Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Bekehrung und Sündenvergebung

Oehninger, Friedrich - Wahrheiten für unsere Tage - Bekehrung und Sündenvergebung

Ohne Wiedergeburt sucht der Mensch sein Leben in der Kreatur; in der Wiedergeburt empfängt er es aus Gott und sucht es auch allda. Es eröffnet sich im Innersten des Menschen ein Brunnquell lebendigen Wassers, der durch Selbstmitteilung Gottes den Hunger der Seele fort und fort stillt, während es beim Unwiedergebornen geht wie Gichtel sagt: Semper aliquid novi appetimus, d. h. immer verlangen wir nach etwas Neuem, und können doch zu keiner Ruhe kommen als mit Verlassung des Irdischen und Hassung des eigenen Lebens. - Der Durst der Seele wird meist mit anderem zu stillen gesucht; aber Sauls kranke Seele wurde durch die Musik wohl für den Augenblick beruhigt, aber nicht geheilt, und aller ästhetische, wissenschaftliche Genuss, ja auch alle sittlichen Künste und Anstrengungen ersetzen Bekehrung und Wiedergeburt nicht. Die heilige Schrift nennt diejenigen Psychische, Seelische, welche meinen, ohne Wiedergeburt, ohne Verleugnung und Tod des alten Wesens, durch bloßen Idealismus, durch ideale Erhebung, Steigerung und Verklärung des Natürlichen könnten sie überwinden und zum Ziele kommt. Psychisch ist im neuen Testamente der Gegensatz zu pneumatisch, Geistlich. Psychisch bedeutet nicht: sinnlich, fleischlich, sondern: seelisch-natürlich, rationalistisch.

Wer ein Träger der Zukunft werden will, muss mit der Vergangenheit brechen. Treten wir durch die Bekehrung auf Gottes Seite, so ist alsdann auch Gott auf unserer Seite. Alles wider uns, als Unbekehrten; alles mit uns, selbst das, was wider uns war, als gläubigen Kindern Gottes.

Bekehrung und Wiedergeburt dürfen nicht verwechselt werden. Bekehrung bezeichnet an der großen Änderung mehr die menschliche Seite, Wiedergeburt die göttliche Seite. Bei Heiden geht und ging die Bekehrung der Wiedergeburt voran, indem diejenigen, die in Buße und Glauben dem Reiche der Finsternis absagten und Christo sich zusagten, durch die Gnade der heiligen Taufe in jener Umkehr befestigt und befähigt wurden, darin zu beharren und sie täglich zu erneuern. Bei Christen, die in der Taufe Christum angezogen haben und damit aus Gott geboren worden sind (vergl. Gal. 3,27. Joh. 1,12.13), sollte eine eigentliche einmalige Bekehrung nicht mehr vorkommen müssen, sondern sie sollten in der Taufgnade beharren und in Christo bleiben und nur in sofern sollte bei ihnen von Bekehrung die Rede sein, als sie den alten Menschen nach immer mehr absterben, die Sünde immer mehr hassen und im Tode Christi erhalten, in welchen sie in der Taufe begraben sind. - Weil aber viele nicht in der Taufgnade geblieben sind und der Mahnung nicht gefolgt haben: „Selig ist, wer da wacht und hält sein Kleid, dass er nicht bloß wandle und man seine Schande sehe.“ (Offb. 16,15), darum müssen so viele der Getauften sich also bekehren, wie seiner Zeit Heiden und Juden. Aber diese Bekehrung sollte man nicht „Wiedergeburt“ nennen, sondern man sollte gedenken, wovon man gefallen ist, und um so mehr Buße tun, Reue und Herzeleid haben, weil man die Gnade Gottes zum Teil vergeblich empfangen hat und in den Weinstock Christi eingepflanzt worden und von ihm getragen war, ohne die rechte Frucht zu bringen. Wie wenig geziemt sich daher für getaufte Glieder Christi der Ruhm ihrer Bekehrung! Gegenüber der Klage: Ich habe Kinder auferzogen, und sie sind von mir abgefallen!

