Myconius, Oswald - Hirtenbrief 1534.

Myconius, Oswald - Hirtenbrief 1534.

Epistola Oswaldi Myconii Lucernani paraenetica ad fratres ditionis Basiliensium, quo modo se gerere docendo in his praesentibus utiliter debeant, complectens.

„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte.“

Den Herren Decanen Jacob Immeli, Johann Grell und Marcus Heiland und den übrigen christlichen Predigern der Landschaft.

Gnade und Frieden von Gott dem Vater und seinem Herrn Jesu Christo. Es ist uns nicht unbekannt, Geliebte in dem Herrn! wie sehr die Stürme dieser Zeit die schwache Menschennatur erschüttern. Ist doch ihr Andrang so heftig, ihr Auftreten so furchtbar, ihre Wut so anhaltend, dass von Eisen sein müsste, wer davon nicht erschüttert würde. Das ist die Folge des gottlosen Wesens, hinter dem an Rohheit und Wildheit selbst die tierische Natur zurückbleibt; denn was ist im Vergleich mit ihr die Raubgier der Wölfe, der Löwen Gewalt und der Tiger Anfall? Da tritt uns in zahlreichen Beispielen vor Augen, was der Herr mehr als deutlich beschrieben hat, wenn er sagt: ein Bruder wird den andern überantworten zum Tode; der Vater wird gegen den Sohn und die Söhne werden wider die Eltern sich auflehnen und sie töten. Oder was wäre mehr geeignet, die Leidenschaften selbst gegen das eigne Fleisch und Blut anzustacheln, als die Leidenschaft der Gottlosigkeit, wie sie uns Christus beschreibt? Dagegen wieder zeigt sich die Schwachheit des Fleisches in ihrer unaufhörlichen Furcht so erbärmlich, dass nichts Elenderes und Jämmerlicheres auf Gottes Erdboden gefunden werden kann. Aus reiner Selbstsucht ist sie bereit, die höchsten Güter sich zu verbittern, wenn sie merkt, dass ihr Schaden daraus erwachsen könnte. Was würde sie erst dann tun, wenn alle jene grausamen, gefürchteten Dinge, ich meine nicht etwa zur Entziehung des Vermögens und Verbannung, sondern der Tod selbst, und zwar der Tod durch Henkers Hand unter irgend einem Vorwande, ihr vor Augen träte? Deshalb wundern wir uns nicht, wenn die euch anvertraute Herde mehr als billig erschreckt wird durch die Grausamkeit und die gottlosen Taten, wie sie heutzutage von unsern Nachbarn gegen rechtschaffene und fromme Leute, ja gegen Gott und sein Wort selbst verübt werden. Noch weniger wundern wir uns, wenn die ihnen Gleichgesinnten, die mitten unter euch wohnen, die Köpfe hoch tragen, und sich rühmen und freuen, dass nächstens das Reich der Gottlosigkeit auch wieder unter ihnen werde aufgerichtet werden. Wir wissen ja: „gleich und gleich gesellt sich gern“, und aus dem Glück des einen schöpft der andere Hoffnung für sich selbst.

Indem wir nun solches ernstlich mit gebührender Vorsorge für euch erwägen, will es uns scheinen, dass wir euch nicht länger unsere Ermahnungen vorenthalten sollen, also dass wir, wenn immer möglich, mit männlicher Fassung und mit Vertrauen das gemeinschaftlich erwarten, was Gott über uns und unsere Feinde beschlossen hat.

Die Absicht meines Schreibens, geliebte Brüder! ist also die, euch zu ermutigen, damit ihr dann wieder eures Ortes die Frommen befestigen, die Schwachen aufrichten, die Gottlosen abschrecken möget. Was nun euch betrifft, liebe Brüder! so gebührt es euch vor allem in dieser Zeit der Wirren und der Schrecken, euch zu waffnen mit Tapferkeit und Beständigkeit, denn ihr seid die Anführer des Heeres und die Hirten der Herde Gottes. Wenn der Heerführer zuerst vor dem Feinde sich fürchtet, zuerst das Gewehr streckt und die Flucht ergreift, was soll dann der Gemeine tun? Wird er sich schlagen? Das Leben gering achten? Oder wird er nicht eher zaghaft und unentschlossen sein, und nicht wissen, ob er den Kampf fortsetzen oder aufgeben soll? Es fehlt eben der Führer. Und so wird Flucht, Niederlage, Plünderung, Verheerung und unzähliges Übel die Folge sein. Nicht anders wird es geschehen, wenn ihr im Heere Gottes die Ersten seid, die sich vom Schrecken übermannen lassen; werden dann nicht die Krieger Christi, die bis dahin an eurem Munde gehangen und euch predigen gehört haben von der Macht des Glaubens über alle Schrecknisse der Welt und über die finstern Gewalten in der Luft, an euch irre werden und nach der Schwachheit ihres Fleisches eure Furcht teilen; denn da heißt es natürlich: der ist gelehrt, wir ungelehrt, der stark, wir schwach, der ein Held im Glauben, wir Kleingläubige. Siegreich hat er bisher wider das Böse gekämpft; wir nicht also; was sollen wir jetzt tun, da auch ihm der Mut entfallen ist! Lasst uns der Mehrheit folgen und dem, was der Vorteil bietet, dem was den Beifall der Menge hat, was so lange schon gedauert hat, was unsre Väter aufrecht erhalten haben, und so geht die ganze Furcht unserer Arbeit, unsrer Lehre, alles was bereits an- und aufgenommen war, wieder verloren durch die einzige Furcht des Anführers.

