Quandt, Emil - Jonas, der Sohn Amithai. IV. Jonä Mission in Ninive.

Quandt, Emil - Jonas, der Sohn Amithai. IV. Jonä Mission in Ninive.

Kapitel 3.

In Jesu Namen! Amen.

Auch dieses Kapitel ist uns Christen durch den Heiland sehr wichtig gemacht. Denn da er spricht: „Die Leute von Ninive werden auftreten am jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen, denn sie taten Buße nach der Predigt Jonas, und siehe hier ist mehr denn Jonas“, hat er dieses dritte Kapitel im Sinne, das eben beides erzählt, die Predigt Jonä und die Buße der Niniviten. Wir merken zugleich aus diesem Wort des Herrn, für wen das dritte Kapitel Jonä von besonderer Bedeutung ist, nämlich für die sicheren Sünder unter uns, ob sie erschrecken und aufwachen möchten aus ihrem Sündenschlaf und durch die Buße der Niniviten sich selbst zur Buße leiten lassen, ehe das der Stadt Ninive gedrohte Gewitter sich über ihren eignen Köpfen entlade. Doch liegt nicht bloß ein zur Erweckung sicherer Sünder dienender erschütternder Ernst in diesem Kapitel, sondern auch großer Trost für zagende Sünder und heilsame Lehre für Alle, die Gott fürchten.

Vers 1. Und es geschah das Wort des Herrn zum andern Mal zu Jona und sprach: Was wir in einem bekannten Gesange von unserm Gott singen: „Was Er sich vorgenommen, und was Er haben will, das muss doch endlich kommen zu seinem Zweck und Ziel“, das bewahrheitet sich hier. Gott hatte sich vorgenommen, durch den Propheten Jonas die Heidenstadt Ninive zur Buße zu erwecken; und so geschieht's nun auch nach Überwindung aller Hindernisse; denn bei Gott ist kein Ding unmöglich, auch nicht das Ding, ein trotziges Menschenherz zu brechen und gehorsam zu machen. Freilich das Herz muss sich auch brechen lassen, sonst kann es allerdings auch Gott mit seiner Allmacht nicht brechen. Denn das ist der gefährliche Vorzug, den der Mensch vor der unvernünftigen Kreatur voraus hat; er kann Gott widerstehen, er kann durch hartnäckigen Unglauben Gott die allmächtigen Hände binden. Ein Beispiel dafür ist der verstockte Pharao von Ägypten. Aber Jonas war kein Pharao. Er hatte die gewaltigen Züchtigungen und nicht minder großen Erbarmungen Gottes, die auf dem Meer und in dem Meer über ihn gekommen, sich zu aufrichtiger Bekehrung dienen lassen; und als nun zum andern Mal das alte Wort des Herrn ihn traf, das ihn zum Bußprediger für Ninive bestimmte, da war er eben auch ein andrer Jonas, nicht mehr der ungehorsame, sondern der gehorsame Prophet, der das Wort annahm und danach tat. „Ich will mit Dank opfern!“ so hatte er im Bauche des Fisches gesprochen und versprochen, und das hielt er nun auch zunächst dadurch, dass er andächtig lauschte auf das, was der Herr ihm sagte.

