Otto, Wilhelm - Wie verwerflich es sey, den Gerechten zu verfolgen.

Otto, Wilhelm - Wie verwerflich es sey, den Gerechten zu verfolgen.

Am siebzehnten Sonntage nach Trinitatis 1829.
Ueber Apstlg. 12, 1 - 5.)
von W. Otto.

Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung. Darum lasset uns Einer den Andern lieben, wie Christus uns geliebt hat. Amen.

Können wir uns auch der Ungerechtigkeit nicht freuen, und nur mit Gefühlen des Schmerzes und mit Empfindungen des Unwillens auf das Leben und Verhalten sündiger Menschen hinsehen; können wir, je nach dem Grade ihrer sittlichen Verschlimmerung und den Aeußerungen derselben in Thaten, bei ihrem Anblicke selbst einer Art von Entrüstung uns nicht erwehren, so kann und soll doch dabei die Liebe gegen sie fortbestehen; nicht aufhören und untergehen soll in der Mißbilligung ihrer Gesinnungen und Thaten die Theilnahme an ihrem Wohl und Wehe; nicht ruhen sollen wir in dem edeln Streben, durch immer erneuerte Versuche die Verirrten zu gewinnen und auf die Wege des Lichtes zurückzuführen; nicht versagen sollen wir ihnen Hülfe und Beistand, wo sie in ihren irdischen Angelegenheiten derselben bedürfen; am allerwenigsten sind wir berechtigt, ihre äußere Wohlfahrt zu gefährden und sie selbst zum Gegenstande liebloser Anfeindungen und gehässiger Verfolgungen zu machen. Wären sie auch die feindlichen Störer unserer eigenen Wohlfahrt, brächten sie Kummer und Herzeleid über uns Und die Unsrigen, wäre vor ihrem Hasse keine Freude des Lebens uns ungetrübt, und keine Hoffnung auf Wohlseyn uns sicher; wir können und dürfen darum nie die Störer ihrer Wohlfahrt, Urheber der Schmerzen für sie werden und auf Zerstörung ihrer Freuden und die Vereitlung ihrer Hoffnungen ausgehen. Derselbe milde Geist des Evangeliums, welcher uns zuruft: so dein Bruder von einem Fehl übereilt würde, so hilf ihm zurecht mit sanftmüthigem Geiste, derselbe Geist spricht zu uns: liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, und vergeltet nicht Böses mit Bösem, sondern überwindet das Böse mit Gutem. Daß es dessenungeachtet an Beispielen vom Gegentheile nicht fehlt, und der Geist der evangelischen Liebe noch nicht zur gebührenden Herrschaft über alle Menschenherzen gelangt ist, das ist eine eben so unbestrittene, als traurige Erfahrung.

Ist es betrübend, solche Erfahrungen zu machen, so ist's noch weit schmerzlicher und das Gemüth bedrückender, Menschen zu sehen, welche den Edeln, den Schuldlosen und Gerechten zum Gegenstande ihrer Verfolgungen machen; Menschen, die sich so weit von der Liebe entfernen, daß sie Andere um ihrer Vorzüge willen und weil auf Großes und Preiswürdiges ihre Bestrebungen gerichtet sind, anfeinden und Drangsale Denen bereiten, welche Achtung verdienen und die sie in ihrer ehrenvollen Thätigkeit unterstützen sollten. Es ist nicht immer Mangel an Einsicht, nicht immer Mißverständniß und irrendes Urtheil über die Besseren, wodurch diese den Verfolgungen Anderer Preis gegeben werden; gar oft ist es augenscheinlich der böse Wille, die offene Widerspenstigkeit gegen das Gute, es sind schlechte Gesinnungen und verwerfliche Leidenschaften, welche den Verfolger gegen sie aufregen. Ich bin überzeugt, es ist keiner in dieser Versammlung, der nicht, während ich davon spreche, im Stillen dieses mißbilligt, und vielleicht nicht Wenige die sich nicht schon bei dem Gedanken daran, daß so mancher Redliche von boshaften Menschen verfolgt wird, entrüstet fühlen. Das unverdorbene Gefühl kann fast nicht schmerzlicher, als dadurch ergriffen werden; es ist nichts im Herzen des besseren Menschen, was nur im Mindesten einem solchen Verhalten das Wort redet; unser ganzes Wesen erklärt sich aufs lauteste und nachdrücklichste dagegen, wüßten wir auch nicht deutliche Rechenschaft zu geben, warum. Verständigen wir uns aber ^^ wahre Wesen desselben, suchen wir mit uns selbst über den Grund unserer Mißbilligung klar zu werden, so wird uns das Verwerfliche desselben nicht allein erst recht einleuchtend, sondern wir schützen uns selbst dadurch um so mehr vor der Ausübung eines solchen Frevels und finden zugleich einen erhebenden Trost, wenn wir leibst um des Guten willen, das wir an uns haben und thun, verfolgt werden sollten. Darum kann es nur wohlthätig für uns seyn, es ernstlich zu erwägen und zu beherzigen, wie verwerflich es sey, den Gerechten zu verfolgen.

