von der Recke, Elisa - Tröstungen und Hoffnungen des Glaubens an Gott und Unsterblichkeit.

von der Recke, Elisa - Tröstungen und Hoffnungen des Glaubens an Gott und Unsterblichkeit.

Mich umgibt wieder die einsame Stunde der Nacht, die mit den Beseligungen der Seelenerhebung zu Gott mich erfüllt, zu ihm, dem ewig Unerforschlichen, der zu einer hohen Bestimmung in dieses Dasein mich rief! Von dieser Bestimmung spricht zu mir eine leise innere Stimme, ein heiliges Gotteswort, eine wundervolle Offenbarung, die, wenn wir darauf achten, in jeder Lage, in jedem äußeren und inneren Verhältnisse des Lebens, bald tröstend, bald erhebend, zu uns redet; es ist die Stimme, die heiligend der Freude, beruhigend dem Schmerz zusagt; es ist die Stimme, die von Gott zeugt, und zu Gott uns emporruft, dessen Macht, Herrlichkeit und Licht dem frommen kindlichen Gemüt beseligend sich offenbart; dagegen aber den dünkelhaften Geist zuschanden werden lässt, der sich vermisst, auf dem Weg der eitlen Grübelei hinab zu dringen in die Tiefen der Gottheit; - diesem Geist, der mit frechem Selbstvertrauen das Wesen des Urwesens, der den Unerfasslichen erfassen will, und sich Formen und Gestalten erfindet, für den Urquell aller Gestalten und Formen, für den über alle Deutungen und Bilder erhabenen unerforschlichen Gott, welcher über den Einzelnen, wie über seine Schöpfungen waltet, und sich nicht unbezeugt lässt demjenigen, der reines Herzens ist! Mit Zuversicht und Freudigkeit reines Herzens sein: das ist der selige Zustand, in welchem wir schon hienieden die Annäherung zu dem Vater der Menschen inniger empfinden. Immer und überall ist der Heiligste nahe dem Menschen; der Mensch aber entfernt sich von ihm, wenn irdisches Treiben und unheiliges Wesen das beseligende Gottgefühl aus seinem Busen verdrängen. Dieses Gottgefühl ist die Weihe, die den Menschen heiligt zum Mitgenossen in dem großen Reich Gottes, zur Kindschaft in den Wohnungen des ewigen Vaters; es knüpft an das himmlische, das irdische Dasein, und erhebt das Gemüt zu dem Gedanken der Unsterblichkeit. Welche Tröstungen, welche Hoffnungen umfasst dieser Gedanke, der selbst irdische Freuden mit Würdigkeit zu umgeben und zu heiligen vermag! Wenn sich das Herz dem frohen Genuss unschuldiger Freuden hingibt; wenn das Leben wie ein klarer wolkenloser Himmel um uns ausgespannt ist; und wenn dann mitten in diesem Genuss die Spur der Vergänglichkeit alles Erdenglückes sichtbar wird, und mit der vorüber fliegenden frohen Stunde sich die Flüchtigkeit des ganzen irdischen Daseins ankündigt: o dann wird dies Gefühl die Gott-geweihte Seele nicht mit unzufriedener Trauer erfüllen; nein! die freudigste Sehnsucht nach dem, was unvergänglich ist, wird durch dies Gefühl in ihr erweckt werden, und sie auffordern, mit Reinheit des Herzens die Freuden des Lebens zu genießen, auf dass sie mit unbefleckter Erinnerung auf die verlebten Tage zurückschauen möge. Ja! in einer solchen Stunde der ernsten Besinnung durchdringt jener Gedanke an Gott und Unsterblichkeit beseligend unser innerstes Wesen! Wenn harte Prüfungen über uns kommen, wenn trübe Tage hereinbrechen, wenn wir im Niederdrucke körperlicher Leiden hilflos dahin schmachten: o dann ist es der Gedanke, der feste Glaube an Gott und Unsterblichkeit, der uns zuspricht: es ist noch eine Ruh vorhanden! Wenn in den Verwicklungen des Lebens durch Irrtum und Missverständnis geliebte Seelen gegen uns erkalten; dann ist es jener Glaube, der dahin weist auf eine Zukunft, welche Verirrungen auflösen und Wahrheit vom Irrtum scheiden wird. Wenn ein teures Freundesherz, das in dem innigsten Einklang zu dem unsrigen sich bewährte, wenn dies unvergessliche Herz der Tod von unsrer Seite riss; wenn nun öde und stumm die Stelle ist, wo der von uns Geschiedene neben uns wandelte: dann tritt lebendig und klar der Gedanke an Unsterblichkeit in die Stelle des Geliebten, und erinnert uns an ein Jenseits, welches über das Grab hinausliegt. Ja, es ist noch eine Ruhe vorhanden, in deren Schoß ich das Liebste wiederfinden werde, welches aus meinen Armen, aber nicht aus meinem Herzen verschwand. Diesen hohen Glauben, voll erhebender Hoffnungen, gab der liebende Vater der Menschen uns mit auf die uns oft umstürmende und mühselige Wanderung durch das Leben. Die Weisen der Vorwelt trugen diesen Gedanken an Gott und Unsterblichkeit als eine dämmernde, heilige Ahnung in ihren Herzen: dann aber erschien der Weiseste unter den Weisen, der mit Göttlichkeit erfüllte Gesandte des Ewigen; Jesus Christus erschien, und offenbarte heller und lebendiger den Willen des himmlischen Vaters, und die Hoffnung unserer ewigen Dauer. Selig sind die Traurigen, ruft er den gedrückten Sterblichen zu, denn sie sollen getröstet werden. Mit dem Tod besiegelte dieser geheiligte göttliche Lehrer der Menschheit die Wahrheit seiner Lehre, und weihte so das Grab zur Ruhestätte für die Müden.

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