Und so geschieht's wieder und immer wieder und noch heutzutage, dass dasselbe Wort Gottes, das von uns verworfen oder doch verschmäht ward in früheren Zeiten, von uns mit Andacht beachtet und bewegt wird, wenn es zum andern Male an uns kommt und wir unterdessen andre Leute geworden sind! Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten und du sollst mich preisen! Das ist ein Wort Gottes, das Feder in der Jugend lernt, aber welches Kind beachtet's viel? Aber wenn in späteren Jahren mitten in dem Ernst und in der Sorge des Lebens dasselbe Wort: Rufe mich an in der Not! zum andern Mal aus einer Predigt an unsre Ohren klingt, ja da lauschen wir auf dasselbe ganz anders und versuchen seine Kraft und rufen Gott an und werden errettet! Ein fröhlicher Jüngling, ein lebenslustiges Mädchen hört einmal in der Kirche das Wort, das Jesus spricht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben!“ hört es und denkt sich wenig oder nichts dabei und hat es bald vergessen; aber aus dem Jüngling wird ein Mann, aus dem Mädchen eine Frau und Mutter, und Vater oder Mutter müssen ihr totes Kind auf den Kirchhof tragen, und zum andern Mal aus der Leichenrede tönt ihnen das Wort Jesu Christi entgegen: „Ich bin die Auferstehung und das Leben!“ welch' wunderbaren Klang hat jetzt dies Wort des Herrn für sie und wie bewegen sie es in ihren Herzen, dies tröstende Wort: „Ich bin die Auferstehung und das Leben!“ und sagen wohl: Was stehen doch für göttliche Worte in der Bibel! „Was muss ich tun, dass ich selig werde?“ Diese Frage des Kerkermeisters von Philippi kennen wir Alle; und „Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du und dein Haus selig!“ diese Antwort Pauli kennen wir auch; diese Frage und diese Antwort sind uns Jahre lang gleichgültig gewesen; aber als unsre Sünde anfing uns sündig zu werden, als uns die Vergänglichkeit der Zeit und der Ernst der Ewigkeit vor die Augen traten und als wir da zum andern Mal die Frage hörten: Was muss ich tun, dass ich selig werde? siehe, da fragten wir zitternd ebenso, und als wir zum andern Mal die Antwort hörten: Glaube an den Herrn Jesum! da glaubten wir mit unserm ganzen Hause! Zum andern Mal, zum andern Mal - es sind das zwar nur drei kleine Wörtlein in unserm Verse, aber sie geben viel zu denken.

Nur einen Gedanken noch will ich nennen, der Einem bei diesen drei Wörtlein kommt. Es gibt so manche Seele, bei der will das Wort Gottes trotz aller Predigten nicht einschlagen. Andere bekehren sich, aber diese Seele bleibt bei der Welt; Andere saugen die Himmelsluft der göttlichen Erbarmung mit vollen Zügen ein; aber diese Seele hält jedes Christentum, von dem mehr verlangt wird als Kirchengehen und Abendmahlsbesuch, für überspannt und töricht. Womit soll sich ein Prediger trösten über solche Seelen? Mit dem Beispiel Jonä! Ehe Jonas in die Angst und Not gekommen, kümmerte er sich nicht um den Befehl Gottes; aber in der Angst und nach der Angst bekehrte er sich. So fehlt vielen Personen und Familien nichts, als das Kreuz, um sie herum zu holen. Es geht ihnen zu gut auf Erden, als dass sie auf den Weg zum Himmel Acht zu geben Lust hätten. Lass nur erst einmal die gewaltige Hand Gottes über sie kommen, so kann noch Christi Blut, das sie in guten Tagen für nichts achteten, ihnen sehr teuer werden; so kann das Wort, das ihnen früher nichts galt, ihnen doch durchs Herz gehen, wenn es zum andern Mal an ihre Ohren dringt.

Es war nun aber wohl bei Jonas dasselbe Wort, das er zum andern Mal hörte, aber eine ganz kleine Veränderung finden wir doch darin. Denn wie spricht Gott nun zu ihm?

Vers 2. Mache dich auf, gehe in die große Stadt Ninive und predige ihr die Predigt, die ich dir sage. „Predige darinnen, dass ihre Bosheit ist heraufgekommen vor mich!“ so hieß es zum ersten Mal; jetzt heißt es: „Predige die Predigt, die ich dir sage d. h. sagen werde!“ Jonas soll also hineingehen in die Stadt und so lange schweigen, bis der Herr durch seinen Geist ihm das rechte Wort der Predigt in den Mund legen wird. Damit mutet der Herr ihm Großes zu, Größeres als beim ersten Male. Er soll seinen Willen, seine Weisheit, sein Nachdenken, seine Gefühle Alles, Alles jetzt ganz dran geben und sich ganz auf Gott werfen und sein willenloses Werkzeug werden. Das will ja unser Gott überhaupt schließlich bei allen seinen Dienern erreichen, dass unser Herzenszustand werde, wie der jenes Sängers, der da spricht: „Meine Seele senket sich hin in Gottes Herz und Hände und erwartet ruhig seiner Wege Ziel und Ende, lieget still und willenlos in des liebsten Vaters Schoß.“ Aber das wird dem armen Menschenherzen nicht leicht, und darum muss es täglich beten: „Reiß mein Herz aus meinem Herzen, sei es auch mit tausend Schmerzen!“

Vers 3. Da machte sich Jonas auf und ging hin gen Ninive, wie der Herr gesagt hatte. Ninive aber war eine große Stadt Gottes, drei Tagereisen groß. „Da machte sich Jonas auf und ging hin“ ei, das klingt schöner als Kapitel 1, wo es hieß: „Aber Jona machte sich auf und floh vor dem Herrn.“ Leider hat Jonas mehr Nachfolger auf dem Wege der Flucht, als auf dem Wege des Gehorsams. Das Leben von Tausenden und Abertausenden heutzutage ist in den Worten beschrieben: „Sie machen sich auf und fliehen vor dem Herrn!“ und nur von dem geringen Häuflein der Stillen im Lande können Gottes Engel sagen: „Sie machen sich auf und gehen hin, wie der Herr gesagt hat!“ Nach Ninive ging Jonas ob ihn gleich sicherlich sein Herz ganz wo anders hinzog, nämlich nach Jerusalem, um dort in Gottes Tempel, nach welchem er sich in des Fisches Bauch so heiß gesehnt hatte, erst inmitten der feiernden Gemeinde Israels den Herrn zu preisen für die großen Wunder, die er an ihm getan. Aber er verzichtet auch auf die geistlichen Freuden der Andacht, um dem Herrn gehorsam zu sein. So geht es manchem Christenherzen, das unter den Mühen und Arbeiten der, Woche sich königlich gefreut hat auf den lieben Sonntag und auf die lieblichen Erquickungen des Gottesdienstes, und das der Herr dann am Sonntag nach seiner Weisheit ans Haus fesselt, sei es, dass er es selbst aufs Krankenlager wirft; sei es, dass er es an das Krankenbette des Kindes oder des Gatten bindet. Doch Gehorsam ist allewege besser als Opfer; und wenn es der Herr ist, der uns die Tempelfreude nimmt, so weiß er auch dieselbe uns im Tempel des Gemüts reichlich zu ersehen; „o Herr Jesu, Dein Nahesein bringt süßen Frieden ins Herz hinein!“ Nach Ninive ging Jonas ist er einsam seines Weges dahingegangen oder begleitet von dem Volk, das in Japho gesehen, wie der Fisch ihn ans Land gespien hat und das nun erfahren will, wohin dieser Wundermann seine Schritte lenken wird? Wir wissen's nicht. Wir wissen nur, er ist hingegangen. Und wir merken uns, es gilt die Wege Gottes zu gehen, ob wir einsam und alleine die schmale Straße ziehen müssen, oder ob Tausende uns begleiten. Nach Ninive ging Jonas - sein Weg führte ihn durch Damaskus, die Schöne, von dannen Elieser war; nordwärts winkte ihm Haran, von dannen Abraham war; aus dem fernen Osten ragte ihm der Berg Ararat entgegen, auf dem Noahs Arche sich niedergelassen; da hat er Gesellschaft genug gehabt, wenn er auch einsam seines Wegs dahin gepilgert ist; die Erinnerung an die heiligen Geschichten der Bibel und die Erbarmungen, die die Gläubigen vor uns erfahren haben, ist ein sehr hilfreicher Stab auf dem Wege des Lebens.

Und als nun Ninive vor ihm lag, diese große Völkerbeherrscherin am Tigrisstrome, da will ihn fast ihr Anblick überwältigen; denn sie war sehr groß, drei Tagereisen groß. Und diese Stadt war nicht bloß an Ausdehnung groß, sondern auch an Sünden groß, voller Gräuel wie Sodom, voller Missetaten wie Gomorrha. Aber Jonas weiß, trotz ihrer Sünden ist Ninive eine Stadt Gottes, nicht bloß in dem Sinne, wie alle Kreatur Gottes ist, dass er sie bauen und zerbrechen kann, sondern auch in dem Sinne, in welchem Korinth eine Stadt Gottes war; da Gott zu dem zagenden Paulus spricht: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht: denn ich bin mit dir, und Niemand soll sich unterstehen dir zu schaden; denn ich habe ein groß Volk in dieser Stadt!“ Wir behaupten nicht, dass solche Gedanken in neutestamentlicher Klarheit dem Geiste des Propheten vorgeschwebt hätten; aber wenigstens Ahnungen dieser Art sind aus unserm Verse herauszulesen.

Vers 4. Und da Jona anfing hineinzugehen eine Tagereise in die Stadt, predigte er und sprach: Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen. Er trat ein in die Stadt, stumm und schweigend; er wanderte eine ganze Tagereise weit hindurch in die Stadt, immer noch stumm und schweigend; denn er hatte noch nicht die Predigt, die er predigen sollte, vom Herrn empfangen. Erst als er ein Drittel der Riefenstadt durchschritten und etwa in dem ansehnlichen Teile der Stadt in der Nähe der königlichen Hofburg sein mochte, wird ihm die Predigt diktiert und der Mund aufgetan, und er ruft's durch die Gassen das kurze, schneidende Wort: „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen!“ So lautet diese Jonaspredigt, die dem Inhalte nach eine Gerichtspredigt, ihrem Erfolge nach eine Bußpredigt war. Jonas sagt nicht, wer Ninive den Untergang drohe, es. verstand sich von selbst, dass es der Gott Israels war, der Herr, der Erde und Meer gemacht und der seine Allmacht erst jüngst an ihm selber bewiesen, da er ihn aus dem Bauche des Fisches zog, wovon das Gerücht sicherlich vor dem Propheten hergegangen. Jonas sagt auch nicht, warum Ninive der Untergang gedroht sei; es verstand sich von selbst, um der Sünden Ninives willen, die gen Himmel schrien. Jonas sagt nur: Es ist noch die kurze und ganz bestimmte Frist von 40 Tagen, nach deren Ablauf geht Ninive unter! Beachtet Beides, die Bestimmtheit der Gnadenfrist und die Unbestimmtheit des Untergangs. Wie Ninive untergehen soll, wird nicht enthüllt; ob Pestilenz und Seuche die Einwohner hinraffen wird, ob die Flammen des Bürgerkriegs die Stadt vernichten werden, ob irgend ein mächtiges Volk von außen die Stadt verwüsten, ob ein Erdbeben sie verschlingen werde, ist nicht gesagt; es heißt nur: Die Stadt wird untergehen! Aber je unbestimmter das Wie des Unterganges ist, desto bestimmter ist das Das des Untergangs; 40 Tage dauert die Frist, dann kommt der Untergang. O denkt, Geliebte, dir oder dir weissage heute ein Prophet: Ehe sechs Wochen um sind, wirst du umkommen! - Wie schrecklich! Wie schrecklich zu wissen, in so und so viel Tagen von der Erde weggerafft zu werden und doch nicht zu wissen, auf welche Weise. Und wenn hinter dem Weggerafft-werden und dem Aufwachen in einer andern Welt doch noch etwas Schrecklicheres steht, nämlich das Fallen in die Hände des lebendigen Gottes, nämlich die ewige Verdammnis um der Sünden willen - wahrlich da scheint gegenüber solcher Gerichtspredigt uns zweierlei möglich, entweder zu verzweifeln an Gott und Menschen, an Himmel und Erde oder leichtsinnig alle ernsten Eindrücke wegscherzen und wegspotten. Wann werden die Niniviten nach Jonä Wort anheim fallen, der Verzweiflung oder dem spottenden Leichtsinn? Weder dem einen, noch dem andern haben sie sich ergeben. Es gibt noch ein Drittes, das nach göttlichen Strafandrohungen bei Menschen möglich ist, Buße und Bekehrung. Dieses Dritte war's ja eben, was der Herr von Ninive erlangen wollte. Und auf dieses Dritte sind die Niniviten zur Freude Gottes und aller heiligen Engel eingegangen. Das sehen wir aus den folgenden Versen.

Vers 5. Da glaubten die Leute zu Ninive an Gott und ließen predigen, man sollte fasten und zogen Säcke an, beide Groß und Klein. Es ist ja das allerdings auch öfters vorgekommen, dass ein paar kurze Worte einen Sünder zum Glauben und zur Bekehrung gebracht haben. Ich kenne einen Menschen, der in seinen jungen Jahren zwar in äußerer Ehrbarkeit und Rechtschaffenheit dahin lebte, aber ferne von Christo war, und Gottes Haus und Gottes Wort verachtete; da sagte einmal ein Bekannter zu ihm: „Mensch, Sie kommen mit Ihrem Unglauben in die ewige Verdammnis!“ Das Wort schlug ein, und er schlug in sich und bekehrte sich zum Herrn. Hier aber ist es nicht Einer, sondern ein ganzes Volk, noch dazu ein Heidenvolk, das sich auf die kurze Predigt des Propheten bekehrt. Gott, der Allerhöchste, ist es, der durch den Mund Jonä zu uns redet das war ihr erster Gedanke; Gott zürnt über uns wegen unserer Sünden und Missetaten und wird im Zorne uns strafen - das war ihr zweiter Gedanke; wir müssen Alles tun, was in unsern Kräften steht, um Gottes wohlverdienten Zorn abzuwenden das war ihr dritter Gedanke. Und wo diese drei Gedanken zusammen sind, da ist der Bußglaube vorhanden, der Gott gefällt und selig macht, mag auch die Erkenntnis sonst noch so schwach sein. Die Erkenntnis der Niniviten war ja allerdings nur eine geringe. Aber es war ja auch der Herr Jesus noch nicht offenbart, und das Evangelium noch nicht da. Darum dürfen wir uns nicht wundern, dass sich die Buße der Niniviten in Fasten und Säcken Ausdruck gab; auch Hiob saß in Sack und Asche. Wir wissen ja freilich: Fasten und leiblich sich bereiten ist eine feine äußerliche Zucht, die Hauptsache aber ist die innerliche Zucht der Gemüter, das Erkennen, Bekennen, Bereuen und Hassen der Sünde und das Ergreifen der Versöhnungsgnade. Verfolgen wir aber noch weiter, was von der Buße der Niniviten uns gemeldet wird:

Vers 6-9. Und da das vor den König zu Ninive kam, stand er auf von seinem Throne und legte seinen Purpur ab und hüllte einen Sack um sich, und setzte sich in die Asche, und ließ ausschreien und sagen zu Ninive: Es soll weder Mensch noch Tier, weder Ochsen noch Schafe etwas kosten, und man soll sie nicht weiden, noch Wasser trinken lassen, und sollen Säcke um sich hüllen, beide, Menschen und Tier und zu Gott rufen heftig; und ein jeglicher bekehre sich von seinem bösen Wege, und vom Frevel seiner Hände. Wer weiß, Gott möchte sich kehren und ihn reuen und sich wenden von seinem grimmigen Zorn, dass wir nicht verderben! So kommt nun zu des Volkes Buße auch des Königs Buße. Seine Ohren mochten im Anfang der vierzig Tage vielleicht noch taub sein gegen des Propheten Ruf; das Wort der Wahrheit dringt ja in der Könige Häuser tausendmal schwerer, als in die Wohnungen anderer Sterblichen. Aber je weiter die Zeit rückte, desto weiter drang auch der Ruf, drang auch in die Königsburg, drang auch in das Herz des Königs. Und der König, kaum von der allgemeinen Bußbewegung erfasst, ward der Bußfertigste und Gläubigste seines ganzen Volkes. Der Bußfertigste, indem er von der Höhe seines Thrones in Sack und Asche stieg, indem er fürs ganze Volk ein Fasten verordnete und nicht das bloß, sondern auch ein Verlassen der früheren Sündenwege, indem er endlich sogar die unvernünftige Kreatur in Sack und Fasten zu Bußgenossen macht. Letzteres besonders dünkt den Klugen ein närrisch Ding. Aber wem das Sündenweh gründlich das Herz zerschlägt, der möchte gern die ganze Welt in die eigne Bußstimmung hineinziehen. Aber nicht bloß als den Bußfertigsten, sondern auch als den Gläubigsten seines Volkes zeigt sich der König. Wer weiß, so spricht er, Gott möchte sich kehren und ihn reuen! Welch' ein Glaube! O wir wissen ja freilich, dass Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und dass in Jesu Christo ein Name gegeben ist, worin auch der ärmste Sünder, falls er nur an ihn glaubt, selig werden kann. Der arme König von Ninive lebte lange vor der Erscheinung Christi und nicht einmal in Israel, das doch wenigstens die Weissagung von Christo hatte, sondern ein Heide unter den Heiden; so konnte er von Gottes Erbarmen über arme Sünder nichts wissen. Dazu war auch in Jonä Predigt kein Wort von Erbarmen, nicht ein Ton von Gnade war darin. „Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen!“ so lautete die niederdonnernde, mitleidslose Botschaft Jonä. Und doch, und dennoch glaubte der König an Gottes Erbarmen über bußfertige Sünder. Wer weiß, sprach er, es könnte Gott doch des Übels reuen, wenn wir Buße tun. War auch nichts von Barmherzigkeit aus Jona Predigt heraus zu hören, Jonas hatte doch auch nicht geradezu gesagt, Gott hätte kein Erbarmen mit Bußfertigen. Darum sprach er: Wer weiß? Ertrinkende greifen nach Strohhalmen, der König von Ninive griff in den Ängsten der Buße nach dem, was auch das finsterste Heidenherz, wenn es nur ein einzig Mal auf sich selber besinnt, ahnt, dass über diesem sündenvollen Leben ein großer Gott der Gnade thront, der das glimmende Tocht nicht auslöscht und das zerstoßene Rohr nicht zerbricht. Und den König von Ninive hat diese Ahnung, hat dieser Glaube nicht getäuscht; dieser Glaube täuscht Niemand. Ja, unser Gott ist ein barmherziger Gott, der die zerschlagenen Herzen nicht verachtet. Er hat es aufs Großartigste an Ninive bewiesen.

Vers 10. Da aber Gott sah ihre Werke, dass sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn des Übels, das er geredet hatte ihnen zu tun, und tat es nicht. So antwortet der Herr auf das demütige: Wer weiß? mit einer mächtigen Errettung aus dem schon aufgetanen Abgrunde des Verderbens. Die Wolke des Gerichts, die sich schon entladen wollte, zog sich für mehr als hundert Jahre fort von Ninive: Denn wo der Herr Bekehrung sieht, aufrichtige Bekehrung vom eitlen Wandel der Welt zu Ihm und seinem Wort, da reut ihn immer des angedrohten Übels, dass er es nicht tut. Ihn reut es - nun jeder Katechismusschüler sollte ja wissen, wie das gemeint ist. Reuen, von Gott gesagt, ist nach Menschenart geredet. An und für sich und eigentlich genommen, muss es ja bleiben bei dem Mosiswort: „Gott ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch ein Menschenkind, dass ihn etwas gereue. Sollte er etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten?“ Wenn Gott des Übels reut, das er Sündern gedroht hat, und tut es nicht; so heißt das nicht: er hat eingesehen, dass er zu hart gewesen ist, sondern es heißt: Er nimmt sein Drohwort zurück, weil er seinen Zweck erreicht hat. Sein Zweck war in Ninive erreicht, Ninive, tat Buße; da ließ er ab vom Dräuen und Strafen und zeigte den Bekehrten seine göttliche Freundlichkeit und seine ewige Güte.

Ist nun aber der Zweck dieser Geschichte an uns erreicht? Ja, wenn über der Betrachtung dieses Kapitels uns das übermannende Gefühl gekommen ist, dass wir verlorene Kreaturen sind in uns selber, arme Sünder, jämmerliche Sünderinnen, die weiter kein Heil haben, als allein das Blut Jesu Christi, das vergossen ist zur Vergebung unsrer Sünde. Nein, wenn wir noch immer sprechen: Ich danke Dir Gott, dass ich nicht bin, wie andre Leute. Wer ein Pharisäer ist und ein Pharisäer bleibt, wer durch sein ganzes Leben die Hochmutskrankheit mit sich herumträgt, gegen den wird. am jüngsten Tage das Geschlecht Ninives verdammend zeugen. Ninive hörte nur ein einzig Wort aus Jonä Mund und tat Buße in Sack und Asche. Wir haben mehr als Jonam, wir haben den, dessen Vorbild er nur war, den Herrn Jesum und haben seine Worte des Lebens schon hundertmal vernommen. Dass Ninive sich bekehrte, ist ein Wunder. Bei uns ist's ein Wunder, wenn wir uns nicht bekehren. O Seelen, gebt der Welt Valet und umklammert das Kreuz - die Tage unsers Lebens fließen schnell dahin, aber ist die Zeit zu Ende, ist auch die Gnade zu Ende. Heute, so ihr Gottes Stimme hört, verstockt eure Herzen nicht! Amen.

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autoren/q/quandt/jona/jona-_4._stunde.txt · Zuletzt geändert: von aj
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