Veranlassung und Stoff zu dieser Betrachtung gibt uns die Erzählung

Apstlg. 12, 1-5.
„Um dieselbige Zeit legte der König … Herodes- aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.“

Auf einen Schauplatz versetzt uns die vorgelesene Erzählung, wo wir eine Anzahl edler Menschen unter Verfolgungen leiden sehen. Herodes, der blutdürstige Enkel eines Großvaters, von dem einst der grausame Befehl nach Bethlehem erlassen worden war, alle Knaben von zwei Jahren und darunter zu tödten, Herodes verfolgt die junge Christengemeinde in Jerusalem und erntet dafür den Beifall der Juden. Jacobus stirbt unter seinem Schwerdte und Petrus wird seiner Freiheit beraubt und zu einem gleichen Tode bestimmt, in's Gefängniß geworfen, und die Gemeinde, hart bedroht durch das Schicksal, welches ihre Lehrer trifft, liegt im Gebete vor Gott, Hülfe und Rettung von ihm zu erflehen. Weilet mit Aufmerksamkeit bei dieser Erzählung; sie veranschaulicht uns, wie verwerflich es sey, den Gerechten zu verfolgen, denn das erscheint uns hier als ein nach seiner Natur den Menschen tief erniedrigendes, in seinen Folgen überaus schreckliches, und dennoch am Ende vergebliches Unternehmen.

I.

Einen Gerechten zu verfolgen; Menschen, die keiner Vergehungen sich schuldig gemacht haben, gleich Schuldigen behandeln; Edle, die fern von sündlichen Bestrebungen, redlich ihre Pflichten erfüllen, nicht bloß anfeinden, sondern ihnen Kummer und Schmerzen, Leiden und Widerwärtigkeiten verursachen, die Erfüllung ihres Berufes ihnen erschweren, in dem friedlichen Gange ihres Lebens und dem heiteren Genusse ihrer Freuden sie beunruhigen,- das verräth offenbar eine Geringschätzung und Verachtung des Wahren und Guten, welche den Menschen tief erniedrigt. Was bleibt denn Achtungswürdiges an einem Menschen, der das Wahre und Gute nicht achtet, der seinen besseren Regungen zum Trotz und im Widerstreit mit einer inneren Nöthigung dem Göttlichen seine Anerkennung versagt und die Stimme Gottes in seiner Brust nicht hören will?. Er macht keinen Unterschied mehr zwischen Gut und Böse; eines Vorzugs begibt er sich dadurch, welcher ihn erst zur Würde eines Menschen erhebt und in die Reihe vernünftiger Wesen stellt; von der Stufe der Ehren steigt er herunter, aufweiche der Schöpfer ihn stellte, der sein heiliges Gesetz ihm in die Brust schrieb; in die Reihe vernunftloser Geschöpfe mischt er sich, die keine Ahnung haben von etwas Höherem, als worauf die niedere Begierde sie hinweist. Konnte Herodes sich tiefer erniedrigen, als dadurch, daß er die Hände legte an Etliche von der Gemeine, sie zu peinigen, und den Jacobus tödtete? Konnten die Juden sich mehr herabwürdigen, als daß sie Wohlgefallen daran zeigten? Keine Verbrechen lasteten auf der jungen Gemeinde, die sie der strafenden Gerechtigkeit ihres Königs und dem verdienten Tadel ihrer Mitbürger anheim gaben; von den Banden der gegenseitigen Liebe und des Gehorsams gegen den Ruf Gottes, den sie im Evangelio vernahmen, umschlungen, pflegten sie das Heilige in ihrer Mitte, brachten sie Gott die Opfer der Anbetung und eines heiligen Wandels, stärkten sie sich gegenseitig im Glauben und in der Liebe und suchten in Glaube und Liebe das Reich Gottes zu erbauen und zu erweitern. Erschienen sie in den Augen des Königs und ihrer Volksgenossen auch als Irrende, so verdiente doch ihre fromme Gesinnung, ihre innige Liebe, ihr ruhiges Verhalten im bürgerlichen Leben Anerkennung und Achtung. Aber selbst diese gewinnen sie ihren Gegnern nicht ab. Wären sie auch nicht von ihnen thätlich verfolgt und in dem Schrecken, welcher dadurch über sie kam, mit Blicken der rohen Schadenfreude betrachtet worden, schon diese Nichtachtung des Guten, was sie an sich hatten, offenbaret eine Geringschätzung und Verachtung des Wahren und Guten von Seiten ihrer Feinde, wodurch diese sich tief erniedrigen. Und ist es anders bei dir, wenn du einen Redlichen verfolgest? O du könntest ja nicht darauf ausgehen, ihn zum Gegenstande deines Spottes und deiner Verachtung zu machen, du könntest ja nicht mit der Stachelrede der Verleumdung ihn bei Andern herabzuwürdigen suchen, du könntest es nicht über dein Herz bringen, ihn durch unziemliche Reden und beissende Worte zu verwunden, du könntest nicht durch feindselige Handlungen ihn kränken und ihm Verdrüßlichkeiten bereiten wollen, wenn du wirklich das Gute anerkenntest und hochschätztest, wenn du der Stimme deines Gewissens folgen und edleren Regungen in deinem Herzen Raum lassen wolltest.

