Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Einunddreißigste Lektion.

Murray, Andrew - Die Schule des Gebets - Einunddreißigste Lektion.

„Betet ohne Unterlass“ oder: Das Leben des Gebets.

Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal. Haltet an am Gebet.
Röm. 12,12.

Und betet stets in allen Anliegen mit Bitten und Flehen im Geist, und wacht dazu mit allem Anhalten und Flehen für alle Heiligen.
Eph. 6,18.

Haltet an am Gebet und wacht in. demselben mit Danksagung. Und betet zugleich auch für uns, auf dass Gott uns die Türe des Worts auftue, zu reden das Geheimnis Christi, darum ich auch gebunden bin.
Kol. 4,2.3.

Seid allezeit fröhlich. Betet ohne Unterlass. Seid dankbar in allen Dingen; denn das ist der Wille Gottes in Christo Jesu an euch.
1. Thess. 5,16.17.18.

Der HErr sagte das Gleichnis von dem ungerechten Richter, auf dass man allezeit beten und nicht lass werden sollte. Er hatte da das Verharren im Auge, womit man um eine bestimmte Sache zu bitten habe. ER erweckt damit den Glauben, welcher den HErrn nicht los lässt, bis dass er den begehrten Segen erhält. Die Worte aus den Briefen Pauli, die wir heute betrachten, schließen dies auch ein, sagen aber doch noch etwas mehr. Sie weisen darauf hin, dass das ganze Leben Gebet sein muss. Die ganze Seele muss so mit Verlangen nach Gott erfüllt sein, mit Verlangen nach Seinem Reich und nach Seiner Ehre, und dabei so voll Vertrauen auf Seine Erhörung des Rufens Seiner Kinder, dass jede Angelegenheit, jeder Vorfall, jedes Bedürfnis unwillkürlich Anlass zum Gebet wird. Dies ist noch etwas Anderes als die fromme Gesinnung, in der der Mensch sich der Gegenwart Gottes allezeit bewusst ist; sein ganzes Wesen muss in Gleichförmigkeit versetzt sein mit Ihm, der allezeit lebt und bittet; ein Gebet ohne Unterlass für die Offenbarung und Verherrlichung Gottes auf Erden rings um uns her.

Es wird uns nicht schwer sein, schließlich zu sagen, was zu solch einem Beten ohne Unterlass gehört. Sicherlich zuerst ein neues Herz und ein Leben, das der Ehre Gottes und Seinem Reich geweiht ist. Wer meistens nur für sich selbst zu bitten hat, wird nicht zum Gebet ohne Unterlass gelangen. Die Übergabe an die Ehre und an das Reich Gottes erweitert das Herz, lehrt Alles im Lichte Gottes und Seines Willens anschauen, und merkt bei Allem, was vorkommt, auf die Wirkungen Gottes. Wenn Alles nach dem Einen gewogen und gewürdigt wird, wofür das Herz lebt, nämlich für Gottes Ehre, wenn die Seele weiß, dass allein zu Gott aufsteigt, was von Ihm kommt, dann ist der ganze Wandel ein inniges Rufen zu Gott, dass ER Seine Kraft zu Seiner Verherrlichung beweise. Darum fügt Paulus auch zu dem allezeit Bitten im Geist“ (Eph. 6) hinzu: „für alle Heiligen und für mich.“ Es sind die Wächter auf den Mauern Jerusalems, die Tag und Nacht nicht schweigen. Sich selbst vergessen und für Andere leben, das ist der Weg, um ohne Unterlass beten zu lernen.

Mit diesem, Gott und Seiner Ehre geweihten Leben, muss sich das feste Vertrauen paaren, dass Beten hilft und erhört wird. Wir haben gesehen, dass der HErr Jesus, vom Anfang bis zum Ende Seines Lehramts auf nichts so sehr gedrungen hat, als auf den Glauben, dass der Vater Gebete erhört. „Bittet, und ihr sollt empfangen“, rechnet fest auf eine Antwort, das ist bei Ihm die erste und die letzte Lektion in der Lehre des Gebets (siehe Matth. 7,8 und Joh. 16,24.) Je nachdem dieser Glaube von uns Besitz nimmt, und wir wissen, dass Gott uns allezeit erhört, kehrt unsere Seele sich ganz zu Gott, und unser Leben wird Gebet.

