Oekolampad, Johannes - Das Gleichniß vom Säemann

Oekolampad, Johannes - Das Gleichniß vom Säemann

Lucas 8,4-15

Ob es sich der Mühe lohne oder nicht, diesen evangelischen Abschnitt näher zu betrachten, könnet Ihr selbst, wenn Ihr wollt, leicht begreifen. Zwar wissen wir, daß im Worte Gottes auch kein Jota noch Pünktchen überflüssig geschrieben noch getroffen wird, denn wie könnte wohl das Wort Gottes eitle Dinge enthalten, da es die Wahrheit selbst und die Weisheit des allweisen Gottes ist, der alle Menschen wegen jeder unnützen Rede richten wird? Hier aber fordert der Herr unsere besondere Aufmerksamkeit, weil er Geheimnisse offenbaret. Zuerst sollen wir wohl achten, daß er diese Rede an die ganze Menge, die zu ihm kam, richtete, weil sie eine Sache betrifft, die Niemanden unbekannt sein darf. Zum Zweiten, daß er ausruft: Wer Ohren hat zu hören, der höre, als wollte er sagen: Jeder, der dieses nicht mit den Ohren des Geistes höret und nicht zum guten Erdreich gehört, findet keine Entschuldigung. Endlich, daß er diejenigen so sehr hervorhebt, welche das Wort hören, indem er von ihnen sagt, daß sie das Geheimnis Gottes verstehen, was wahrlich ein hoher Vorzug ist, denn das ist ein Zeichen, daß sie zu den Kindern gehören, nicht zu den Dienern, zu den Schafen, nicht zu den Böcken, wie er Johannes 15 sagt: „Schon nenne ich euch nicht Diener, sondern Freunde und Hausgenossen Gottes“. Sehet daher zu, daß der Herr nicht umsonst zu Euch rede und ringet darnach, daß Ihr zu den Kindern Gottes gehöret.

Einige wollen diese Stelle fälschlich nur auf die Geistlichen und Schriftgelehrten beziehen, als wären sie die, welchen der Herr die Geheimnisse Gottes und die heilige Schrift geoffenbaret und so mahnen sie das ungelehrte Volk vom Lesen der heiligen Schrift ab, ja sie verbieten es vollends unter Androhung von Strafen; doch verhält es sich ganz anders mit dem Sinn dieser Stelle. Die Apostel sind nicht allein die Vorbilder der Priester und Bischöfe, sondern aller Gläubigen, wie Petrus in seinem eersten Briefe Cap. 2 sagt: „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilge Volk des Eigenthums, daß ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Lichte“. Sowie Gelehrsamkeit an sich daran nicht hindert, so legt auch der Mangel daran kein Hinderniß im wege. Ja im Gegentheil ist oft der Mangel an Gelehrsamkeit förderlich, wie bei den Aposteln, und die Gelehrsamkeit selbst hinderlich, wie bei den Pharisäern. Und wiederum gereicht Erkenntniß als eine Gabe Gottes zum Heile, wie bei Moses und bei dem Propheten Daniel, welche von dieser Gabe heilsamen Gebrauch machten, sie wäre ihnen aber nachtheilig gewesen, wenn sie nicht einfach dem Worte Gottes geglaubt hätten. Die Unverständigen aber werden verworfen. Denn David spricht: „ Werdet nicht ähnlich den Pferden und Eseln, in denen kein Verstand ist.

Ferner wird unser Gleichniß nur denjenigen erklärt, welchen verliehen ist das Geheimniß zu erkennen, - dem guten Lande, das vielfältige Frucht bringet. Der Herr machet zu Nichten die Weisheit der Weisen und verwirft die Klugheit der Klugen. Auch Paulus bezeugt, daß Israle wegen der Zuversicht zu den Werken verblendet worden sei. Und Johannis 5 sagt Christus: „Darum glaubet ihr nicht, weil ihr Ehre von einander nehmet“.

Vernehmet daher, worin das Geheimniß der Christen bestehe und was die vollendeten Christen macht, was gewiß der beste Same ist, und die solches recht erkennen, bringen Frucht: die es aber nicht erkennen, sind keine Christen; wie auch 1. Joh. 4 geschrieben steht: „Jeder Geist, der da bekennt, daß Jesus Christus im Fleisch erschienen sei, ist aus Gott. Und jeder Geist, der nicht bekennet, daß Jesus Christus im Fleisch erschienen sei, ist nicht aus Gott.“ Dieser ist das wahrhafte Wort Gottes, sodaß alle die an ihn glauben, selig werden. Wenn sie aber selig werden, so bringen sie wahrlich viel Frucht.

1. Joh. 2 heißt es auch: „Jeder, der aus Gott geboren ist, sündigt nicht, weil der Same Gottes in ihm bleibt.“ Wahrlich eine köstliche Frucht „nicht mehr sündigen“! Wenn dieses von der ganzen Art des Samens gilt, so kann niemand mit Recht läugnen, daß es nicht auch von dem, der vorzugsweise das Wort Gottes genannt wird, gelte. Denn das ist das Bekenntniß des seligen Apostels Petrus, auf dem die Kirche Gottes gegründet ist. Diesen Samen wahrhaft in sich aufnehmen, heißt auch, das Fleisch des Menschensohnes essen, woraus uns die köstliche Frucht reift, daß wir das ewige Leben haben, Joh. 6. Das ist auch das Geheimniß des Reiches Gottes, „daß sie mit sehenden Augen nicht sehen und mit hörenden Ohren nicht hören.“

Auch können wir auf keine andere Weise selig werden, als wenn wir diese Frucht bringen. Nehmet auch Ihr diesen Namen in Eure Herzen auf und bringet Frucht und kümmeret Euch um nichts Anders, was auch immer sonst verkündiget werden mag. Denn oft müssen die Sünder wegen ihrer Sünden hart gezüchtiget werden, da sie Milde und Sanftmuth nur verachten und verspotten. Laßt uns nicht denjenigen ähnlich werden, die, nachdem sie in einen Garten getreten und die wohlriechensten Rosen pflücken könnten, sich umwenden und Nesseln pflücken, d.h. laßt uns nicht denen nachahmen, die, wenn sie eine harte Rede gegen die Gegner vernehmen, nichts Anderes daraus entnehmen, als daß sie den ganzen Tag poltern und was noch mehr zu bedauern ist, keiner Ermahnung zur Furcht Gottes und zur Liebe gegen Christum in ihrem Herzen Raum geben. Sie kommen daher nur um zu richten, nicht um sich zu belehren und ihr Leben zu bessern und gehen daher nicht als neue Menschen hinweg.

Andere säen zwar diesen Samen auch, hangen aber dabei ganz am Ceremonien-Dienst: solche müssen wir aber durchaus tadeln. Lernt diesen Samen in Euch aufzunehmen, und Ihr habt dann jene köstliche Perle, um die wir Alles hingeben sollen. Uebrigens habe ich das beste Zutrauen zu Euch. Vernehmet daher mit den Ohren Eures Herzens, was der Herr uns hier verkündiget. Denn hier lernet Ihr an der Erklärung des Herrn, wem das Wort Gottes zum Heile verkündiget wird, wem dagegen nutz und fruchtlos. Der Same am Wege wird von den Vögeln d.h. vom Teufel hinweggenommen, so daß daraus keine Frucht reifet. Aus den Worten Christi lernen wir drei Arten von Menschen kennen:

  • Einige menschen trachten allein nach Ruhm und ehre und machen sich stetts vom Urtheile der Menschen abhängig und werden daher auch von allen Menschen getreten, denn alle diejenigen, vor denen sie sich fürchten, mißhandeln sie auch; sie sind daher Sklaven aller Sklaven und was sie thun, thut der Teufel, dessen Werkzeuge und Diener sie sind. Oefters machen Weiber die Menschen vom wahren Gottesdienste, und von Allem, was ehrbar ist abwendig. So wurde Salomo durch die Tochter des Pharao und Adam und Eva verführt, sowie auch heut zu Tage viele theils durch ihre Weiber, theils durch ihre Nachbarn vom wahren Gottesdienste abwendig gemacht werden. Wahrlich sprechen sie, wenn du dir vornimmst, so zu leben, wie Christus gelebt, so findest du keine Gnade mehr bei den Menschen. Wo nämlich der Same des Wortes Gottes in ein reines Herz aufgenommen wird, da regt er den Menschen zur Nachahmung Christi an, was der teufel nicht dulden mag; daran mahnt uns auch der apostel Paulus, der sich nicht um das Urtheil der Menschen kümmerte, indem er sagt: „Wenn ich den menschen gefallen wollte, so wäre ich nicht Gottes Diener.“ Was richtet heut zu Tage, wo das Licht des Evangeliums so hell leuchtet, alle Heuchler zu Grunde, als weil sie sich immer fragen: was würden die Menschen sagen, wenn ich so leben wollte? Doch diese bedauerungswürdigen Menschen bedenken nicht, was Gott von ihnen sage. So lange du nicht den acker deines Herzens besser bestellst, nimmt der teufel als der Fürst dieser Welt das Seinige hinweg und läßt nicht den Samen des Wortes Gottes in Dir Wurzel schlagen, was Dir einst zu ewiger Schmach gereicht.
  • Die zweite Art von Menschen sind diejenigen, welche auf den Felsen säen d.h. die sich scheuen das Kreuz des Herrn zu tragen. Sie finden Wohlgefallen am Evangelium und an Christo, aber sobald sich Verfolgungen erheben, fallen sie in schimpflicher Flucht ab, obgleich sie kurz vorher mit Petro versprochen, Christum bis in den Tod zu folgen. Sieh' wie thöricht sie handeln; sie flüchten sich vor dem Reif und stürzen sich unter den Schnee; sie gehen aus der Freiheit in die schimpflichste Knechtschaft über. - Zudem bedenken sie nicht, daß diese Verfolgungen nur kurze Zeit währen, auch sind sie nicht Christi eingedenk, noch blicken sie auf das Vorbild der Heiligen. Wir arme Menschen, da wir uns vor der ewigen Pein befreien könnten, fliehen wir! Christus hat sein Leben für uns dahin gegeben und wir wollen auch nicht den geringsten Dornenstich erdulden? Das kommt aber daher, daß unser Herz steinern ist und weil uns die erquickende Kraft der Gnade fehlt, auch haben wir nicht den rechten Glauben, sonst würden uns auch die schwersten und heftigsten Verfolgungen nicht von Christo zu scheiden vermögen.
  • Die dritte Art sind diejenigen, deren Samen von den Dornen erstickt wird. Den Einen gereicht der Stolz und die eitle Ruhmesbegierde zum Verderben, den Andern die Liebe zu ihrem Fleische, diesen aber der Reichthum, der auf ihnen lastet, wie der Höcker auf dem Kamele, und sie verhindert in das Reich Gottes einzugehen. Es redet aber Christus hier von den Sorgen um die Reichthümer und von der Habsucht; denn für viele, die den Reichthum recht anzuwenden wissen ist derselbe kein Hinderniß. Es ist dieses aber eine köstliche Gabe Gottes, wenn der Reichthum dem Glauben nicht zum Schaden gereicht, zumal zu der Zeit, da uns Widerwärtigkeiten drohen und wir Schmach erdulden müssen. Aber das sind dagegen thörichte Handelsleute, die dieses Irdische so hoch anschlagen. Wenn wir nach Reichthümern jagen wollen, warum trachten wir nicht nach solchen, die ewig bleiben? Warum streben wir nach jenen unbeständigen Gütern, welche die Diebe stehlen und das Feuer verzehrt, statt nach denen, die uns Niemand rauben noch verderben kann?