Und bedenkest du, daß du auch neben der Geringschätzung und Verachtung des Wahren und Guten durch die Verfolgung redlicher Menschen dich eines strafbaren Mißbrauchs von Gott verliehener Kräfte schuldig machst? An dem Beispiele des Herodes zeigt sich dieses deutlicher noch, als im gewöhnlichen Leben. Groß ist die Macht, welche den Königen der Erde und den Fürsten der Völker von Gott verliehen ist. Ihr Wille ist Gebot für Tausende und ihr gebietendes Wort reicht hin, unzählige Kräfte zu gemeinsamem Wirken für die Vollziehung ihrer Befehle zu vereinigen. Aber es gibt ihnen der Herr diese Macht, damit sie die Völker beschirmen, die Gerechtigkeit handhaben, Ordnung und Friede erhalten und die Wohlfahrt ihrer Unterthanen befördern und sichern. So hoch derjenige steht und die Verehrung der dankbaren Mit- und Nachwelt erntet, der zu diesen heiligen Zwecken seine Macht anwendet, so tief steht dagegen derjenige Herrscher und sein Name wird mit Verachtung genannt, der sie mißbraucht, um seinen Leidenschaften zu fröhnen, Thaten des Frevels an denen auszuüben, welche ihm untergeben sind, und den Gerechten, den er schützen und schirmen soll, zu unterdrücken. That dieses nicht Herodes? Mißbraucht er nicht seine königliche Gewalt zum Verderben redlicher Unterthanen? Um sich die ihm abgeneigten Herzen der Juden zu gewinnen, um sie, die den Sprößling eines verhaßten Königshauses unwillig zum Herrscher sich aufgedrungen sahen, sich geneigt zu machen, heuchelt er Anhänglichkeit an die jüdische Religion und entweihet die ihm verliehene Herrschergewalt, um gegen diejenigen zu wüthen, die er als von den Juden gehaßte Abtrünnige vom väterlichen Glauben kannte. Die Hände legt der Gottvergessene an diejenigen, sie zu peinigen, über die er sie hätte schützend ausbreiten sollen, daß ihnen kein Leids geschehe; das Schwert, ihm verliehen zur Strafe gegen die Uebelthäter, zückt er gegen Schuldlose und tödtet Jacobum. Mißbrauch von Gott zu heiligen Zwecken verliehener Kräfte ist es, die Gerechten zu verfolgen, wo und von wem es geschieht. Sind es auch geringere Kräfte, ist es auch eine beschränktere Macht, welche Tausende, welche die Mehrzahl gegen sie anwenden kann, es ist Mißbrauch derselben, wenn sie sich ihrer zum Nachtheile und zur Unterdrückung des Redlichen bedienen. Als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes sollen sie einander dienen mit der Gabe, die sie empfangen haben; sollen Segen und Wohlfahrt damit unter ihren Umgebungen stiften, und - diese Gäben entweihen sie zu Werkzeugen des Verderbens für die, welche auf ihre Unterstützung und Hülfe die gerechtesten Ansprüche haben. Unwürdiger der göttlichen Wohlthaten und der empfangenen Gnade dessen, der alle Menschen liebt, wie ein Vater seine Kinder, können sie sich nicht beweisen.

