Monod, Adolphe - Jesus vor Pilatus.

Des Morgens hielten alle Hohepriester und die Aeltesten des Volks einen Rath über Jesum, daß sie ihn töteten. Und der ganze Haufe stund auf und banden Jesum und führten ihn von Kaiphas vor das Richthaus und überantworteten ihn dem Landpfleger Pontius Pilatus. Und es war frühe. Da das Judas sahe, der ihn verrathen hatte, daß er verdammet war zum Tode, gereuete es ihn und brachte wieder die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und den Aeltesten und sprach: Ich habe übel gethan, daß ich unschuldig Blut verrathen habe. Sie sprachen: Was gehet uns das an? Da siehe du zu! Und er warf die dreißig Silberlinge in den Tempel, Hub sich davon und gieng hin und erhenkte sich selbst. Aber die Hohenpriester nahmen die Silberlinge und sprachen: Es taugt nicht, daß wir sie in den Gotteskasten legen, denn es ist Blutgeld. Sie hielten aber einen Rath und kauften einen Töpfersacker darum zum Begräbniß der Pilger. Daher ist derselbige Acker genennet der Blutacker bis auf den heutigen Tag. Da ist erfüllet, das da gesagt ist durch den Propheten Jeremias, da er spricht: Sie haben genommen dreißig Silberlinge, damit bezahlet ward der Verkaufte, welchen sie kauften von den Kindern Israel, und haben sie gegeben um einen Töpfersacker, als mir der Herr befohlen hat.
Matth. 27, 1 ff. Mark. 15, 1 ff. Luk. 23, 1 ff. Joh. 18, 28.

Der Hoherath hatte das Unheil des Todes über Jesus gesprochen, durfte es aber nicht selbst vollziehen. Das Recht über Leben und Tod stand bei dem Landpfleger, den der römische Kaiser in Jerusalem eingesetzt hatte. Deßhalb hielten sie des Morgens noch einmal Rath, wie sie den Pontius Pilatus dahin brächten, daß er ihr Urtheil vollführen ließe und sie durch ihn Jesum tödteten. Sie überlieferten ihn vor das öffentliche Richthaus. Da das Judas sahe, kam ihn die Reue an. Er hatte wohl zuvor gedacht, der Herr würde sich aus den Händen der Feinde losmachen, und er könne so schon ein Stück Gelds verdienen. Jetzt aber, da er stehet, was geschieht, und daß sich der Herr willig darein ergiebt, da wird ihm angst und bange. So ist es mit der Sünde beschaffen. Glatt und süße gehet sie Anfangs ein, aber hernach wird sie lauter Bitterkeit. Der Teufel kann sich verstellen in einen Engel des Lichts - Wann er den Menschen zur Sünde bringen will, da macht er ihm die Sünde so klein, als ein Sandkörnlein, und so leicht, als eine Pflaumfeder, und so süß, als lauter Zucker und Honig. Wann aber die Sünde begangen ist, da legt er die Schlangenhaut ab und zeiget die Löwenklaue. Da macht er die Sünde so groß, als einen Berg, vor welchem man die Gnade Gottes nicht sehen und erblicken kann, und so schwer, daß sie auf dem Herzen liegt als Himmel und Erden, als eine unerträgliche Last, und so bitter, daß der Mensch nicht weiß vor Angst zu bleiben. Das hat hier Judas erfahren. Darum siehe nicht an die Ergötzung, so aus der Sünde kommen möchte, denn auf die Ergötzung folgt hernach eine schreckliche und lange Angst. Hast du aber gesündiget, so schütte bei Zeiten das Gift vom Herzen, ehe das Herz vor Angst zerberstet. Es ist aber an Juda zu loben, daß er noch Leid trägt über die Sünde. Wie Mancher ist, der, wenn er gesündiget hat, ihm lässet die Sünde nicht leid seyn, sondern rühmet sich wohl derselben. Solche wird Judas beschämen am jüngsten Tag, und sein Gericht wird erträglicher seyn, als ihres.

Wenn ein Mensch krank ist, da suchet er einen Arzt, der ihn heile. Auch Judas suchet Trost und kommt zu den Hohenpriestern und spricht: Ich habe übel gethan, daß ich unschuldig Blut verrathen habe. Ist abermal an Judas zu preisen, daß er seine Sünde rund heraus bekannt. Mancher macht es viel anders. Hat er Unrecht gethan, so solls doch nicht Unrecht seyn, er giebt ihm den Schein Rechtens. Hat er übel gethan, so muß ein Anderer daran Schuld seyn. „Er hat mich verfuhrt,“ heißt es. So hätte Judas wohl auch sagen können: „Ach, wie übel haben die Hohenpriester und Aeltesten gethan, daß sie mich verleitet haben, meinen Herrn und Meister zu verrathen.“ Aber nein, er weiset auf sich selbst und nicht auf die Andern, er schläget sein eigen Herz. Liebstes Herz! Gott ist fromm und getreu. Wann wir die Sünde bekennen, so will er sie vergeben. Wann wir aber die Sünde verschweigen wollen, so machen wir uns vor Gott zu Lügnern. Da gehts dann, wie David Ps. 32, 3. 4. sagt: Da ichs wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein täglich Heulen, denn deine Hand war Tag und Nacht schwer auf mir, daß mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer dürre wird. Das Beste ist, rund herausgesagt: Ich habe übel gethan! So sagt auch David: An dir allein habe ich gesündiget. Ps. 51, 6

Die Hohenpriester und Aeltesten hätten Judas zur Buße anmahnen und trösten sollen, auch selbst Buße thun sollen, aber sie sprechen: Was gehet uns das an? Da siehe du zu! Wann du siehest ein Herz, das sich über seine Sünden ängstigt, so sollst du nicht gedenken und sagen: „Was gehet es mich an? Da siehe du zu! Warum hast du es gethan? Hättest du es bleiben lassen!“ Ach nein! Darüber fällt manches Herz in Verzweiflung. Es gehet dich ja freilich dein Nächster an. Es gehet dich auch seine Sünde an, denn lässest du ihn in Sünden stecken und verzweifeln, so ladest du seine Sünde auf dich und bist des Todes schuldig. Du sollst ihm zu Hülfe kommen und so sprechen: „Sey nicht verzagt, richte dich auf und gedenke an Jesu Worte: Kommet her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seyd, ich will euch erquicken! Matth. 11, 28. Denke an Pauli Worte: Es ist gewißlich wahr und ein theuer werthes Wort, daß Christus Jesus kommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen! 1 Tim. 1, 15. Da bist du auch mit darunter.“

Wir lernen hier auch, was es mit der Menschengunst für ein unbeständig Ding ist. Wer war werther und lieber den Hohenpriestern und Aeltesten, als Judas, da er kam und bot sich ihnen an, seinen Herrn und Meister zu verrathen? Aber da er in Aengsten ist, halten sie ihn nicht für würdig, ihm ein tröstlich Wort zu geben. So sind die Menschen, sie halten selten Stand, wann Angst und Noth vorhanden ist; sie rathen oft nicht einmal, geben nicht einmal ein tröstlich Wort. Darum verlaß dich nicht auf Menschen, verlaß dich auf Gott. Wer Gott zum Freunde hat, der hat Trost in Angst, Rath in Noth, Hülfe in der Verlassung. Ja, Gott nimmt selbst Die an, welche wider ihn gesündiget haben, die Menschen aber, wann ihnen Jemand zur Sünde gedienet hat, verachten ihn selbst; gaben sie ihm zuvor gute Worte, um ihn für ihre böse Absicht zu gewinnen, so verachten sie ihn und weisen ihn schnöde von sich, wenn er die Sünde mit ihnen oder für sie gethan hat. Das muß hier Judas erfahren. Untreue schlägt den eigenen Herren, und Verrätherei macht verhaßt bei Feinden und Freunden.