Deshalb, Brüder! Werfet von euch alle Furcht und ziehet an die Rüstung Gottes, von der Paulus redet (Eph. 6): „Umgürtet eure Lenden mit Wahrheit und ziehet an den Panzer der Gerechtigkeit und seid an den Beinen gestiefelt, als fertig zu treiben das Evangelium des Friedens, damit ihr bereitet seid. Vor allen Dingen aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts, und nehmet den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.“ Ja, des Gürtels der Wahrheit bedürft ihr vor allen Dingen gegen den Geist der Lüge, der mit gleißendem Schein sich umgibet; nicht minder des geistlichen Panzers der Gerechtigkeit gegenüber der Gerechtigkeit aus den Gesetzes Werken und der Gerechtigkeit der Welt. Gestiefelt sollt ihr sein, um einher zu schreiten auf dem Heilswege des Friedens, der unsre Gewissen beruhigt vor Gott dem Vater und unserm Herrn Jesus Christus, was auch immer die geistlichen und die fleischlichen Feinde uns anhaben mögen. Aber auch der Schild des Glaubens möge euch schützen gegen die Pfeile des Bösewichts, die er nicht sowohl persönlich als durch seine Glieder auf uns abschießt, was wir heutzutage nicht nur zu sehen, sondern zu fühlen bekommen. Das Haupt lasst uns bedecken mit dem Helm des Heils, damit die Schläge des bösen Geistes uns nicht zu Boden werfen und wir nicht mit den Gottlosen in den ewigen Pfuhl gestürzt werden. Noch soll das Schwert des Geistes nicht beiseite gelegt werden, welches ist das Wort Gottes; denn wahrlich eben durch dieses Wort muss all unsre Lehre befestigt und verteidigt werden. Dann erst ist der Krieger wahrhaft ausgerüstet zum Kampfe, wenn das gewaltige Schwert des Wortes in seinen Händen sich befindet, ohne welches alles andere nichts ist; denn dann erst werden auch die übrigen Waffen etwas helfen, wenn sie durch das Schwert des Wortes geschützt sind. Ich zweifle gar nicht, dass wenn Gottes lebendiges Wort, wie es in den Herzen der Frommen lebt, über alles sich erstrecken wird, auch nichts so gewaltig, so ungestüm und trotzig sein werde, um etwas gegen die Frommen zu vermögen; es besitzt eine unüberwindliche Kraft, ja eine Macht und Gewalt, die alles zu Boden wirft. Aber Gott will, dass wir dieses Schwert, wenn er’s uns in die Hand geben soll durch anhaltende Bitten erlangen; darum sollen unsre Hände nicht lässig und unsre Zunge nicht müde werden, und unser Geist beständig aufwärts gerichtet sein zu Gott durch Jesum Christum; dann werden wir auch des Wortes Macht unzweifelhaft sich bewähren und den Sieg über alle Feinde uns gewiss sein. Nun aber sagt ihr: „Ein solcher Christ zu sein, wie du ihn hier schilderst, das ist schwer.“ Ja, ich gebe es zu; aber auch das ist wahr, dass Gott am stärksten ist, wo wir am schwächsten sind, wenn nur Glaube da ist, und wäre er auch nur eines Senfkornes groß; denn so sagt er, „meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“.

Wenn ihr also fest bleibet in Dem, der die Welt, den Teufel und Hölle überwunden, dann werdet ihr, wie groß auch eure Zaghaftigkeit und Schwäche sei, eine solche Kraft mitten in allen Anfechtungen erfahren, wie sie der Herr seine Krieger erfahren lässt. Zu solcher Tapferkeit und Beständigkeit ermahnt euch der Herr nicht als Hirten gemeiner Schafe, sondern als Hirten der göttlichen Herde. Dies bedenket stets, wenn es aufs Äußerste kommen will. Als der Herr vom Tode auferstanden, sprach er bei dem Mahle, das er mit den Jüngern genoss, zu Petrus: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe.“ So lässt sich der Herr Jesus Christus, der König der Könige vernehmen, welchem vom Vater die Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, und der, wenn er wieder kommen wird zum Gericht, auch von seinen Hirten Rechenschaft verlangen wird, wie auch von seinen Schafen, um einem jeden zu vergelten, nachdem er getan bei Leibesleben. Merket wohl, dass er sagt meine, und nicht deine Schafe. Mit seinem Eigentum mag jeder nach Belieben schalten; denn keiner verlangt Rechenschaft von sich selbst; fremdes Eigentum dagegen muss nach dem Willen des Eigentümers behandelt werden, wenn nicht die schlechte Verwaltung Strafe nach sich ziehen soll. So verhält es sich auch mit den Schafen Christi und den Hirten. Wenn nun unser Herr Christus ein gleiches Maß von Liebe auch euch verleiht, wie er es von Petrus verlangt, so ist es unmöglich, dass ihr nicht beim Blick auf seine Herde also mit Mut erfüllet werdet, dass ihr lieber das Leben dran gebet als die Obhut und Pflege derselben zu vernachlässigen. Aus solcher Gesinnung geht die rechte Tapferkeit und Beständigkeit hervor, welche keine Furcht aufkommen lässt, noch weniger Abfall von Seiten dessen, der es zu Herzen nimmt, wie angelegentlich ihm der Herr sein Eigentum anbefohlen hat. Ein solcher Hirte denkt dann nicht an die Furchtbarkeit und die große Zahl der Wölfe, achtet nicht der Verbannung und der Hinrichtung, erwägt nicht lang seine Schwäche, Verlassenheit und Armseligkeit; sondern richtet stracks sein ganzes Augenmerk allein auf den Herrn und auf das, was des Herrn Sache ist, indem er weiß, dass wenn er hier seine Pflicht tut, ihm selbst und der Heiligung des göttlichen Namens am besten gedient sei. Obwohl nun aber die Liebe zum Herrn allein schon hinreicht, der Mut zu stählen gegen alle Widerwärtigkeiten der Welt, so mag euch doch auch das nicht wenig zur Kräftigung gereichen, wenn ihr die Unehrenhaftigkeit jener Wölfe etwas näher betrachtet: denn diese stellt sich so in ihrer ganzen Erbärmlichkeit heraus, dass sie einem redlichen und frommen Manne keine Furcht einjagen, sondern ihn nur mit Verachtung erfüllen wird.

