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Molenaar, Isaak - Pfingstpredigt

Molenaar, Isaak - Pfingstpredigt

Wie lange, seit wie vielen Jahrhunderten, hat nun schon die christliche Kirche dieses Fest gefeiert, wie oft haben auch wir es schon mit gefeiert! Welche Veränderungen, welche Umgestaltungen hat seitdem die Kirche erfahren, und unser eigenes inneres und äußeres Leben, welch einen Wechsel hat es nicht schon erlitten, wie ist so Manches um und in uns anders geworden! Und nun sollen wir es wieder feiern, in einer Zeit, wie wir, wie wohl die ganze Kirche, ja die Menschheit sie nie erlebt hat. Muß es uns nicht wichtiger, bedeutender, größer als je erscheinen? Oder sollte es vielleicht umgekehrt durch Alles, was geschehen ist, an Würde, an Wichtigkeit in unsern Augen verloren haben? Das kann nicht sein, Geliebte, oder wir müßten seine Bedeutung nie erkannt, seine Kraft nie erfahren haben. Ist es denn nicht das Fest des Geistes, des heiligen Geistes, des Geistes des Herrn, der die Kirche gegründet, ja geboren hat, der sie auch erhalten und stets neugebären, sie ihrem hohen Ziel entgegenfuhren muß; des Geistes, der auch jedes einzelne Glied derselben erwecken, gebären und auch seinem Ziel, seiner hohen Bestimmung immer näher bringen muß, des Geistes, der die Kirche zur christlichen, und uns zu Christen macht, der die Glieder mit dem Haupte und miteinander verbindet und in das Bild Gottes verklärt. Bedarf die ganze Kirche, bedürfen wir Alle seiner denn nicht immer bis an's Ende, wie von Anfang, und sollte darum das Fest, das ihn uns verbürgt, nicht so groß und wichtig wie je erscheinen, ja immer heiliger werden? So laßt es uns denn auch heute in diesem Lichte zu feiern suchen, und den Herrn, der der Geist ist, um seinen Segen flehen. - Herr, unser Haupt und König, der Du hinaufgefahren bist weit über alle Himmel und Dich gesetzet hast zur Rechten der ewigen Kraft und Majestät und von dort Deinen heiligen Geist hast ausgegossen auf Erden und Dir Eine Gemeine gesammelt, die Du heiligen und verklären willst, - o sende noch immer Deinen Geist, ohne den wir Nichts vermögen, sende ihn auch in unsere Herzen und laß auch uns Antheil haben an Seinen Segnungen, daß auch wir die Deinen sein und bleiben mögen ewiglich, Herr, segne auch diese Feier und lehre uns dich anbeten im Geist und in der Wahrheit. Amen.

Text: Apostelgesch. 2, 17.
Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Tochter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Aeltesten sollen Träume haben.

Mit diesen Worten ist die große Bedeutung dieses Festes ausgesprochen und darum wollen wir uns an sie hauptsächlich halten. Sie sind an dem ersten Pfingsttage von dem Apostel Petrus gesprochen und machen einen Theil der Rede aus, worin er dem staunenden Volke das, was sie sehen und hören und nicht begreifen, erklärt. Nämlich, „als der Tag der Pfingsten erfüllet war - also heißt es - waren sie Alle einmüthig bei einander, die Apostel und ersten Gläubigen in der Nähe des Tempels. Und es geschah schnell ein Brausen vom Himmel, als eines gewaltigen Windes, und erfüllete das ganze Haus, da sie saßen. Und man sahe an ihnen zertheilete Zungen, als wären sie feurig, und er setzte sich auf einen Jeglichen unter ihnen. Und wurden Alle voll des heiligen Geistes, und fingen an zu predigen mit andern Zungen, nachdem der Geist ihnen gab auszusprechen. Es waren aber Juden zu Jerusalem, die waren gottesfürchtige Männer, aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist - Sie entsetzten sich aber Alle, verwunderten sich und sprachen unter einander: Siehe, sind nicht diese Alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn ein Jeglicher seine Sprache, darinnen wir geboren sind? - Die andern aber hatten es ihren Spott, und sprachen: sie sind voll süßen Weins. Da trat Petrus auf mit den Elfen, hob auf seine Stimme und redete zu ihnen: „Ihr Juden, lieben Männer, und Alle, die ihr zu Jerusalem wohnet, das sei euch kund gethan, und lasset meine Worte zu euren Ohren eingehen. Denn diese sind nicht trunken, wie ihr wähnet, sintemal es ist die dritte Stunde am Tage. Sondern das ist es, das durch den Propheten Joel zuvor gesagt ist. Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, Ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Aeltesten sollen Träume haben. Und auf meine Knechte und auf meine Mägde will Ich in denselbigen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. Und ich will Wunder thun, oben im Himmel und Zeichen unten auf Erden - ehe denn der große und offenbarliche Tag des Herrn kommt - und soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll selig werden.“ -

Diese große Verheißung ist also nun erfüllt, der große, offenbarliche Tag des Herrn, der Tag Seiner Offenbarung ist angebrochen und dauert bis an das Ende der Welt, oder bis zu Seiner Wiederkunft, und von nun an wird der Geist Gottes ausgegossen auf alles Fleisch, auf alle Menschen ohne Unterschied des Alters, des Geschlechtes und des Standes; wer nur immer Seinen Namen anrufen, an Ihn glauben wird, der soll ihn empfangen und dadurch selig werden.

Das also ist der Gegenstand unserer Betrachtung: die stets fortgehende Ausgießung des heiligen Geistes. Wir erwägen folgende drei Stücke:

  1. Alle bedürfen desselben,
  2. er wird allen gegeben,
  3. durch ihn werden Alle selig.

Herr, lehre uns diese Wahrheit, heilige uns in der Wahrheit, Dein Wort ist die Wahrheit. Amen.

I.

Wir alle, meine Zuhörer, alle Menschen ohne Unterschied weß Volkes, Geschlechtes, Alters und Standes sie sein mögen, die ganze Menschheit zu allen Zeiten, in allen Lagen bedarf des heiligen Geistes, eben sowohl wie die Apostel und die ersten Christen. Warum? Sie haben Alle Einen Mangel, Ein Bedürfniß, Eine Noth, der sie nicht abhelfen, Eine Bestimmung, Ein Ziel, das sie nicht erreichen können, als allein durch ihn. Was ist dieß für eine Noth? wie heißt dieses Bedürfniß? Ach, es ist Bielen so unbekannt, es bleibt ihnen so fern und so fremd, daß sie es nicht einmal fühlen, nicht einmal anerkennen und eingestehen wollen, wenn es ihnen auch gesagt und genannt wird. Da ist freilich Noth und Elend genug in der Welt, da sind Klagen aller Art, da ist Jammern ohne Unterlaß, da ist Bedürfniß und Mangel an allen Seiten. Ach, meine Zuhörer, sie sind wohl Keinem ganz unbekannt und verborgen, vornehmlich in dieser Zeit. Aber wenn man so unter den Menschen in einer Gemeine herumgeht, o da hört man es recht. Es ist kein Haus, das nicht seine eigne Noth, keine Familie, die nicht ihren besonderen Druck, kein Herz, das nicht seinen verborgenen Kummer hätte, und sie sind auch gewöhnlich bereit genug, ihn auszuschütten in einen vertrauten und theilnehmenden Busen. Der Eine klagt über ein schweres Leiden, das ihn betroffen, über einen schmerzlichen Verlust, den er erlitten hat; der Andere über schwierige Umstände, in denen er sich befindet, ein Dritter über das Unrecht, das ihm von Andern angethan wird, über die harte, lieblose, ungerechte Behandlung, die ihm wiederfährt; aber von dem Einen, worüber Alle klagen sollten, hört man Nichts. „Warum murren die Leute also im Leben?“ spricht der Prophet; „ein jeglicher murre über seine Sünde.“ Ja, meine Freunde, das ist es, da ist der Punkt, auf den es ankommt.

Die Sünde, die Sünde, die ist der Quell alles Elends, alles Jammers, aller Noth; aber der bleibt ihnen unbekannt und verborgen. Doch nein, auch über Sünde hört man genug und nur zu viel klagen; aber nur immer über die Sünde Anderer, nie über die eigne. Sie selbst haben keine Schuld, sie leiden so unverdient, sie können es nicht begreifen, warum ihnen das widerfährt. „Was habe ich doch gethan?“ fragen sie, „womit habe ich das verdient? bin ich denn schlimmer? Sind Andere, ist der und der besser, denn ich?“ Aber das Eine, worauf es ankommt, seine eigene Sünde, die Sünde in sich selbst zu erkennen, dazu bringt man sie nicht. Und das allein verdient doch den Namen, das allein ist Sündenerkenntniß, das ist Buße, daraus entsteht das Bedürfniß, das Gefühl des Bedürfnisses, das Verlangen nach Hülfe, die Empfänglichkeit für Heil und Gnade, das Bedürfniß des heiligen Geistes. Seht, Geliebte, so ist es mit allen Menschen, so war es zu allen Zeiten, und an dieser Erkenntniß hat es überall und immer gefehlt; nicht nur unter den Völkern, die den Herrn nicht kannten, denen Er sich in Seiner Heiligkeit nicht offenbart hatte, und die darum auch die Sünde nicht in ihrem wahren Wesen und ihren schrecklichen Folgen erkennen und nach Erlösung verlangen konnten, den Heiden; sondern auch unter dem sogenannten Volk Gottes, zu dem es doch hieß: „sei heilig, denn Ich bin heilig,“ ja, was mehr ist, unter denen, die Christen heißen und alle heilig sein sollten - Mag es auch heißen: „Sie sind allzumal Sünder und ermangeln des Ruhms, den sie vor Gott haben sollten.“ Es hilft nicht, ein Jeder sieht die Sünde in allen Andern, und legt dadurch unbewußt und unwillkührlich ein Zeugniß ab für die Wahrheit dieses Gotteswortes, aber nicht da, wo er sie sehen sollte, in sich selbst; und darum erkennt er sie nicht, und bleibt also unselig, denn er kann die Gnade Gottes nicht empfangen, er widersteht dem heiligen Geist.

II.

So hat die ganze Menschheit Ein großes Bedürfniß, und sie kennt es nicht, und darum kann demselben auch nicht abgeholfen werden. Wie kommt sie zu dieser Erkenntniß, und wodurch kann ihr geholfen werden? Nur durch den heiligen Geist. Und eben das ist das große, unaussprechlich wichtige Fest, das wir heute feiern, meine Geliebte, daß dieser heiligen Geist gegeben ist und Allen gegeben wird, die ihn begehren und darum bitten.

Aber woher kommt es denn, daß so Wenige ihn empfangen, daß dieses Heil, das doch allgemein sein soll, nur Einzelnen zu Theil wird, als wäre es eine Ausnahme, und nur für Einzelne bestimmt? Ist denn Jesus Christus nicht für Alle gekommen? hat Er nicht Alle versöhnt? nicht der ganzen Welt Sünde getragen? Und heißt es nicht: „Ich will ausgießen von meinem Geist über alles Fleisch?“ Gewiß, meine Freunde, aber das ist es eben, wag wir meinen, dieses Allgemeine muß erst als das Besondere erkannt werden, denn dann kann es Eingang finden und die Wunder wirken, die Gaben mittheilen, die da kommen müssen, wenn das Ziel erreicht werden, wenn ein Mensch selig werden soll. Für Alle ist er ausgegossen, aber jeder Einzelne muß ihn aufnehmen; Allen wird sie angeboten diese unaussprechliche Gabe, aber Jeder muß ihr sein Herz öffnen und entgegen bringen. Das ist die Thüre, die erst aufgemacht werden muß. „Siehe - spricht der Herr - Ich stehe vor der Thür und klopfe an, so Jemand meine Stimme hören wird und die Thür aufthun, zu dem werde ich eingehen.“ Er klopfet überall an, zu jeder Zeit, an allen Herzen - auch jetzt, meine Theuren, auch heute wieder bei uns, durch dieses Fest. - Sein Wort ergeht an Euch, an mich, an uns Alle. Können wir sagen: es war je eine Zeit in unserem Leben, wo es uns vorenthalten, ja nicht laut verkündigt und wie aufgedrungen und genöthigt worden ist? Aber eben daran können wir sehen, woran es fehlt. Wir wollen nicht aufthun, wir widersetzen uns, wir widerstehen, so lange wir können. Wir sind keine Sünder in unsern eignen Augen - das wollen wir nicht sein, das uns von keinem Menschen aufdringen lassen. So kann der heilige Geist nicht in unser Herz kommen und Sein Geschäft verrichten, keine Buße und also auch keinen Frieden in unsre Seele bringen. Daß der Sohn Gottes in die Welt gekommen, für unsere Sünden gestorben und auferstanden und gen Himmel gefahren ist und sitzet zur Rechten Gottes, das mag wahr sein, wir läugnen es nicht, bekennen es sogar, lassen uns darauf taufen, aber was hilft es uns, es kommt kein Friede in unser Herz, unser Herz bleibt das alte.

III.

Aber wer sein Herz ihm öffnet, wer ihn empfängt, den heiligen Geist, der wird selig. Ja, Geliebte, das ist das Wort, das ist die Verheißung Gottes, die uns auch heute wiederholt wird. O versucht es einmal, Geliebte, wagt es einmal, den heiligen Geist bei seinem Wort zu fassen und ihr werdet es erfahren - mit Schrecken der Wonne, wie treu und wahrhaftig Er ist. Seht, Geliebte, laßt das einmal eure Pfingstfeier sein, dem heiligen Geiste nicht mehr zu widerstehen, ihn nicht mehr zu betrüben und von euch zu weisen. Heute, heute macht eurem Vater die Freude, zu Ihm zu kommen, mit dem verlorenen Sohn - und wieder Seine Kinder zu werden, euch mit Ihm aussöhnen, mit Ihm vereinigen zu lassen, euch eure Sünde vergeben zu lassen. O wie würde Er sich freuen! Ja, nicht nur auf Erden, auch im Himmel würde heute ein Fest gefeiert werden. Und ihr, Geliebte, ihr selbst würdet es erfahren, was es heißt: selig sein, schon hienieden, trotz aller Süßem Noth und manches innern Kummers - Frieden Gottes im Herzen, einen Heiland zu haben, den ihr so lang verkanntet, einen Vater, einen gnädigen, barmherzigen, versöhnten Gott und Vater im Himmel, Seinen Geist, Seme Gnade, Seine Liebe in eurem Herzen zu tragen, zu wissen, daß du ein Kind, ein begnadigtes, sündiges, aber entsündigtes Kind Gottes bist, dem Sein Himmel, wie sein Herz ewig offen steht, Seiner Kraft inne zu werden in Seinem Licht, die Sünde immer klarer zu erkennen, immer mächtiger zu überwinden, und einst nicht mehr sündigen, nicht mehr fallen zu können und das Zeugniß deiner Gotteskindschaft zu empfangen. - O Geliebte, ist das nicht genug? Seht, das ist die unaussprechliche Gabe, die uns Allen, allen Menschen heute angeboten wird. O daß Alle sie empfangen, Alle darum bitten und flehen wollten! Welch ein Fest würden wir, würden Alle feiern. Amen.

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