Da Judas so schlechten Trost erhält, thut er weiter Buße. Er leget die dreißig Silberlinge dar, wirft sie den Hohenpriestern vor die Füße und will sagen: Da habt ihr euer Geld, gebt mir nur meinen Herrn wieder! Aber das war zu spät. Darin ist Judas wieder zu loben, daß er das Geld, das er mit Unrecht an sich gebracht, wieder erleget. Recht und wohl sagt Augustin, es werde die Sünde nicht vergeben, wenn man nicht wieder giebt, was man genommen hat. Wer dem Nächsten seine Ehre, seinen guten Namen durch Verleumdung genommen hat, der kann nicht eher zu Gnaden kommen, er erstatte denn dem Nächsten, was er ihm genommen hat. Hat er es heimlich gethan, er bekenne es heimlich; hat er es öffentlich gethan, er bekenne es öffentlich; hat er es vor Gericht gethan, er bekenne es vor Gericht. Hat Jemand dem Nächsten Etwas abbetrogen im Handel und Wandel, im Kaufen oder Verkaufen, oder auf sonst eine Art entwandt, und er will bei Gott in Gnaden seyn, so muß er daß entwandte Gut wieder geben. Lebet Der noch, dem er es genommen, so muß er es dem wieder zustellen. Ist er todt, so gehört es seinen Erben. Mancher gedenkt: Ich wills den Armen geben, es wäre mir eine Schande, wenn ich es sollte Dem wieder geben, den ich betrogen habe. Aber Gott will kein unrecht Gut zum Opfer haben. Wohl soll er geben, aber von dem Seinigen; das ungerechte Gut ist nicht sein. Freilich wenn Der, dem er das Seine hat abgeschunden oder abgestohlen, nicht mehr lebet, noch seine Erben, so kann und soll er es den Armen geben und kein Flitterlein davon behalten, sonst wirds ein Fluch in seinem Hause. Hat er aber nicht, daß er erstatten könnte, so muß er bitten, daß Der, dem es gehört, ihm verzeihe und es ihm schenke.

Da doch Judas also Buße that, was fehlte noch, daß er hätte Gnade gefunden? Das evangelische Vertrauen auf Gottes Gnade in Christo. Wer Gnade haben will, der muß sie ergreifen in Christo, er muß mit Paulo sagen, mein Jesus hat für mich gelitten, er hat sich auch für mich in den Tod gegeben. - Gleichwie alles Licht von der Sonne ausgeht, so alle Gnade von Christo. Außer ihm ist keine Gnade; der Glaube aber ist es, der sie ergreift. Der fehlte dem Judas. Er dachte, da er sich an Christo so schwer versündigt habe, so werde er ihn nimmer annehmen, noch Gott für ihn bitten. Darum verzweifelte er, gieng hin und erhenkte sich selbst. So lohnet der Teufel seinen Dienern. Wer ihm dienet, dem giebt er endlich seinen Lohn. Der Tod und alles Unglück ist des Teufels Lohn. Der Tod ist der Sünden Sold.

Die Sünde giebt den Tod zum Lohn,
Das heißt ja schlimm gedient!
Das Leben aber ist im Sohn,
Der uns mit Gott versühnt.

O Heiland! dir nur dien' ich gern,
Denn du hast mich erkauft;
Ich weiß und will sonst keinen Herrn,
Auf dich bin ich getauft.

Die Tempelherren hielten Rath, was mit dem Gelde des Judas anzufangen sey. Sie hieltens für eine Gewissenssache, es in den Gotteskasten zu legen, wie sie denn sprachen: Es taugt nicht, daß wir sie in den Gotteskasten legen, denn es ist Blutgeld. Sie hieltens für eine Sünde, den Tempel mit solchem Geld zu verunreinigen, aber das hielten sie nicht für eine Sünde, ihr Herz zur Mördergrube zu machen. So ist Mancher gesinnt; er macht ihm ein Gewissen über ein Ding, das keine Sünde ist, und thut dagegen, was schwere Sünde ist, er seiget Mücken und verschluckt Kameele. Matth. 23, 24. Mancher stellet sich äußerlich fromm, man sollte ihn für einen rechtschaffenen Christen halten, und hat das Herz voll teuflischer Bosheit. Auswendig ein heiliger Engel, inwendig ein häßlicher Teufel. Es ist eine Art, die sich rein dünket, sagt Salomo (Spr. 30, 12.), und ist doch von ihrem Kothe nicht gewaschen. Davor hüt' dich! Sey nicht, wie die übertünchten Gräber, und laß deine Gottesfurcht keine Heuchelei seyn, sondern was du thust, das thu aus aufrichtigem Herzen und laß die äußerliche Frömmigkeit aus dem Brunn eines frommen Herzens hervorquellen. Die Tempelherren wurden endlich einig und kauften einen Acker zum Begräbniß der Pilger. Sie hieltens für eine Sünde und Schande, daß die Fremdlinge, die Heiden, sollten mit ihnen ein Begräbniß haben, darum kauften sie für diese einen besondern Begräbnißort. Da ist erfüllet, sagt der Evangelist, das gesagt ist, durch den Propheten Jeremia: Sie haben genommen dreißig Silberlinge, damit bezahlet ward der Verkaufte, welchen sie kauften von den Kindern Israel, und haben sie gegeben um einen Töpfersacker, als mir der Herr gesagt hat. Die Weissagung findet sich bei dem Propheten Zacharias 11, 12. 13. Weil aber Jeremias bei den Juden als der erste unter den Propheten stand, so nennet hier der Evangelist seinen Namen, er will sagen, im Buch der Propheten, das mit Jeremia beginnt. Da war wieder der Schalk im Herzen. Sie sorgten, daß ihr Leib nicht neben Heiden beerdigt würde, sie hätten vielmehr sorgen sollen, daß ihre Seele nicht mit den Gottlosen zur Hölle komme. Um das wollen wir sorgen, daß unsere Seele an einen seligen Ort gelange.

Mach mich, Herr! fromm und weise
In meiner Prüfungszeit,
Und aus der Pilgerreise
Noth reif‘ zur Ewigkeit!
Nur dir, dir laß mich leben
Und immer wachsam seyn,
So darf ich nicht erbeben.
Mein Heil, ich bin ja dein!