Betrachtet doch nur einmal um Gottes willen diese sogenannten Heiligen: wie schrecklich sieht es mit ihnen aus: Sie sollten sich durch Gelehrsamkeit und Heiligkeit des Wandels auszeichnen und doch sind sie solche Ignoranten, dass sie bis jetzt nicht ein Jota von der Gelehrsamkeit besitzen, welche Christus den Seinigen empfohlen hat, nämlich die Erkenntnis seines Wortes. Ich möchte darauf schwören, dass ihre Hauptleute nicht einmal den Namen des Evangeliums kennen oder absichtlich ihn nicht kennen wollen und ihm eine andere Deutung geben, als ihm zukommt. Seht doch die Faber und Eck, diese Trefflichen, ob sie etwas von dem wissen, was wir ihnen absprechen, wenn sie mit solcher Hartnäckigkeit auf die Verdienstlichkeit der Werke versessen sind, wenn sie die Gewalt der Schlüssel so sehr erheben, das Fegefeuer verteidigen, mit einem Wort das Papsttum, das Reich des Antichrists, über dessen Beschaffenheit doch kein Frommer im Zweifel sein kann, mit aller Gewalt zu schützen sich unterfangen? Von den zahllosen Tröpfchen will ich lieber gar nicht reden, die nicht ein Alpha von dem Beta unterscheiden können geschweige denn, dass sie wüssten, was das Evangelium, was Gott, was der Gesalbte Gottes, was Gerechtigkeit, Heil, Glaube, Liebe u.s.w. ist. Geben sie nicht täglich Beweise von der Wahrheit meiner Behauptung? Was vernimmt man denn in ihren Vorträgen anders als eitle Vernünftelei, Menschentand und Fabeln aus ihren sogenannten Lebenden der Heiligen?, oder päpstlichen Satzungen, die mit dem göttlichen Gesetz im auffallendsten Widerspruch stehen, sie legen die heilige Schrift nach ihren menschlichen Gedanken aus, und als ob das vorgelesene Evangelium die Zuhörer nichts angehe, werfen sie den Frommen die ärgsten und gräulichsten Schmähworte an den Kopf, indem sie sie Diebe, Verräter, Ketzer und weiß was noch schelten; aber den Beweis bleiben sie freilich schuldig, weil sie ihn, Gott sei Dank, nicht leisten können. Betrachten wir ihren Wandel und ihre Werke; denn aus diesen befiehlt uns der Herr die Menschen zu beurteilen. Alles wohl erwogen, kann man in Wahrheit behaupten, dass es unter Gottes Sonne kein unverschämteres Geschlecht gibt als dieses Priestergeschlecht; denn um von ihrem Stolze zu schweigen, mit welchem sie nicht nur Kaisern und Königen, sondern den Engeln sich gleichstellen, um nichts zu sagen von ihrem Geiz und ihrer Hoffart, wie weit geht die Unverschämtheit ihrer sinnlichen Lust.

Wenn nun die Hirten so beschaffen sind, wie mag es mit der Herde aussehen? Denn wie der Priester, so das Volk. Wo der Priester unwissend und gottlos ist, da ist auch keine Heilserkenntnis unter dem Volke, sondern Lüge, Afterrede, Totschlag, Diebstahl, Ehebruch und jede Art von Bosheit. Unwissend sind sie allzumal, was schon daraus hervorgeht, dass sie ihre Hoffnung auf Lügen setzen und nicht auf den lebendigen Gott. Da sprachen sie: sollte mir nicht mein Fasten helfen, mein Beten, mein Almosengeben, meine Wallfahrten zu den Heiligtümern u.s.w.? Deshalb sind sie gottlos (Atheisten) weil ohne Gott; (denn der Tor spricht in seinem Herzen: es ist kein Gott), wenn sie gleich bei Himmel und Erde und bei allem was heilig ist schwören, dass, was sie tun, sie um Gottes willen tun. Es ist, als ob der Geist des Herodes in sie gefahren wäre, sie töten das Christkind in vieler Herzen, wie wir’s täglich vor Augen sehen. Warum? Weil sie fürchten, dass es sie vom Thron stoße, dass sie ihre Macht, ihre Reichtümer, ihre Lustbarkeiten und dergleichen verlieren. Der Geist der Hohenpriester, der Ältesten und Schriftgelehrten ist in sie gefahren; denn täglich ratschlagen sie mehr und mehr darüber, wie sie den schon zum Manne herangewachsenen Christus aus dem Weg räumen mögen. Bisweilen wird ihr Wunsch erfüllt, aber je mehr dies geschieht, desto stärker erweist sich die Lebensmacht dessen, den sie töten möchten; denn nur nach seiner sterblichen Seite vermögen sie es, ihn zu töten, nicht nach seiner unsterblichen; d. i. sie können wohl die Leiber der Frommen bisweilen töten, aber nicht zu schaden vermögen sie den Seelen, welche den lebendig machenden Geist in sich tragen. Und was ein sicheres Zeichen ihrer Gottlosigkeit ist; sie sinnen Tag und Nacht und machen Anschläge wider die Gerechtigkeit unsers Herrn Jesu Christi, so dass sie fast nichts anderes tun, als dies. Inzwischen ergeben sich die andern dem Spiel, dem Fressen und Saufen, der Lästerung, dem Müßiggang und allen Lastern nach ihrem Gutdünken. Der einzige Maßstab, wonach sie das Christentum bemessen, ist der Besuch der Messe. Da, rühmen sie, sei Christus gegenwärtig, aber freilich ein stummer und verborgener Christus! Fängt jedoch Christus an zu sprechen durch sein Wort, dann zischen sie ihn aus und wenn er nicht weichen will, so töten sie ihn.

Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass an den Orten, wo die Messe durch Gewalt wieder ist hergestellt worden, dort ist auch zugleich allen Schändlichkeiten Tür und Tor geöffnet. Ich kenne einen Ort, wo an demselben Tage, an welchem man wieder anfing Messe zu lesen, Karten, Würfel und Brettspiel in Bereitschaft standen. Das liederliche Wesen, Saufgelage u.s.w. kehren da wieder. Und diese Leute sind es, die uns mit den gehässigsten Titeln beehren; sie, welche den Glauben an Gott durch Jesum Christum auszulöschen bemühen und uns gleich Schlachtschafen täglich den Tod schwören und uns den Krieg erklären, indem sie dabei auf das Alter und die Unumstößlichkeit ihrer Religion und ich weiß nicht auf was alles noch pochen. Ich will des Todes sein, wenn einer von ihnen, heiße er gelehrt oder ungelehrt, eine richtige Einsicht in das Wesen des Christentums hat. Und ihre sinnlose Wut sollte euch schrecken und nicht vielmehr in der Wahrheit Gottes und unsers Herrn Jesu Christi, die ihr aus der heiligen Schrift und aus den Worten des Sohnes Gottes gelernt habt, euch befestigen? Ich habe das gute Vertrauen zu euch, Brüder! dass ihr in diesem Stücke nicht anders gesinnt seid als die, in deren Herzen und Sinnen des Herrn Geist wohnt, in der festen Zuversicht, dass wenn durch ein richtiges Urteil euer Inwendiges beruhigt worden, nichts so schrecklich sein werde, dass es euch könnte zum Weichen bringen.

Was ich bis dahin gesprochen, sollte zur Befestigung eurer Gemüter dienen. Nun lasset mich davon handeln, wie ihr euch gegen die Frommen, gegen die Schwachen und gegen die Gottlosen zu verhalten habt, denen ihr als Hirten vorgesetzt seid. Es ist euch nicht verbogen, Brüder, dass kein Fleisch so vom göttlichen Geiste durchhaucht ist, dass ihm nicht immer noch etwas von dem Elend seiner Natur anhafte, daher auch die Heiligsten jeweilen von den auf sie eindringenden Stürmen der Trübsal bewegt werden. Das hat, wenn kein anderer, Christus selbst hinlänglich uns durch sein Beispiel gelehrt; er, dessen Schweiß gleich Blutstropfen zur Erde rann, als er am Ölberge betete. Wenn als das Fleisch Christi, das von jedem Makel der Sünde frei blieb, das Gefühl der Betrübnis so schwer empfunden hat, wer sollte hinfort davon frei sein? Wir alle seufzen unter der Last der Sünden, darum liegt auch die Strafe der Trübsal schwerer auf uns, weil das Gewissen uns mahnt, dass wir nicht so ganz unverdient leiden. Mit was anders nur als mit dem Wort Gottes ist der Geist der Frommen aufzurichten, da sie selbst außer dem Worte keine andere Autorität verlangen? Ihnen mag also das Wort des Apostel Paulus in Erinnerung gebracht werden, dass wir nicht einen knechtischen Geist von Gott empfangen haben, damit wir abermals uns fürchten sollten, sondern den Geist der Kindschaft, durch welchen wir rufen: „Abba, lieber Vater!“ Dieser Geist ist es, der auch ihnen Zeugnis gibt, dass sie Gottes Kinder sind; wenn aber Kinder, so auch Erben, Erben Gottes, Miterben Christi. Sintemal sie mit ihm leiden, so werden sie auch mit ihm verherrlicht werden; denn das steht fest, dass zur Verherrlichung kein anderer Weg führt als das Kreuz, da auch nicht einmal Christus auf einem andern Wege zur Herrlichkeit durchgedrungen ist, wie er von sich selbst bezeugt: „Musste nicht Christus also leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?“ Und dass dies derselbe Weg der Verherrlichung für alle Frommen sei, lehrt er offenbar. „So jemand“ sagt er, „mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ So lehrt auch Paulus, dass alle, welche gottselig leben wollen in Christo, Verfolgung leiden müssen. Und Petrus versichert dasselbe von der ganzen Kirche. So einer als Christ leidet, soll er sich dessen nicht schämen, sondern Gott an seinem Teile verherrlichen. Da es nun Zeit ist, dass das Gericht beginne am Hause des Herrn, und solches nun zuerst bei uns beginnt, was soll das Ende derer sein, die dem Evangelium nicht glauben? Daraus geht klar hervor, was wir gesagt haben, dass das Kreuz einem Christenmenschen als eigentümliches Los beschieden ist, aber es ist auch nicht minder klar, dass das geduldige Tragen der Betrübnis um Christi willen das sicherste Kennzeichen der auserwählten Kinder Gottes ist. Wer solches bedenkt, der wird sich nicht leicht schrecken lassen, wenn die Zeit der Trübsal anbricht, denn er erkennt also bald darin mit Paulus den Willen Gottes. Welche der Herr zuvor ersehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollen dem Ebenbild seines Sohnes, d. i. dem Bild seiner Leiden. Er bedenkt ferner, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge müssen zum Besten dienen, denn sie fördern zum ewigen Erbe Gottes. Wer also noch so elend ist, dass er das Kreuz, das er um Gottes willen tragen soll, flieht, der hat sich noch nicht selbst verleugnet, sich noch nicht ganz dem Willen Gottes hingegeben, so dass er diesem sich unterwerfend, alles willig auf sich nehme. Die Jünger des Herrn dankten Gott und freuten sich beim Hinweggehen aus dem Synedrium, dass sie gewürdiget worden seien, Schmach zu leiden um seines Namens willen. Wird der nicht ein Gleiches tun, den der Herr mit der Stärke seines Geistes begabt hat? Wem daher die Macht dieser Stärke fehlt und wer also die Züchtigung des Herrn sich nicht zur Freude rechnet, dem werde ich zwar nicht den Geist überhaupt absprechen, wohl aber den Geist der Stärke, den fürstlichen Geist, wie David ihn nennet. Solche sind daher noch zu den Schwachen zu zählen, von denen wir nachher reden wollen. Es ist daher nötig, sowohl die Trostsprüche aus der ganzen Schrift, besonders aber aus dem neuen Testamente zu sammeln, als auch die Menge der tröstlichen Beispiele, wie die Geschichte der drei Männer im Feuerofen, die Geschichte Daniels, die Geschichte der Jünger des Herrn, besonders die Geschichte des Paulus und der Märtyrer, und auch die Geschichte vieler beherzter Männer unsrer Zeit sie darbieten, die durch Feuer, Wasser und Schwert den härtesten Tod erlitten haben um des Glaubens willen an Jesum Christum. Wir zweifeln auch nicht, dass die Frommen zu dem Ende so gestärkt werden, dass es ihnen leicht wird, den Tod, geschweige denn die übrigen Qualen zu ertragen, die ihnen von den Gottlosen zugefügt werden. Eines freilich ist oft und viel zu bedenken und mit unausgesetztem Eifer zu betreiben, dass man nicht ablasse vom Gebet; denn Gott will, dass die Burg seines Erbarmens gleichsam von uns erobert werde, wie uns Christus in jenem Gleichnis von dem ungerechten Richter und der Witwe lehrt; denn damit will er, wie auch der Evangelist andeutet, uns nichts anderes sagen, als dass man ohne Unterlass beten und nicht müde werden soll. Allermeist aber ist solches nötig zur Zeit der Trübsal, was der Herr durch Wort und Beispiel bewährt hat, als er vor seinem Leiden ausrief; „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ Zu den Jüngern aber sprach er: „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet.“ Darum ist nicht genug zu bedenken, dass das Gebet eine feste Burg ist gegen den Andrang der Versuchungen, und wie nötig dasselbe inmitten der Trübsal sei, wer sollte das nicht wissen? Solche Versuchungen sind gerade jetzt viele vorhanden. Das Fleisch, die Welt, der gemeinsame Feind unsres Geschlechtes, der Satan, das alles dringt mehr als sonst auf uns ein. Wie groß ist die Macht der Versuchungen! Da nun der Herr seinen Jüngern befohlen hat, ihre Zuflucht zur Wachsamkeit und zum Gebet zu nehmen, so sehen wir leicht, was die Wirkung und Kraft des Gebetes sei, wenn es anders seine rechte Gestalt nicht verloren hat, d. h. wenn es ein gläubiges Gebet ist; denn das Gebet des Gerechten, schreibt Jakobus, vermag viel, wenn es ernstlich ist, unter Anführung des Beispiels von Elias. Und noch andere Beispiele lassen sich anführen, wie das eines Samuel, als er zum Herrn flehte, dass er Israel aus den Händen der Philister errette. Übrigens könnte schon der einzige David uns hinlänglich lehren, wohin wir unsre Zuflucht zu nehmen haben am Tage der Trübsal. Wie oft wiederholt er: „Ich schrie zu dem Herrn in meiner Not, und er hat mich erhöret“ u.s.w Und ebenso Asaph. Der ganze Psalter ist voll der herrlichsten Sprüche dieser Art, und euch sind sie bekannter als mir. Damit glaube ich zur Genüge gezeigt zu haben, wie man den Frommen begegnen soll.

