpfer und HErrn, - beides hat der unvergleichliche Mittler durch Sein blutiges Versühnopfer am Kreuz getilgt, und eben damit nicht nur zwischen Juden und Heiden, sondern zwischen Gott und Menschen Frieden gemacht. Er hat aber auch selbst, in eigener höchster Person, diesen Frieden verkündigt oder feierlich publicirt, nachdem Er von den Todten auferstanden war, und sodann durch Seine Apostel, nach Seiner Himmelfahrt, noch weiter ausgebreitet. Denn das ist der eigentliche Inhalt des Evangelii, das Er aller Kreatur zu predigen befohlen hat, daß durch Seinen Namen Vergebung der Sünden empfangen sollten Alle, die an Ihn glauben.
Nicht im Gesetz, insofern es uns Pflichten vorschreibt, und bei Strafe des Todes und der Verdammniß von uns fordert, - sondern im Evangelio, das von der vollgültigen Versühnungskraft des Todes Jesu handelt, ist der Friede verkündigt, der das Herz des Sünders, der sein Elend fühlt, beruhigen kann. Wen also seine Sündenschulden kränken; wer sich darüber bekümmert, daß er dem Allmächtigen auf tausend Fragen, warum er dieß und jenes gethan oder unterlassen habe, nicht Eine ohne Beschämung und Erröthung beantworten könne; wer es der Stimme seines – durch das Gesetz aufgebrachten Gewissens zugesteht, daß er nicht Gnade und Wohlwollen Gottes, sondern Zorn und Strafe verdient habe; wer die stolze Einbildung, als könnte er durch eigene Tugendübungen die Anklagen, welche das Gesetz wider ihn aufzubringen weiß, ausgleichen, gutwillig fahren läßt, und seinen Mund, als ein überzeugter Uebelthäter, vor Gott in den Staub legt: - nun der soll wissen, daß ohne sein Zuthun alle seine Sündenschulden getilgt und abgethan sind, und daß er nicht erst durch sein Wohlverhalten, nicht durch seine Bekehrung und daraus erfolgende Besserung, nicht durch seinen Fleiß in der Gottseligkeit den Grund zu seine Begnadigung legen dürfe. Nein! er ist schon gelegt. Die durch meine Uebertretungen und Abweichungen geschmälerten Rechte der Gottheit dürfen nicht erst durch mich selbst und durch meine Wirksamkeit im Guten befriedigt werden: sie sind schon zum Voraus befriedigt, und es ist ihnen durch das blutige Opfer des Leibes Christi eine vollkommene Genüge geschehen. Nur soll ich das in Demuth erkennen und meinen unvergleichlichen Bürgen die Ehre lassen, die Ihm gebührt; mit beschämter Dankbarkeit soll ich die unverdiente Begnadigung suchen und annehmen, die mir durch Ihn so sauer erworben und erstritten worden ist. Wenn ich mich dazu bringen lasse, so wird auf der einen Seite Ruhe des Gewissens, und Friede mit Gott, das ist Versicherung Seiner Gnade, in meinem Herzen entstehen; auf der andern Seite aber wird sich, eben darum, weil ich die freie Erbarmung Gottes in Christo Jesu gegen mich zu schätzen weiß, ein ernsthafter Krieg und Streit gegen Alles, was meinem höchsten Wohlthäter zuwider ist, in mir erheben, der sich nicht eher endigen kann, als bis ich in der Siegeskraft meines Erlösers durch die stufenweise fortgehende Ertödtung des Fleisches, das sich dem Geist widersetzen wil, zur vollkommenen Freiheit werde durchgebrochen sein.(Magnus Friedrich Roos)

Eph. 3

Der Reichthum Christi ist unausforschlich.
Eph. 3,8.

Der Reichthum Gottes und Christi kann betrachtet werden, insofern er außer Ihm, und insofern er in Ihm ist. Außer Ihm begreift Sein Reichthum Alles, was erschaffen ist, Ps. 50,10. Hiob 41,2. Ap. Gesch. 17,24. Daraus wird dann der Schluß gemacht, daß Ihm Niemand etwas geben kann, daß Er’s wieder zu vergelten schuldig wäre; denn was man Ihm auch weihet oder opfert, ist schon vorher Sein gewesen. Man ehrt Ihn immer mit Seiner eigenen Habe. Die heilige Schrift preiset aber auch oft den Reichthum, der in Ihm ist, und zwar den Reichthum Seiner Güte, Geduld und Langmüthigkeit, Röm. 2,4., und den Reichthum Seiner Herrlichkeit, Röm. 9,23. Die heilige Schrift braucht hiebei auch das Wort Fülle. Alle Fülle wohnet in Christo, Kol. 1,19., das ist, alles Gute ist als unermeßlich in Ihm. In Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, Kol. 2,9., das ist, die unermeßliche Gottheit ist wesentlich in Ihm. Aus dieser Seiner Fülle kann man Gnade um Gnade, das ist eine Gnade nach der andern, nehmen, Joh. 1,16. Gottes Gnade und Gabe kann Vielen reichlich widerfahren, durch die Gnade des einigen Menschen Jesu Christi, Röm. 5,15. Man kann die Fülle, das ist einen Ueberfluß, der Gnade und Gabe zur Gerechtigkeit empfahen, V. 17.
Röm. 11,33. wird dem göttlichen Reichthum eine Tiefe zugeschrieben, Eph. 3,8. aber wird der Reichthum Christi unausforschlich genannt. Paulus beschreibt aber diesen Reichthum Christi in diesem Kapitel so, daß er sagt, den Fürstenthümern und Herrschaften im Himmel werde an der Kirche die mannigfaltige Weisheit Gottes kund, V. 10. Wir haben durch Christum Freudigkeit und Zugang in aller Zuversicht, und zwar durch den Glauben an Ihn, V. 12. Der himmlische Vater könne und wolle uns nach dem Reichthum Seiner Herrlichkeit Kraft geben, daß wir stark werden durch Seinen Geist am inwendigen Menschen, V. 16. Christus wolle durch den Glauben in unsern Herzen wohnen, und wir sollen in der Liebe Christi tiefe Wurzeln schlagen, und auf dieselben als einen festen Grund erbauet werden, V. 17. Wir sollen mit allen Heiligen begreifen lernen, daß bei dem Vorsatz Gottes in Christo Jesu eine Breite sei, weil alle Heiden durch Christum sollen gesegnet werden, eine Länge, weil dieser Segen durch eine unendliche Ewigkeit fortfließt, eine Tiefe, weil Er sich zu unserer Niedrigkeit herabläßt, und wir dadurch aus einem tiefen Verderben herausgezogen werden, und eine Höhe, weil wir dadurch zu einer hohen Würde und Herrlichkeit gelangen. Doch soll man, ob man gleich dieses Alles überdenkt, auch erkennen, daß die Liebe Christi alle Erkenntniß übertreffe. Man soll aber dieses Alles begreifen und erkennen, damit man mit aller Gottesfülle erfüllt werde, das ist, damit man der Gnade und Gaben Gottes, ja der Inwohnung Gottes selber reichlich theilhaftig werde, V. 18.19. Uebrigens könne Gott überschwenglich thun über Alles, das wir bitten und verstehen, nach der Kraft, die da in uns wirkt, V. 20. Hieraus erhellt, daß Paulus den unausforschlichen Reichthum Christi immer als einen sich selbst mitleidenden Reichthum beschreibe, wie er denn auch Phil. 4,19. schreibt: mein Gott erfülle alle eure Nothdurft nach dem Reichthum Seiner Herrlichkeit in Christo Jesu, und Eph. 1,18. von einem Reichthum des herrlichen Erbes redet, das Gott Seinen Heiligen bereitet habe. Der Reichthum Christi kann und wird also mich Armen reich machen.(Magnus Friedrich Roos)

Und Christum zu wohnen durch den Glauben in euren Herzen.
Eph. 3,17.