Die Juden giengen aber nicht in das Richthaus, auf daß sie nicht unrein würden, sondern Ostern essen möchten. Da gieng Pilatus zu ihnen heraus und sprach: Was bringet ihr für Klage wider dieses Menschen? Sie antworteten und sprachen zu ihm.- Wäre dieser nicht ein Uebelthäter, wir hätten ihn dir nicht überantwortet. Da sprach Pilatus zu ihnen: So nehmet ihr ihn hin und richtet ihn nach eurem Gesetz. Da sprachen die Juden zu ihm: Wir dürfen Niemand tödten, auf daß erfüllet würde das Wort Jesu, welches er sagte, da er deutete , welches Todes er sterben würde. Und die Hohenpriester und Aeltesten fiengen an, ihn zu verklagen, und sprachen: Diesen finden wir, daß er das Volk abwendet und verbeut, den Schooß dem Kaiser zu geben, und spricht, er sey Christus, ein König. Da gieng Pilatus wieder hinein in das Richtbaus und ries Jesum und sprach zu ihm: Bist du der Juden König? Jesus antwortete: Redest du das von dir selbst oder haben es dir Andere von mir gesagt? Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet; was hast du gethan? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt: wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darob kämpfen, daß ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von bannen. Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es: ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt kommen, daß ich die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme. Spricht Pilatus zu ihm: Was ist Wahrheit? Und da er das gesagt, gieng er wieder hinaus zu den Juden und spricht zu ihnen: Ich finde keine Schuld an diesem Menschen!
Joh. 18. 33-36. Matth. 27, 11. Mark. 15. 2. Luk. 23, 3. 4.

Die Juden giengen nicht in das Richthaus, es hätte für eine Verunreinigung gegolten, daß sie die süßen Brode, die sie zu Ostern hatten, nicht hätten essen dürfen. Ist abermals der Schalk und Heuchler, der im Herzen verborgen liegt. Sie wollten sich durch den Eintritt in die Wohnung eines Heiden nicht verunreinigen und trugen und duldeten doch alle Unreinigkeit in ihrem Inwendigen. Pilatus kam deßhalb zu ihnen heraus und fragte, was sie für eine Klage wider Jesum hätten? Ist zu löblich an einem Richter, daß er nicht will verdammen, ehe er die Sache erkannt hat. Auch im gemeinen Leben, wann man wider den Nächsten Böses sagt, mußt nicht alsobald zufahren und sprechen: „Ja, er muß ein solcher Mann seyn, wie der und die saget!“ wäre unrecht. Du mußt erst fragen: Was bringest du für eine Klage wider ihn? Und was hast du für Grund in deiner Klage? Aber darnach fragt man selten. Man glaubt das Böse gerne, richtet gerne den Nächsten. - Den Hohenpriestern und Aeltesten gieng die Frage des Pilatus übel zu Herzen; sie hatten gewollt, Pilatus solle ohne Weiteres ihr Urtheil vollführen lassen und nicht erst noch selbst untersuchen. In dem Sinn antworteten sie: „Wäre dieser nicht ein Uebelthäter, wir hätten ihn dir nicht überantwortet.“ Als wollten sie sagen: Wofür stehest du uns an? Sollten wir einen Menschen zum Tode verdammen, ohne die Sache recht erkannt und ihn schuldig gefunden zu haben? Du hast an unserem Urtheil nicht zu zweifeln, kannst dich auf unser Wort verlassen. Pilatus besteht aber auf seinem Sinne und spricht, wenn es so sey, daß sie ihre Klage nicht bei ihm vorbringen wollten, sondern er ihr Urtheil ungehört vollführen solle, so sollten sie ihn hinnehmen und nach ihrem Gesetz richten. Darauf antworten sie mit unterdrücktem Grimm: Wir dürfen Niemand tödten! und bringen dann lauter falsche Klagen vor. Seine Lehre war lauter Wahrheit, wie sie ihm selbst das Zeugniß gaben: Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und lehrest den Weg Gottes recht (Matth. 22, 16). Nun sagen sie, er mache das Volk abwendig von der rechten Lehre. Er hatte befohlen: Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! (Matth. 22. 21.). Ja, er hatte selbst für sich und Petrus Zins gegeben. Doch lügen sie, er verbiete, dem Kaiser Schooß zu geben. Er trachtete nicht nach der königlichen Krone, vielmehr hatte er sich verborgen, da ihn das Volk zum Könige machen wollte, sie aber klagen ihn an, er wolle ein König seyn, als ob er nach einem weltlichen Reiche trachte. Lügen und Verläumdungen sind noch immer des Teufels Waffen wider unschuldige Christen; aber hat dein Jesus die Lügen über sich ergehen lassen, so trage auch du sie mit geduldigem Herzen.

Jemand sagte, da über ihn gelogen ward: Gottlob, daß ich nicht so lebe, wie die Leute reden. Hüte dich nur vor der That, der Lügen wird wohl Rath. Die Lügen stehen auf schwachen Füßen. Du kannst dem Verläumder nicht besser das Maul stopfen, als wann du ihn widerlegst mit deinen Werken. Sagt er, du seyest hoffärtig, so lebe demüthig, so wird er zu Schanden. Die Lügen offenbaren und widerlegen sich endlich selbst, daß der Lügner muß zu Schanden werden.

Da Pilatus die Klage der Juden hat angehöret, gehet er wieder ins Richthaus hinein und höret auch Christum. Stehet wohl, wenn ein Richter beide Ohren offen hält, das eine dem Kläger, das andere dem Beklagten. Beide Theile muß man hören. Pilatus fraget Jesum: Bist du der Juden König? Darauf spricht der Herr: Redest du das von dir selbst oder haben es dir Andere von mir gesagt? Er will sagen: Wie meinest du das? Willst du wissen, ob ich ein König sey nach deinem Sinne, ein weltlicher König, oder der König, der den Juden von den Propheten verheißen ist? Pilatus spricht: Bin ich ein Jude? Was will ich von den Meinungen der Juden? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet. Was hast du gethan? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Er wolle es nicht führen mit weltlicher Macht und Pracht, es solle nicht ein äußerliches Ansehen in der Welt haben, sondern innerlich im Menschen aufgerichtet werden. Und das bestehet in Gerechtigkeit, Friede und Freude in dem heiligen Geist. Weil das Reich Christi nicht von dieser Welt ist, so thun Diejenigen verkehrt, die im Reiche Christi Weltgut, Weltehre, Weltfreude suchen. Doch giebt dir Jesus Ehre, Freude und Reichthum genug, freilich nicht im Zeitlichen und Weltlichen, sondern im Ewigen und Himmlischen. Ein Kind Gottes hat seine Ehre in Christo; in dem ist es ein Herr über Tod und Teufel, ein Ueberwinder der ganzen Welt, ein Erbe des Himmels. Ein Kind Gottes hat in Christo Reichthums genug, denn Christus ist sein mit Allem, was er ist und vermag. Ein Kind Gottes hat in Christo Freude genug, denn Christus ist ja die rechte Freudenquelle und kann mehr erfreuen, als alle Welt betrüben kann. Aber die Freude des Reichthums und der Ehre ist ja von dieser Welt. Willst du Gottes Reichsgenosse seyn, so suche ja bei ihm nichts Weltliches. Was „die Welt giebt, ist viel zu schlecht und gering, als daß es ein Kind Gottes sollte vergnügen können. Ein Kind Gottes achtet das Irdische gering, es vergisset, was dahinten ist, und strecket sich nach dem, was davornen ist (Phil. 3, 13. 14.), und jaget nach dem vorgesteckten Ziele, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung in Christo Jesu. Weil das Reich Christi nicht von der Welt ist, so ist es wider die Welt; denn was nicht mit der Welt ist, muß ja wider die Welt seyn. Der Heiland sagt: Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb; dieweil ihr aber nicht von der Welt seyd, sondern ich habe euch von der Welt erwählet, so hasset euch die Welt. Joh. 15, 19. Darum darfst du im Reiche Christi keine guten Tage erwarten für das Fleisch, sondern Kreuz und Verfolgung von der Welt. Die Welt ficht Christum an und streitet wider ihn in seinen Gliedern. Aber in dem Allem überwinden wir weit um deß willen, der uns geliebet hat.