Wir gehen zu den Schwachen über. Ich verstehe darunter solche, welche zwar Glauben haben, aber keinen so starken Glauben, dass sie vermöchten einzusehen, wie alle äußern Dinge durch Christum in unsre Gewalt gegeben sind, vorbehalten allezeit die Liebe; solche zumeist, in welchen das Fleisch zu schwach ist, als dass es, so bald alles was der Welt gefällig, von sich zu verwerfen und für Schaden zu achten imstande wäre. Welche sich in diesem Falle befinden, die sind also zu behandeln. Das bisschen von Glauben, das noch in ihnen ist, muss fleißig durch Schrift und Wort Gottes gepflegt und gehegt werden. Die Verheißungen Gottes müssen ihnen vorgehalten und wie dieselben in Christo erfüllt worden, ihnen gezeigt werden, und das so, dass keiner sei, der nicht bei sich die sichere Überzeugung von der Wahrheit des Gesagten gewinne. Auch die heftigsten Zusprüche können nicht haften, wenn die Einsicht in die Sache und die feste Überzeugung fehlt. Wie oft waren die Jünger des Herrn schwach, nachher glaubten sie an ihn und bekannten, dass er sei Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Petrus fasste einen solchen Abscheu, als Christus sein Leiden vorhersagte, dass er ihn als einen Irrenden abhalten wollte, mit den Worten: „Das widerfahre dir ja nicht!“ Und ähnlich verhält es sich mit den übrigen Jüngern. Aber was tat der Herr? Er lehrte sanftmütig und bewies seine Gottheit durch Wunder; mitunter schalt er auch ihren Unglauben, indem er nichts unterließ, was ihn in den Augen der Jünger konnte groß und göttlich erscheinen lassen.

Darin sollet ihr Christum nachahmen. Nicht, als ob ihr auch sollet Wunder tun, sondern dahin soll eure Arbeit gehen, dass Christus verherrlicht werde durch die Wunder, die geschehen sind, und seine Gottheit, wie ehemals, so auch jetzt bestätigt werde. So oft etwas zur Stärkung des Glaubens gebracht wird, so oft muss auch etwas milde hinzugefügt werden vom Ertragen der Übel. Nie muss die Predigt vom Kreuz in die Mitte gestellt werden, ohne dass sie begleitet sei von dem Trost der Schrift. So hat allenthalben der Herr es getan. Auch mit menschlichen und anderweitigen Vernunftgründen mag man der Schwäche des Fleisches entgegenkommen, insofern sie zur Unterstützung und nicht zur Entkräftung der göttlichen Wahrheit beitragen. Zum Beispiel: es soll der Mensch das Übel tragen um Gottes Willen, da ihm dasselbe auch um der Eltern, um der Kinder, um der Verwandten und Freunde und um mancher Dinge willen, die weit geringer sind, zu ertragen geziemt. Wir opfern das Leben oft aus Liebe zum Vaterland, warum sollten wir es nicht auch opfern aus Liebe zu Gott? Bisweilen setzen ganz verworfene Menschen Vaterland, Eltern, Gatten, Kinder, Hab und Gut und sich selbst hintan und nehmen Kriegsdienste um eines geringen Soldes willen auf wenige Monate, wie sollte denn nicht ein rechtschaffener und frommer Bürger das alles gering achten um Gottes willen, der um unsertwillen seines Sohnes nicht verschont und ihn, dass ich so sage, mit Hintansetzung des Himmels, in den Tod gegeben hat?

