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Molenaar, Isaak - Phil. 2,8

Inhaltsverzeichnis

Molenaar, Isaak - Phil. 2,8

Wie eilt die Zeit! – Aber ist das nicht gut? Sie eilt ja der Ewigkeit zu und, wenn wir Christo angehören: so wissen wir, wohin wir gehen, wir sind schon in der Ewigkeit, wir wandeln im Licht. -

Schon ist ein bedeutender Theil des Kirchenjahres wieder zurückgelegt und wir sind in die Zeit hineingerückt, die Epiphanias, Erscheinung heißt. Da betrachten wir die Erscheinung, die Offenbarung Seiner Herrlichkeit, d. h. Seiner Göttlichen Natur in der Menschheit. - Sie reicht bis an die Passionszeit, bis an Sein Leiden.

Die gewöhnliche Betrachtung oder das Evangelium dieses Tages ist das erste Wunder oder Zeichen, das der Herr that, auf der Hochzeit zu Kana in Galiläa. Johannes sagt: „Er offenbarte Seine Herrlichkeit und Seine Jünger glaubten an Ihn“ - als das Wort, das Fleisch geworden; denn er sagt auch: „wir sahen Seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ In den Wundern und Zeichen trat jene ursprüngliche, sonst verhüllte Herrlichkeit hervor, wie wenn der Himmel in der Nacht sich leuchtend öffnet. Er legte gleichsam für einen Augenblick die Knechtsgestalt ab, und erschien als der Herr. Aber diese Knechtsgestalt, das ist eigentlich die Hauptsache für uns. Erkennen wir, glauben wir, daß Er sie angenommen, für uns angenommen, so glauben auch wir und sehen auch Seine Herrlichkeit und sie ist unser.

Darum soll diese in dieser Zeit den Hauptinhalt unserer Betrachtung ausmachen, nämlich Seine Demuth, Seine Selbsterniedrigung und Entäußerung; denn auf ihr beruht unser Heil, ohne sie konnte Er nicht unser Heiland werden. Schon haben wir den Anfang damit gemacht, nämlich wie sie sich in Seiner Geburt oder Menschwerdung selbst und in Seiner Kindheit offenbarte. Heute wollen wir damit fortfahren. Laßt uns um Segen bitten. Hilf, o Herr, o laß gelingen, so müssen wir wieder und immer wieder rufen, denn ohne dich können wir, wie du selbst sagest, nichts thun. Und unser Herz sagt es auch. Denn ach! in ihm wohnet nur Sünde, und darin Ohnmacht und Finsterniß. O wohl uns, wenn wir das erkennen, denn dann kommen wir zum Licht, zu dir, dann können wir ohne dich nicht mehr leben. Herr, wecke, gründe diese Erkenntniß in uns, hilf ja hilf, durch dein Wort, durch deinen Geist, offenbare uns deine Herrlichkeit, deine Gnade und Wahrheit, und segne dazu diese Stunde. Lehre uns beten, bete in uns. Unser Vater rc. Amen.

Text: Philipper 2, 8.
Er erniedrigte sich selbst, und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.

Dieses Eine Wort gibt uns einen Blick in das ganze Leben des Herrn. Er ward gehorsam, das ist Sein Leben. Es zeigt aber auch die Quelle an, aus welcher dieser Gehorsam und also Sein ganzes Leben floß: „Er erniedrigte oder demüthigte sich selbst.“

Wir wollen also aus diesem Gesichtspunkte das Leben und den Wandel des Herrn betrachten, als ein Leben der Selbsterniedrigung und des vollkommenen Gehorsams und dann sehen, was für uns daraus folgt.

Das wolle Er gnädiglich segnen!

I.

„Er erniedrigte sich Selbst,“ spricht der Apostel und gibt hiemit die Quelle an, aus welcher Sein Leben und Wandel floß, „und ward gehorsam,“ das ist dieses Leben selbst - bis zum Tod, das ist die Stufe, die es erreichte, die Gränze, bis wie weit Sein Gehorsam ging.

Selbsterniedrigung und Entäußerung oder Demuth war die Gesinnung, die der Herr in Seinem ganzen Leben bewies, die innerste Quelle, woraus Alles, Sein Wandel, Seine Lehre, Seme Worte, Seine Werke, Seine Thaten - Seine Leiden und Sterben hervorging.

Daß der Apostel diese Gesinnung damit meint, sehen wir . aus dem Vorhergehenden; denn zur Demuth will er die Christen ermahnen. Darum sagt er: „Nichts thut aus Zank oder eitler Ehre, sondern durch Demuth achtet Einer den Andern höher, denn sich selbst.“ - „Ein Jeglicher sei gesinnt wie Jesus Christus auch war, der Seine Herrlichkeit, Seine ursprüngliche Gottesgestaltung ablegte und auszog und nahm Knechtsgestalt an, nämlich die menschliche und ward gehorsam. Das sehen wir nun auch in Seinem ganzen Leben. Ueberall erscheint diese Seine menschliche Knechtsgestalt als eine angenommene, aber freiwillig aus Liebe angenommene, weil Er nur in derselben das Werk, wozu Er gekommen war, vollbringen konnte, nämlich unsere Erlösung. Dieses Werk aber hatte Ihm, wie Er Selbst beständig erklärt, der Vater aufgetragen oder gegeben; folglich war es Gehorsam. Gehorsam, wahrer Gehorsam, kann aber nur aus Liebe hervorgehen. Die Liebe ist immer demüthig, sie sieht nicht auf das Ihre, sondern das des Andern ist, sie thut nicht ihren eigenen Willen, sie will nicht herrschen, sondern dienen. Sie will nur das Heil, die Freude, die Seligkeit anderer. Sie will geben, was sie hat, sie will selig machen, wie sie selbst selig ist, sie will sich Selbst geben und mittheilen und wenn es sein muß, sich Selbst opfern und dahingeben. Das ist die Natur, das Wesen, der innerste Trieb und die ewige Kraft, ja Allmacht der Liebe. Sie Selbst kann sich nicht verleugnen, und Niemand kann sie hindern.

Darum mußte sie sich offenbaren nicht nur in der Schöpfung, sondern auch in der Erlösung. Darum gab der Vater den Sohn, also liebte Er die Welt, darum gab der Sohn sich selbst, also liebte Er den Vater und ward gehorsam - um die Liebe des Vaters zu offenbaren. Daß aber das ganze Werk des Sohnes Gehorsam war, sagt auch der Apostel ausdrücklich: „Gleichwie durch Eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sind; also auch durch Eines Gehorsam werden Viele Gerechte.“

Und aus diesem Standpunkt, oder laßt mich sagen: von dieser unendlichen Höhe herab, wie wunderbar, wie unaussprechlich erhaben und rührend muß Er uns da nicht in Seiner Niedrigkeit, in Seiner menschlichen Knechtsgestalt erscheinen!

Was ist das für ein Kind, das in der Krippe liegt, in arme Windeln gewickelt? Es ist Christus, der Herr. Nun, dann wundert's uns nicht, daß der Engel des Herrn es den Hirten ankündigt; wie konnten diese es sonst wissen?

Dann ist's natürlich, daß die Menge der himmlischen Heerschaaren dieses Gnadenwort, dieses Wunder der Demuth besingt und durch alle Himmel ausruft: „Ehre sei Gott in der Höhe,“ daß Simeon, da er das Kindlein auf den Armen hält - mit Entzücken ausruft: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden, und zum Preis deines Volkes Israel,“ Luc. 2, 29 - 32. - denn der Geist hat es ihm offenbaret. Aber wenn dieser Herr, dieser Immanuel, Gott mit uns - als ein gewöhnliches Menschenkind wachset und zunimmt an Größe und Weisheit - sich in alle unsre Schranken fügt, alle Stufen des menschlichen Lebens durchläuft, Alles, was Er von Ewigkeit war und hatte, ablegt, um, gleichwie wir, Alles erst zu werden, zu lernen und zu üben. - Geliebte, wie müssen wir dann niederfallen vor solch einem Wunder der Verläugnung, der Entäußerung und der Liebe!

Wenn wir den Gottesknaben im Tempel unter den Lehrern sitzen sehen, um wie ein Schüler zu lernen - wenn wir ihn zu Seinen Eltern sagen hören: „Wisset Ihr nicht, daß ich sein muß in dem, das Meines Vaters ist!“ und er geht dennoch mit ihnen hinab und ist ihnen unterthan, sehen wir dann nicht Seine Demuth, und in dieser Demuth Seinen vollkommnen Gehorsam gegen den Vater hervorleuchten? Und was müssen wir sagen, wie muß es uns werden, wenn wir den Herrn nun noch bis in sein erstes Jahr, also 18 Jahre lang in einer kleinen Hütte in dem kleinen verlästerten Nazareth verborgen leben, arbeiten und seinen Eltern dienen und helfen sehen, wie ein Knecht - heißt das nicht Demuth, und o wie muß sie unsern Stolz, unsere Selbsterhebung und Vergötterung danieder schlagen! - Und wie offenbaret sich diese Demuth in Seinem öffentlichen Leben. Schon beim Antritt Seines Lehramtes, das Er, der Herr, wie ein Diener übernimmt - daß bei Seiner Taufe der Himmel sich öffnet, und der Geist auf ihn herabfährt und die Stimme des Vaters ausruft: „Dies ist Mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe“ - nein, das wundert uns nicht, aber daß Er, zu Johannes kommt, und sich taufen läßt - wie die Sünder, bloß um alle Gerechtigkeit zu erfüllen, das ist Demuth, das ist Gehorsam, das beugt uns danieder. - Daß Er den Teufel besiegt, daß alle seine Versuchungen an Ihm, dem Gottes Sohne, abprallen, das ist uns begreif, es ist natürlich; aber daß Er, der Heiland, der Eingeborene vom Vater sich von demselben versuchen läßt, ihm Rede steht und ihn zu besiegen sich erniedrigt - das ist mehr als wir fassen. Und sein ganzes Leben ist es nicht ein Wandel der Demuth, Eine Selbsterniedrigung. Er spricht ein Wort und Blinde sehen, Taube hören, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Todte stehen auf; und dennoch nennt Er sich nie Gottessohn, sondern immer Menschensohn - der nicht hat, wo er sein Haupt hinlegt, der von fremden Gaben lebt, der müde und durstig beim Brunnen da sitzt und um einen Trunk bittet. - Er verwandelt Wasser in Wein, speist Tausende mit Einem Brod, gebietet dem Sturm und wandelt auf den Wassern des Meeres, aber Er nennt alle diese Thaten der Allmacht nur Werke, die der Vater Ihm gegeben, nur Theile des Einen großen Werkes, das Er Ihm aufgetragen, und das zu vollbringen Seine Speise ist, betet vorher und dankt darnach, ja bleibt ganze Nächte im Gebet - ja Er spricht: „Ich thue nicht die Werke, sondern der Vater, der in mir ist,“ Er hat mir ein Gebot gegeben, was ich sagen und was ich reden soll. Und ich weiß, daß Sein Gebot das ewige Leben ist. Darum, das ich rede, das rede ich also wie mir der Vater gesagt hat. Seht, Geliebte, so war Alles bei Ihm Gehorsam und Sein Gehorsam Demuth. Ich muß sein in dem, das Meines Vaters ist, war Sein erstes Wort, und Sein letztes: „Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst.“

Er erniedrigte, vernichtete sich selbst und wollte keinen eigenen Willen haben - so ward Er gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz, und dieser Tod war die tiefste Stufe seiner Erniedrigung, aber auch die höchste Seines Gehorsams.

II.

Doch wozu diese Tiefe der Erniedrigung, diese Vollendung des Gehorsams? O, meine Freunde, können wir noch fragen? Stelle dich vor diesen Spiegel, o meine Seele! Was erblickst du darin? Dein eignes Bild? Ach, daß es so wäre! Nein, meine Theuern, ich sehe darin nur das Gegentheil, die Offenbarung meines Ungehorsams - und ist das nicht der erste Zweck, den der Vater damit beabsichtigt, uns zur Buße zu erwecken, zur Erkenntniß unserer Sünde zu bringen; denn unsere ganze Sünde ist ja nur Ungehorsam, Trennung, Abfall von Gott. Nicht Seinen, unsern Willen wollen wir thun, das ist unsere erste Regung und bleibt es, wenn wir nicht umkehren, bis zum Ende. Gib mir das Theil, das mir zukommt, heißt es auch bei uns und wir reißen uns los und sind verlorene Söhne - bis die Roth, äußere und innere, uns faßt und wir in uns schlagen und uns aufmachen und zum Vater gehen.

Und woher dieser Ungehorsam? Aus der gerade entgegengesetzten Quelle, wie bei Ihm, aus: Stolz und Selbsterhebung, ja Ueberhebung. Er wollte nichts, wir wollen Alles sein. - Er, der Herr, erniedrigte sich unter Menschen, wir, Seine Geschöpfe, Staub und Asche, erheben uns über Gott. Ihr werdet sein wie Gott, das war die erste Angel, die der Feind in unsere Seele warf und sie von Gott riß. Wir wollen nicht Knechte, sondern Herren sein; Er, der Herr, ward ein Knecht, des Menschensohn ist nicht gekommen, daß Er ihm dienen lasse, sondern daß er diene und gebe sein Leben zur Bezahlung für viele. Wir wollen herrschen und lieber sterben, als dienen und gehorchen, als unsern Willen brechen. Unser Wille, das ist unser Leben, das wollen wir behaupten bis zum Ende und nicht uns selbst verläugnen. Das nennen wir unsere Würde, was unser Fall ist - unsere Freiheit, als wenn es für Menschen, für Geschöpfe, für Kinder eine andere Freiheit gäbe, als in dem Gehorsam. - Nur in Gott, nur in den heiligen Schranken Seines heiligen Willens, des Gesetzes ist wahre Freiheit und in dieser Freiheit, Kraft und in dieser Kraft ist Seligkeit, Kindesseligkeit.

Aber du sagst: mir hat Gott nicht wie Ihm, ein bestimmtes Werk aufgetragen; ich soll mich selbst bestimmen. - Ja, Geliebter, aber nur zum Gehorsam, nur nach Seinem Gesetz. Ja, sprichst du: Ihm will ich wohl gehorchen, aber nicht Menschen, das ist Feigheit und Sklaverei.

Aber wie, mein Geliebter, hat Er dir nicht Menschen gegeben, daß du Ihm in ihnen gehorchen sollst, die Obrigkeit dem Volk, die Eltern dem Kinde, Allen Sein Gesetz. - Seinen Sohn zum Herrn, zum lebendigen Gesetz? Sprach auch Er so? War Er nicht den Menschen, den Eltern unterthan, obgleich sie Seine Worte nicht einmal verstanden, aber um des Vaters willen. Hat Er, der Herr, sich nicht unter das Gesetz thun lassen, damit Er uns vom Gesetz erlösete, daß wir die Kindschaft empfingen und ans Liebe und Demuth den Willen des Vaters thäten, wie Er?

Er hat das Gesetz erfüllt, das wir gebrochen, und wenn wir an Ihn glauben, so ist Seine Erfüllung, Sein Gehorsam unser, Er Selbst ist unser, wir sind vollendet, sind gerecht und heilig in Ihm. - Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tod am Kreuze. Es war unser Tod, den unser Ungehorsam verdient, der ewige - darum mußte Sein Gehorsam so gränzenlos, Seine Erniedrigung so unendlich sein. Nun haben wir die Erlösung durch Sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. Und wenn wir sie haben, so sind wir frei, so sind wir Kinder, und Gott sendet den Geist des Sohnes in unsere Herzen, der in uns schreiet: Abba, lieber Vater, der auch uns treibet, daß wir freudig gehorchen und sprechen: nicht wie ich will - ja der in uns wirket das Wollen und Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen. Amen.

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