Jesus fuhr fort, zu bezeugen, sein Reich sey nicht Von dannen. Er wollte sagen: Es hat kein Kaiser, kein König, noch irgend ein Anderer Etwas von mir zu befürchten; wäre mein Reich von dieser Welt, ich würde Diener annehmen, Roß und Reiter, die darob kämpften, daß ich die Krone an mich brächte, statt dem Willen der Juden überantwortet zu werden. Da Pilatus erwiedert: So bist du dennoch ein König? antwortet er: Du sagst es. Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich die Wahrheit zeugen soll; das ist, daß ich die wahrhaftige Lehre der Welt vortrage und den wahren Trost im Evangelio offenbare. Weil denn das Reich Christi ein Reich der Wahrheit ist, so muß man darinnen suchen, was Wahrheit ist, das wahrhaftige Gut. Was die Welt hat und giebt, das ist Eitelkeit, Betrug und Lügen. Das ewige Gut ist das wahre Gut, das ist im Reiche Gottes. Wahrheit liebet Christus und seine Reichsgenossen; darum sagt er: Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme. Der ist mein Jünger, eines meiner Schaafe, der aus der Wahrheit ist. Wahrheit erfordert eine Zusammenstimmung des Herzens und des Mundes. Was der Mund so redet, wie es das Herz meinet und empfindet, das ist Wahrheit. Solche Wahrheit muß bei allen Christen seyn. Wann ein Christ beichtet mit dem Munde, da muß das Herz empfinden, was der Mund spricht. Saget der Mund: „Ich armer Sünder“, so muß das Herz seine Sünde erkennen und Trauer darüber empfinden. Saget der Mund: „Ich begehre Gottes Gnade in Christo Jesu“, so muß das Herz nach dieser Gnade seufzen und mit dem Zöllner beten: Gott, sey mir Sünder gnädig! Zugleich muß das Herz die Gnade Gottes in Christo ergreifen und sich zueignen und sagen: Mein Jesus hat auch mich geliebet und sich für mich in den Tod gegeben. Er ist auch mir gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Saget der Mund: Ich will mein Leben bessern, so muß im Herzen der ernste Vorsatz seyn, dieses auch ins Werk zu richten. Ebenso muß es mit dem Gebete seyn und andern Stücken, daß Herz und Mund fein zusammenstimmen. Wahrheit ists, wann die Worte nicht Worte bleiben, sondern ins Werk gehen, und der Mensch das thut, was er spricht; zum Exempel, wenn wir sagen: „Wir sind Christen“, so wirs nicht im Werke beweisen und als Christen leben, so ists lauter Lügen. Das Werk preiset und bewähret den Mann. Daran kannst du dich prüfen, ob du in das Reich Christi gehörest. Ins Reich Christi gehörest du, wann du bist aus der Wahrheit, wann Mund und Herz, Worte und Werke fein übereinstimmen. Das ist ein wahrhaftiges, rechtschaffenes Wesen in Christo.

Da Pilatus die Antwort Jesu höret, weiß er sich als ein Weltmann nicht darein zu schicken und antwortet verächtlich: Was ist Wahrheit? Er hält nichts davon. Doch rühret ihm die Antwort des Heilands noch das Herz, daß er denket: Du mußt sehen, wie du ihn aus der Feinde Händen errettest. Darauf geht er hinaus zu den Juden und bezeuget: Ich finde keine Schuld an dem Menschen! So mußte Pilatus selbst die Unschuld Jesu bezeugen. Einen solchen Hohenpriester mußten wir haben, der da wäre unschuldig und von Sündern abgesondert; das war Jesus, ganz rein und ohne alle Sünde für seine Person, doch trägt er aller Menschen Sünde, denn der Herr warf unser aller Sünde auf ihn. Jes. 53, 6. Er hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf daß wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. 2 Kor. 5, 21. Nun können wir rühmen:

Wenn Sonn' und Mond und Sterne untergeh'n,
So bleibt doch Gottes Gnad' mir ewig steh'n.

Die Hohenpriester aber und Aeltesten beschuldigten ihn hart. Und da er von ihnen verklaget ward, antwortete er nichts. Da fragte ihn Pilatus abermal und sprach zu ihm: Antwortest du nichts? Hörest du nicht, wie hart sie dich verklagen? Und er antwortete ihm nicht aus ein Wort, also, daß sich der Landpfleger sehr verwunderte. Sie aber hielten an und sprachen: Er hat das Volk erreget dadurch, daß er gelehret hat hin und her im ganzen jüdischen Lande und hat in Galiläa angefangen bis Hieher. Da aber Pilatus Galiläa hörte, fragte er, ob er aus Galiläa wäre? Und als er vernahm, daß er unter Herodis Obrigkeit gehörte, übersandte er ihn zu Herodes, welcher in denselbigen Tagen zu Jerusalem war. Da aber Herodes Jesum sahe, ward er sehr froh, denn er hätte ihn längst gerne gesehen, denn er hatte viel von ihm gehört und hoffete, er würde ein Zeichen von ihm sehen. Und er fragte ihn mancherlei, er antwortete ihm aber nichts. Die Hohenpriester aber und die Schriftgelehrten stunden und verklagten ihn hart. Aber Herodes mit seinem Hofgesinde verachtete und verspottete ihn, legte ihm ein weißes Kleid an und sandte ihn wieder zu Pilato. Auf den Tag wurden Pilatus und Herodes Freunde mit einander, denn zuvor waren sie einander feind. Pilatus aber rief die Hohenpriester und Obersten und das Volk zusammen und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht, als der das Volk abwende. Und siehe, ich habe ihn vor euch verhöret und finde an dem Menschen der Sachen keine, deren ihr ihn beschuldiget. Herodes auch nicht, denn ich habe euch zu ihm gesandt, und siehe, man hat nichts auf ihn gebracht, das des Todes werth sey; darum will ich ihn züchtigen und loslassen. Auf das Osterfest aber hatte der Landpfleger die Gewohnheit, dem Volk einen Gefangenen loszugehen, welchen sie begehrten. Es war aber zu der Zeit ein Gefangener, genannt Barrabas, ein sonderlicher vor andern, welcher war um des Aufruhrs willen, so in der Stadt geschehen war, und um eines Mords willen ins Gefängniß geworfen. Und das Volk gieng hinauf und bat, daß er thäte, wie er pflegte. Und da sie versammelt waren, sprach Pilatus zu ihnen: Ihr habt eine Gewohnheit, daß ich euch einen losgebe auf Ostern; welchen wollt ihr, daß ich euch losgebe, Barrabam oder Jesum, von dem gesagt wird, er sey Christus, der Juden König? Denn er wußte wohl, daß ihn die Hohenpriester aus Neid überantwortet hatten. Und da er auf dem Richtstuhl saß, schickte sein Weib zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten! Ich habe heute viel erlitten im Traum von seinetwegen. Aber die Hohenpriester überredeten und reizeten das Volk, daß sie um Barrabas bitten sollten und Jesum umbrächten. Da antwortete der Landpfleger und sprach zu ihnen: Welchen wollt ihr von diesen zween, den ich euch soll losgeben? Da schriee der ganze Haufe und sprach: Hinweg mit diesem und gieb uns Barrabam los! Barrabas aber war ein Mörder. Da rief Pilatus übermal zu ihnen und sprach: Was soll ich denn machen mit Jesu, von dem gesagt wird, er sey Christus? Sie riefen alle und schrieen: Kreuzige, kreuzige ihn! Er aber sprach zum drittenmal zu ihnen: Was hat denn dieser Uebels gethan? Ich finde keine Ursach des Todes an ihm. Darum will ich ihn züchtigen und loslassen. Aber sie schrieen vielmehr: Kreuzige ihn! und ihr und der Hohenpriester Geschrei nahm überhand.
Mark. 15, 3-14. Matth. 27. 12-23. Luk. 23, 11-23. Joh. 18, 39. 40.