Wir müssen doch alle einmal sterben. Selig der, der für den Herrn zu sterben bereit ist. Der Fisch ist überall im Wasser zu Hause, in welchem Teil des Meeres er sich auch befinde; soll einem frommen Mann nicht die Erde sein, was dem Fischlein das Wasser? In den alten Zeiten sind vornehme Leute freiwillig in die Verbannung gegangen mit einem guten Gewissen in der Brust; warum soll der Mann, der den Frieden mit Gott durch Christum im Herzen trägt, nicht freiwillig das Exil ertragen? Solche Beispiele sind lehrreich und ermunternd zugleich, und darum sind dergleichen, je nach der Beschaffenheit eines jeden Volkes, auszusinnen.

Ein Hauptargument, dessen man sich mit Nutzen bedienen kann, wird auch die Standhaftigkeit unserer evangelischen Fürsten sein, die in gegenwärtiger Zeit so fest ist, dass man deutlich sieht, wie der allmächtige, allgütige Gott selbst den rechten fürstlichen Geist auf sie herabgelassen hat. Wie suchen sie doch die Einigkeit zu fördern in der Sache des Herrn: denn sie sind durch Gottes Gnade zu der Einsicht gekommen, dass sie vor allen Dingen Not tue, um der Beständigkeit auch wirklich Bestand zu geben; denn wo man einig ist in der Wahrheit, zumal in der göttlichen, da kann auch die Beharrlichkeit im Guten nicht fehlen. Der Herr liebt die Eintracht; daher schützt und erhält er nach seiner Güte alle die, welche sie lieben. Zudem liegt es in der Natur dieser Tugend, dass sie eine erhaltende Kraft ist. Dagegen kann es uns nicht entgehen (und Gott mahnt uns auch wohl daran), dass die Uneinigkeit auflösend und verderblich wirkt auf ganze Länder, Städte und Familien.

Ein in sich geteiltes Reich zerfällt, und weder ein Staat noch ein Haus kann bestehen, das durch Uneinigkeit zerrüttet ist. Dies könnte mit tausend Beispielen belegt werden, wenn nicht die göttliche Autorität mehr wäre als tausend mal tausend solcher Beispiele. Nur an eines will ich erinnern. Was war die Ursache der schweren Niederlage, die wir noch nicht so lange her1) erlitten haben? War nicht Uneinigkeit und Zwiespalt des Glaubens dran schuld?

Es nützte auch nichts, dass Päpstler und Wiedertäufer gemeinsame Sache machten und unter dasselbe Banner sich scharten, indem die einen glaubten, im Töten der Feinde ein gottwohlgefälligeres Werk zu tun, die andern das Wort und die Gerechtigkeit des Evangeliums gern vertilgt hätten; denn als es zum Treffen kam, nahmen die Widertäufer Reißaus, noch ehe sie den Feind erblickt hatten, die übrigen, als sie den ernstlichen Eindruck hiervon vernahmen, suchten gleichfalls in der Flucht ihr Heil. Kein Teil zog aus, um den Feind zu schlagen, sondern um für sich selbst zu sorgen; denn dass einige Wenige aus den Papisten hie und da getötet worden sind, hat seinen Grund nur in ihrer Unvorsichtigkeit und Unwissenheit, indem sie sich ohne es zu wissen, einem Haufen der Evangelischen angeschlossen hatten und dann im Tumult von ihren eigenen Leuten erschlagen wurden. Daraus geht hervor, dass wir nicht sowohl der Tapferkeit der Feinde, als unserer eignen Uneinigkeit erlegen sind. Damit nun die evangelischen Fürsten nicht Ähnliches zu befürchten haben2), suchen sie nach Kräften den Acker des Herrn vom Unkraut des evangelischen Zwistes zu reinigen; so zwar, dass sie nach ihrer frommen Gesinnung nichts als aus sich unternehmen, sondern alles aus Gott, durch ihn und zu seiner Ehre. Sie lassen sich auch nicht abschrecken durch den bald erzwungenen, bald freiwilligen Abfall vieler, indem sie wissen, dass Gott die Seinen kennt und auf seine Hilfe vertrauen. Sie hören den Donner der Geschütze, sehen die Blitze der auf sie gerichteten zornigen Blicke der Gottlosen, ohne sich zu fürchten; sie trauen auf den Gott ihres Heils, der sie bis dahin nicht verlassen hat. So viel über die Behandlung der Schwachen.

Wir kommen endlich zu den Gottlosen, welche zwar den Christennamen führen, selbst aber an nichts weniger Geschmack finden als an christlichen Dingen; ja nichts mehr hassen mit ihrem ohnmächtigen Hasse, als eben das Christentum; daher freuen sie sich von Herzen, wo sie sehen, dass das Wort der Wahrheit geschmäht, dass die Bekenner derselben eingekerkert, getötet oder des Landes verwiesen werden, weil ihnen da gleich die Hoffnung aufgeht, dass das freie, zuchtlose Leben wiederkehren werde, das der Predigt des Evangeliums hat weichen müssen. Übrigens kann man zweierlei Gattungen dieser Leute bei uns unterscheiden. Die einen haben sich von jeher gezeigt wie sie sind und haben auch nichts anderes scheinen wollen. Andere dagegen haben zeitweise die Frommen gespielt; wo sie jedoch gemerkt haben, dass ihnen ihr Bekenntnis für das Irdische keinen Nutzen abwarf, da haben sie sich wieder abgewandt und treten nun noch viel frecher auf als die Ersteren.