Wir sehen daran, dass der HErr Sich Zeit nimmt, und das Bedürfnis fühlt, Gebet an Gebet zu reihen, dass kein einziges Glaubensgebet verloren geht, sondern sein Ziel erreicht, und in diesem Vertrauen geht das Gebet in freudige, dankende Gewissheit der Erfüllung auf. O, Lasst uns doch nicht durch allerlei Vernunftschlüsse die so reichen und freien Verheißungen der Gebetserhörung beschränken, und unser Gebet dadurch kraftlos machen. Nicht in Gottes Verheißungen, nicht in Seinem Willen liegt das Hindernis, sondern in uns; wir sind nicht, was wir sein sollten, um die Erfüllung der Verheißung fassen zu können. Lassen wir dieselbe in unseren Herzen unbeschränkt gelten und herrschen; sie möge uns bestrafen, aber sie wird uns auch aufrichten und mit Glauben erfüllen. Und für den Glauben, der da weiß, dass er empfängt, was er bittet, ist das Gebet ohne Unterlass nicht länger eine Last, sondern ein Bedürfnis, eine Freude, eine zweite Natur. Diese Vereinigung von starkem Verlangen und festem Vertrauen ist wiederum nichts anders als das Leben des Geistes. Der Heilige Geist vereinigt Sich mit unserem Geist, nimmt Wohnung in uns, und je nachdem ER Freiheit und Raum bekommt, weckt ER in uns das Verlangen nach Göttlichem und nach Gott Selbst. Einmal mit unaussprechlichen Seufzern, ein ander Mal mit klarem, bewussten Glauben, je mit bestimmtem Begehren nach tieferen Gnadenerfahrungen, dann wieder mit der Beteiligung der Seele am Werk des HErrn, allezeit aber wie ein durstiges Land vor Ihm, streckt sich die Seele gen Himmel aus, um die Wolken anzuziehen, die sich aufs Gebet mit Segen entlasten. Nur bei gesundem, geistlichem Leben kann unser Gebet sich also gestalten. Wenn Herz und Wandel unter der Leitung des Geistes stehen, wenn das Kind Gottes nicht fleischlich bleibt, sondern durch und durch geistlich werden will, wenn der Geist der Welt weichen muss vor dem Geist Gottes, dann wird der Durst nach Gott und nach Seinen Gaben uns zur andern Natur werden. Weil der Geist Gottes in uns betet, soll unser Gebet Erhörung finden, und weil wir es sind, die im Geist bitten, so bedarf es Zeit, Ausharren, und unablässige Erneuerung im Gebet, auf dass jedes Hindernis überwunden, und die Übereinstimmung zwischen Gottes Geist und unserem Geist vollkommen werde.

Das vornehmste Stück, das zu solchem Gebetsleben nötig ist, das ist: Jesum zu kennen, der uns beten. lehrt. Wir haben in dieser Erkenntnis fortwährend zu wachsen, um Seine Lehre immer besser zu verstehen.

Dieselbe ist nicht eine Mitteilung neuer Gedanken und Ansichten, nicht die Entdeckung unseres Zukurzkommens und unserer Verkehrtheit, nicht das Aufwachen des Vertrauens, so wichtig auch alles dies sein mag, sondern unsere Aufnahme in die Gemeinschaft Seines eigenen Gebetslebens vor dem Vater; - das ist's, wodurch Jesus uns beten lehrt. Der Anblick des betenden Jesus hat die Jünger zu der Bitte gebracht: „HErr, lehre uns beten.“ Das Anschauen dessen, der allezeit lebt und für uns bittet, und der allein das Recht hat zu bitten, ist's, das uns zu Betern macht. Wir wissen warum. ER, der bittet, ist unser Seligmacher und unser Haupt. Sein Leben ist unser Leben. Was ER hat, ist unser, und ER gibt es uns, wenn wir uns Ihm ganz geben. Durch Sein Blut bringt ER uns in die unmittelbare Gegenwart des Vaters. Das geistliche Heiligtum ist unsere Wohnung, unser Aufenthaltsort. Wer aber nahe bei Gott wohnt, kommt leicht dazu, allezeit zu beten. Wir werden zu Teilgenossen gemacht des heiligen Gebetsrechtes und Gebetswerkes. Jesus Selbst ist's, der für unser Gebetsleben sorgt und unsere Gebete vor den Vater bringt. Ja, ER lehrt beten, um durch uns zu zeigen, wie ER es tut, wie ER es für uns und in uns tut, und wie wir es in Ihm tun können. Christus ist Alles; ER ist auch die Kraft und das Leben unseres Gebets.