Pilatus hatte von Jesu gesprochen: Ich finde keine Schuld an ihm. Die Juden gönneten dem Herrn diesen Ruhm nicht, sondern verklageten ihn hart, er aber schwieg stille; auch da ihn Pilatus selbst zur Antwort aufmunterte, that er seinen Mund nicht auf. Hier hat der Heiland Jesus, wie vor dem Hohenrath, mit seinem Stillschweigen unsere unnützen Reden gebüßet und uns gelehret, stille zu seyn und die Lügen mit unsern Thaten zu widerlegen. Es war ein Heide, der sagte: Es stünde übel um mich, wenn mich meine Worte mehr vertheidigten, als meine Werke. Vielmehr müssen Christen ihre Lästerer durch ihr Leben zu Schanden machen. Lebe so, daß du es vor Gott und Menschen kannst verantworten, und laß dann den Verläumder lügen, wie er will. Gott wird deine Gerechtigkeit hervorbringen, wie das Licht, und dein Recht, wie den Mittag. Da die Juden in ihrer Anklage gedachten, daß Jesus aus Galiläa wäre, will Pilatus der Sache los werden und schickt ihn zu Herodes, daß der sie entscheide. Dieser ward froh, daß er den Herrn sahe, aber die Freude war fleischlich. Wenn Christus erkannt und im Glauben angesehen wird, da erfreuet er mehr, als die ganze Welt. Herodes Freude aber gieng aus der Welt. Er wollte ein Zeichen von ihm sehen. Christus sollte ihm zur Kurzweil dienen; auch fragte er ihn mancherlei aus Vorwitz, aber Jesus antwortete ihm auch nicht ein Wort. Hätte er gefragt: Mein Gewissen plagt mich, Wie kann ich Ruhe finden für meine Seele? Ich bin ein Knecht der Sünde, wie kann ich frei werden? da hätte ihm der Heiland gerne geantwortet. Herodes fragte aber nur Unnützes, Fürwitziges, darum schwieg ihm der Herr. Herodes und sein Hofgesinde bezeigte sich darum verächtlich gegen ihn, doch ließ er ihm zuletzt ein weißes Kleid anlegen und ihn so zu Pilatus zurückführen. Das weiße Kleid war ein Zeichen, er finde keine Schuld an ihm. Da der Heiland wieder zu Pilatus kommt, denket er auf ein ander Mittel, ihn mit Ehren los zu werden, und stellet ihn endlich zugleich mit Barrabas dem Volke dar, daß es einen aus den beiden erwählte. War eine unverantwortliche Ausstellung. Da stehet der Allerheiligste neben dem größten Sünder, der Herzog des Lebens neben dem Mörder, der Fürst des Friedens neben dem Aufrührer, der Sohn des Hochgelobten neben einem Knecht der Hölle. Pilatus hat hier, wie später, unwissend erfüllen müssen, was Jesajas (53, 12.) geweissagt: Er ist unter die Uebelthäter gerechnet. Mein Herz, laß es dich nicht befremden, wenn man dich auch rechnet unter böse und gottlose Leute. Dein Heiland hat auch kein besser Glück gehabt. Schnöde auf Erden, werth im Himmel. Daran laß dir genügen. Man hätte meinen sollen, daß die Juden aus den beiden den Heiland würden erwählen. Er hatte ihnen ja das Evangelium geprediget mit holdseligen Lippen, hatte so viele Wunder gethan und Alles wohl gemacht, die Lahmen gehend, die Blinden sehend, die Aussätzigen rein, die Todten lebendig. Er ist umhergezogen und hat wohlgethan und gesund gemacht Alle, die vom Teufel überwältiget waren. Aber an dieß Alles gedachten die Juden nicht mehr. Nichts behält der Mensch länger, als die Beleidigung, und nichts vergisset man geschwinder, als Wohlthaten. Die Beleidigung schreibt man in Stahl und Eisen, die Wohlthaten aber ins Wasser. Das Wasser fleußt dahin und das Andenken an die Wohlthaten mit. So machts die Welt, giebt Stank für Dank zu Lohn, das ist ihre Münze. Die Juden schreien: Weg mit diesem, gieb uns Barrabam los! Sie erwählen den Mörder und verwerfen den Fürsten des Lebens. Ich meine ja, der Mörder ist ihnen geworden. Sie halten Jesum nicht einmal werth, daß sie seinen Namen nennen: Hinweg mit diesem! rufen sie. Daran gedenke. Kennet dich die Welt nicht, so kennet dich Gott. Verstößt dich die Welt, so hat dich Jesus erwählt. An der Ehre laß dir genug seyn. Wohl aber ist zu verwundern die Unbeständigkeit der Juden. Als der Herr mit fünf Gerstenbroden fünftausend Mann gespeiset hatte, da wollten sie ihn zum Könige machen; jetzt sagen sie: Wir haben keinen König, denn den Kaiser! Vor wenig Tagen hatten sie ihm entgegengerufen: Hosiannah dem Sohne Davids! jetzt stimmen sie das Mordgeschrei an: Hinweg mit diesem! Kreuzige, kreuzige ihn! So ist es mit der Welt Gunst. Wen sie heute liebet, den hasset sie morgen. Welchen sie heute erfreuet, den betrübet sie morgen. Welchen sie heute erhebet, den drücket sie morgen nieder. Auf der Welt Gunst sind keine Schlösser zu bauen. Verlaß dich nicht auf Menschen! Siehe zu, daß du Gnade bei Gott habest) die bleibet ewig stehen.