Indessen ist die Bekehrung, d. h. die Abkehr von dem Ich- und Weltdienst, und die Zukehr zum HErrn, etwas, das durch das ganze Christenleben hindurch gehen muss und immer mehr nach außen fühlbar werden wird. Schön redet Kügelgen ist seinen herrlichen „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ von dieser großen seligen Veränderung, wie sie bei seiner Mutter vorging, also: „Meine Mutter wurde angesteckt durch das Contagium1) einer ewigen Heilung und trat ein in die Vorhalle des auf Golgatha erbauten Heiligtums, wo Jesus Christus selbst das Hochamt hält, - und allgemach wurde auch der Vater von jener wunderbaren Ansteckung ergriffen, die aus tugendhaften Leuten arme Sünder macht und das Herz zu einer Liebe entzündet, die nicht von dieser Welt ist.“

Das moderne Geschlecht ist im Ganzen so müde und zum Teil wie von Furien verfolgt, dass es seine Hoffnung aufs Nirwana setzt, auf die Bewusstlosigkeit, und sein Heil im Aufhören des Lebens oder gar in der Selbstvernichtung sucht. - Aber die Hilfe liegt nicht in der Bewusstlosigkeit, sondern in der Vergebung der Sünden. - Damit würde dann auch die Macht des Bösen in uns gebrochen, das sich dem Göttlichen entgegensetzt, und dem der Gang der Dinge, der sich eben dem Eigenwillen nicht fügt, eine so unerträgliche Qual ist. Ist es zufällig, dass in Ländern, wo man sich aus der Sündenvergebung so wenig macht als aus der Sünde, der Selbstmord viel häufiger ist als unter katholischen Völkern, welche noch die Wohltat privater Lossprechung der Büßenden kennen? Sprüche 28,13 zeigt, wie „wohl gebeichtet, halb gebüßt ist“ und eine ganze Reihe von Aussprüchen des HErrn und der Apostel lehrt uns, dass Vergebung an die Buße und diese an Erkenntnis und Bekenntnis der Schuld geknüpft ist, welches Bekenntnis in vielen schweren Fällen auch vor den Ohren solcher Menschen wird geschehen müssen, welchen der HErr die Macht gegeben hat, zu binden und zu lösen. (Über Privatbeichte siehe Büchsel, Berliner Amtsleben S. 91. 92.) - Tertullian schreibt: „Vor der Taufe sind die Sünden zu bekennen. Wir müssen uns Glück wünschen, dass wir unsere Gottlosigkeiten und Schändlichkeiten nicht öffentlich zu bekennen brauchen.“

Schon menschlich betrachtet liegt in der Anerkennung des begangenen Unrechts eine gewisse Sühnung und zugleich der erste Schritt der Befreiung des Sünders vom Banne seiner Sünde, also auch die Hoffnung seiner Wiederherstellung. Calderon sagt, begangene Fehler können nicht besser entschuldigt werden als mit dem Geständnis, dass man sie als solche wirklich erkenne; - und Rückert: Des Mannes Größe ist nicht, dass er fehlerfrei, doch über Fehler, die er hat, erhaben sei. Herrlich ist's, dass begnadigte Sünder von Gott gebraucht werden, die Übertreter seine Wege Lehren, damit die Sünder sich zu Ihm bekehren. -

„Die Asche des Sündopfers musste an einem reinen Ort aufbewahrt werden, ein Sinnbild dessen, dass wir die vergebenen Sünden als solche in dankbarem und demütigem Gedächtnis tragen und der Reinigung von vorigen Sünden nicht vergessen sollen.“ Vergl. 2. Petr. 1, 9. -

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Annäherung
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autoren/o/oehninger/wahrheiten/oehninger_-_wahrheiten_fuer_unsere_tage_-_21.txt · Zuletzt geändert: von aj
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