Erwäget dabei, daß sie durch den Mißbrauch ihrer Kräfte zur Verfolgung eines Gerechten auch einen strafbaren Eingriff in Gottes heilige Ordnung wagen, so tritt das Verwerfliche davon noch anschaulicher hervor. Als etwas Anderes kann man es nicht betrachten, daß Herodes gegen die Gemeinde wüthete und an Etliche von derselben die Hände legte, sie zu peinigen. Unter Gottes besonderem Schutze welche ihn tief erniedrigt, sondern mißbraucht auch die von Gott ihm verliehenen Kräfte und streitet wider Gottes heilige Ordnung.

II.

Es liegt in der Natur der Sache, daß ein solches Verfahren nicht ohne die nachtheiligsten Folgen bleibt.

Wer beschreibt das Ungemach, welches die Bosheit über die Opfer ihrer Verfolgungen bringt! Wer schildert die herzzerschneidenden Gefühle der tiefen Trauer- und des gerechten Unwillens, mit welchen der verfolgte Edle bei seinem lebendigen Gefühle für das Wahre und Gute und bei seinem redlichen Eifer für die Ehre Gottes und das Heil seiner Brüder auf Menschen hinsieht, die dem Göttlichen entgegenarbeiten, und durch Erniedrigung ihrer erhabenen Würde sich schwer versündigen? wer die bangen Gefühle der Wehmuth und den nagenden Schmerz, sich verkannt und bei dem lauten Zeugnisse seines guten Gewissens sich verfolgt zu sehen? Wer hat sie alle gezählt die Thränen des Kummers, mit welchen verfolgte Gerechte ihr nächtliches Lager benetzten, von welchem die verfolgungssüchtige Bosheit den Schlummer verscheucht hatte? Wer kennt sie Alle, die unter dem feindseligen Treiben leidenschaftlicher Menschen ihre Habe eingebüßt, ihr Gewerbe zerstört, ihr Amt verloren sahen und dem Mangel Preis gegeben wurden? So viele vereitelte Freuden, so viele zerstörte Genüsse, so viele, gehäufte Widerwärtigkeiten, so viele Thränen des Schmerzes, so viele Klagen des Jammers, so viele vereitelte Hoffnungen sind die traurigen Früchte, welche unter den Verfolgungen, welchen gute Menschen ausgesetzt waren, gereift sind. Und wären auch nur wenige unter ihnen, die deßhalb in ihrem Glauben nicht wankend und in ihrem Gehorsam gegen Gott nicht irre, in der Erfüllung ihrer Pflichten nicht lässig und in der Liebe nicht lau geworden sind, wäre das nicht schon traurig genug, und sind wir nicht alle schwache Menschen, von denen Keiner sagen kann, sein Glaube stehe unerschütterlich und seine Tugend werde unter keinem Sturme erliegen? Oder sagte ich zu viel von dem Jammer, dir über verfolgte Gerechte schon gebracht worden, und, wenn einmal die Leidenschaft gegen ihn aufgeregt ist, gebracht werden kann? Herodes tödtete Jacobum Johannis Bruder, mit dem Schwerte. Ist es etwas Geringes, unter den Händen der Bosheit sein Leben verlieren? Petrum aber fing er auch und legte ihn ins Gefängniß und überaus wortete ihn vier Viertheilen Kriegsknechten, ihn zu bewahren, und gedachte, ihn nach den Ostern dem Volke vorzustellen. Wer schätzt nicht das kostbare Gut der Freiheit und empfindet nicht schmerzlich den Verlust derselben? Petrus ward im Gefängniß gehalten, aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott. Eine Gemeinde, die ihrer Vorsteher, ihrer Lehrer, ihrer Führer und Stützen beraubt, im Gebete vor Gott liegt und im schmerzlichen Gefühle des bereits erlittenen und in der bangen Besorgniß des noch drohenden Verlustes ihr angstvolles Hülferufen zum Himmel steigen läßt, welch' ein erschütternder Anblick, und wer kann das Wehe gering achten, das über sie gebracht worden ist? Erzittre vor dem Frevel, einen Gerechten zu verfolgen; du weißt nichts welche Leiden du über ihn bringen wirst!

Und könntest du verhärtet genug seyn, über seine Leiden dich gefühllos hinwegzusetzen, so denke an den Schaden/den du unter deinen Umgebungen stiftest. Es ist ein nicht zu übersehendes Unheil, und das in seinen Folgen weiter, unendlich viel weiter Verderben ausbreiten kann, als du ahnest, wenn du die Sünde auch nur bei Einem Menschen förderst. Und du bist nicht sicher, daß du bei Vielen es thust, wenn du der Leidenschaft dein Ohr leihst und einen Gerechten verfolgst. Den Juden gefiel es, daß Herodes gegen die Gemeinde wüthete; sie freuten sich der Peinigungen, die er über sie verhängte und sahen mit Wohlgefallen einen Märtyrer unter seinem Schwerte fallen. Welche entsetzliche Freude! Sie, die vielleicht für das Bessere noch gewonnen worden wären, wenn Herodes die Gemeinde ungestört in der Besorgung ihrer heiligen Angelegenheiten und dem ruhigen Gange ihres gottesfürchtigen Lebens gelassen hätte; sie, deren Haß gegen die Bekenner der neuen Lehre vielleicht allmählig eingeschlummert wäre, wenn er nicht neue Nahrung erhalten hätte, sie werden von neuem aufgeregt, in ihrer Verblendung bestärkt und in ihrem Streit gegen die Rathschlüsse Gottes noch trotziger gemacht. Das ist eine, traurige Folge der Verfolgung eines Gerechten, daß sie verderblichen Saamen in die Herzen Anderer streut, den Fortgang des Guten bei ihnen hindert, dem Bösen Nahrung verschafft, schlummernde Leidenschaften weckt und die Schwankenden nur allzuleicht vollends dem Schlechten zuwendet. Unter den Zeugen derselben gibt's immer auch Solche, die, noch wenig erstarkt in der Tugend, Wohlgefallen daran finden, die, noch nicht zu festen Grundsätzen gelangt, von dem Scheine sich blenden lassen, zur Vollbringung des Schlechten willig die Hand bieten, oder, von dem Gelingen verwerflicher Unternehmungen ermuthigt, zu gleichen Vergehungen sich hinreißen lassen, ohne für Sünde zu halten, was sie Strafwürdiges vollbringen. Und wie viel gewisser ist dieser nachtheilige Einfluß auf Andere, wieviel tiefer greifend und fester wurzelnd, wenn sie mit demjenigen, der den Gerechten verfolgt, enger verbunden sind, und in Verhältnissen zu ihm stehen, welche die Annahme gleicher Grundsätze und die Beobachtung eines gleichen Verhaltens befördern. Bist du Gatte oder Vater, bist du Vorgesetzter oder bekleidet mit äußerem Ansehen, so ist ja die Verschlimmerung, welche du dadurch unter deinen Umgebungen anrichten kannst, nicht zu ermessen. Und wäre das Alles nicht, hätten weder die Verfolgten noch deine Umgebungen Nachtheil zu befürchten, du selbst, der du den Gerechten verfolgst, bist der Gefahr eines steigenden sittlichen Verderbens ausgesetzt. Freilich gibt es Fälle wodurch die Umstände dieser Gefahr vorgebeugt wurde, und eine höhere Hand durch das herbeigeführte Mißlingen seiner Entwürfe den Verfolger eines Gerechten alsbald zur Besinnung und Umkehr brachte. Aber wie oft wurde auch gerade durch die Vereitlung seiner Plane die Leidenschaft in dem Herzen des Getäuschten nur noch heftiger angefacht; wie oft ein Unmuth, ein Mißvergnügen, ein Groll und eine Bitterkeit in ihm hervorgerufen, die jedes bessere Gefühl erstickten und zu den verwerflichsten Schritten ihn verleiteten! Aber wenn der Fortgang seiner Bemühungen, wenn der Beifall Anderer die Hoffnung in ihm rege macht, er werde seine lieblosen und feindseligen Absichten erreichen, wenn seine Plane ihm wirklich gelingen;- das Beispiel des Herodes sagt es euch ja, wie da der Uebermuth des Frevlers wächst und er zu immer weiteren Vergehungen sich hinreißen läßt. Jacobus war gefallen; Einer der Vorsteher der jungen Gemeinde war aus dem Wege geräumt. Der Zweck, den er erreichen wollte, war erreicht; der erste Schritt, die Gunst der Juden zu gewinnen, gethan. Und als er sahe, daß es den Juden gefiel, fuhr er fort und fing Petrum auch, legte ihn ins Gefängniß und gedachte, ihn nach Ostern dem Volke vorzustellen, auch ihn, den Fürsten der Apostel, zu opfern. So darf nur der erste Versuch, einen Redlichen zu verleumden, einem Rechtschaffenen einen Schaden zuzufügen, der erste Versuch, vielleicht in ängstlicher Unruhe und schüchterner Befangenheit unternommen, darf gelingen, so wächst das Vertrauen, der Uebermuth kehrt in die frohlockende Brust und in dem siegestrunkenen Herzen gewinnt das Böse immer mehr Raum; wäre eine Bedenklichkeit zurückgeblieben, sie verschwindet, immer trotziger und ungescheuter wird der Frevel fortgesetzt, jedes edlere Gefühl, jede noch leise zuckende Regung des Besseren erstirbt, der Verworfene glaubt sogar seine Plane unter dem Schutze Gottes und von dem Allmächtigen selber begünstigt. Und so geht es mit um aufhaltsamen Schritten zu immer größeren Freveln, zu immer tieferen Stufen des sittlichen Verderbens.