Es ist der Anblick des betenden Jesus, der unser Heiland ist, welcher uns Lust und Mut gibt zum Beten ohne Unterlass. Weil ER in der Freude und in der Kraft des unvergänglichen Lebens bittet, dabei man nicht lässig und müde wird, und weil dieses Leben auch unser Leben ist, so wird auch unser Gebet je mehr und mehr die Äußerung einer himmlischen Lebensfreude. Wie auch der Apostel sagt: „Freut euch allezeit, betet ohne Unterlass, dankt Gott in allen Dingen.“ Weil Seine unaufhörliche Fürbitte die Quelle der Wirkungen und der Kraft des unvergänglichen Lebens ist, wodurch ER vollkommen selig macht, so kann ER nicht nur diese Kraft uns mitteilen und sie in uns unterhalten, sondern unser Gebet wird hinfort die allezeit wirksame Offenbarung Seines Lebens in uns. Die Vereinigung mit Jesus, dem Weinstock, ist in Wahrheit eine Gebetsvereinigung. In der freudigen, dankbaren Erfahrung unserer Einheit mit Ihm wird das Gebet ohne Unterlass Möglichkeit und Wirklichkeit, die höchste und seligste Art in unserer Gemeinschaft mit Gott. Wir haben unseren bleibenden Standpunkt jenseits des Vorhangs im innersten Heiligtum; Jesus hat uns gelehrt, den Vater zu kennen, Ihm zu vertrauen, Ihn anzubeten. Im Gebet ohne Unterlass ist der Himmel zu uns niedergekommen, der Anfang jenes Lebens, da unaufhörlich das Lied der Danksagung und der Anbetung ertönt.

HErr, lehre uns beten!

O mein Vater! Von ganzem Herzen danke ich Dir für das wunderbare Leben des unaufhörlichen Gebets, wozu Deine Gnade mich beruft und mir damit die Aussicht eröffnet einer Einheit mit Ihm, der allezeit lebt und für uns bittet. HErr, bewahre mich, dass ich als Dein Priester so in Deiner Gegenwart zu wohnen komme, dass das Gebet der unwillkürliche Ausdruck meines Umgangs mit Dir sei.

Teurer Heiland! Von ganzem Herzen danke ich Dir, dass Du aus dem Himmel herniederstiegst, um für mich und mit mir zu bitten, damit ich in und mit dir dem Vater nahen dürfe. Und dass Du mich in Deine Schule genommen hast, damit ich die Seligkeit und die Kraft eines Lebens verstehen lerne, das lauter Gebetsleben ist. Und über alles danke ich Dir, dass Du mich in die Einheit mit Dir Selbst aufnimmst, und mir Anteil gibst am Leben der Fürbitte, so dass auch durch mich und rings um mich Segen hernieder gebracht werden kann.

O Heiliger Geist, mit tiefer Ehrfurcht danke ich für Dein Werk in mir, Du bringst die Gemeinschaft und den Verkehr zwischen Vater und Sohn zu mir hernieder, und nimmst mich also in die Gemeinschaft der göttlichen Dreieinigkeit auf. O, Geist Gottes! vollbringe Dein Werk in mir; mache mir Christum, den Fürbitter, vollkommen bekannt, und mache mich Seiner teilhaftig. Lass durch Deine ununterbrochene Inwohnung mein Leben zu einem Leben des Gebets ohne Unterlass werden.

O, lass es durch unablässiges Gebet ein Leben werden zur Verherrlichung des Vaters, und zum Segen für diejenigen, für welche ich bitte. Amen.

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