Barrabas und Christus werden hier neben einander aufgestellt, und das Volk erwählte den Mörder. Mein Herz, so oft sich der Vorsatz zur Sünde in dir reget, so oft hast du die Wahl zwischen Barrabas und Christus. Barrabam stellet dir Paulus (Röm. 8, 12.) vor, wann er spricht: „Wo ihr nach dem Fleische lebet, so werdet ihr sterben.“ Christum, das Leben, stellet er dir vor, wann er hinzuthut: „Wann ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tödtet, so werdet ihr leben.“ Das stehet nun bei dir; was willst du wählen? Barrabam oder Christum, den Tod oder das Leben? Willigest du in die Sünde, so sprichst du Barrabam los und verdammest Christum, erwählest den Tod und verwirfst das Leben. Erwähle das gute Theil.

Meinen Jesum ich erwähle,
Einen Liebern find' ich nicht;
Seiner freut sich meine Seele,
Jesus ist mein Lebenslicht:
Darum, darum ruf ich dir
Mit Begier:
Komm, o Jesu! ziehe mich,
Meine Seele liebet dich!

Da nahm Pilatus Jesum und geißelte ihn. Und die Kriegsknechte des Landpflegers nahmen Jesum zu sich und führten ihn hinein in das Richthaus und sammelten über ihn die ganze Schaar; und sie zogen Jesum aus, legten ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Krone von Dornen und setzten sie auf sein Haupt und ein Rohr in seine rechte Hand. Und beugten die Kniee vor ihm und spotteten sein und sprachen: Sey gegrüßet, lieber Judenkönig! und gaben ihm Nackenstreiche und speieten ihn an und nahmen das Rohr und schlugen damit sein Haupt. Da gieng Pilatus wieder hinaus und sprach zu ihnen: Sehet, ich führe ihn heraus zu euch, daß ihr erkennet, daß ich keine Schuld an ihm finde. Also gieng Jesus heraus und trug eine Dornenkrone und das Purpurkleid. Und er spricht zu ihnen: Sehet, welch ein Mensch! Da ihn die Hohenpriester und die Diener sahen, schrieen sie und sprachen: Kreuzige, kreuzige ihn!
Joh. 19, 1-16. Matth. 27, 27-30. Mark. 15,16-19. Luk. 23,24.25.

Pilatus gab endlich dem Volke so weit nach, daß er Jesum geißeln ließ. Bist du dem Bösen halb zu Willen, so bist du es bald ganz. Fest und unbeweglich muß man sich dem Bösen entgegenstellen, und kein Haar breit vom Recht weichen. Pilatus übergab den Heiland einigen Kriegsknechten zur Geißelung; die entblößten ihn und banden ihn an eine Säule und schlugen ihn mit stachlichten und spitzigen Ruthen, mit Peitschen, die voller Knoten waren, daß jeder Schlag viele Beulen und Wunden geben mußte. Da blieb nichts Heiles noch Gesundes an seinem Leibe. Solches hätten wir verdienet, weil wir die ungehorsamen Knechte sind, die des Herrn Willen wissen und thun ihn nicht. Aber auch hier tritt Jesus an unsere Stelle und erduldet, was wir verschuldet. Hieran gedenke, wenn dich anficht eine sündliche Lust, thue einen Blick in Pilati Richthaus und siehe, wie dein Jesus um deiner Sünde willen von Blute trieft. Ach, denke: Sollte ich sündigen, da mein Jesus die Sünde so schwer hat büßen müssen? Wer muthwillig sündiget, der tritt das Blut seiner Reinigung mit Füßen. Wiederum, wenn auch du in der Welt hast deine Geißeln, deine Plagen, die dich martern, da gedenke an Christum und leide dich als einen guten Streiter Christi in Geduld und Sanftmuth. Der Knecht ist ja nicht besser, als der Herr. Endlich wenn dich die Sündenangst befällt, da tröste dich des Bluts, das Christus vergossen: Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von aller Sünde! l Joh. l, 7. Es tröstet auch in der Todesnoth, denn

deß Blut zeichnet unsre Thür,
das hält der Glaub' dem Tode für,
der Würger kann uns nicht rühren“.

Die Geißelung war den bösen Buben nicht genug; vielmehr begannen sie nach derselben noch ein grausames Gespötte mit Jesu. Sie sammelten über ihn die ganze Schaar, flochten eine Dornenkrone und drückten sie auf sein Haupt, legten ihm einen alten Purpurmantel an und gaben ihm ein Rohr als einen Scepter in die Hand. Sie thaten das, anzudeuten, daß er ein Rohrkönig, ein Schimpfkönig sey. Darauf beugten sie die Kniee vor ihm, spotteten sein und sprachen: Gegrüßet seyst du, lieber Judenkönig! und gaben ihm Backenstreiche und speieten ihn an. So handelt die Welt mit Christo. Der aller Ehren werth ist, muß der Allerunwertheste seyn und sich beschimpfen lassen. Diese Schmach hat er getragen, daß du solltest nicht ewig ein Spott der Teufel seyn. Denke an dieß Exempel, wann die Welt deiner spottet. Hats dein Jesus erlitten um deinetwillen, so leide du es um seinetwillen. Meinest du, man mache es dir gar zu arg, du könnest es nicht vergeben, so denke: Sie haben es meinem Jesu viel ärger gemacht, und er hat es stille geduldet, und vergeben und gebetet. Thue auch also! Der Glaube macht einen Christen. Den Glauben aber beweiset das heilige Leben und bewährt das geduldige Leiden.

Da nun der Heiland so jämmerlich zugerichtet war, kam Pilatus dazu und es rührete ihn und führte ihn hinaus vor das Volk und sprach: Sehet, welch ein Mensch! Er will sagen: Ist euer blutdürstiger Grimm noch nicht gestillt? Habet ihr kein Erbarmen in euch? Gehet es euch nicht zu Herzen, daß dieser Mensch so jämmerlich ist zugerichtet? Mein Herz, so hat deinen Jesum die Sünde zugerichtet. Tritt täglich heran und beschaue Jesum und halte dich und ihn zusammen. Thue bei Zeiten Buße, damit nicht das Leiden Jesu an dir verloren sey. Pilatus nennt ihn noch einen Menschen, er aber klaget: Ich bin wie ein Wurm! Ps. 22, 7. Ach, wie oft machen wir durch Sünden, daß wir eigentlich keine Menschen mehr sind! Der Eine macht sich zum Schwein durch Unflätherei, der Andere zum Hund durch Bellen, Beißen und Hadern, der Dritte zur Schlange durch sein giftiges Maul, und wie es Alles mag Namen haben. Das muß hier Jesus büßen. Willst du fortfahren in deinen Sünden? Das sey ferne! Gedenke, welch ein Mensch Jesus war, und sprich: O Jesu, wär' ich doch ein Mensch wie du! Hilf mir dazu! Wiederum, wenn dich deine Sünde kränket, so faß Jesum in deine Glaubensarme und tritt vor Gott und sprich: Ach, Vater, siehe, welch ein Mensch! Siehe nicht an, welch ein Mensch ich bin, sondern siehe in Gnaden an, welch ein Mensch mein Jesus ist. Siehe nicht an meine Schulden, siehe sein Verdienst an, die Strafe lag auf ihm, damit ich Friede hätte. Die Juden wurden nicht gerührt, da Jesus vor ihnen stand in seiner Dornenkrone, vielmehr schrieen sie ganz erbost: Kreuzige, kreuzige ihn! Der Mordgeist war in ihren Herzen, darum das Mordgeschrei in ihrem Munde. So erstirbt oft alles Mitleid der Menschen; aber ist kein Erbarmen mehr bei den Menschen, so ist doch Erbarmung bei Gott im Himmel. Kreuzige ihn! ist der Juden Geschrei. So du muthwillig sündigest, so rufst du auch das: Kreuzige! über Jesum; denn wer muthwillig sündiget, der kreuziget Jesum aufs Neue. Ebr. 6, 6. So manche Sünde, so mancher Nagel, der Christo durchs Herz geht. Willst du aber Etwas kreuzigen, so kreuzige dein Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Gal. 5, 24. Wenn dir die sündlichen Lüste, die du im Fleisch empfindest, ein Kreuz sind und dich dermaßen im Herzen ängstigen, daß du sie mit Unlust und Schmerzen fühlest, alsdann kreuzigest du dein Fleisch sammt den Lüsten und Begierden. Laß die Welt dir ein Kreuz werden und werde du der Welt ein Kreuz. Das ist die beste Kreuzigung.