Es ist gewiß, meine Zuhörer, den Gerechten zu verfolgen, ist ein höchst verwerfliches Unternehmen; denn es ist tiefbetrübend und schrecklich in seinen Folgen ist es für die Opfer, für die Zeugen, für die Vollender solchen Frevels.

III.

Und bei alle diesem, meine Zuhörer, ist es dennoch am Ende ein ganz vergebliches Unternehmen.

Mag es seyn, daß in vielen Fällen die Plane feindseliger Verfolger gegen einen Redlichen nicht ohne nachtheilige Folgen für diesen bleiben, wie wir ja eben um dieser willen solche Verfolgungen selbst für verwerflich erklärt haben; so scheitern doch oft genug schon die ersten Versuche und entweder besondere Umstände, oder das Vertrauen und die Achtung, welche der Verfolgte bei seinen Mitmenschen genießt, machen die Entwürfe seiner Gegner zu Schanden. Aber selbst da, wo dieses nicht der Fall ist, da, wo die Unternehmungen des Verfolgers wirklich zu gelingen scheinen, ist dennoch sein sündliches Treiben ein vergebliches; denn eine höhere Gewalt hält es in seinen Fortschritten auf. Herodes wollte die junge Gemeinde der Christen zerstören. Auf ihre Vorsteher richtete er daher vorzüglich sein Augenmerk; ihrer Hirten wollte er die Heerde, ihrer Stützen wollte er die Gemeinde berauben, um ihres Untergangs sicher zu seyn. Ein Opfer seiner Verfolgung blutete wirklich Jacobus unter dem Schwerte, und ermuthigt durch den errungenen Sieg, berauscht von dem Beifalle der Juden, fuhr er fort und ließ Petrum ergreifen. Zum ersten Opfer sollte in diesem Felsen der Kirche das zweite fallen. Schreckliche Aussichten eröffnen sich für die hart bedrängte Gemeinde. Auch Petrus scheint ohne Rettung verloren; in das Gefängniß geworfen und einer starken Wache übergeben, wer sollte ihn retten? Aber da, wo die Gefahr am größten ist, und die Verfolgungen des Herodes immer siegreicher fortzuschreiten drohen, da tritt ein Umstand ein, der den Fortgang des blutigen Werkes aufhält. Es waren aber nahe die Tage der süßen Brodte. Das Osterfest stand bevor und die Feier desselben forderte Aufschub der Hinrichtung des Petrus. Obwohl im natürlichen Gange der Tage wiederkehrend, kommt doch gerade hier das Osterfest, wie von höherer Hand absichtsvoll herbeigeführt. Wollt ihr es Zufall nennen und von einem glücklichen Ohngefähr sprechen, daß es gerade jetzt eintrat? Wie kommt es denn, daß ein Zufall so planmäßig kommt, daß an ein Ohngefähr so wichtige Folgen sich knüpfen, daß ein Zufall, ein Ohngefähr über das Leben eines Gottesboten, über die Erhaltung einer ganzen Gemeinde entscheidet und einen Wüthrich in seinen Verfolgungen aufhält? Nein, Christen, nicht Zufall, sondern weise Anordnung einer Alles lenkenden Vorsehung, planmäßiges