Molenaar, Isaak - Predigt über Hebr. 12,1.2.

Molenaar, Isaak - Predigt über Hebr. 12,1.2.

(Gehalten nach Trinitatis.)

Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns Allen. Amen.

Mit diesem dreifachen Segen gesegnet, treten wir denn hinein in das Leben, in die Laufbahn, in den Kampf, die unser warten, mit der Gnade unseres Herrn Jesu Christi, der Liebe Gottes und der Gemeinschaft des heiligen Geistes. Und o, wie haben wir dessen so nöthig! Eine unendliche Aufgabe liegt vor uns; müßten wir nicht verzweifeln, wenn wir, nicht eines allmächtigen Beistandes gewiß wären? Nach einem Ziel sollen wir gehen, das unerreichbar scheint, einen Feind sollen wir, überwinden, der stärker ist, als wir, ein Kleinod sollen wir erringen, das uns gleichsam immer zu entfliehen scheint, und ohne das wir doch nicht in das Leben eingehen können.

Aber wohl uns, Geliebte, wir haben diesen allmächtigen Beistand: Er Selbst, der sich für uns gegeben hat, der unsre Gerechtigkeit ist, will auch unsre Stärke sein. Was Er für uns ist, will Er auch in uns sein, und so haben wir das Ziel erreicht, indem wir darnach jagen; den Feind besiegt, indem wir kämpfen; das Kleinod schon ergriffen, indem wir die Hand darnach ausstrecken.

Gerade das Fest, welches wir nun gefeiert haben, versichert uns davon. Es gibt uns den heiligen Geist, und macht uns so der Gnade unsers Herrn theilhaftig und gießt die Liebe Gottes aus in unsere Herzen. „Alles ist Euer,“ sagt der Apostel, „Ihr aber seid Christi, Christus aber ist Gottes. Das Pfingstfest soll das Fest unserer vollendeten Gemeinschaft mit Christo sein. Darum ist es das letzte und das höchste; aber zugleich der Anfang unseres christlichen Lebens. Denn derselbe heilige Geist, der die Kirche gründete, muß auch uns zu Christen machen, und unser Leben heiligen. Davon, von diesem Einfluß des Glaubens auf das Leben möchte ich heute ein Wort zu Euch reden, Geliebte. Bittet mit mir um den Segen des Herrn.

Zu dir, dem Vater unseres Herrn Jesu Christi, flehen wir in Seinem Namen um den Segen, dessen wir Alle immer und zu Allem bedürfen; am allermeisten aber zu dem Werke, das wir hier thun sollen. O Herr laß wohl gelingen, erleuchte und stärke du den, der da reden soll, erweiche und eröffne die Herzen der Hörer, und laß uns Alle einen Segen empfangen; in der Wahrheit erbaut und gegründet werden. Wir sprechen mit den Worten deines lieben Sohnes: Unser Vater rc. Amen.

Text: Hebr. 12,1.2.
Darum auch wir, dieweil wir solchen Haufen Zeugen um uns haben, lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebet und träge machet, und lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist, und aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher, da er wohl hatte mögen Freude haben, erduldete er das Kreuz, und achtete der Schande nicht, und ist gesessen zur Rechten auf dem Stuhl Gottes.

In diesen beiden Versen nennt uns der Apostel sowohl die große und schwere Aufgabe die uns gegeben ist, als die allgenugsame Hülfe, deren wir uns getrösten können. Laßt uns beide erwägen.

I.

Erstens die Aufgabe. Sie wird uns im ersten Verse vorgehalten. Darum auch wir, dieweil wir einen solchen Haufen Zeugen um uns haben, lasset uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebet und träge macht, und lasset uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist.

Die Sünde ablegen und geduldig laufen in dem verordneten Kampfe, das ist also die doppelte Aufgabe, die uns obliegt, und zu deren muthiger Vollbringung wir ermuntert und aufgefordert werden durch die Zeugen, die wir um uns haben. Der Apostel deutet nämlich auf die alten Gläubigen, von welchen er in dem vorigen Kapitel gesprochen, und die von Gott das Zeugniß ihres Wohlverhaltens in dem Kampf des Glaubens, den sie zu kämpfen hatten, überkommen: Abel, Enoch, Noah, Abraham, Isaak, Jacob, Joseph, Moses, Josua, Samuel, David und alle die Frommen des Alten Bundes. Diese, will er sagen, stehen gleichsam um uns her, und fordern uns auf, ihrem Beispiel zu folgen, in ihre Fußstapfen zu treten und wie sie, zu kämpfen, damit wir auch wie sie, siegen, und dasselbe Zeugniß erhalten, und an ihrem Siegeslohn Theil haben mögen. Ja, sie warten gleichsam auf uns, oder vielmehr der Herr wartet, bis auch wir ausgekämpft haben, daß sie nicht ohne uns vollendet würden, und daß wir Alle gemeinschaftlich die verheißene Siegeskrone empfangen.“

Und zu diesen Zeugen des Alten können wir die des Neuen Bundes hinzufügen, die Apostel und Märtyrer, und alle frommen, treuen Glaubenskämpfer aller Zeiten, die schon Vollendeten, die wir gekannt haben, die uns vorangegangen sind, und uns gleichsam von oben ermunternd zuwinken. Ja nicht nur diese, sondern Alles was uns umgibt, Himmel und Erde sind Zeugen unseres Kampfes, wie ein frommer Dichter singt: Gott, Engel, Teufel, Welt und Alles sieht auf dich, drum leb' in heil'ger Furcht und halt dich inniglich. Und sagt nicht der Herr Selbst: „Es ist Freude im Himmel vor den Engeln Gottes über Einen Sünder der sich bekehret.

Und wahrlich, es ist keine leichte Aufgabe, die wir haben, und von deren glücklicher Lösung eine ganze Ewigkeit abhängt. Der Apostel nennt sie, und gewiß mit allem Recht, einen Kampf, der uns verordnet ist. Und wer, dem es mit seiner Seligkeit ein Ernst ist, ja der nur einen Fuß gesetzt hat auf die christliche Laufbahn, wüßte dieses nicht aus Erfahrung? O, Geliebte, wenn Ihr dieses noch nicht erfahren habt, glaubet nicht, daß Ihr wisset, was es heißt, ein Christ zu sein. Freilich wenn es damit genug wäre, was die Meisten dafür halten, zu sagen ich glaube; die Sakramente zu empfangen, an den kirchlichen Hebungen Theil zu nehmen, und vor der Welt einen ehrbaren Wandel zu führen, den Beifall der Menschen zu erwerben, oder auch erhabene Gefühle, schöne Rührungen zu haben, den sanften Trieben des Herzens zu folgen, einige Werke der Menschenliebe zu verrichten, sein inneres und äußeres Leben in eine schöne Harmonie, einen gewissen Einklang zu bringen, und ein gewisses Bild der Menschheit darzustellen, das wir uns nach eignen Gedanken entwerfen, oder irgend einem menschlichen Vorbilde nachzustreben, und wenn wir es auch ein Urbild und Ideal hätten - freilich, wenn dieses schon hieße; ein Christ sein, dann wäre es so schwer nicht, dann erforderte es keinen Kampf, wenigstens keinen Kampf mit dem eignen Herzen, keinen beständigen, immer fortgesetzten, stets sich erneuernden Kampf, und wir bedürften dazu auch keiner allmächtigen Hülfe, keiner höheren Kraft, als der eignen, natürlichen. Eine solche Aufgabe des Lebens erkannten auch die Heiden, die ja auch Menschen waren wie wir, aber weder die Heiligkeit Gottes, noch die Sündhaftigkeit ihres eignen Herzens kannten, und darum auch weder das Bedürfniß eines Erlösers, noch des Beistandes des heiligen Geistes fühlten. Wo aber diese Erkenntniß fehlt, da fehlt auch noch die christliche Gesinnung, und darum können wir die, welche jetzt die herrschende ist, und immer mehr werden will, nicht anders, als eine heidnische nennen. Welch eine ganz andere, unendlich höhere, aber unendlich schwerere Aufgabe ist dagegen dem Christen gegeben! Sie heißt Heiligkeit, sie heißt Vollkommenheit, Gottähnlichkeit, Nachfolge Christi, herzliche Demuth und Sanftmuth, Selbstverläugnung und Aufopferung seines eignen Willens, beständiger Wandel in der Liebe.

Und wer diese Aufgabe erkannt hat, wem sie der Geist des Herrn ins Herz gerufen, ins Herz geschrieben hat, wen Er mit Seiner unwiderstehlichen Macht treibet, sie zu erfüllen, wer beständig in seinem Innern die Gottesstimme hört: „sei heilig, denn Ich bin heilig“ - o, Geliebte, der weiß es auch, daß er damit zu einem beständigen Kampfe aufgefordert und wie auf ein Schlachtfeld gerufen wird. Er muß immer gerüstet, immer wachend, immer betend, ja immer streitend und kämpfend dastehen; denn die Feinde ruhen nimmer, und umgeben ihn. hon allen Seiten. Da ist sein eignes Fleisch, die Sünde in ihm, da ist die Welt, oder die Sünde außer ihm; und endlich der Teufel, der Vater der Sünde, der große Versucher und Verführer, der Urfeind und Widersacher des Herrn und Seines Reiches. Diese dreifach verbündete Macht ist wahrlich stark und furchtbar genug, um einen immer in Athem zu halten, nie zur trügen Ruhe kommen zu lassen, ja, sie wäre hinreichend, uns ganz den Muth zu benehmen, wenn wir nicht eine noch stärkere Hülfe hätten. Der Apostel sagt/ daß die Sünde uns immerdar anklebet und träge macht und in der That, Geliebte, so ist es. Diese giftige Schlange umringt uns, hält uns umwunden, ja sitzt in unserm eigenen Busen versteckt, und macht uns träge und feig, lähmt unsern Muth und hemmt unsere Kraft, denn sie sucht uns, wie von Anfang, zu überreden, die Sünde fei keine Sünde, sondern nur ein natürlicher Trieb nach Freiheit und Genuß, ja nach Selbstständigkeit und Gottähnlichkeit, es sei thöricht und unvernünftig, sich selbst zu quälen durch beständige Entsagung und Verläugnung, einem fremden Willen zu folgen, und nicht sein eigner Herr und Meister, Gesetzgeber und Belohner zu sein. Und das trotzige und verzagte Herz glaubt nur gar zu gerne dieser satanischen Eingebung und will alle Bande der Zucht von sich werfen, oder in Muthlosigkeit versinken. Es kann dir doch nicht helfen, raunt sie ihm zu, die Aufgabe ist zu groß, der Kampf zu schwer, der Sieg unmöglich, und auch unnöthig, denn es gibt ja Tausende, die nichts davon wissen, heiter und ruhig leben, von keinem Kampfe wissen, und doch auch gute Menschen sind, ja vielleicht besser als jene Finstern und Traurigen, die immer mit sich selbst und der Welt im Streite leben. Seht, so will die Sünde uns träge und feige machen; aber das ist nicht die Stimme Gottes, Geliebte, nicht die Sprache des heiligen Geistes. Nein der fordert zum ernsten Kampfe auf gegen die Sünde, in und um uns; und weiß von keiner andern Ruhe, als in Gott, von keinem andern Frieden, als den der Herr gibt. „Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert, spricht der Herr. Das sehen wir auch an den Aposteln, so bald sie den heiligen Geist empfangen haben, treten sie in den Kampf mit der Welt, mit dem allgemeinen Unglauben, und dieser Kampf wird immer allgemeiner und heftiger, und so ist es auch noch und wird es bleiben, bis alle Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt sind.

II.

Aber was soll uns in diesem Kampfe aufrecht erhalten, und starken? Wie können wir diese große und schwere Aufgabe des neuen Lebens vollbringen? Der Apostel sagt es uns im zweiten Verse: Derselbe, der sie uns aufgibt, will uns auch Kraft geben, der uns in den Kampf ruft, verleiht uns auch den Sieg.

Lasset uns aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens. Ja, Geliebte, wie Er selbst den Lauf vollbracht, den Kampf begonnen, aber auch geendet, und den Sieg errungen hat, so will und wird Er auch in uns das gute Werk, das Er in uns angefangen hat, ausführen. Er ist nicht nur unser Vorgänger und unser Vorbild, das könnte uns eher abschrecken, als ermuthigen, denn in Ihm war keine Sünde wie in uns, Er hatte mit keinem innern, sondern nur mit dem äußern Feinde zu kämpfen; aber dafür versammelte dieser auch seine ganze Macht und List gegen Ihn, und Er mußte unser aller Sünde auf sich nehmen, für uns, als unser Haupt und Bürge, siegen und der alten Schlange den Kopf zertreten, und sich scheinbar von ihr überwinden und tödten lassen. Aber was uns allmächtig trösten, erheben und starken kann, ist, daß Er nicht für Sich sondern für uns als unser Stellvertreter gekämpft und überwunden hat, daß Sein Sieg unser Sieg ist, und wir, so gewiß wir in Ihm sind und bleiben, auch Theil an Seiner Kraft und Seinem Siege haben. Er unsere Gerechtigkeit ist auch unsere Stärke. Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

Aus diesem Gesichtspunkt betrachtet, wird Sein Vorgang und Vorbild uns zugleich ein Unterpfand, ja eine Verheißung des Sieges, eine allmächtige Kraft und Hülfe; denn Er selbst kämpft und siegt in uns. So nennt der Apostel Ihn den Anfänger und Vollender unseres Glaubens und will, daß wir so auf Ihn sehen sollen, welcher, da Er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete Er das Kreuz und achtete der Schande nicht, ja verachtete sie, und ist gesessen zur Rechten auf dem Stuhl Gottes. - Kein härterer, heißerer, schwererer Kampf ist je auf Erden und im Himmel gekämpft, aber auch kein größerer, vollständigerer, entscheidenderer Sieg errungen; für alle Welt, für alle Zeiten. Und darum soll alle Welt, und jede Zeit, und jeder Kampfer auf Ihn sehen, weil Er für Alle gesiegt hat, und in Allem siegen wird.

Ja siegen wird. So gewiß du kämpfest, mein Bruder, so gewiß wirst du siegen, denn du bist es ja nicht, der da kämpfet, sondern Er der Anfänger und Vollender in dir. Du kämpfest ja nicht mit eigner, sondern mit Seiner Kraft, darum mußt du siegen. Sieh, Er, der das Kreuz erduldet, sitzet nun zur Rechten Gottes, und ist mit Seinem heiligen Geiste, d. h. mit Seiner ganzen Allmacht in dir. Seine Kraft ist deine Kraft, denn Er vertritt dich und wohnet in dir. Dein Kampf ist ein Glaubenskampf. Durch den Glauben wohnet Er in dir, und du wächsest in Ihm empor, an Ihn hinan, und ziehst immer mehr von Seiner Kraft in dich hinein, bis du mit dem Apostel sagen kannst: „ich lebe doch nun nicht mehr ich, sondern Christus lebet in mir. Amen.“

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