Es wollen diejenigen auch hier ein wenig aufmerken, die uns stets zurufen: Wo sind die Früchte eurerer Predigten? Freunde! die Schuld liegt nicht am Worte Gottes, sondern an dem Erdreiche, das den Samen nicht aufnimmt, oder wenn es ihn aufgenommen, denselben erstickt.
Es ist dieses auch eine furchtbare Erscheinung, daß die geringste Zahl selig wird, obgleich Gott so gnädig und barmherzig ist. Viele sind unwürdig des göttlichen Wortes, drei Viertheile des Samens geht zu Grunde und nur ein Viertheil wird erhalten und auch diesem droght zuweilen Gefahr von Seite des Widersachers.

  • Die vierte Art sind die wahren Hörer, welche den Samen des göttlichen Wortes aufnehmen in gutem Erdreich und auch viel Frucht bringen. Unser Herz ist das gute Erdreich, wenn wir unter Mitwirkung des heiligen Geistes diesen Samen aufnehmen. So wurde durch den Propheten Hesekiel voraus verkündigt: „Ich will ihnen ein neues Herz und einen neuen Geist verleihen, auf daß sie in meinen Geboten wandeln.“ Und wiederum durch den Propheten: „Dein guter Geist, Herr, leite mich auf ebener Bahn.“ Die noch unter dem Gesetze leben, haben ein steinernes Herz, die aber unter der Gnade stehen, haben ein weiches, zartfühlendes Herz. Sie haben auch Acht auf ihr Herz und beten täglich zum Herrn, daß er sie vom Uebel d.h. vom Teufel erlöse, damit er nicht den Samen hinwegnehme. Sie bewahren ihre Sinne, damit nicht der Tod zu den Fenstern eindringe, sie wenden ihren Blick von der Eitelkeit weg, damit sie dieselbe gar nicht sehen, sie zügeln ihre Zunge, damit sie nicht gottlose Reden führen, sie haben keine Gemeinschaft mit denjenigen, die Blut vergießen, sie achten nicht auf Ruhm vor den Menschen, sondern auf Ruhm vor Gott. In Zeiten der Verfolgungen sind sie geduldig und gutes Muthes, sie tragen ihr Kreuz und folgen dem Herrn; ja sie sind bereit noch Herberes zu erdulden. So bringen sie reichliche Frucht, nicht aber die Frucht des Fleisches, wie Völlerei, Uebermuth, Neid und dergleichen, sondern die Frucht des Geistes, nämlich jenes Wortes, das in Christo Fleisch geworden, der uns von ihm Demuth und Sanftmuth lernen heißt und uns geliebet hat bis in den Tod. Das sind die ächten Früchte, die Gott gefallen. Nicht aber sind jene eitlen Werke, die Niemanden nützen, solche Früchte, wie die Unterhaltung von Müssiggängern und die Erbauung von Tempeln und die Stiftung von Jahreszeiten und Aehnliches. Es gibt sonst kein gutes Werk, als wenn es aus dem Glauben stammt. Der Herr wolle uns seine Gnade verleihen, daß wir gute Bäume seien und Früchte bringen zum ewigen Leben! Amen!

Quelle: Hagenbach, Dr. K. R. - Johann Oekolampad und Oswald Myconius, die Reformatoren Basels

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