Was sollen wir hierzu sagen, als was Salomo sagt: die Peitsche dem Pferd, der Zaum dem Esel und die Rute auf den Rücken der Narren! So lange demnach die Gottlosen noch unter uns ihr Wesen treiben, ist von uns aus das Gesetz Gottes nicht sowohl zu handhaben als auch zu verkündigen. Das ist die Rute, von der wir Gebrauch machen müssen, um die Gottlosigkeit in Schranken zu halten; denn die schärfere Vollziehung des Gesetzes ist andern Dienern anvertraut. Was Altes und Neuen Testament dahin Gehöriges enthalten, das muss mit aller Strenge gegen die Verächter des Heiligen geltend gemacht werden, namentlich alles das, was gegen die Feinde Gottes geschrieben ist, wozu sich in Mose und den Propheten reichlicher Stoff vorfindet; in den evangelischen und apostolischen Schriften findet sich nur Weniges, was nicht hierher gezogen werden könnte. Alles was von den Juden, den Hohepriestern, Schriftgelehrten, Ältesten und falschen Propheten wider den Herrn gesagt und getan worden ist, das muss man diesen Leuten recht deutlich vor Augen stellen, damit sie sich darin spiegeln und selbst bei sich den Schluss ziehen mögen, dass dieselbe Strafe, von der die Juden betroffen werden, auch ihrer warte. Das hindert nicht, dass nicht auch auf die Strafen hingewiesen werde, welche der Herr allenthalben über die Verächter verhängt, auch nach einem äußerlich in Ruhe und Sicherheit vollbrachten leben. Er, dessen Wort die Wahrheit ist, wie sollte er es dulden, dass er da wo er selber spricht, verachtet werde? Solche Verachtung muss den Verlust des Heils notwendig nach sich ziehen. Wer mich verwirft, sagt der Herr, und meine Worte nicht annimmt, der ist schon gerichtet. Das Wort, das ich geredet habe, wird ihn richten am jüngsten Tag. Es wird auch nicht abwegig sein, da wo die Züchtigungen Gottes bei jenen Verächtern nur wenig anschlagen, von der Unerbittlichkeit des Todes und der Gewissheit desselben mit allem Nachdruck zu reden. Auch das Gericht des Gewissens, das in der Todesstunde am mächtigsten hervortritt, ist ernstlich anzuregen und ihnen, damit sie es desto besser begreifen, in Beispielen von Verbrechern vor Augen zu stellen, die schon in dieser Welt zum Tode verurteilt worden sind; denn dass solchen das Gewissen über die verübten Freveltaten aufwache, ist Tatsache und es lässt sich vermuten, dass diese Gewissensqual ihnen noch eine ärgere Pein ist, als das Erleiden des leiblichen Todes. Solche Vorstellungen können, wenn die Betreffenden nicht ganz ins Tierische entartet sind, ihre Wirkung nicht verfehlen. Mit einem Worte, was geeignet ist, einen heilsamen Schrecken einzuflössen, das ist in einer Weise zu behandeln, dass es zur Ehre Gottes ausschlägt. Dabei ist freilich wohl darauf zu achten, dass man auch nicht zu viel sage: die Rede muss so gehalten sein, dass sie nicht eher Verzweiflung als Besserung bewirke. Die Gestraften müssen es euren Worten, eurer Stimme, euren Gebärden abfühlen, dass bei aller Strenge eurer Strafreden eine väterliche Gesinnung euch beseelt und dass ihr nicht nur da seid, um sie auszuschelten. Dass auch hierzu Übung und Fleiß, vor allem aber Gebet nötig sei, auch da wo sie euch um des Evangeliums Christi willen hassen, das, hoffe ich, werdet ihr wohl einsehen, und so zweifle ich auch nicht, dass der Geist euch beseele, der alles zur Ehre Gottes und zum Besten der Mitmenschen auszurichten versteht. Was ich gesagt habe, bezieht sich auf beide (oben genannte) Gattungen. Weil aber besonders die letztere Gattung (die der Heuchler) am wenigsten gute Erwartungen erweckt, so will ich euch jetzt noch einige Beispiele zeigen, wie man mit ihnen verfahren muss.

Ihr kennt die Geschichte des Gehasi, des Dieners von Elisa, der unter dem Scheine der Gottseligkeit seine Habsucht zu befriedigen suchte. Ihr kennt den Simon Magus, der die Gaben Gottes um Geld kaufen wollte, ebenfalls nur um seines Geizes willen. Nicht weniger bekannt ist euch die habsüchtige Gesinnung der jüdischen Hohenpriester und der heutigen Päpstler, deren einziges Streben dahin ging, unter dem Scheine der Religion ihre Geldlust zu befriedigen. Kaum gibt es ein schändlicheres Verbrechen als dieses, da es eine völlige Nichtachtung Gottes voraussetzt. Aus den angeführten Beispielen geht aber auch hervor, wie sehr Gott dieses Verbrechen verabscheut. Gehasi und seine Nachkommenschaft ist mit dem Aussatz auf ewige Zeiten behaftet worden. Simon, wovon das schändliche Laster der Simonie, das am päpstlichen Hofe ganz gemein ist, seinen Namen hat, muss von Petrus die Worte hören: „dass du verdammt werdest mit deinem Gelde! Du wirst keinen Teil haben an diesem Wort, denn dein Herz ist nicht rechtschaffen vor Gott: denn ich sehe du bist voll bittere Galle und verknüpft mit der Ungerechtigkeit“. Und wie oft wird den Hohenpriestern sowohl von den jüdischen Propheten als auch von Christo selbst ihr Geiz, ihre Raubsucht und ihr verdammliches Leben vorgeworfen, das sie zur Unehre Gottes und zu ihrem eigenen Verderben geführt haben. Was des Papstes Priestern noch bevorsteht, ist nicht an uns zu sagen; aber so viel ist gewiss, dass wenn sie nicht durch Gottes Barmherzigkeit bekehrt werden, sie kein Heil erwarten können. Nur mögen die wohl zusehen, die sich dem Namen nach zu dem Evangelium bekannt haben, bloß um der Freiheit des Fleisches oder um irdischen Gewinns willen, was für Ebenbilder sie haben: nämlich, eben jene verworfenen Menschen, welche die Erde trägt, jene Verächter Gottes, jene Toren und Gottlosen. Sie sind um so viel besser als andere Gottlose, als die geld- und ruhmgierigen Priester besser waren als jene. Das ist ihr einziger Vorzug, dass sie den Namen Gottes zu ihren Schandtaten missbrauchen, was doch jene nicht tun. Darum heißt es auch von solchen: „sie haben ihren Lohn dahin“. Mir schaudert, so oft ich an dieses Verbrechen denke.

