Molenaar, Isaak - Predigt über Apostelg. 4,32

Molenaar, Isaak - Predigt über Apostelg. 4,32

(Gehalten nach Trinitatis.)

Es ist in keinem andern Heil, und ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin wir sollen selig werden. In Jesu Christo, dem Sohne Gottes und des Menschen, dem menschgewordenen Gottessohne, und in Ihm allein ist die Seligkeit für uns, für einen jeden Einzelnen, und für alle Menschen. Diese beiden Wahrheiten sind unzertrennlich. Wer die Eine erkennt, der glaubt auch die Andere: Wer in Christo seinen Heiland, den Versöhner seiner Sünden gefunden hat, der weiß, daß Niemand einen andern finden kann, und Alle Seiner bedürfen. Er kennt das Elend der Sünde aus eigner Erfahrung, darum jammert es ihn aller seiner Mit-Sünder, die noch keinen Heiland, und darum keinen Frieden mit Gott, keinen Trost im Leben und im Sterben haben. Aber darum kennt sein Herz, außer der Sorge für sein eignes Heil, keinen sehnlichern Wunsch, kein heißeres Gebet, als daß auch sie, ja daß alle Menschen zur Erkenntniß des Sohnes Gottes kommen mögen. Dazu dringt ihn die Liebe, die in sein Herz ausgegossen ist durch den heiligen Geist.

Es ist dieselbe Liebe, die von Ewigkeit in dem Herzen Gottes wohnte, und Sein Herz brach, daß Er sich der verlornen, abtrünnigen Kinder erbarmen, und sie mit sich selbst versöhnen mußte; die in der Fülle der Zeit den Himmel zerriß, und sich selbst für die dahingab, die ihre Feinde geworden waren.

Diese Liebe, die aus Sündern und Feinden Gottesfreunde und Kinder macht, und das ganze Herz umwandelt und neu gebierst aus Gott, ist voll Barmherzigkeit und guter Früchte, sanftmüthig, und von Herzen demüthig, und doch unpartheiisch und ohne Heuchelei, aufrichtig und thätig, und dabei friedsam und gelinde; sie betet mehr, als sie eifert, und lässet ihr Licht leuchten vor den Leuten, daß sie ihre guten Werke sehen, und den Vater im Himmel preisen.

So offenbarte sich diese Liebe, als das neue Leben aus Gott, in der ersten Gemeine der Christen, und hat dadurch wohl nicht weniger beigetragen zu der Ausbreitung des Evangeliums, als das mündliche Zeugniß und die kräftige Predigt der Apostel. Das ist und bleibt ihr stilles, göttliches Amt durch alle Zeiten, und darauf wollen wir heute mit des Herrn Hülfe, andächtig merken. Laßt uns beten:

Gott, du bist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in dir und du in ihm. O, daß diese Liebe in uns wäre; so wären auch wir in dir, und du in uns. Wie freudig und selig würden wir dann in deinem Lichte wandeln, und wie hell und selig würde es um uns werden. Ach überwinde und tilge die Finsterniß, die noch in Uns, und in der Welt um uns ist. Gieße immer mehr von deiner Liebe aus in unsre Herzen durch deinen heiligen Geist, und lehre uns beten. Unser Vater rc. Amen.

Text: Apostelg. 4,32.
Die Menge aber der Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele; auch keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemein.

„Siehe, wie sein und lieblich ist es, daß Brüder einträchtig bei einander wohnen; denn daselbst verheißt der Herr Segen und Leben, immer und ewiglich.“

So besingt schon der Psalmist weissagend die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit, das Menschen, sterbliche, ja sündige Menschen auf göttliche Weise verbindet; aber nie war dieses Bild eine Wahrheit gewesen; nur als Verheißung lag sie in dem Alten Bunde. Dem Neuen war es vorbehalten, sie zu erfüllen. Nicht das Gesetz kann sie gebietend aus dem Herzen hervor treiben, in dem sie nicht wohnt; sondern als ein neues Leben muß sie aus dem wiedergeborenen Herzen hervorquillen, denn sie ist eine Frucht des Geistes. Erst mit der Entstehung der christlichen Gemeine sah die Welt diese neue, wahrhaft göttliche Erscheinung auf Erden. So ging das letzte höchste Gebet des Erlösers in Erfüllung:'

„Ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, daß sie Eins seien, gleichwie wir Eins sind - auf daß die Liebe, damit du mich liebest, sei in ihnen, und Ich in ihnen.“

Aber auch wir selbst beten im Grunde dasselbe in dem Gebete, daß Er uns gelehret hat: „Dein Name werde geheiliget, dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel“; denn das Alles geht in Erfüllung nur durch die Liebe. Wir wollen also mit einander betrachten: die wahre Einheit der Gläubigen: erstlich, worin sie besteht, zweitens, wie sich äußert, und drittens, wie wir zu derselben gelangen. Das wollte der Herr.

I.

Worin die wahre Einheit oder Einigkeit der Gläubigen bestehe, das kann, wie mich dünkt, nicht besser und deutlicher ausgedrückt werden, als es eben in den Worten unseres Textes geschieht: „Alle sind Ein Herz und Eine Seele.“

Es ist also eine Einheit der Herzen, oder der Gesinnungen, eine vollkommene Eintracht und Einigkeit der Gemüther, eine Zuneigung und Verbindung der Seele, wodurch es ihnen innerlich gewiß und fühlbar ist, daß sie zusammengehören; daß sie ein Ganzes, Einen Leib, Eine Gemeinschaft ausmachen; daß sie durch Etwas, und zwar etwas Lebendiges und Wesentliches, mit einander verbunden sind: so wie die Glieder des Leibes, durch welche dasselbe Blut aus Einem und demselben Herzen strömt, ein Gefühl ihrer Verbindung haben. Können wir das, was viele Menschen also zusammenfügt und bindet, so gleichsam zu Einem Menschen macht, können wir es wohl anders, als Liebe nennen; und ist umgekehrt wahre Liebe, also nicht eine innere Vereinigung, ein vollkommenes Band, oder ein Band der Vollkommenheit? Wir sehen also, es ist noch etwas Anderes, als bloße Uebereinstimmung der Ansichten und Meinungen oder Ueberzeugungen; obgleich auch diese nicht fehlt, vielmehr nothwendig vorausgesetzt werden muß, oder auch eine nothwendige und natürliche Folge der innern Herzens - Einheit oder der Liebe ist. Denn, meine Zuhörer, wahre, lebendige Ueberzeugungen gehen aus dem Herzen, oder aus dem Glauben hervor. Gewöhnlich betrachtet man es anders in der Welt: man sieht, daß gläubige Christen einander lieben, oder doch mit einander einig sind und immer zusammenhalten, und erklärt sich dieses daher, daß sie gewisse Ansichten oder Meinungen, die sie sich so gebildet haben, wie die Menschen thun, mit einander gemein haben. Aber das wäre ja doch nur Eigenliebe, nur eine gewisse, selbstsüchtige Klugheit, und von wahrer, herzlicher Liebe könnte da gar nicht die Rede sein. Denn die Liebe ist ja nichts Berechnetes, nichts Willkührliches und Selbstgemachtes, hat auch keinen äußeren Zweck oder Absicht; sondern sie ist ein inneres Licht und Leben, eine zusammenhaltende Kraft, eine Flamme des Herrn, wie die Schrift sagt. Es ist vielmehr umgekehrt, die Gläubigen lieben einander, ohne es zu wollen, ohne sich zu kennen, und erst nachher finden sie, wie sie in Allem so wunderbar übereinstimmen. Ihre Liebe ist folglich eine Frucht ihres Glaubens, und ihr Glaube selbst ist nichts anders, als eben diese in ihrem Herzen wohnende Liebe. Aber welch eine Liebe, und woher kommt sie in ihr Herz? Sie ist nicht ihr Werk sondern ein Werk, eine Gabe des Herrn, eine Frucht des Geistes; also nicht menschlicher, sondern göttlicher Natur. Es ist die Liebe Gottes, es ist Jesus Christus selbst, der in ihren Herzen wohnt durch den Glauben, den sie als ein neues Herz aufgenommen haben. Sie leben nicht mehr, sondern Christus lebt in ihnen, in ihnen Allen, und so gewiß Er Eins ist mit sich selbst, und sie mit Ihm, sind sie es auch mit einander. Warum waren es bloß diese Gläubigen, deren ganze Menge Ein Herz und Eine Seele war? Weil derselbe Christus, den die Welt verwarf und gekreuzigt hatte, und noch immer kreuzigte, in ihnen war. Sie hatten Ihn im Glauben an und aufgenommen, als ihren Herrn und Heiland, als ihr geheiligtes Haupt, und diese Vereinigung mit Ihm, vereinigte sie auch mit einander. Sie liebten Ihn in den Gliedern.

II.

Und wie äußert, und bewies sich diese innere Einheit? Auch das sagt unser Text auf die klarste und bündigste Weise: „Keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären; sondern es war ihnen Alles gemein.“ Was ein Jeder besaß, das sah er an, als gehörte es Allen; Keiner wollte etwas für sich haben. Warum? Keiner wollte etwas für sich sein.

Es bestand unter ihnen das, was in dem apostolischen Glaubensbekenntnisse die Gemeinschaft der Heiligen genannt wird; und daher auch die Gemeinschaft der Güter. Aus der innern floß die äußere; und so allein ist es gut, und so allein auch möglich. Denn eine äußere Gemeinschaft ohne innere, Gemeinschaft der Güter ohne Gemeinschaft der Herzen, wozu soll du dienen und führen, wenn sie auch möglich wäre?

Man hat oft gefragt, ob man denn diese Gütergemeinschaft wieder einführen sollte? Wir antworten: Gewiß, aber dann muß man vorher diese Liebe wieder einführen, denn sonst ist es unmöglich. Kannst du das? o so thue es, und die Gütergemeinschaft wird von selbst folgen, aber nicht umgekehrt; auch nicht als ein Gesetz oder ein Zwang. So war es auch hier nicht, wie wir deutlich sehen aus dem Beispiel des Ananias und der Sapphira; denn Petrus sagt zu ihm: „du hättest ja deinen Acker können behalten, und da er verkauft war, stand es auch in deiner Gewalt,“ nämlich so viel oder wenig davon in die Kasse der Gemeine zu geben, als dir beliebte. Seht, Geliebte, darauf kommt es nur allein an, ob die rechte Liebe in den Herzen ist, nämlich die Liebe Jesu. O wäre die nur einmal in der Welt, wie bald' würde auch die äußere Vereinigung, die völlige, herzliche Gemeinschaft der Gläubigen, die Theilnahme, die Sorge für einander, das Sich-Freuen und Weinen mit einander, das Helfen, Tragen, Dienen, Opfern, das Stiften und Befördern aller nützlichen Anstalten und Einrichtungen der Liebe, das Verpflegen der Kranken, das Speisen und Tränken der Armen, das Lehren der Unwissenden, das Ausbreiten des Evangeliums folgen. Wie bald würde es anders, würde es besser, ja so herrlich und vollkommen werden, als es hienieden sein kann; und so, wohl nicht der Himmel selbst, doch ein Bild des Himmels auf Erden sein.

III.

Viel könnte hiervon noch gesagt werden, auch in Hinsicht auf unsere Zeiten, wo der Herr so sichtbar darauf hinfährt, daß die Menschen es recht inne werden sollen, woran es noch fehlt, und was die Quelle so vielen, mannichfachen Elendes ist: nämlich der Menge an herzlicher Einheit und Liebe, die noch ganz etwas Anderes ist, als was man in der Welt Gemeingeist nennt; der gewöhnlich nur eine Wirkung der verborgenen Selbstsucht und Stolzes ist, höchstens ein kaltes Bild der wärmern, lebendigen, christlichen Liebe. Aber wir haben noch die eine Hauptfrage zu beantworten: wie gelangen wir zu dieser lebendigen Liebe, zu dieser Einheit der Herzen und Seelen?

Doch, Geliebte, die Antwort ist so klar, liegt so nahe, daß sie sich ein Jeder selbst geben kann, wenn er nur will; durch lebendigen Glauben. Aber, eben darauf kommt es an. Wie den erwecken? Kannst du es, mein Bruder - in andern, in deinen Nächsten, deinen Kindern, in dir selbst? Nein, das weißt du wohl, wenn du weißt, was Glauben ist - nur Gott kann. es.

Das Werk kann und soll der Mensch verkündigen, das Evangelium predigen, das thaten auch die Apostel; aber der Herr gibt den Geist und das Leben. Und wodurch? Durch Seinen heiligen Geist. Aber Er wirkt auch mit, wie damals; wenn nicht durch Zeichen und Wunder, doch durch Seine Vorsehung, z. B. durch Verfolgungen, die Er zuließ, durch Alles was den Menschen zum Gefühl seiner Sünde, zur Buße, zum Verlangen nach Erlösung, nach Heil und Gnade bringt. Daran läßt Er es euch jetzt nicht fehlen. Was haben wir schon erfahren, was kann noch über uns kommen? Doch wenn es uns nur demüthigt, so ist es Alles zu unserm Heil. Amen.

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