Rieger, Georg Conrad - Kirchengeschichte

Rieger, Georg Conrad - Kirchengeschichte

Eine bemerkenswerthe Stelle aus des seeligen Riegers Schriften, die Kirchengeschichte betreffend.

Ich habe schon von meinen Studentenjahren an, aber vergeblich gewünscht, das Reich des ewigen Königs Jesu Christi auf Erden ohne Lücke, aufzusuchen. Zwar hat nie keiner geträumet, daß das Reich Jesu Christi jemals nur eine Stunde aufgehöret habe. Hat man es nicht überall mit äusserlichen Geberden, und einer Parade sehen, und mit Fingern deuten können, siehe, hie und da ist es, so glauben wir doch gottseelig, daß es in manchen Menschen noch inwendig gewesen sey. Gleichwohl will es einen oft irren im Gemüth, wenn einer nicht auch die Spuren dieses Reiches deutlich und mit Augen sehen solle. Hingegen bringt es eine gewisse Vergnügung, wenn ich die Spuren dieses Königs auch mitten im Staube entdecken kann. Es geht mir aufs wenigste mit der Kirche, wie mit der Schrift. Ich weiß und glaube festiglich, daß Christus der Kern und Stern der ganzen heiligen Schrift ist, ich glaube, daß alle Propheten, alle Bücher, kurz, alle Schriften von ihm zeugen, daß alle Anstalten auf Ihn zielen, daß alles voll Christi ist, aber ich kann ihn doch nicht immerdar und allenthalben sehen. Er stehet wie hinter der Wand, und verbirget sich hinter einer Wolke. Hingegen geschieht es, daß ich ihn heute zu meiner unaussprechlichen Ergötzung erblicke, wo ich ihn gestern kaum gesucht habe.

Eben so sieht er in seinem Reiche der Kirche, wie durchs Gitter oft, daß ich ihn nicht recht kenne. Der Teufel hat die Kirche mit solchen Aergernissen bedeckt, daß ich den Herrn davor oft nicht sehe. Ich glaube und singe zwar: Der HErr ist noch und nimmer nicht, von seinem Volk geschieden; aber, was ists, wenn der HErr Jesus persönlich und sichtbarlich vor der Maria Magdalena steht, und sie kennet ihn doch nicht, so weinet sie eben bitterlich, und Engelerscheinungen sind ihr zum Troste nicht hinreichend; da ihr aber die Augen geöfnet werden, daß sie sihet, ihr Herr sey nicht weggetragen, er sey persönlich gegenwärtig, und zwar gerade an dem Orte, und, wo sie es nicht meynte, so ist ihre Freude überschwänglich. Und dieses halte ich für einen der größten Nutzen der Kirchengeschichte, mitten an dem Orte oft Christum zu finden, wo man meynte, daß nichts, als Irrthum, Abfall, Verderbniß sey.

Die wahre Kirche, die den Herrn JEsum ehret und liebet, hat niemals, weder im rechten Glauben noch heiligen Leben, so aufgehört, daß nicht immer welche übriggeblieben wären, die in der Rede Jesu geblieben, seine rechte Jünger gewesen, und den neben aufgekommnen herrschenden Irrthümern widersprochen haben. Die Apostel des Herrn haben schöne griechische Kirchen gepflanzet; einige griechische Kirchen haben die Hauptwahrheiten länger rein behalten, als die Römischen. Im neunten Jahrhunderte haben griechische Lehrer die Christliche Lehre in Böhmen gepflanzet; in Böhmen sind manche Zeugen der Wahrheit gewesen, bis auf Hussen, und Huß hat die Gläubigen gestärkt, daß sie haben ausharren können bis zur Reformation.

Quelle: Wöchentliche Beyträge zur Beförderung der ächten Gottseligkeit.

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