Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen – Der 70. Psalm.

Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen – Der 70. Psalm.

1. Ein Psalm Davids, vorzusingen zum Gedächtnis. 2. Eile, GOtt, mich zu erretten, HErr, mir zu helfen. 3. Es müssen sich schämen, und zu Schanden werden, die nach meiner Seele stehen; sie müssen zurück kehren, und gehöhnt werden, die mir Übels wünschen, 4. Dass sie müssen wiederum zu Schanden werden, die da über mich schreien: Da, da! 5. Freuen und fröhlich müssen sein an dir, die nach dir fragen; und die dein Heil lieben, immer sagen: Hochgelobt sei GOtt, 6. Ich aber bin elend und arm. GOtt, eile zu mir, denn Du bist mein Helfer und Erretter; mein GOtt, verziehe nicht.

Der 70. Psalm heißt 1) in seiner Überschrift: Ein Psalm Davids, vorzusingen zum Gedächtnis. Wie man im menschlichen Leben sagt: Ein Moratorium oder Bittschrift eingeben, oder eine Sache, die man schon einmal vorgestellt, durch wiederholtes Bitten wieder ins Angedenken bringen; so ist dieser Psalm zum Gedächtnis, eine Anmahnung ergehen zu lassen. Damit kommt der Inhalt überein, als welcher fast von Wort zu Wort aus dem Schluss des 40. Psalm genommen ist, nach dem 14. Vers, und folgenden. Selbiger Psalm ist ein Leidens-Psalm Christi. Und da nun der Geist Christi dem David so schickliche Seufzer in Herz und Mund gelegt hatte, so mag er sich derselbigen auch sonst gern bedient haben. Daraus sieht man, dass auch nach einer wackern Vorschrift mit einerlei Worten mehrmals zu beten schicklich ist, wenn unsere innere Gestalt wohl darin ausgedrückt ist, und man sein Verlangen mit den wohleingerichteten Worten allemal aufs Neue vereinigen kann. Der Psalm selbst hat nun 2) eine dringende Bitte um eilfertige Hilfe, den Feinden zur Beschämung und den Gottseligen zur Freude, V. 2-5. 3) Im Schluss fasst David noch einmal Alles zusammen, wie er sein Elend und seine Klagen darüber, seine Bitten und Gebet vor GOtt bringen will, V. 6. Darf man denn dem lieben GOtt so Zeit zur eilfertigen Hilfe vorschreiben? Es ist beim Gebet so, wie es Römer 8,27. heißt: der die Herzen forscht, weiß, was des Geistes Sinn sei. Es ist oft beim Beten eine eilfertige Hilfe, doch im Herzensgrund eine innige Aufforderung an GOtt und Seinen Willen. Und so kann oft umgekehrt die Bitte den Worten nach sehr gelassen scheinen, und doch ein harter Eigenwille und verwerflicher Zweifelmut dahinter stecken. Man fühlt freilich das bekannte Wort:

Vernunft wider den Glauben ficht,
Aufs Künftige will sie trauen nicht:

niemals beschwerlicher als um solche Zeit, wo uns eilfertige Hilfe Not zu sein dünkt.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/r/rieger_k/rieger-psalmen-psalm_70.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain