Molenaar, Isaak - Zur Wahl eines neuen Kirchenvorstandes

Molenaar, Isaak - Zur Wahl eines neuen Kirchenvorstandes

Die Wahl und Einsegnung eines neuen Kirchenvorstandes ist für eine ganze christliche Gemeine und folglich auch für jedes Mitglied derselben wichtig, oder sollte es wenigstens sein; wie sie es einst war und, wills Gott! wieder werden wird.

Sie ist es besonders, oder sollte es sein; in einer kleinern aber freien und unabhängigen Gemeine, die einzig durch inneres Anschließen und Festhalten der Glieder an einander bestehen und blühen kann, und eben darin die kräftigste Aufforderung finden muß, der Welt ein Beispiel zu geben, von der Kraft und dem Segen einer wahrhaft christlichen Verbindung und Gemeinschaft.

Sie soll es im Bilde zeigen, wie es einst droben sein wird, und schon jetzt hienieden sein würde, wenn das Reich Gottes wahrhaftig auf Erden wäre.

Ein solches Bild war die erste Gemeine in Jerusalem, von welcher, gleichsam mit Einem Worte, das Höchste gesagt wird, was von einer menschlichen Vereinigung gesagt werden kann: „Die Menge der Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele.“

Sie ist und bleibt also darin das Muster und Vorbild jeder künftigen und so auch das der unsrigen, meine Zuhörer, und , zwar um so mehr, als wir eben in der Nachfolge dieses Ersten und Ursprünglichen, oder wenn Ihr wollt, in der freien Darstellung des Reinchristlichen das Wesen und die Ehre unserer Gemeinschaft suchen.

Auf diese hohe Aufgabe und Bestimmung gründet sich auch die Liebe, ja die Vorliebe, welche wir für dieselbe hegen sollen, denn sie kann nur Liebe zu der Sache sein; und aus dieser Liebe muß der herzliche und lebendige Antheil hervorgehen, den wir an ihrem Wohl und Wehe, so wie an allen ihren Schicksalen nehmen.

Um ihretwillen muß uns auch die feierliche Bestätigung und öffentliche Einsegnung ihres Vorstandes wichtig sein, und ich glaube daher auf allgemeine Theilnahme und Andacht rechnen zu dürfen, wenn wir diesen Gegenstand zu dem Hauptzweck und Inhalt unserer heutigen Erbauung machen. Möge dieser Zweck erreicht und wir alle in dem Glauben und der Hoffnung, aber am meisten in der Liebe gestärkt werden. Das gebe Gott! Laßt uns beten:

Wir beugen unsere Kniee vor Dir, O Gott, o Vater unseres Herrn Jesu Christi, der du der rechte Vater bist über alles, was da Kind heißet im Himmel und auf Erden. O welch eine Seligkeit ist es, mit allen deinen Kindern vor dir zu knieen; für Aller Seligkeit dir danken, um Aller Seligkeit dich bitten zu können. O Dank dir, daß du uns dieselbe vergönnest, uns darin unterweisen und dazu erwecken und stärken willst durch deinen Geist. O gieße durch ihn deine eigene Liebe aus in unsere Herzen, wie du sie offenbaret hast in deinem Sohne, wie sie in ihm war auf Erden und ist im Himmel, die Liebe, die ihn bewog, sich für uns dahinzugehen und sich eine Gemeine zu erkaufen mit seinem Blute, die da selig wäre und vollkommen in der Liebe.

Möchten wir alle zu ihr gehören, möchte Er in unsern Herzen wohnen, und wir die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe dieser Liebe begreifen mit allen Heiligen und mit ihr als deiner Fülle erfüllt werden. Dann wären auch wir deine Gemeine, dein Tempel; wir würden deinen Willen thun, und dein Reich, das Reich des ewigen Lebens ausbreiten auf Erden. Das gib einem jeden unter uns, dazu segne diese Stunde und das Wort, was geredet werden soll. Amen.

Text: Apostelg. 20, 28.
So habet nun Acht auf euch selbst, und auf die ganze Herde, unter welche euch der heilige Geist gesetzet hat zu Aufsehern, zu weiden die Gemeine Gottes, welche Er durch Sein eig'nes Blut erworben hat.

Der heilige Paulus kehrte von seiner zweiten apostolischen Reise nach Jerusalem zurück, wo noch bisher der Mittelpunkt des Christenthums war. Er hatte es von Asien nach Europa gebracht und in Griechenland die ersten christlichen Gemeinen gestiftet. Nun war sein Wunsch und Gebet, ein gleiches zu thun in Rom, der Hauptstadt und dem Mittelpunkt der gebildeten Welt. Von der griechischen Küste schiffte er nach der gegenüberliegenden von Kleinasien, und begrüßte die ihr nahegelegenen Gemeinen. Die wichtigste derselben war die Ephetische, und diese lag ihm auch am meisten am Herzen. Allein da er beschlossen hatte, auf den Pfingsttag zu Jerusalem zu sein, wahrscheinlich um viele Brüder da vereinigt anzutreffen, konnte er nicht nach Ephesus reisen, weil es zu entfernt vom Ufer lag. Er sandte also von Milet aus dahin und forderte die Aeltesten, d. h. die Vorsteher der Gemeine auf, zu ihm zu kommen, und hielt dann an dieselben eine rührende, ja erschütternde Abschiedsrede, von welcher die Worte des Textes einen Theil, ja den Kern ausmachen.

Erst erinnert er sie an sein Leben und Wirken unter ihnen, wie er von dem ersten Tage an in aller Demuth und unter vielen Anfechtungen ihnen das Evangelium verkündigt, und sie öffentlich und sonderlich alles Nützliche gelehret habe. „Ich habe bezeuget, bei den Juden und Griechen die Buße zu Gott und den Glauben an unsern Herrn Jesum. Und nun siehe - fährt er fort - ich im Geist gebunden - vom Geiste getrieben - fahre hin gen Jerusalem, weiß nicht was mir daselbst begegnen wird; ohne daß der heilige Geist in allen Städten bezeuget und spricht: Bande und Trübsal warten meiner daselbst. Aber ich achte deren keins, ich halte auch mein Leben nicht selbst theuer, auf daß ich vollende meinen Lauf mit Freuden, und das Amt, das ich empfangen habe von dem Herrn Jesu, zu bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes. Und nun siehe, ich weiß, daß ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet. - So habet nun Acht auf euch selbst, und auf die ganze Herde, unter welche euch der heilige Geist gesetzet hat zu Bischöfen, d. h. Aufsehern, zu weiden die Gemeine Gottes, welche er durch sein eigen Blut erworben hat.

Denn das weiß ich - fügte er hinzu - daß nach meinem Abschiede werden unter euch kommen gräuliche Wölfe, die der Herde nicht verschonen werden. Auch aus euch selbst werden aufstehen Männer, die da verkehrte Lehren reden, die Jünger an sich zu ziehen. Darum seid wacker, und gedenket, daß ich nicht abgelassen habe, drei Jahre lang, Tag und Nacht einen jeglichen mit Thränen zu vermahnen. Und nun, lieben Brüder! - schließt er - ich befehle Euch Gott und dem Worte Seiner Gnade, der da mächtig ist, euch zu erbauen und zu geben das Erbe unter allen die geheiligt werden. - Ich habe euer keines Silber noch Gold, noch Kleid begehret. Denn ihr wisset selbe?, daß diese Hände zu meiner Nothdurft und derer, die mit mir waren, gedienet. Ich habe es euch alles gezeigt, daß man arbeiten und den Schwachen entgegen kommen müsse und gedenken an das Wort des Herrn Jesu, das Er gesagt hat: Geben ist seliger denn Nehmen. - Und als er solches gesagt, kniete er nieder und betete mit ihnen allen. Es ward aber viel Weinens unter ihnen allen, und sie fielen Paulo um den Hals und küßten ihn; am allermeisten betrübt über das Wort, das er sagte, sie würden sein Angesicht nicht mehr sehen. -

Aus solchem Munde, in solchem Zusammenhange werden uns die Worte des Textes noch wichtiger, aber auch deutlicher. Sie zeigen uns das christliche Vorsteheramt in seinem würdigsten Licht, und zwar

  1. worin es bestehe, und
  2. was dazu dringen, dazu stärken kann.

Laßt uns, dem Texte folgen, diese beiden Stücke erwägen.

Gott führe und starke uns dazu!

1.

Worin das Amt eines Vorstehers der christlichen Gemeine bestehe und was derselbe zu thun habe; sagt der Apostel einfach und deutlich: „So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, unter welche euch der heilige Geist gesetzet hat, zu Aufsehern, zu weiden die Gemeine Gottes.“ Sie sind also von dem heiligen Geist, d. h. von Gott selbst, angestellte Aufseher oder, um in dem Bilde der heiligen Schrift zu bleiben, Hirten über seine Herde oder Gemeine.

Hier müssen wir im Voraus einer Bedenklichkeit, wohl gar einem Einwurf begegnen. Es könnte scheinen, als wenn in unserm Texte nicht von Dienern und Vorstehern in unserm jetzigen Sinne, sondern von Lehrern der Gemeine die Rede wäre. Allerdings sind auch diese mitgemeint, allein eben darum sind jene keineswegs ausgeschlossen, sondern es ist der gesamte Vorstand, dem hier die Rede gilt. Paulus hatte die Aeltesten der ephesischen Gemeine zu sich berufen. Darunter waren alle mitbegriffen.

In der That waren in der ersten Blüthe und Einfalt der Kirche diese Aemter nicht, wie später, getrennt, ja im Anfang sogar, bei der ersten Gemeine zu Jerusalem, in der Person der Apostel vereinigt. Später, da der Jünger viel wurden, bestellten sie aus der Mitte der Brüder sieben Männer, die ein gutes Gerücht hatten und voll heiligen Geistes und Weisheit waren, und stellten sie vor die Apostel, die über sie beteten und ihnen die Hände auflegten; diese übernahmen vorzüglich die äußere Pflege und die Vertheilung der Liebesgaben, damit jene desto eifriger und ungestörter des Wortes und Lehramtes pflegen konnten. Dennoch arbeiteten auch diese Diaconen, d. h. Diener, mit an der Erbauung und geistlichem Wohl, wie die Krone derselben, Stephanus, beweiset. Und in der That, wenn sich in keinem menschlichen Werk das Innere von dem Aeußeren, der Geist von dem Körper durchaus trennen und scheiden laßt, wie viel weniger hier, wo alles aus der Liebe hervorblühen soll.

Wahrscheinlich wurden später aus den Aeltesten und Erfahrensten die Lehrer erwählt, und dem männlichen Vorstande eine weibliche Hülfe zugesellt, damit es der Gemeine so wenig an mütterlichzarter Sorgfalt und Milde, als an väterlichernster Führung und Weisheit fehlen möge.

Und nach diesem Muster war in unserer Gemeinschaft der Vorstand gebildet. Er bestand aus Aeltesten, Dienern und Dienerinnen. Von den erstern wurden einige zu Lehrern, und noch andere zur Bedienung der heiligen Sakramente ernannt, und diese waren es, welche im engern Sinne Bischöfe oder Aufseher und Väter der Gemeine hießen.

Nun hat es sich geändert - aber auch gebessert? Doch nicht die Form und äußere Gestalt, sondern der Geist und das innere Leben, d. h. die Liebe ist es, die eine wahre Gemeine ausmacht; diese kann in jeder Form sich aussprechen und wird sie alle heiligen. Und sie ist es also auch, die die ganze Pflicht eines Vorstandes ausmacht und die Triebfeder, wie die Richtschnur seines Werkes oder Dienstes sein muß.

Und nun, worin besteht derselbe? Der Apostel nennt es mit zwei Worten, kurz und erschöpfend, wie die Weise und Sprache des Geistes ist.

„Habet Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde.“ Beides ist unzertrennlich; und von dem ersten geht das zweite aus. Denn das Wichtigste, was wir in jedem Verhältniß für andere thun können und sollen, ist überall und immer das Beispiel. „Lasset euer Licht leuchten vor den Leuten,“ war darum das erste Wort des Herrn an die ersten Vorsteher und Aufseher Seiner Gemeine, nämlich Seine Jünger, auf daß sie eure guten Werke sehen und den Vater im Himmel preisen.

Darum nennt er sie ein Licht, das auf einen hohen Leuchter gestellt wird, und noch später heißen die Bischöfe Leuchter der Gemeine. „Es mag die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.“ - „Ihr seid das Salz der Erde, wo nun das Salz kraftlos, salzlos wird, womit soll man salzen?“

Die Aeltesten, so unter euch sind, schreibt der heilige Petrus, ermahne ich, der Mitälteste: weidet die Herde Christi, so euch befohlen ist, und sehet wohl zu, nicht gezwungen, sondern williglich; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als die über das Volk herrschen, sondern werdet Vorbilder der Herde. So werdet ihr (wenn erscheinen wird der Erzhirte) die unverwelkliche Krone der Ehre empfangen.“

„Die Diener sollen ehrenwerth sein - spricht Paulus - die das Geheimniß des Glaubens in reinem Gewissen haben.“ Dieses Beispiel des Glaubens, der in Liebe thätig ist, ist also der erste Dienst, welchen sie der Gemeine leisten sollen.

Dann aber sollen und dann können sie auch Acht haben auf die ganze Herde. Sie selbst gehören ja zu der Herde, unter welche sie Gott gesetzt hat. Und wie soll diese Acht und Wacht der Hirten, diese Aufsicht der Aufseher beschaffen, worauf soll sie gerichtet sein? Zuvörderst zwar auf ihre äußere Erhaltung, Wohlfarth und Blüthe, auf die treue Verwaltung und nützliche Vertheilung ihrer Güter, auf die gehörige Pflege der Armen und Verlassenen/ die Unterstützung der Schwachen und Kranken, die Versorgung der Witwen und Erziehung der Waisen. Aber so wenig ein Vater allein für das leibliche Wohl seiner Kinder sorgt, so gewiß dieses nicht das Höchste und Wichtigste, geschweige das Einzige ist, worauf Er Acht hat, eben so gewiß wird dieses nicht das Einzige, viel weniger noch das Wichtigste sein, worauf der Kirchenvorstand achtet. Vielmehr wird der innere Zustand der Gemeine, ihr geistliches Wohl, das rechte Leben und Gedeihen ihrer Mitglieder der vorzüglichste Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit und ihrer Bemühung sein.

Mit Einem Wort die Kirchenzucht in demselben edlen Sinn, als sie in der ersten geübt wurde, und auch in unserer Gemeinschaft vor andern blühte.

Diese, zwar oft falsch verstandene und unwürdig geübte, ja mißbrauchte, Zucht oder wir wollen lieber sagen, Erziehung ist und bleibt dennoch der wesentlichste Theil ihres Amtes.

Sie ist es im eigentlichen Sinne, was der Apostel meint, wenn er spricht: „Habet Acht, wachet über euch selbst und über die ganze Herde: Das beweiset ja die Warnung, welche er hinzufügt: denn es werden gräuliche Wölfe kommen und ihrer nicht schonen.“

Und ist, meine Freunde, nicht das Größte und Würdigste, was der Mensch thun kann - wachen, sorgen, arbeiten, beten - für das geistliche, das himmlische, das ewige Wohl seiner Brüder. Für sie zu sorgen, sie zu führen ohne sie zu beherrschen. In Demuth und Liebe sie zu leiten, zu warnen, zu ermahnen, und wo es sein Muß, zu züchtigen und zu strafen, nicht als Herrn, sondern als Väter. Ja es ist schön die Hungrigen zu speisen, die Nackten zu kleiden, der Kranken zu pflegen, die Alten zu stützen - aber es ist noch weit herrlicher, die Seele als den Leib zu erhalten, zu nähren, zu stärken, zu heben, zu erquicken, ein Herz vom Hungertode zu retten, eine Seele den Klauen, den Netzen der Verführung zu entreißen, ihr Ruhe und Frieden, mit Glauben, Hoffnung und Liebe niederzugeben. O wähnen wir nicht, daß dieses so schwer, oder nur ausschließlich das Amt des Lehrers sei. Nein hier, gerade hier ist der Punkt, wo das Innere mit dem Aeußern zusammenfließt und in dieser Vereinigung steht die Kraft des Christenthums. Der Herr selbst, ja Christus speis'te die Hungrigen, genas die Kranken, aber wozu? Um ihre Seele zu erheben, zu retten, zu genesen, zu beseligen. So soll auch jede leibliche Wohlthat Bild und Mittel einer geistlichen sein. Und um mit Einem Wort alles zusammenzufassen: was die Eltern dem Kinde sind oder sein möchten, das sollen die Aufseher der Gemeine zu sein streben, sein wollen.

Ein großes, heiliges, göttliches, aber eben darum auch ein schweres Amt.

Ja meine Brüder, aber eben darum, und darum allein unserer würdig; als Menschen, als Christen! Sagt, möchtet Ihr ein niedrigeres; würdet Ihr dieses bekleiden wollen, wenn es ein bloß äußeres, leibliches wäre? O dann wäre es ja nicht dasselbe, nicht, was es ist, ein Amt, ein Werk der Liebe.

Ja Liebe, reine, heilige, menschliche, göttliche Liebe ist sein Wesen und seine Würde, seine Kraft und sein Zweck, wie seine Richtschnur, sein einziges Gesetz, wie seine Quelle und Triebfeder.

Liebe heiligt es, Liebe legt es auf, Liebe allein kann es erfüllen. Nein, nicht von Menschen kommt es, sondern von Gott.

=====2.=====.

Und was soll uns nun zweitens dringen, was kann uns ermuthigen, ein so schweres, so heiliges Amt mit Vertrauen zu übernehmen.

Nichts anders, meine Geliebten, als was der Apostel selbst in unserm Text sagt, der Gedanke, nein, der Glaube, die innere Ueberzeugung des Herzes, daß Gott selbst uns dieses Amt aufgetragen hat: „unter welche euch der heilige Geist gesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeine Gottes, welche Er durch Sein eigenes Blut erworben hat.“

Nicht wahr, das gibt den Muth, das Vertrauen, die Freudigkeit zu diesem Amte, deren es nothwendig dazu bedarf, weil es ein so schweres, aber auch ein so heiliges ist. Könntet ihr, Geliebte, sagt, könntet ihr diese Freudigkeit haben, wäre es in sich selbst möglich, sie zu haben, wenn ihr dabei nicht diese Ueberzeugung, den festen, unerschütterlichen Glauben hättet: Gott selbst hat uns in dieses Amt gesetzt, Er hat uns dazu berufen und angestellt. Wenn ihr euch sagen müßtet: wir haben uns selbst hinzugedrängt, wir haben es gesucht, vielleicht aus Ehrgeiz, aus Herrschbegierde, aus irgend einer menschlichen Absicht, um etwa mehr Ansehen bei der Welt und Einfluß auf andere, auf die Gemeine zu haben, um sie nach unserm Willen zu lenken, um diese oder jene besonderen Zwecke dadurch zu erreichen, und wäre es nur, weil wir uns die Kraft und Einsicht, die zu diesem Amte gehören, vor Andern zutrauen, und der Gemeine, der Sache Gottes, mehr als sie nutzen zu können meinen. Oder wenn ihr wüßtet, nur Menschen haben uns dazu gerufen, sie haben es uns aufgetragen, vielleicht aus guten, vielleicht auch aus unreinen Absichten - aber wenn es auch die besten Einsichten und Absichten wären, die sie dabei leiteten, es wären doch immer menschliche, also unvollkommene, sie konnten sich täuschen, sie konnten bessere Vorstellungen von unserm Willen, höhere Begriffe von unsern Fähigkeiten, übertriebene Meinung von unserm Eifer hegen; sie kannten uns vielleicht nicht so wie wir sind; es gab ja andere, die gewiß, wenn sie sie genauer kannten, geschickter dazu gewesen wären, als wir. Seht, so konnte eure Demuth, eure Bescheidenheit selbst euch ein Mißtrauen einflößen, euch wankend, machen, und die rechte Freudigkeit benehmen, mit welcher ihr es doch nothwendig antreten müßt. Aber Alles dieses fällt auf einmal weg, alle diese Zweifel und Bedenklichkeiten sind sogleich gehoben, so bald ihr in eurem Herzen gewiß seid, nicht wir selbst haben uns hinzugedrängt, nicht Menschen haben uns angestellt, sondern Gott selbst hat es gethan. -

Aber ist das denn auch wirklich wahr? Können wir das in der That sagen? Dürft ihr, darf Jeder das von sich denken, kann und darf er es mit Vertrauen glauben, und in seinem Herzen davon gewiß sein?

Wenn wir uns auch dessen bewußt sind: so könntet ihr z. B. denken, daß wir selbst nichts dazu beigetragen, es nicht gesucht, nicht einmal gewünscht, vielmehr es vermieden hatten und wenn wir gekonnt hatten, es verhindert haben würden, eben weil wir uns die Kraft, die Weisheit, die Erfahrung, den Muth, die Liebe, die dazu erfordert werden, nicht zutrauen; oder weil es uns bei so manchen Pflichten, die schon auf uns ruhen, an gehöriger Zeit und Ruhe fehlt; wir sind ja dazu gewählt, von Menschen, auf eine sehr menschliche Weise, durch Stimmenmehrheit gewählt, und was kann nicht auf diese Stimmung eingewirkt, ja den Ausschlag gegeben haben, also sind wir nicht von Gott, wenigstens nicht unmittelbar von ihm selbst gewählt.

Seht, Geliebte, hier ist eben der Punkt, auf den es ankommt, nämlich auf den Glauben des Herzens, den wir freilich Niemand geben können, aber ohne den auch diese Ueberzeugung nicht möglich ist.

Freilich, Geliebte, seid ihr von Menschen, und also nicht von Gott unmittelbar erwählt und berufen; aber darum nicht von Ihm? wirkt denn Gott nicht durch Menschen? thut Er es nicht immer? sind alle, die irgend eine rechtmäßige, öffentliche Anstellung haben, nicht so von Ihm dazu berufen? sind es nicht besonders die, welche durch freie Wahl, durch Mehrheit, der Stimmen ernannt und zu irgend einem öffentlichen, gemeinnützigen Posten gerufen werden, und wäre es auch im Staate, aber wie viel mehr in der Kirche, die Sein eigener Staat, Sein eigenes, eigentliches, unmittelbares Reich ist, wo Er alleiniger Herr, König und Gebieter ist, der die Herzen und Hände lenkt nach Seinem Wohlgefallen, und ganz besonders, fühlt es, Geliebte, o fühlt es Alle, mit unaussprechlichem Dank, ganz besonders in einer Gemeine, wie die unsrige, wo Alles, auch die äußere Form, auch die Wahlen nach Seinen eigenen heiligen Gesetzen geschehen. Da, wenn nirgendwo, ja da, wenn auch nirgend sonst, da kommt Alles, und also auch dies Amt unmittelbar von Ihm, durch Seinen heiligen Geist, der in der Kirche, in der Gemeine wirkt und waltet.

Darum ist es wie der Apostel sagt: Der heilige Geist hat mich zum Bischof gesetzt, zum Aufseher und Hirten berufen durch die Menschen, die es ausgerichtet. Aber freilich, wie gesagt, darum eben kommt es dabei auch einzig und allein auf den Glauben an. Wer diesen nicht hat, für den kann es auch so nicht sein, dem kann er auch diese Freudigkeit, diese Festigkeit, diese Gemäßheit, und Zuversicht des Herzens nicht geben.

Aber wer ihn hat, o was ist er dem nicht? Er macht das Herz fest, und das ist, wie der Apostel sagt, ein köstliches Ding, aber es geschieht durch Gnade, durch die. Kraft des heiligen Geistes, der den Glauben wirkt, der die Zuversicht ausgießt in das Herz.

Und mit dieser Zuversicht auch Alles andere, auch das Vertrauen, auch die Gewißheit, daß Er Alles geben werde, dessen wir bedürfen.

Ja, Geliebte, wir bedürfen viel zu würdiger, Ihm wohlgefälliger Führung dieses köstlichen Amtes, zu weiden die Gemeine Gottes, viel Kraft, viel Weisheit, viel Ruhe, viel Geduld, viel Muth, viel Liebe. Aber nicht mehr, als der Allmächtige geben kann, und der Allliebende geben will aus Seiner Fülle, aus der wir alle nehmen können Gnade um Gnade.

Sollte Er es nicht geben, es ist ja Seine Gemeine, Er hat sie, o bedenkt es! Er hat sie durch Sein eigenes Blut erworben. Sie ist Sein, Seine durch die Schöpfung, Sein durch die Vorsehung, aber ganz und eigentlich Sein durch die Erlösung. Er hat sie sich und Alle, die zu ihr gehören von Ewigkeit erwählt in dem Geliebten, in der Fülle der Zeit erworben und erkauft durch Sein Blut, und beruft noch immerdar ein jedes lebendige Mitglied derselben durch Seinen heiligen Geist, darum wird er auch jedem, der es ist und sein will, Alles geben, was er bedarf in seiner Lage, in seinen Umständen, zu seinem Beruf und Amt, und also besonders die, die Er Selbst zu Aufsehern und Hirten, zu Dienern und Pflegern dieser Seiner Gemeine gesetzt hat.

Ja, wir fühlen es, wie sehr wir alle so heiliger Kraft zu so heiligem Geschäft bedürfen. Aber er will sie nicht weigern, sondern uns mittheilen in vollem, reichem, überfließendem Maaß, so viel wir ihrer bedürfen und betend empfangen können. Das habt Ihr erfahren, theure, ehrwürdige Brüder! die ihr jetzt unter Ruhm und Ruhe aus unserm Kreise tretet, begleitet und umgeben von unserm Dank, gekrönt mit Gottes Gnade.

Wie hättet Ihr sonst ein solches Amt so, wie Ihr gethan, verwalten können! Wie wir Euch, so danket Ihr Gott für diesen Segen.

Und das werdet auch Ihr erfahren, die Ihr in jene, so ehrenvoll verlassenen Stellen eintretet, und dadurch unsere Wünsche und Gottes Willen erfüllt. Ja Ihr werdet's erfahren, glaubt's und zweifelt nicht, denn wer zweifelt meine nicht, daß er etwas von Gott empfange. Euer Dienst wird an Euch selbst zuerst gesegnet werden; denn die wohl dienen, sagt die Schrift, die erwerben sich selbst eine gute Stufe und eine große Freudigkeit im Glauben - in Christo Jesu. Amen, ja Amen, das sei so!

Ja darum bitten, darum flehen wir dich Alle - o Vater! Segne die Neuerwählten. Segne und weise sie, gieß den heiligen Geist aus in ihr Herz, den Geist der Weisheit, der Liebe, des Glaubens, der Kraft. Segne durch sie die Gemeine, deine Gemeine.

Segne die Abtretenden in ihren Häusern und in ihrem Wirken, in ihren Geliebten; segne uns alle mit Deinem ewigen Vatersegen, in dem Sohn deiner Liebe durch deinen heiligen Geist. Amen.

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