Die Inwohnung Christi in den Herzen der Glaubigen zeigt ohne Zweifel an, daß Christus nicht nur ein Lehrer der Menschen sei, der sie durch vernünftige Gründe zum Beifall und zum Gehorsam lenken wolle: denn wer hat jemals gesagt, daß ein solcher Lehrer in den Herzen seiner Schüler wohne? Auch wird durch diese Inwohnung nicht nur Seine Allgegenwart angezeigt; denn ob Er schon nach derselben allenthalben ist, so sagt doch die heilige Schrift nie, daß Er nach derselben allenthalben wohne. Wenn Christus in unsern Herzen wohnt, so lebt Er in uns, wie Paulus Gal. 2,20. redet. Wenn Er aber in uns lebt, so wirkt Er in uns. Er macht sich alle unsere Seelenkräfte unterthänig, zerstört die Sünde, regiert den ganzen Menschen, gibt Sich zu erkennen und zu empfinden, und dieses Alles geschieht durch Seinen Geist. Wenn Christus in einem Herzen wohnt, so hat der Mensch das wesentliche Licht und das ewige Leben aus Gnaden in sich selber; folglich kann der Mensch, so lange diese Inwohnung währt, nicht mehr durchaus finster und todt werden, ob er’s schon in der Anfechtung zuweilen meint. So lange Christus in dem Herzen wohnt, so lange ist der Mensch in Ansehung seines Gnadenstandes unüberwindlich; denn Johannes sagt 1 Joh. 4,4.: der in euch ist, ist größer, denn der in der Welt ist. Wohnt Christus in dem Herzen, so ist der Mensch ein heiliger Tempel Gottes; sein Innerstes ist gereinigt; er hat einen Schatz in sich, der mit nichts zu vergleichen ist; er hat Gemeinschaft mit Gott dem Vater und mit Seinem Sohn Jesu Christo durch den Heiligen Geist; er wird von Gott selbst hochgeschätzt, und, wenn er in diesem Zustand erhalten wird, unfehlbar in den Himmel aufgenommen. Christus wohnt aber durch den Glauben in dem Herzen, und dieser Glaube, der an Einem fortwähren muß, bis das beständige Schauen im Himmel angeht, ist diejenige Fassung, in welcher das Herz gegen Christum stehen muß. Er kommt zu dem Menschen, und macht Wohnung bei ihm (Joh. 14,23.): der Mensch aber glaubet an Ihn als einen unsichtbaren, treuen, gnädigen, wahrhaftigen und vollkommenen Erlöser. Auch so lange Er in dem Herzen des Menschen wohnt und lebt, muß der Mensch im Glauben an Ihn leben, wie Paulus Gal. 2,20. lehret, und auch dasjenige glauben, was Er außer ihm gethan hat, thut und thun wird, da Er Mensch wurde, am Kreuz für die Menschen starb, zur Rechten Gottes für uns bittet, und zum Gericht kommen wird u.s.w. Ob also gleich gesagt wird, daß Christus durch den Glauben in dem Herzen wohne, so werden wir doch nicht angewiesen, immer in uns hinein zu sehen, sondern vielmehr zum Aufschauen auf Christum und zum Halten Seines Wortes aufgerufen. Paulus betete für die Epheser, daß Christus durch den Glauben in ihren Herzen wohnen möchte. Waren einige unter ihnen, welche unter der Bearbeitung des Heiligen Geistes standen, dieser Inwohnung aber noch nicht theilhaftig waren, so bat er den himmlischen Vater, daß Er sie derselben würdigen möchte; bei denjenigen aber, welche diese Inwohnung schon genossen, hatte seine Fürbitte ohne Zweifel die fortwährende Dauer dieses Genusses zum Endzweck. Auch mir und den Meinigen gebe der Vater unseres HErrn Jesu Christi Kraft nach dem Reichthum Seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch Seinen Geist an dem inwendigen Menschen, und Christum zu wohnen durch den Glauben in unsern Herzen, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden!(Magnus Friedrich Roos)

Eph. 4

Christus ist aufgefahren über alle Himmel, auf daß Er Alles erfülle.
Eph. 4,10.

Daß es viele Himmel gebe, ist daraus klar, daß Paulus 2 Kor. 12,2. des dritten Himmels, und Salomo 1 Kön. 8,27. des Himmels aller Himmel, das ist des höchsten Himmels, Meldung thut, Paulus aber Eph. 4,10. von allen Himmeln redet. Es ist gewiß, daß diese Himmel, und Alle, die in denselben wohnen (Offenb. 12,12.), von Gott erschaffen, übrigens aber der herrlichste Theil der Welt seien. Christus ist aber über alle Himmel aufgefahren, weil der Vater ihm Alles, folglich auch die Himmel, unter Seine Füße gethan hat, und Seine Herrlichkeit größer und Sein Name höher ist als der Engel, Hebr. 1,4. Er ist aber über alle Himmel aufgefahren, auf daß Er Alles erfülle; denn dieses Auffahren setzt, wie Paulus Eph. 4,9. erinnert, voraus, daß Er vorher in der Niedrigkeit, nämlich in den untern Gegenden der Erde gewesen sei. Nun machen Himmel und Erde nach dem perspektivischen Blick die zwei Theile des großen Weltalls aus: zu der Erde gehört aber nach dieser Eintheilung auch die Hölle (Hades), worein Christus nach Seinem Tod hinabgestiegen ist, und wo Er den Geistern im Gefängniß gepredigt hat. Nun erfüllt Christus die bewohnbare Erde mit Seiner Herrlichkeit durch das Evangelium, das Er aller Kreatur zu predigen befohlen hat; die Hölle aber oder das Reich der Todten hat Er durch Seine Erscheinung in derselben mit der Offenbarung Seiner Majestät erfüllt. Da Er nun auch über alle Himmel aufgefahren ist, so hat Er vollends Alles erfüllt. Es ist gewiß, daß bei der Himmelfahrt oder Erhöhung Jesu in allen Himmeln große Bewegungen vorgegangen seien. Alle Inwohner derselben sahen und bewunderten Ihn und beteten Ihn mit großer Demuth und Freude an. Er ging in das himmlische Heiligthum hinein, und eröffnete es auch für die Menschen. Er führte alle Menschenseelen, die in den Himmeln auf Ihn gewartet hatten, in dasselbe hinein, und näher zu dem Thron Gottes hin. Er setzte sich auf diesen Thron, wohin kein Erzengel und keine andere Kreatur erhoben wird. Nun ward Er auch nach Seiner menschlichen Natur der Allerhöchste, wie Ihn denn Johannes Offenb. 5,6. mitten auf dem göttlichen Thron als ein Lämmlein sahe, und das Lob hörte, welches Ihm und dem Vater zugerufen wurde. So weit ist derjenige erhöht worden, der als ein Kind in einer Krippe gelegen ist, zu Nazareth Zimmerarbeiten verrichtet hat, vor dem Kaiphas und Pilatus als ein Verklagter gestanden, von losen Leuten angespieen, geschlagen und verhöhnt worden, und zwischen zwei Uebelthätern am Kreuz gehangen ist.
Ist Christus über alle Himmel aufgefahren, so kann man zu Ihm sagen: wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde (weil Du höher bist als die Erde und alle Himmel), (weil Du höher bist als die Erde und alle Himmel), wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Theil, Ps. 73,25.26. Assaph, der diese Worte Ps. 73,25.26. schrieb, hatte eine so klare Erkenntniß, und ein so reines Gefühl, daß er auch die Himmel, zu geschweigen die Erde, nicht angenommen hätte, wenn man ihm dieselben ohne Gott gegeben hätte. Wir, die wir das Licht des Neuen Testaments genießen, sind noch mehr verpflichtet, also gesinnt zu sein. Gott, der allein gut ist, Christus, der über alle Himmel aufgefahren ist, soll allein unsers Herzens Trost und unser Theil sein.(Magnus Friedrich Roos)

Ihr seid versiegelt durch den Heiligen Geist auf den Tag der Erlösung.
Eph. 4,30.