Walten eines Alles regierenden Gottes ist hier, wie überall in dem Gang der Umstände und der Verkettung der Begebenheiten. Petrus wurde ins Gefängniß geworfen und einer starken Wache übergeben, ihn zu bewahren, und Herodes gedachte, ihn nach Ostern dem Volk vorzustellen. Er gedachte es wohl, aber als er nach dem Feste ihn forderte, war der Gefangene befreit und der dem Tode Geweihte gerettet. So wenig kann der Mensch auf das Gelingen frevelhafter Unternehmungen rechnen. Der Allmächtige will's anders, und seine Plane sind vereitelt. Herodes erreichte seine Absichten nicht und es war umsonst, daß er die Christengemeinde verfolgte. Fürchtet ihr euch nicht vor dem Ernste der strafenden Gerechtigkeit Gottes, so demüthiget euch vor dem Allmächtigen. Unternehmet nichts, was seine gewaltige Hand aufhalten kann, und was der Heilige aufhalten wird; denn der Herr erhält nicht die Hand der Boshaftigen, sondern schaffet Gerechtigkeit und Gericht Allen, die Unrecht leiden.

Das ist der Glaube und die Zuversicht aller Guten, und in diesem Glauben wirken auch die Edleren unseres Geschlechtes dem sündlichen Treiben derer entgegen, welche den Gerechten verfolgen. Mochte Herodes sich des Beifalls der Juden erfreuen, die erlesene Zahl der Besseren vereinigte sich im Gebete zu Gott für den bedrängten Lehrer, der dem Tode bestimmt war Die Gemeinde betete ohne Aufhören zu Gott. So steht allenthalben denen, die das Gute und Göttliche verkennen, die Schaar der Besseren entgegen, welche daran festhalten und ihr Vertrauen setzen auf Gott. Den frevelhaften Entwürfen derer, welche den Gerechten verfolgen, stehet das Gebet der Frommen entgegen, die sein Heil und seine Rettung vom Himmel erflehen. Und wo unter der heiligen Waltung Gottes das Reich der Wahrheit und Tugend dem Treiben der Sünde entgegenarbeitet, da ist der Sieg nicht zweifelhaft. Ob er hier oder dort errungen wird, er wird errungen und der verkannte und verfolgte Gerechte, wenn er auch als Märtyrer stirbt, glänzt, wie die Sonne, in seines Vaters Reich; seinen Werth, sein höheres Glück, seinen inneren Frieden und die Gnade Gottes raubt ihm keine feindliche Gewalt der Erde. Es ist am Ende immer ein vergebliches Unternehmen, ihm zu entreißen, was Gott ihm reichet und über ihn zu bringen, wovon Gott selbst ihn bewahret und schützet. Wehe aber dem, der erfunden wird, als der wider Gott streitet. Denn, wer böse ist, bleibt nicht vor ihm, und sein Zorn vom Himmel wird offenbart über Alle, welche die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhalten. Seine Gnade aber waltet in Ewigkeit über denen, so ihn lieben. Amen.

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