Ich höre, dass auch unter euch einige sagen: „Was haben wir davon, dass wir das Papsttum aufgegeben und das Evangelium dagegen angenommen haben? Wir haben unter denselben Lasten zu seufzen, wir sind arm, nach wie vor müssen den Herren dienen, müssen bei unserem Eide Zehnten und Abgaben bezahlen wie zuvor: worin wären wir denn freier geworden?“ Lieber wollte ich das Evangelium wäre nie gepredigt worden, als bei solchen, die es also missverstehen. Hat denn nicht das Elend, das vor etlichen Jahren der Bauernkrieg über Deutschland gebracht hat, seine Quelle in der falschen Darstellung und Auffassung der Lehre von der evangelischen Freiheit: ist nicht die schnelle und glückliche Ausbreitung des Wortes in Deutschland dadurch zurückgedrängt worden? Wird es nicht noch heute dort und andernwärts dadurch aufgehalten, weil die Fürsten in der Meinung stehen, es werde auch in ihren Landen ähnliches sich ereignen, wenn sie das Wort Gottes bei sich aufnehmen, indem sie nicht bedenken, dass jene Ereignisse eine Frucht des Irrtums waren, nicht aber der echten und wahren Predigt des Wortes? Würden sie einsehen, dass gerechte Regierungen und Obrigkeiten an dem Evangelium eher ihre Stütze haben, so würden sie ohne Zweifel alle ihre Kraft anwenden, dass nach Beseitigung der päpstlichen Tyrannei jedermann freiwillig unter das sanfte Joch des Evangeliums sich beuge.

Aber höret, Brüder, wie jene eure Leute sprechen: „Was liegt denn dran, wenn wir wieder päpstlich werden, wenn wir die Messe wieder aufnehmen?“ Kehrt möglicherweise damit der alte Wohlstand, die Ruhe, das lustige, freie Leben, und alles das in Hülle und Fülle wieder zurück? Da mutet man uns nicht mehr zu, Tag und Nacht über göttliche und irdische nur vernünftige Gedanken haben zu wollen. Zu was soll doch das? Das verursacht unsern Köpfen nur Unruhe und legt unsern Schultern eine Last auf; wer fühlt es nicht? Solches schwatzen diese Elenden vor der einfältigen Menge, nicht ohne großes Ärgernis, sie, welche die Kraft Gottes und des Evangeliums verkennen, die Kraft, welche der Geist des Menschen durch die Wiedergeburt innerlich und äußerlich erneuert, und ihn in den Stand setzt, die Werke der Liebe, die himmlischen Tugenden und alle Gerechtigkeit zu üben in aller Unschuld und Gesinnung. Das ist die Frucht, das die rechte Freiheit, die wir von der Vortrefflichkeit des Evangeliums zu erwarten haben; obgleich den Frommen inzwischen auch das nicht mangelt was zur Nahrung und Kleidung des Leibes gehört, nach der Verheißung Christi: „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ Nun aber, was ist solchen Leuten gegenüber zu tun? fragt ihr. Einmal darf die Bosheit, die ihre Gemüter beherrscht, durchaus nicht verdeckt werden, damit nicht ihr Blut von euren Händen gefordert werde und damit nicht dieses Verdecken den Schwachen ein Ärgernis gebe; denn diese werden durch den Anblick solcher Frechheit euch ins Verderben nachgezogen. Habt ihr aber dann nicht nur einmal, sondern zweimal und öfters bis zur Genüge das eurige getan, dann bleibt euch noch als das Letzte übrig, sie der Obrigkeit vorzuzeigen; denn ihre Pflicht ist es, als Statthalterin Gottes das Schwert zu führen, soweit die Kirche ihres äußern Schutzes bedarf, damit das Übel nicht weiter in das Innere der Kirche Christi eindringe zu ihrem Verderben.

Hiermit habt ihr, geliebte Brüder, was mir nötig geschienen hat in dieser so verworrenen Zeit euch zu schreiben, damit ihr, so Gott will, als wackere Krieger Christi die euch anvertrauten Scharen durch Lehre und Ermahnung befestigt, wie es rechtschaffenen Männern geziemt, damit sie nicht durch die Bosheit und Wildheit der Welt und durch die Drohungen und Befehdungen der Gottlosen abgezogen werden von Gott und seinem Heil bringenden Wort. Mögen also die Frommen sich ermannen, indem sie im Vertrauen auf Gott kämpfen fortfahren wider die Bosheit der höllischen Mächte, wider die Lockungen des Fleisches und wider die Schrecken der Welt; denn wer bis ans Ende ausharret, der wird selig. Mögen die Gottlosen zum Herrn bekehrt und gerettet werden. Ihr aber, als die Führer und Vorgänger, wollet den Vater anrufen durch den ohn, dass er das angefangene Werk vollende zu seiner Ehre und zur Ehre seines eingebornen Sohnes, unsers Herrn; dann werdet ihr schon hier den Sieg und einst den herrlichsten Triumph fröhlich und unwandelbar feiern im Angesicht Gottes, seiner Engel und aller seiner Auserwählten. Lebet wohl und lasset die euch anvertrauten Gemeinden eurer Liebe befohlen sein; Basel den 31. Januar 1534.

sprachlich korrigiert durch Fritz

1)
nuperrime. So konnte der Verf. noch schreiben, dritthalb Jahre nach der unglücklichen Kappelerschlacht.
2)
Bekanntlich war es wenige Jahre später auch bei den evangelischen Fürsten Deutschlands die Uneinigkeit, welche eine ähnliche Niederlage für sie im schmalkadischen Kriege herbeiführte, wie sie die Schweizer in Kappel erlebt hatten.
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