Der Tag der Erlösung ist bei den Gerechten der Todestag, denn an diesem geschieht, was Paulus nach 2 Tim. 4,18. hoffte, indem er schrieb: der HErr wird mich erlösen von allem Uebel (bösen Handel), und aushelfen zu Seinem himmlischen Reich, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der Tag der völligen Erlösung ist aber der Tag der Auferstehung, an welchem dasjenige bei den Gerechten geschehen wird, was 1 Kor. 15,53.54. geschrieben steht: dieß Verwesliche muß anziehen das Unverwesliche, und dieß Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit. Dann wird erfüllet werden das Wort, das geschrieben steht: Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Nicht alle Menschen erlangen diese Erlösung. Viele kommen durch den Tod in höllische Gefängnisse, wo sie mit großer Angst unter dem Gefühl des Zorns Gottes auf den Gerichtstag warten; und diese sind es, die zum Gericht oder zur ewigen Schmach und Schande aufstehen, und deren Ende die Verdammniß (oder Verderben) ist (Phil. 3,19.). Wenn man aber das ganze menschliche Geschlecht übersehen könnte, so wäre die Frage, woran man diejenigen erkennen könne, oder durch was diejenigen ausgezeichnet seien, welche die Erlösung von allem Uebel zu hoffen haben? Paulus antwortet aber, daß sie an der Gabe des Heiligen Geistes, welche sie empfangen haben, zu erkennen, oder durch den Heiligen Geist versiegelt seien. Wie man dieses Siegel empfange, lehrt Paulus Eph. 1,3., da er sagt: durch Christum habt ihr gehört das Wort der Wahrheit, nämlich das Evangelium von eurer Seligkeit, und durch denselben seid ihr, da ihr glaubet (oder glaubig wurdet), versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung. Der Mensch hört also durch Christi Gnade das Evangelium von seiner Seligkeit, er glaubt es, und indem er’s glaubt, empfängt er den verheißenen Heiligen Geist als ein Siegel, wodurch er ausgezeichnet wird als einer von denjenigen, welche die Erlösung von allem Uebel zu hoffen haben. Ein glaubiger Christ kann und soll sich dieses Siegels bewußt sein, denn der Heilige Geist ist in ihm lebendig, und offenbart Sich durch alle diejenigen Wirkungen, welche Ihm in der Heiligen Schrift zugeschrieben werden. Weil auch bei dem Fortfahren in der Heiligung diese Wirkungen immer völliger und deutlicher werden, so wird sich auch der Mensch seiner geschehen Versieglung, folglich auch seines Gnadenstandes immer besser bewußt, und seine Hoffnung der Erlösung von allem Elend wird immer fester. Uebrigens ist freilich dieses Siegel Gott allein sichtbar. Er kennt die Seinen mit der allerhellsten Erkenntniß, weil Er das Siegel in ihnen sieht, welches sie von Ihm selbst empfangen haben. Den Menschen aber, welche geistliche Sachen geistlich richten oder beurtheilen können, wird dieses Siegel durch die Worte, Werke und Geberden an Andern offenbar, wenn sie nämlich Andere eine geraume Zeit und unter verschiedenen Umständen, welche keiner Verstellung Raum lassen, beobachten können. Welch ein großes Glück ist’s aber, versiegelt zu sein auf den Tag der Erlösung! Wenn in der letzten Krankheit der Leib und die Seele in gewissem Maße verschmachtet sind, und der Todestag endlich kommt, und die Seele kann denselben durch die Kraft des Heiligen Geistes als den Tag ihrer Erlösung ansehen; und wenn der Tag des Gerichts einbricht, da ein Jeder empfahen soll, nach dem er bei Leibesleben gehandelt hat, und der Mensch kann diesen Tag als den Tag der völligen Erlösung von allen Folgen der Sünden ansehen: welch eine Glückseligkeit ist das!(Magnus Friedrich Roos)

Eph. 5

Sehet zu, daß ihr vorsichtig wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen, und schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit.
Eph. 5,15.16.

Vorsichtig soll man wandeln, pünktlich soll man in seinem Thun und Lassen sein, genau soll man’s mit der Sünde nehmen, weil man ein Nachfolger Gottes als Sein liebes Kind sein, und Seinen Willen, der nicht immer bei dem ersten Anblick klar ist, thun soll, Eph. 5,1.17. Zur Vorsichtigkeit gehört Weisheit, und wem’s daran mangelt, der bitte von Gott, der da gibt einfältiglich Jedermann, so wird sie ihm gegeben werden, Jak. 1,5. Vieles hat zuerst einen guten Schein. Der Geiz zeigt sich in der Gestalt der Sparsamkeit, die Gleichförmigkeit mit der Welt und das Vertrauen auf’s Fleisch in der Gestalt der Menschenliebe und Klugheit, der Zorn und die Rachgier in der Gestalt der Gerechtigkeit. Man hört auch oft vergebliche Worte von Andern, Eph. 5,6., welche den Christen bereden wollen, er solle so und so handeln, es habe nichts zu bedeuten. Hier fahre man nur nicht schnell zu, man stehe lieber still, und bitte um Weisheit, und warte auf’s göttliche Licht, damit man in demselben einsehen könne, was des HErrn Wille sei, V. 17. Die Zeit ist bös. Man wird oft bedrängt und gehindert, Gutes zu thun: darum soll man sie auskaufen, das ist, eine jede Stunde, worin man Gutes thun kann, benützen und andere unnöthige Dinge dagegen fahren lassen. Auch zur bösen Zeit, da das Gute vielen Widerstand hat, darf man sein Pfund nicht begraben, das ist, zur Ausrichtung des Willens Gottes nicht verzagt und verdrossen sein, sondern, so bald und so oft man Zeit hat, Alles, was zu thun vorhanden kommt, frisch thun (Pred. Sal. 9,10.), und den Erfolg oder Nutzen dem HErrn empfehlen.
Die böse Zeit berechtigt also Niemand, bös zu bleiben, und mit seiner Bekehrung zu warten, bis eine bessere Zeit komme; denn auf diese Zeit müßte man zu lange warten. Die Zeit, da die Apostel lebten, war eine gute Zeit, insofern man damals diese heiligen Männer, die mit ihrem Licht alle Propheten übertrafen, zu Lehrern und geistliche Führern haben konnte und doch war’s auch eine böse Zeit, wegen der Verführer und Verfolger, die sich allenthalben zeigten. Aber auch zu dieser bösen Zeit wurden viele Leute glaubig, wandelten in der Wahrheit, und erlangten die Ruhe Gottes. Die Welt ist heuchlerisch und arglistig, aber die Weisheit der Kinder des Lichts entgeht ihrer argen List. Der Weg, der zum Leben führt, ist schmal, mit Vorsichtigkeit kann man aber doch darauf wandeln. Lasset uns Gott bitten, daß Er uns tüchtig mache, diese Ermahnung Pauli auszuüben. Die Zeit ist kurz; das Kleinod, dem man nachjagt, sehr kostbar. Am Ende wird bei den Faulen und Abtrünnigen keine Entschuldigung gelten. Wir haben einen guten Hirten, der das Verwundete verbindet, des Schwachen wartet, und eines Jeden pflegt, wie es recht ist. Er hat Geduld mit uns, und will das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen, und das glimmende Docht nicht auslöschen. Er gibt den Müden Kraft und Stärke genug den Unvermögenden. Unter der Pflege dieses guten HErrn kann man auf dem schmalen Weg fortkommen, die Welt überwinden, und auch zur bösen Zeit das gute Loos der Seligkeit erlangen.(Magnus Friedrich Roos)

Eph. 6

Seid stark in dem HErrn und in der Macht Seiner Stärke.
Eph. 6,10.

Pharao, der König in Egypten, verstockte sein Herz, und wurde dadurch so fest und stark in seinem Muth, daß er alle Befehle Gottes, die durch Moses an ihn ergingen, mit Verachtung abweisen konnte, ob sie schon durch große und schreckliche Wunder bestätigt waren. Von dem König Antiochus dem Edlen, von dessen Uebelthaten die Bücher der Maccabäer zeugen, wird Dan. 8,23. geweissagt, daß er stark von Angesicht sein werde, weil sein Angesicht bei keiner Schandthat eine Scham, und bei keiner Grausamkeit ein Mitleiden zeigen werde, wie denn diese Redensart Spr. Sal. 7,13. von einer unverschämten Hure, und 5 Mos. 28,50. von unbarmherzigen und grausamen Leuten gebraucht wird. Auch wird in der heiligen Schrift oft von Leuten geredet, die kein Arges scheuen, Ps. 36,5., und nach ihres Herzens steifem Gutdünken oder Willen wandeln, und entweder denken oder auch sprechen, was die Juden zu dem Jeremias Kap. 44,16.17. gesagt haben: nach dem Wort, das du im Namen des HErrn uns sagest, wollen wir dir nicht gehorchen, sondern wir wollen thun nach allem dem Wort, das aus unserem Munde geht. Gibt es nicht auch unter uns Leute, zu denen Gott den ganzen Tag Seine Hände ausstreckt, die sich aber nicht sagen lassen, und widersprechen? Röm. 10,21. Solche Leute kann man starke Geister in einem bösen Verstand nennen. Hingegen wird in der heiligen Schrift ein zerknirschtes und zerschlagenes Herz, ein zerbrochener Geist, ein fleischernes oder weiches Herz, ein Herz, das gegen Gottes Wort zart oder empfindsam ist, dergleichen eines Josia hatte, 2 Chron. 34,27., gepriesen. Dabei kann man in dem HErrn stark sein und in der Macht Seiner Stärke. Man widersetzt sich hier nicht dem Geist Gottes, sondern dem Satan und allem Bösen, das er in der Welt angerichtet hat. Dieses Böse ist entweder drückend oder reizend; wer aber in dem HErrn stark ist, bleibt unter dem Druck fest und unbeweglich, ja er bleibt heiter, und läßt sich den anhaltenden Druck in keine verdrießliche Mattigkeit hineintreiben; dennoch bleib’ ich stets an Dir, sagt ein solcher Mensch, wie der geplagte Assaph; den Reizungen aber widersteht er durch die Erkenntniß der Wahrheit, welche ihm die damit verbundene Gefahr entdeckt, und mit einem Glauben, welcher nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare sieht. Beide Aeußerungen der geistlichen Stärke konnte man an Mose sehr deutlich wahrnehmen, Hebr. 11,24. u.ff. Alle irdischen Dinge unter der Sonne werden im Fortgang der Zeit matt, und durch eine zerstörende Kraft aufgerieben; aber die Stärke in dem HErrn ist über die Eitelkeit erhaben und in ihr selbst unvergänglich. Wenn solche Stärke gleich alt werden, sollen sie doch im Geist fruchtbar und frisch sein, daß sie verkündigen, daß der HErr so fromm ist, ihr Hort, und ist kein Unrecht an Ihm, Ps. 92,15.16. Nach dieser Geistesstärke sollen alle Kinder Gottes streben, und die Ermahnung Pauli, 1 Kor. 16,13: wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark, auf sich deuten. Die höchste Nothwendigkeit erfordert diese Stärke, weil man ohne dieselbe durch die vielen aufstoßenden Versuchungen nicht durchdringt. Wo findet man sie aber? In dem HErrn Jesu, in dem eine Seele bleiben muß wie eine Rebe am Weinstock, und in der Macht Seiner Stärke, womit Er die Seele festhält, ja womit Er in ihr lebt.(Magnus Friedrich Roos)

Seid stark in dem HErrn und in der Macht Seiner Stärke.
Eph. 6,10.

Wer Goliaths Harnisch anziehen, und seine Waffen gebrauchen sollte, müßte eine innerliche Stärke dazu haben: und so verhält es sich auch mit dem Harnisch Gottes, der Eph. 6,13-17. stückweis beschrieben wird. Paulus setzt nämlich, da er davon handeln wollte, die Ermahnung voraus: seid stark in dem HErrn und in der Macht Seiner Stärke. Man soll nämlich gegen die listigen Anläufe des Teufels bestehen, V. 11., man hat nicht (nur) mit Fleisch und Blut, das ist mit Menschen als Menschen, sondern mit argen Geistern zu kämpfen, unter denen es Fürsten und Gewaltige gibt, und die mit einander als Herren der Welt in der Finsterniß dieser Welt herrschen. V. 12. Diese argen Geister können unmittelbar in einen Menschen wirken, sie können aber auch, wenn sie dieses bei einem Menschen thun, denselben als ein Werkzeug brauchen, Andere zu versuchen und zu plagen. Ein Christ, der dieses lieset, sehe auf seinen Lauf zurück. Wie viele Versuchungen zur Wollust, zum Stolz, Zorn, Neid, Haß, Rachgier, zur Ungeduld, Kleinmüthigkeit, Trägheit, Erhebung seiner selbst, zum Geiz u.s.w. sind ihm schon aufgestoßen, und daraus kann er den Schluß machen, daß ihm noch mehrere derselben, so lange er in dieser Welt leben wird, aufstoßen werden. Welchen Druck kann auch noch die letzte Krankheit auf die Seele thun? Wer kann nun überall bestehen? Wer kann an einem jeden bösen Tag Alles wohl ausrichten und das Feld behalten? Niemand, als wer stark in dem HErrn ist und in der Macht Seiner Stärke, und als ein solcher die Waffenrüstung Gottes angezogen hat. Was die Stärke in dem HErrn anbelangt, so ist sie freilich nicht die Stärke der sogenannten starken Geister, nicht der natürliche Muth, Scharfsinn und Eigensinn, sondern sie ist die Kraft eines Christen, welche er deßwegen hat, weil er in Christo Jesu ist. Er ist alsdann stark in der Macht der Stärke Christi. Christus nämlich, der die unermeßliche Stärke oder Kraft des göttlichen Wesens in Sich selbst hat, und deßwegen nicht nur nicht überwältigt werden kann, sondern auch mächtig genug ist, Alles was sich Ihm entgegen setzt, zu überwinden, theilt der Seele etwas von der Macht Seiner Stärke mit, und kann ihr desto mehr mittheilen, je mehr sie ausgeleert ist von dem Vertrauen auf sich selbst und auf andere Geschöpfe. Ein Christ sei und fühle sich nur schwach in sich selbst; denn die Kraft Christi wird in der Schwachheit vollendet, oder völlig geoffenbaret. Ein Christ werde leer, damit ihn Jesus mit dem Geist der Kraft füllen könne. Er lasse sich alle falschen Stützen nehmen, damit er allein an dem HErrn bange. Er werde mißtrauisch gegen alle eitlen Dinge, und vertraue sich zuversichlich der Hand Jesu Christi und Seines himmlischen Vaters, der größer ist als Alles. Ach daß wir viele starke Christen hätten, damit der ärgerlichen Fälle, der schädlichen Verwirrungen und verderblichen Rückfälle unter den Erweckten weniger würde! Der himmlische Vater gebe uns Kraft nach dem Reichthum Seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch Seinen Geist an dem inwendigen Menschen, und Christum zu wohnen durch den Glauben in unsern Herzen, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet zu werden. Eph. 3,16.17. Er stärke und bewahre uns vor dem Argen. 2 Thess. 3,3.(Magnus Friedrich Roos)

Vor allen Dingen ergreift den Schild des Glaubens, womit ihr auslöschen könnet alle feurigen Pfeile des Bösewichts.
Eph. 6,16.

Kinder Gottes leben unter bösen Menschen und zugleich unter bösen Geistern. Jene sind bei Weitem nicht so fürchterlich als diese, und schaden meistens nur deßwegen, weil sie aus einem ihnen selbst unbekannten Antrieb böser Geister handeln, welche sie verschmitzter und grimmiger machen, als sie für sich selbst wären. Um der bösen Engel willen, sagt Paulus, sei es nöthig, den Harnisch oder die Waffenrüstung Gottes anzuziehen, und sagt, dieser bestehe erstlich in der Gurt der Wahrheit, womit die Lenden umgürtet sein sollen. Wer nämlich wider die bösen Engel bestehen will, muß zu allen Uebungen des Christenthums wie ein Soldat gegürtet, das ist fertig und munter sein, und zwar soll er sich mit Wahrheit, dass ist mit rechtschaffenem Wesen oder Redlichkeit, umgürten. Er muß aus der Wahrheit sein, in der Wahrheit wandeln, und nach der Regel des wahrhaftigen Wortes Gottes handeln. Wer als ein Heuchler mit Lügen umgeht, ist vom Satan schon verschlungen. Die Brust soll mit dem Brustharnisch der Gerechtigkeit bedeckt sein, daß er sagen könne: nun wir denn sind gerecht worden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott, durch unsern HErrn Jesum Christum. Die Füße sollen gestiefelt sein durch die Fertigkeit oder Munterkeit, welche das Evangelium des Friedens verschafft, welches nämlich den Christen stärkt, gewisse Tritte zu thun auf dem Weg, der zum himmlischen Vaterland führt, und auf diesem Weg nicht müde zu werden. Vor allen Dingen aber soll er den Schild des Glaubens ergreifen, mit welchem er alle feurigen Pfeile des Bösewichts auslöschen kann. Diese feurigen Pfeile sind ohne Zweifel alle gefährlichen Reizungen zum Abfall von Gott, zur Lästerung Gottes, zur Verleugnung des Namens Jesu, und zu allen schweren Sündenfällen. Gegen dieselben ist nichts nöthiger als der Glaube. Der Glaube ist eine Stärke der Seele. Der Glaube hält sich an das Wort Gottes. Der Glaube sieht auf Jesum und Sein unsichtbares Reich. Der Glaube weicht nicht, flieht nicht, fürchtet sich nicht. Wer also im Glauben fest steht, kann die feurigen Pfeile des Bösewichts, wenn man auch eine Zeit lang dadurch geplagt wird, auslöschen. Er hat nämlich wegen seines standhaften Glaubens keinen Schaden von denselben, und wird von zeit zu Zeit ihrer gar los, da hingegen ein unglaubiger, furchtsamer und verzagter Mensch von ihnen nicht nur geängstet, sondern auch wohl gar tödtlich verwundet wird. Doch verursachen diese Pfeile, und überhaupt alle Werke des Bösewichts auch dem Glaubigen ein Leiden. Ja wohl; deßwegen soll er den Helm des Heils nehmen, welcher 1 Thess. 5,8. ein Helm der Hoffnung zur Seligkeit heißt. er darf nämlich wie Jakob sagen: HErr, ich warte auf Dein Heil. Er darf die Seligkeit, das ist die Erlösung von allem Uebel, hoffen; dabei aber wider Menschen, die Satans Werkzeuge sind, das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes, brauchen, um sie heilsam zu verwunden; und in allem Anliegen beten. Mit dieser ganzen Waffenrüstung wünsche ich immer angezogen zu sein, damit ich an jedem bösen Tage Widerstand thun, und Alles wohl ausrichten und das Feld behalten möge.

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