Rhegius, Urbanus - Schlußrede des Dr. Urbani Regii von weltlicher Gewalt wider die Aufrührischen

Rhegius, Urbanus - Schlußrede des Dr. Urbani Regii von weltlicher Gewalt wider die Aufrührischen

  1. Wenn alle Menschen zugleich sich selbst und ihren Nächsten liebten, und also der Lehre Christi allzugleich gemäß lebten, da würde die allerbeste Polizei, Niemand beschädigte den andern, Niemand stähle, raubte, wucherte, Jedermann hätte seine Nothdurft und wäre allenthalben guter Friede, und das will Christus in seinen Jüngern, den Christen, daß sie Kinder Gottes seien, ihm in der Unschuld gleichbürtig.
  2. Dieweil aber wenig auf Erden die Gebote Gottes halten, ja die Welt ganz darwider ficht und tobt, so hat Gott eine andere Arznei fürsehen, dadurch das Ungestüm der ertobten Welt gezähmt werde, daß sie nicht alles das vollbrächt mit Werken, darzu sie Lust und Begierde hat, und hat also das weltliche Schwert aufgesetzt, nicht daß es den wahren Christen von Nöthen wäre, welche sonst Jedermann unschädlich leben.
  3. Dann als Paulus spricht: die Gewaltigen sind nicht den guten, sondern den bösen Werken zu fürchten, Gott braucht das Schwert nicht wider die, so christliche Liebe halten, gütig und freundlich sind nach dem Exempel Christi, sondern wider die, so rauben, betrügen, verletzen, auf daß ihre Bosheit nicht weiter ausreiße, und daß man Friede von ihnen haben möge.
  4. Mit den Bösen, Unchristlichen ists wie mit den Unsinnigen; dieselbigen legt man gefangen, bindet sie mit Ketten, und behamelt sie, nicht daß sie damit gesund oder rechtsinnig werden, sondern daß sie Niemand Schaden zufügen; die Rechtsinnigen bedürfen weder Kerker noch Ketten.
  5. Dies Schwert, ein Schrecken der Bösen, mögen auch mit gutem Gewissen die Christenleute führen und brauchen. Also brauchte es Abraham (1. Mos. 14) wider die heidnischen König; desgleichen David, Daniel und seine Gesellen zu Babylon. Im neuen Testamente leidet Johannes das Schwert als nothwendig zur Erhaltung gemeinen Friedens (Luc. 3). Desgleichen Cornelius (Ap. G. 10). Ja sintemal die Gewalt eine Dienerin Gottes ist, eine Rächerin zur Strafe über den so Böses thut; so ist Niemand zu rechtem Brauch des Schwerts tauglicher, denn ein Christenmensch, der von Art seines Glaubens geneigt ist zu den Dingen, die der Gewalt zugehören, als Vorsehen, daß Niemand beleidigt werde, Wittwen und Waisen beschirmt werden, der Bedrängte erlöst, als Gott erheischt (Jesaias 1 und Jeremias 22).
  6. Wer kann besser Justition halten, denn ein Christ, der den gerechten Zorn Gottes ordentlich erzeigt wider die Bösen? Es ist eine solche Gewalt gleich wie ein Handwerk oder Hütung der wilden Thiere, oder Züchtigung der ungezähmten Jugend, durch welches dem Bösen gewehrt wird, daß es seinen freien Gang nicht haben mag, wiewohl die, so man zähmt und behamelt, dadurch nicht besser werden, doch ist der gut, der ihnen wehret.
  7. Also ist ein Fürst und eine jegliche Obrigkeit schuldig aus Pflicht ihres Amts, seine Unterthanen zu beschirmen, daß sie nicht müssen Raub, Betrug und Gewalt von Jemand leiden, denn darum nennt es der Geist Richter des Erdreichs (Psalm 2). Wie wohl die christlichen Unterthanen keine Rache begehren, sondern halten sich zur Lehre Christi (Matth. 5): also that Christus vor dem Bischof Annas, da er den Backenstreich empfing; wiewohl er nicht hieß zum andern Mal schlagen, dennoch stand er, floh nicht, wehrte sich auch nicht, sondern bot den andern Backen dar, ja sich selbst gar. Denn ich soll meinen Feind nicht hassen, daß er mir Böses thue, ich soll aber stehen, ohne meine Selbstbeschirmung und Wiedervergeltung, also daß ich bereit sei, ob er noch mehr Uebels an mir thun wolle, dasselbige auch zu leiden, als Paulus heißt: (Röm. 12) ihr Geliebten, rächt euch selbst nicht, gebt Raum dem Zorn, wie geschrieben ist: Mir die Rache, ich will widergelten.
  8. Was aber (Matth. 5. 6. 7) geboten wird, ist obgeschriebener Lehre ganz nicht entgegen; denn er sagt daselbst nichts von weltlicher Gewalt, sondern lehret lauter und einfältiglich allein die Seinen, das ist die Christen. Wo dieselbigen allein wären in der Welt, so wäre keines Schwerts noch weltlicher Gewalt noth. Dieweil aber diese Gebote Christi an obgemeldetem Orte Matthei nicht gehalten werden, und der mehrste Theil der ganzen Welt nimmt diese Gebote nicht an, darum wird diese Lehre zu hoch und unmöglich geachtet, und ist von nöthen, daß man um derselbigen willen auch andere Gesetze habe, als Gesetze des Schwerts; welches Schwert mittelt also zwischen christlichem Wandel und weltlicher heidnischer Bosheit, daß die, so nicht christlich leben wollen, doch nicht so böse und schädlich mögen sein, als sie gern wären, wo man ihnen nicht wehret und also zum wenigsten ein äußerlicher Friede in der Welt erhalten werde zeitlich, so sie vor Gott in ihrem Gewissen geistlich keinen Frieden haben. Und solchen Frieden mögen die Guten und die Bösen durch den Brauch des Schwerts fördern; gleich wie sie sonst ein ander Handwerk mögen üben zu ihrer Nahrung.
  9. Also haben wir Einsetzung der weltlichen Gewalt (zum Römern am 13), welcher alle Menschen durch das göttliche Recht werden unterworfen, ohne allen Unterschied der Person. Welcher dieser Gewalt widersteht, der widersteht der göttlichen Ordnung, derhalben wird er über sich ein Urtheil empfangen.
  10. Und ist keine Entschuldigung, daß man spricht, die Obrigkeit ist nicht fromm und kleinmüthig; denn du bist deinem Oberherrn nicht gehorsam um sein selbst willen, als eben derselbigen Person, sondern als einem verordneten Diener Gottes. Gott der mag die Schuldigen durch fromme und unfromme Richter strafen; dazu betrachte, daß Paulus heißt unterthänig sein aus Noth, nicht allein um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen.
  11. Es schadet des Oberherren persönliche Bosheit den Unterthanen nichts, sieh allein, was er gebiete. Gebeut er, das du ohne Verletzung deines Gewissens und der Gebote Gottes halten magst, so thue es, ob es schon am Zeitlichen schädlich ist, das laß ihn verantworten. Gebeut er aber dir zu handeln das wider Gott ist, so sprich: Herr, wißt ihr nicht, daß ich in den Dingen sein muß, die meines Vaters sind? Ich bin ein Christ, Gott soll man mehr gehorsam sein, denn den Menschen. Darneben gedenke, wie Gott in seinem heimlichen allergerechtesten Gericht etwa einen Bösen zur Strafe eines Guten braucht als ein Werkzeug, und wird dennoch das Werkzeug nicht entschuldigt.
  12. Nun erkennt das göttliche Recht, daß man solcher Obrigkeit geben soll, was man schuldig ist, Schoß, Zoll, Furcht und Ehre u.s.w. So folgt, welcher dies nicht thun will, daß er nicht ein Christ ist, sondern böser denn ein Heide, und wird durch den Frevel solcher muthwilliger, halsstarriger Leute, so sich mit dem Namen des Evangelii schmücken, Gottes Wort und Name gräulich geschmähet. Uebernimmt dich dein Herr, das schadet deinem Glauben nichts, dir mag Niemand schaden, bist du ein Christ, denn du dir selbst; die Rache laß Gott unserm Herrn, dem gehört sie zu und dir gar nicht, bis nur du friedsam und geduldig. Durch Geduld besitzen wir unsere Seelen. Selig sind, die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, denn das Reich der Himmel ist ihre.
  13. Die sind nicht Christen, so um zeitlichen Schadens uns Unterdrückung willen das Joch ihrer Dienstbarkeit und billiger Unterthänigkeit von sich werfen, und selbst richten und rächen wollen mit dem Schwert, das allein der Obrigkeit, von Gott eingesetzt, zugehört. Denn sie sind dem Wort Christi nicht gehorsam, deß sie sich doch hoch berühmen, aber fälschlich.
  14. Wo nun solche Widerchristen Aufruhr erwecken, einen gemeinen Frieden verwirren, so lieben sie Gefährlichkeit, darinnen sie auch aus gerechtem Urtheil Gottes billig verderben und untergehen. Denn die Obrigkeit trägt das Schwert nicht vergebens. Was heißt nicht vergebens? Wahrlich der Apostel will, daß ein scharfer Ernst erzeigt werde, ein Schwert, das schlägt und tödtet. Welcher nun nicht Friede will haben und die Ordnung der Obrigkeit verachtet, der soll billig ob dem Schwert erzittern, und soll ihm ergehen, eben wie er hat gehandelt. David spricht: zerstreue das Volk, dem wohl mit Kriegen ist. Paulus sagt ja, sie werden ihr Gericht empfangen.
  15. Darum soll Niemand sagen, ich verurtheile die Aufrührerischen, das Urtheil gehöre Gott zu. Denn ich verkünde allein das Urtheil, das Gott vorlängst über die Ungehorsamen hat geredet. Dazu ist auch der ewigen Pein halber das Urtheil schon beschlossen (1. Corinth. 6): die Räuber werden das Reich Gottes nicht erben. Wie ein Jeglicher sein Leben beschließe, weiß Gott; wie einer an der That erfunden wird, also muß ich je von ihm reden. Ich verkünde das alte Urtheil Gottes, auf daß man entsetze den großmächtigen Herrn der Herrschaften, welcher Gewalt hat, Leib und Seele in die Hölle zu versenken.
  16. Derhalb ermahne ich durch den unwandelbaren Ernst des letzten Gerichts zum Ersten die christliche Obrigkeit, sie wolle alle Wege Gott vor Augen haben und nicht vergessen, daß sie Gottes Diener sind in ihrem Amt, dem sie auch müssen Rechenschaft geben; o, es ist ein ernstlich Wort St. Paul's, da er spricht: ihr Herren, haltet ein Gleiches, denn euer Herr ist im Himmel, und ist vor Gott kein Ansehn der Person. Zum Andern ermahne ich die Unterthanen, daß sie nach der Lehre Petri aller menschlichen Ordnung wollen gehorsam sein um des Herrn willen, es sei dem König als den Obersten, oder den Pflegern, als den Gesandten von ihm zur Strafe der Uebelthäter und zum Lob der Wohlthäter. Denn das ist der Wille Gottes, daß ihr mit Wohlthun verstopfet die Unwissenheit der thörichten Menschen, als die freien, und nicht als hättet ihr die Freiheit, zum Deckel der Bosheit, sondern als die Knechte Gottes. Solches sollen sie also gern annehmen, als gern sie dem zeitlichen und ewigen Zorn des allmächtigen Gottes wollen entrinnen. Es hilft nichts, daß man spricht, es sei den Armen zu hart gesetzt; denn es ist um ein christlich Leben ein solch Ding, es muß Kreuz, das ist angst, Noth und Trübsal da sein, darum sind wenig Christen auf Erden. Den Namen zu tragen ist gering, aber leben als ein Christ, Feinden und Freunden wohl thun, Geduld in allem Uebel tragen, das ist dem alten Adam sauer. Nun hilft nichts dafür, wer ein Christ will sein, der muß je die Worte Christi halten; Niemand darf anders denken, es ist Christo unsere Erlösung auch sauer geworden.

Verlag der Lutherstiftung zu Leipzig Leipzig Johann Ambrosius Barth. 1848

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/r/rhegius/rhegius-schlussrede.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain