Zuletzt angesehen: Molenaar, Isaak - Weihnachten

Molenaar, Isaak - Weihnachten

Molenaar, Isaak - Weihnachten

Das Weihnachtsfest ist das große Freudenfest der Menschheit. So kündigen es auch diese Himmelsstimmen an. Auch uns kündigen sie es wieder an G., in dem Geliebten des Vaters. Sagt unser Herz Ja und Amen darauf? Hall-n sie in unserer ganzen Seele wieder - diese seligen Stimmen von oben? Ach, es sind so viele andere Stimmen in unserer Seele, so viele irdische, die diese Himmelsstimmen betrüben und verdrängen! Heute aber - heute sollen sie alle verstummen, daß wir uns ganz jener hohen, heiligen, ewigen Freude hingeben können. Laßt uns darum beten, O Vater! du gibst uns Freude, Freude aus dem Himmel; ach, gib uns auch himmlische, neue, weite, offene Herzen, daß wir sie einlassen, daß wir sie festhalten können, deine Freude. Wir, die wir arg sind, wollen doch unsern Kindern gerne Freude gönnen, solltest denn du, o du guter Gott, du treuer, barmherziger Vater im Himmel, uns nicht Freude geben? Ja, du bist die Liebe und gibst Liebe, gibst dich selbst. Ja dich selbst hast du uns in deinem Sohne gegeben. O so gib uns denn auch deinen Geist, daß wir dieses große Geschenk recht erkennen, daß wir wissen, was uns von dir gegeben ist. Segne, o segne dazu auch diese Stunde, daß sie eine wahre Freudenstunde, dieses ganze Fest, daß es ein wahres Freudenfest vom Himmel für uns sei! Amen.

Text: Luc. 2, 6 -11.
Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, daß sie gebaren sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn, und wickelte ihn in Windeln, und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselbigen Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihrer Heerde. Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht; siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk wiederfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt David.

I.

Lasset uns niederfallen und anbeten, Geliebte in den Herrn, denn auch uns wird diese große Freude verkündigt - auch uns umleuchtet die Klarheit des Herrn in dem hohen, herrlichen Feste, das wir wieder feiern dürfen. Ja es ist das große Freudenfest, der Anfang dieser ganzen Gnadenzeit, ohne dasselbe können wir kein andres, ja kein wahres Freudenfest feiern; wir kennten keine wahre Freude.

Aber worin besteht diese Freude? Worüber sollen wir uns heute freuen? So müssen wir immer wieder fragen, damit uns die Freude immer neu, immer lebendig werde. Sie soll ja keine dunkle, dumpfe Lust, keine vorübergehende Aufwallung, sondern eine klarbewußte, helle, lichte Freude sein, die da bleibet in Ewigkeit. Darüber sollen wir uns freuen, daß uns der Heiland geboren ist - heute, denn dieses Heute ist ein ewiges, nicht wie das irdische und zeitliche, das morgen schon ein Gestern ist. „Heute wirst du mit mir im Paradiese sein,“ heißt es zu Jedem, der da glaubet, immer und immer wieder; in dem Augenblick, daß er glaubet, ist er darin. So auch hier; glaubest du, so ist dir heute der Heiland geboren.

Dieser Heiland ist Christus, der Herr, und das eben ist die große Freude.

Weißt du das, m. Br.? Freust du dich darüber, daß Christus, der Herr, dein Heiland, dein Jesus ist? Dein Jesus heißt nicht anders, als Heiland und Seligmacher.

Ja, wenn du ihn kennst, so kannst du nicht anders, denn das ist aller wahren Freude Quelle und Fülle, daß der Herr, der Gottessohn ein Kind, ein Menschenkind geworden ist, denn nun kann er unser Heiland sein. So laßt uns dieses mit seiner Hülfe näher betrachten, warum das eine so große Freude für uns sei, daß Christus, der Herr, geboren ist, um unser Heiland zu sein. - Unsere Freude über die Menschwerdung des Sohnes Gottes sei also der Gegenstand unserer Betrachtung.

Aber wie sollen wir eine so große Freude umfassen und eintheilen, daß sie uns klar und deutlich werde?

Mich dünkt, wenn wir sie betrachten von den drei Seiten, die sich uns zunächst darbieten, als eine Freude über Gott, über uns selbst, und über die Menschen.

Das aber müssen wir vorab bemerken, daß diese Freude nur mit einem gläubigen Herzen erkannt und empfunden werden kann: nur dem, wer in Christo, dem Herrn, seinen Heiland gefunden hat, öffnet sich diese dreifache himmlische Freudenquelle schon auf Erden, die in das ewige Leben fließt, und für die es eine Ewigkeit haben muß. Er blickt zuerst hinauf zu Gott- und was erblickt er da? - Könnt ihr es aussprechen, meine Lippen? kannst du es fassen, meine Seele? Siehe, du blickst hinein in ein Meer der Freude, in einen Ungrund der Seligkeit, denn dieser heilige, unzugängliche, verborgene Gott ist nun offenbar als die Liebe: Denn also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eigenen Sohn dahin gab. Er ist dein Gott, dein Vater; er hat sich dir ganz zu eigen gegeben, ganz mit dir verbunden und vereinigt in dem Sohne. Dieser ewige Sohn seiner Liebe, der ewig eins mit ihm, dem Vater, ist und bleibt, ist auch nur eins mit uns; nun hat der Vater selbst uns also in sich aufgenommen, nun ist er - auch er - eins mit uns. Er hat sich uns in ihm geöffnet und dargegeben; wir können hineinsehen in sein ganzes Herze, es ist ein Herz der Liebe, ein unendliches, in ewiger Liebe brennendes und nie sich verzehrendes, stets neue Seligkeit quellendes Vaterherz. Wie er den Sohn liebt und lieben muß, so liebt er auch uns, und muß uns lieben, denn wir sind eins mit ihm, sind in ihm, und also auch in dem Vater. Da ist keine Trennung, keine Scheidung mehr; er selbst hat sie weggenommen. Denn Gott war in Christo und versöhnete die Welt mit sich selber, und rechnete ihnen ihre Sünde nicht zu - er hat Friede gemacht in dem Blute seines Sohnes - derselbe Gott, der dem Sünder außer Christo so fern, so fremd, so schrecklich ist in feiner unzugänglichen Heiligkeit und unerbittlichen Gerechtigkeit. Der ihm erscheint und erscheinen muß als ein verzehrendes Feuer, als eine ewig brennende Glut, die das Widerwärtige und Feindliche, nämlich die Sünder verzehrt, erscheint ihm nun in dem Sohne, den er mit gläubigem, bußfertigen Herzen angenommen hat, als die Liebe, als die Gnade, als die sich unendlich herablassende, nie verleugnende, Sünder annehmende, Sünder versöhnende, Sünder seligmachende Liebe, die erschienene Erbarmung, Leutseligkeit und Menschenfreundlichkeit Gottes. Nun er ihm in dem Sohn, dem menschgewordenen Heiland, so innig nah, ein lieber Vater geworden, kann er mit klarem, neuen Kindesauge des Glaubens hineinschauen in die Tiefen Gottes. Er sieht sein herrliches Wesen, als Vater, Sohn und Geist; seinen ewigen Rathschluß der Schöpfung, Erlösung und Heiligung; es ist Alles die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Kündlich groß ist das Geheimniß der Gottseligkeit: Gott ist geoffenbaret im Fleisch.“

Jauchzet, ihr Himmel! frohlocket ihr englischen Chören!
Singet dem Herren, dem Heiland der Menschen zu Ehren:
Sehet doch da! Gott will so freundlich und nah
Zu den Verlor'nen sich kehren.

Jauchzet, ihr Himmel! frohlocket ihr Enden der Erden!
Gott und der Sünder, die sollen zu Freunden nun werden!
Friede und Freud' wird uns verkündiget heut!
Freuet euch, Hirten und Helden!

Sehet dies Wunder! wie tief sich der Höchste hier beuget
Sehet die Liebe! die endlich als Liebe sich zeiget:
Gott wird ein Kind, träget und hebet die Sünd'
Alles anbetet und schweiget.

Gott ist im Fleische! wer kann dies Geheimniß verstehen?
Hier ist die Pforte des Lebens nun offen zu sehen:
Gehet hinein, macht euch dem Kinde gemein,
Die ihr zum Vater wollt gehen.

So ist die Freude, die der Gläubige heute in Gott findet. Er ist durch die Menschwerdung seines Sohnes für ihn ganz in eine Freudenquelle verwandelt. Aber wenn er nun in sich selbst blicket, hört dann diese Freudenquelle auf zu fließen? Keinesweges, sondern sie fließt nur noch stärker, in seinem eigenen Herzen findet er eine zweite Freudenquelle.

II.

Ja, dieses Herz, vorher die Quelle all seines Elendes, in das er nicht anders als mit Angst und Zittern hineinblicken konnte, ist nun auch durch eben diese Menschwerdung ganz in eine Freudenquelle verwandelt. Ach, wie war es verdorben, verfinstert! Wie war es von seiner Höhe, von seiner Seligkeit herabgefallen! Von Gott, seinem Ursprung, seinem Leben war es geschieden, keine Gemeinschaft hatte es mehr mit ihm, da war es todt in Sünde, ohne Licht und Leben; denn das Licht, das in ihm sein sollte, war Finsterniß geworden, wie groß mußte daher diese Finsterniß selbst sein! Das Herz - des Lebens reiche Quelle - ein böses Wesen wohnte drin, und ward's in unserm Geiste helle, so war nur Unruh der Gewinn. Wohin er blickte, fand er neue Qual. Die Vergangenheit hatte für ihn nur Vorwürfe und Beschuldigungen, die Gegenwart nur Kampf, die Zukunft nur Schrecken; denn überall fand er nur alte Schuld und neue Sünde. Hob er seinen Blick hinauf zu Gott, so fand er einen heiligen, gerechten, unversöhnlichen Richter, senkte er ihn in sich hinein, so fand er nur Ohnmacht zu allem Guten. Nirgend Trost, nirgend Ruhe und Frieden, denn er hatte keine Hoffnung und keine Liebe. Aber wie ist Alles anders geworden durch diese Menschwerdung des Sohnes Gottes! Nun kann er glauben, nun kann er hoffen, nun kann er lieben, denn er ist mit Gott versöhnt und vereint. Er hat einen Heiland, es ist der Sohn Gottes, der Vater selbst hat ihn ihm gegeben, er ist? geboren, ein Mensch geworden, wie er, sein Bruder, und wohnt in seinem Herzen - und ist ihm von Gott gemacht zur Weisheit und zur Gerechtigkeit, und zur Heiligung, und zur Erlösung. Und o wie ist nun sein ganzes Herz verwandelt, erlöset und neugeboren. Das Alte ist vergangen, siehe es ist Alles neu geworden. Seine Schuld hat Christus übernommen und es getragen, seine Sünde hat er geopfert, seinen Tod hat er verschlug gen, sein eignes Leben, seine Kraft, sein Licht, seine Gerechtigkeit, seine Heiligkeit, seine Seligkeit schenkt er ihm, seine eigene Liebe will er ausgießen in sein Herz durch den heiligen Geist - Er selbst, sein Heiland, sein Mittler und Versöhner, wird auch sein Richter sein. Nun ist alle Furcht verschwunden, die Gegenwart, die Vergangenheit und die Zukunft ist Licht, die Zeit und die Ewigkeit sind vereinigt, Himmel und Erde versöhnt - denn in dem Sohne ist er ein Kind, ein Gotteskind. Ja nun ist die Finsterniß, die in ihm war, Licht geworden, und wie groß muß nun das Licht selber sein! Alle seine Traurigkeit ist in Freude verwandelt. O welch eine Gabe! welche Gnade! Welche Liebe! welch Erbarmen! Was soll er sagen? Wie kann er danken? Er, der Verlorene, der Sünder, ein Kind Gottes, gerettet, begnadigt, beseligt für die ganze Ewigkeit.

Hast du denn, Höchster, auch meiner noch wollen gedenken?
Du willst dich selber, dein Herze der Liebe nur schenken:
Sollt nicht mein Sinn innigst sich freuen darin;
Und sich in Demuth versenken?

König der Ehren, aus Liebe geworden zum Kinde,
Dem ich auch wieder mein Herze in Liebe verbinde;
Du sollst es sein, den ich erwähle allein:
Ewig entsag' ich der Sünde.

Großer Immanuel! werd' auch geboren inwendig;
Komm o mein Heiland, und laß mich nicht langer elendig.
Wohne in mir, mach mich ganz eines mit dir,
Und mich belebe beständig!

III.

Aber die Freude über die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist nicht nur eine Freude über uns selbst, sondern auch über Andere, ja über die ganze Menschheit - und das ist die dritte Freudenquelle, die sie ihm öffnet. Er ist ja nicht nur sein Bruder geworden, sondern der Bruder Aller, des ganzen Menschengeschlechts. Er hat die menschliche Natur angenommen, und sich also mit der ganzen Menschheit innig und unauflöslich vereint, darum nennt er sich auch aus unbeschreiblicher Herablassung und Liebe den Menschensohn, und der Engel sagt schon zu den Hirten: daß diese große Freude allem Volk widerfahren wird; und der Heiland selbst sagt: daß dieses Evangelium, diese Freudenbotschaft, aller Welt „soll gepredigt werden. Und das ist für den Gläubigen eine neue, sehr große Freude, denn alle Erlöste sind nun auch seine Brüder, er liebt sie in Christo, umfaßt sie mit der Liebe, die Er in sein Herz ausgegossen hat. Sie sind Eins im Herrn, Mitglieder eines Leibes, und Er das Haupt der Gemeine, in dem ihre Fülle wohnt. Nun sind sie seine neuen, seine himmlischen und ewigen Blutsverwandte, und er kann keinen von seinem Herzen, seiner Liebe, seiner Fürbitte, wenigstens seinem Mitleiden ausschließen. Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn sie sind allzumal Eins in Christo Jesu, alle Gottes Kinder durch den Glauben. Darum liegt Aller Seligkeit dem Gläubigen am Herzen, aber er sieht auch Aller Schicksal, ihr zeitliches, ja ihr ewiges geborgen und gesichert in Ihm, denn er, der Herr, hat es auf sich genommen. Sie sind Sein, er aber ist Gottes. O mit welcher Ruhe, mit welcher Zuversicht kann der Gläubige nun hinausschauen in die ganze Geschichte der Menschheit, in die dunkle Vergangenheit, in die verwirrte Gegenwart, in die trübe Zukunft! Ueberall begegnet er ihm, dem Mensch gewordenen Gottessohne und seinem Worte, seinem Walten. „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Aber es sind nicht bloß Ferne, Fremde, Unbekannte, die er nur in einem Bilde, das ihn kalt läßt, umfassen kann; nein, es sind auch seine Eignen, Nächsten, Theuersten. I Nun sind sie Mitgenossen seiner Seligkeit, wie sie seine Mitgefallenen waren. Wie er, erst über sie weinte, so kann er sich nun über sie freuen; die Liebe, die zuvor die Quelle seines tiefsten Schmerzes war, wird nun die Quelle seiner höchsten Freude; kein Tod kann sie scheiden, sie werden sich wiedersehen, und ewig Eins sein in Ihm.

Seht, Geliebte, das ist die dreifache Freudenquelle, welche die Geburt des Heilandes, die Menschwerdung des Sohnes Gottes, dem Glauben öffnet. Ist also das Weihnachtsfest nicht das große Freudenfest der Menschheit? Geliebte in dem Herrn, könnt ihr es so feiern? d. h. glaubet ihr an diesen Heiland, an diesen Mensch gewordenen Gottessohn? Ist er schon euer Heiland, euer Bruder, euer Herr und Gott geworden? O seht, welch einer Freude ihr euch beraubt. Seufzet, weinet, wenn ihr nicht glauben könnt. Weinet und betet, betet um Glauben, um Buße, betet um feinen heiligen Geist. „Fürchtet euch nicht,“ so ruft der Engel, so rufen wir mit ihm euch zu, denn auch euch verkündigt er große Freude, welche allem Volke widerfahren wird; auch euch, auch euch ist heute der Heiland geboren, Christus, der Herr. O scheidet nicht, was Gott vereinigt, verwerft nicht die höchste unbegreifliche Liebe, verschmäht nicht die größte, ewige Freude. Wir bitten euch als Diener Gottes an Christi Statt: Lasset euch versöhnen mit Gott. Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/m/molenaar_isaak/molenaar-predigt_3.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain