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9. Der Streit um den Frieden.

Es saßen in einem Eisenbahnwagen einmal lauter Leute zusammen, die mit Luther sagen konnten: Domini sumus d.i. wir sind des Herrn. Während das schnaubende Dampfroß mit dem Wagen blitzschnell von Station zu Station dahinflog, redeten sie mit einander von allerlei Dingen, die der Rede sehr werth sind, von denen für gewöhnlich aber auf der Eisenbahn nicht viel geredet wird. Sie redeten nämlich von Christo und seinem Reiche, und das sind ja die allerwichtigsten Dinge; aber die Meisten meinen, daß man davon nur in der Kirche sprechen müsse; die Leute in dem Coupé aber waren gar andrer Meinung und redeten davon im Waggon. Das kam eben daher, weil sie „des Herrn“ waren.

Weil nun Christi Reich ein Reich des Friedens ist, so kam in dem Eisenbahnwagen die Rede sehr bald auch auf den Frieden. Als aber Einer behauptete, es sei eins der traurigsten Zeichen vom Verfalle des Christenthums in unsern Tagen, daß noch heute so blutige Kriege zwischen Christenvölkern geführt würden wir der von 1866 und zuvor der amerikanische Krieg, da entgegnete ein Anderer, dafür, daß noch Kriege in der Welt seien, könne das Christenthum nicht verantwortlich gemacht werden, denn auch Christen seien Sünder, und so lange es Sünde auf der Welt gebe, werde es auch Krieg auf Erden geben. Da spaltete sich denn die ganze Reisegesellschaft in zwei Parteien, die hart an einander kamen, wie weiland Paulus und Barnabas, und von denen die Einen bei dem Satze beharrten, daß alles kriegerische Streiten wider die Liebe sei, während die Andern dabei beharrten, daß eine Liebe die unter gegebenen Umständen nicht auch streiten und kämpfen könne, gar nicht die rechte Liebe sei, wogegen die Ersten geltend machten, Christus habe nicht gekämpft, sondern gesagt: Stecke dein Schwert in die Scheide; worauf die Andern nicht schuldig blieben einzuwenden, daß Christus auch gesagt habe: Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darob kämpfen. Und also wurde es eine gar stürmische Wechselrede, und die für Abschaffung des Krieges in den christlichen Staaten kämpften, waren die feurigsten Streiter.

Da hat denn endlich Einer von ihnen gesagt: Wenn hier bei uns im Wasserglase schon ein so großer Sturm ist, wie wollen wir den Stürmen wehren in der großen Welt? Wenn wir, die wir „des Herrn“ sind, den Streit nicht vermeiden können, wie soll der Streit vermieden werden unter Fürsten und Völkern, die trotz des Christennamens nur zu einem kleinen Theile wahrhaft „des Herrn“ sind? Wohl ist Christi Reich der Friede, aber das ist der inwendige Friede; der auswendige Friede ist der neuen Erde vorbehalten. – Da sannen sie noch ein wenig und reichten sich dann die Hände zum Frieden und sangen, während der Pfiff der Locomotive die letzte Station ankündigte: die wir uns allhier zusammen finden, schlagen unsre Hände ein, uns auf deine Marter zu verbinden, dir auf ewig treu zu sein. Und zum Zeichen, daß dies Lobgetöne deinem herzen angenehm und schöne, sagen Amen und zugleich: Friede, Friede sei mit euch.

In Frieden stiegen sie aus und in Frieden schieden sie von einander. Das kam daher, weil sie „des Herrn“ waren.

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