Pilatus gedachte nochmals, Jesum aus den Händen der Juden loszumachen, zumal er auch durchs seine Frau gewarnt wurde; darum gab er abermal ein Zeugniß seiner Unschuld. Nehmet ihr ihn hin, sprach er, und kreuziget ihn, denn ich finde seine Schuld an ihm. Die Juden antworteten: Wir haben ein Gesetz und nach dem Gesetz soll er sterben, denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht. Die Heiden hielten dafür, daß die Helden und andere hohe Menschensöhne von Göttern wären; Pilatus erkannte eine Hoheit in Jesu, die sonst bei Keinem; daher fürchtete er sich noch mehr, ihn zu verurtheilen, und gieng wieder hinein in das Richthaus und nahm Jesus allein und fragte ihn: Von wannen bist du? Bist du etwa des Jupiters oder eines andern Gottes Sohn? Pilatus hatte sich verächtlich abgewandt, da sich Jesus den König der Wahrheit nannte, was sollte er ihm nun antworten? Kannte er doch Gott, seinen Vater, nicht, wie hätte er ihn als den Sohn Gottes zu erkennen vermocht? Jesus schwieg auch ihm jetzt. Darüber gerieth Pilatus in Unmuth und sprach: Antwortest du mir nicht? Weißest du nicht, daß ich Macht habe, dich zu kreuzigen, und Macht, dich loszulassen? Ist das Muster eines hoffärtigen Richters, der sich einbildet, es stehe in seiner Macht, einen Menschen loszusprechen oder zu verdammen, da doch das Urtheil nicht vom Richter, sondern vom Recht soll herkommen. So sind noch heute die Hoffärtigen und sprechen: Antwortest du mir nicht? Das mir will sagen: Wie, mir, der ich ein Regent, ein Richter, ein reicher Mann bin, mir willst du nicht antworten? Oder heißt es: Solltest du mir also antworten? - Du Narr, je höher du bist, desto mehr demüthige dich. Nicht auf dein „Mir“ soll man sehen, sondern auf Gottes Ehre. Das that der Heiland; er antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben herab wäre gegeben. Er will sagen: Lieber Pilatus, du könntest mir kein Häärlein krümmen, wenn es nicht Gottes Wille wäre. Du kennest aber Den dort oben nicht, wie Kaiphas, der ein Priester des wahren Gottes ist, darum hat dieser, der mich dir überantwortet hat, größere Sünde. Je mehr Erkenntniß Gottes, desto größer die Schuld, wenn man dennoch sündigt. Doch sagt der Herr nicht zu Pilatus: Du hast keine Sünde! Auch der Heide hat Sünde, wenn er Uebels thut, denn des Gesetzes Werke sind doch in sein Herz geschrieben. Röm. 2, 15. Mein Herz, Alles, was dir in der Zeit begegnet, das hat Gott von Ewigkeit her über dich verhängt. Teufel und böse Menschen können dir nichts thun, wenns Gott nicht haben will; sie können auch dir ohne Gottes Willen kein Häärlein krümmen. Darum, was dir widerfährt, da sprich: Dieß hat Gott über mich geschickt und zu meinem Besten. Gott giebt, Gott nimmt; der Name des Herrn sey gelobet!

Pilatus wollte noch immer Christum loslassen; da. schreckten sie ihn endlich mit der Ungunst des Kaisers und sprachen: Lässest du diesen los, so bist du des Kaisers Freund nicht, denn wer sich selbst zum Könige macht, der ist wider den Kaiser. Das wirkte. Zwar spottete Pilatus noch: Sehet, das ist euer König! Soll ich euern König kreuzigen? War ein bitterer Hohn, der arme, zerschlagene Mann sey freilich der rechte Judenkönig, aber doch willigte er nun aus Furcht vor dem mißtrauischen und grausamen Kaiser in das Verlangen der Juden, urtheilete, daß ihre Bitte geschehe! Siehe, so thut man oft Böses und unterläßt Gutes um der Menschen willen. Das kommt her von der Furcht, daß man denket: Siehe, du mußts so machen, daß du Gunst hast und behaltest, daß du nicht der Menschen Ungunst auf dich ladest. Ach, wir wollen uns genügen lassen an Gottes Gunst; thue recht und scheue Niemand, den Teufel selbst nicht. Bist du der Welt zu Gefallen, so bist du Gottes Diener nicht. Menschen werden dich ja nicht richten am jüngsten Tage, sondern der Sohn Gottes. Hast du Den zum Freunde, was willst du mehr? Fürchtet euch nicht, sagt Christus (Matth. 10, 28.) vor Denen, die den Leib tödten, die Seele aber nicht tödten mögen. Fürchtet euch vielmehr Vor Dem, der Leib und Seele verderben mag in die Hölle. - Nochmals bezeugte jedoch Pilatus die Unschuld Jesu; er nahm Wasser, wusch die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an dem Blute dieses Gerechten. Aber was hilfts, daß er die Hände wusch und doch sein Gewissen befleckte? Darauf schrieen die Juden: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! War ein schrecklich Wort, damit die Juden nicht allein ihnen selbst, sondern auch ihrem Fleisch und Blut, ihren Kindern und ihren Nachkommen das Verderben herabriefen. Ich meine ja, das Blut Christi sey über die Juden gekommen in der Zerstörung Jerusalems, da so viel Bluts ist vergossen worden. Du sollst vielmehr sagen: Das Blut Jesu Christi komme über mich und meine Kinder, aber nicht zum Gericht, sondern zur Versöhnung, zur Vergebung für alle meine Sünden! Dazu hat er sich geißeln und am Kreuze tödten lassen. Er hat Alles uns zu gut gelitten.

Von Herzen wir dir danken,
Daß du so große Treue
Gethan hast an uns Kranken:
Gieb uns ein' sel'ge Reue.
Daß wir die Sünde meiden
Zu Ehren deinen Leiden!
Erbarm dich unser, o Jesu!

Und da sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Purpurmantel aus und zogen ihm seine eigenen Kleider an und nahmen ihn und führeten ihn hin, daß sie ihn kreuzigten. Und er trug sein Kreuz und gieng hinaus zu der Stätte, die da beißet Schädelstätte, auf hebräisch Golgatha. Und als sie ihn hinführeten, ergriffen sie einen Menschen, der vorüber gieng, mit Namen Simon von Cyrene, der vom Felde kam und ein Vater war Alexandri und Rufi: den zwangen sie, daß er Jesu sein Kreuz trüge, und legten das Kreuz auf ihn. Es folgten ihm aber nach ein großer Haufe Volks und Weiber, die klageten und beweineten ihn. Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: Ihr Töchter von Jerusalem, weinet nicht über mich, sondern weinet über euch selbst und eure Kinder! Denn siehe, es wird die Zeit kommen, da man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht gesäuget haben! Dann werden sie anfahen zu sagen zu den Bergen: Fallet über uns! und zu den Hügeln: Decket uns! Denn so man das thut am grünen Holz, was wills am dürren werden?
Matth. 27, 31. 32. Mark. 15, 20. 21. Luk. 23, 26-31. Joh. 19, 16. 17.

Da Christus von Pilatus war verdammet, führeten ihn die Kriegsknechte zur Stadt hinaus, daß sie ihn kreuzigten. Bei den Juden war der Gebrauch, daß die Uebelthäter hingerichtet wurden außer dem Lager, hernach, als sie Städte gebaut hatten, außerhalb der Stadt. Im alten Testament hatte Gott verordnet, daß die Sündopfer außer dem Lager sollten geopfert werden. Hier ist auch ein Sündopfer, Jesus, der sich selbst geopfert hat Gott zu einem süßen Geruch; den schleppen die Henkersknechte mit großer Schmach zur Stadt hinaus. Er wird ein Fegopfer, nicht werth gehalten, daß ihn der Erdboden länger tragen sollte. Mein Herz, Jesus gehet hinaus aus dem irdischen Jerusalem, daß er dich einführe in das himmlische Jerusalem, das droben ist. Wenn dir die Welt das Thor und die Thüre weiset, gehe gerne hinaus mit Christo. Es wird ja noch ein Räumlein seyn, da dich der Herr kann bewahren.

Da der Heiland hinausgeführet ward, trug er sein Kreuz; das war Brauch bei den Römern, daß die Uebelthäter mußten ihren Galgen selbst tragen. So mußte hier Christus erfüllen das Vorbild Isaaks, der das Holz, darauf er sollte geopfert werden, selbst tragen mußte zu dem Berge Moria. Mein Herz, so gehet das Lamm Gottes und träget der ganzen Welt Sünde, kannst wohl denken, mit was für Schmerzen. Zu uns aber spricht er: Wer mein Jünger seyn will, der verläugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach! Luk. 9, 23. Wir müssen Jesu das Kreuz nachtragen und nicht bloß gezwungen, wie Simon von Cyrene. Wir müssen ihm auch unter dem Kreuz gerne nachgehen. Doch Fleisch und Blut will freilich nicht gerne ans Kreuz; es läuft gar viel Ungeduld mit unter. Aber nicht so, mein Herz! Es ist ja Jesu Kreuz; er legts auf, er hilfts auch tragen und nimmts weg, wenn du es nicht mehr tragen kannst. Willst du ein wahres Christenthum abgemalet haben, so hast du es an Simon, wie er das Kreuz hinter Jesu herträgt. Jesus gehet voran, ein Christ folget hinten nach, alle beide gehen unter dem Kreuz durch viel Trübsal ins Reich Gottes. Weiter bedenke hier: Wenn du siehest, daß dein Nächster unter der Kreuzbürde will ermüden und niedersinken, da tritt hinzu, sey du der Simon (auch ungezwungen) und hilf ihm die Last tragen.

Es folgeten aber Jesu auch mitleidige Frauen, die klageten und beweinten ihn. Ist ein Exempel christlicher Liebe, die weinet mit den Weinenden. Teuflisch ist es, wenn man über den Nächsten Unglück lachet; christlich aber ist es, wenn man ihn beklaget und beweinet. Kannst du deinem Nächsten nicht anders helfen, so trage ein Mitleiden mit ihm. Wer dem Nächsten das Herz giebt, der giebt ihm ja das Allermeiste. Der Herr war ganz abgeschwächet und so abgemattet, daß er kaum reden konnte; dennoch siehet er sich um nach den Weinenden. Er wandte sich um und sprach zu ihnen: Weinet nicht über mich! Er will sagen: Mein Leiden wird bald zur Freude werden. Selig ist der Mensch, den Gott heimsuchet. Hiob 5, 18. Eines aber machet recht elend, die Sünde. Willst du weinen, so weine über den Sünder, der keine Buße thut, denn der ist bei Gott in Ungnaden und ist unselig. Darum saget der Heiland: Weinet über euch und eure Kinder! Es ist eine so elende Zeit nahe, daß eine Mutter wünschen wird, daß sie kein Kind zur Welt geboren hätte. Solcher Jammer wird über euch und eure Kinder kommen. Das ist erfüllet in der Zerstörung der Stadt Jerusalem, da viel Hunderttausend sind jämmerlich ums Leben kommen. Das wird noch mehr erfüllet an den Unbußfertigen am jüngsten Tage, da sie ewig werden verdammet werden. Mein Herz, einen unbußfertigen Menschen soll man beklagen. Du weinest ja, wenn Jemand stirbt, noch viel mehr soll man weinen, wenn der Nächste des ewigen Todes stirbt. Ach, wenn alle Menschen in der ganzen Welt einen ewig Verdammten beweinen würden, so könnten sie doch seinen Jammer nicht genug beweinen; sein Jammer ist ewig und hat kein Ende.

Der Herr thut hinzu: Denn so man das thut am grünen Holz, was wills am dürren werden! Die Meinung ist: Muß ich, der ich nimmer eine Sünde gethan, solche Schmach und Marter leiden, was habet ihr zu gewarten, die ihr Sünde auf Sünde häufet? Christus ist das rechte grüne Holz, der Baum des Lebens. In der heiligen Taufe werden wir in ihn gepflanzet, wie Paulus Röm. 6, 5. sagt. Da ziehet dann der Glaube Saft und Kraft aus Christo, dadurch wir grünen, blühen und Frucht bringen zum ewigen Leben. Sobald sich aber das Herz durch Unglauben abwendet von Christo, da wirds dürre, wie ein abgeschältes Holz. Ein solch Holz gehöret ins höllische Feuer, da muß es ewig brennen. Davor behüt uns, Herr Jesu, durch dein bitteres Leiden!

Laß den alten Menschen sterben,
Der zu herrschen sich bemüht,
Welcher mich in das Verderben,
Dich in Tod und Leiden zieht;
Mach mich auf dem Sterbebette
Durch dein Sterben, Jesu! frei;
Hilf, mein Heiland! hilf und rette,
Daß ich Gottes Erbe sey!

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