Melanchthon, Philipp - Von der freien Gnade

Melanchthon, Philipp - Von der freien Gnade

Es sind im Willen und Herzen alle gute Tugenden gegen Gott verloschen, nämlich, Gottes Liebe, Vertrauen auf Gott, rechte ernstliche Furcht Gottes. Denn Gott wird nicht angenommen, wo nicht der heilige Geist Verstand, Willen und Herzen erleuchtet und anzündet; und können die Menschen aus eigenen Kräften diese Tugenden und Werke ohne den heiligen Geist nicht wirken, nämlich: rechten Glauben, Gottes Liebe, Vertrauen auf Gott und rechte Gottesfurcht. Und stehet also das elende menschliche Herz gleichwie ein ödes, wüstes, altes und zerfallenes Häuslein, da Gott nicht mehr inne wohnet, gehen die Winde an allen Orten durch, d.i. allerlei unordentliche Neigungen und Flammen treiben das Herz zu mancherlei Sünden, zu unordentlicher Liebe, Haß, Neid und Stolz u.s.w. Und blasen die Teufel ihre Gifte auch darein.


Dieses ist ganz öffentlich, daß kein Mensch aus natürlichen Kräften den Tod und die angeborne böse Neigung von dieser Natur wegnehmen kann, sondern dieses wirket allein der Sohn Gottes, der spricht: „O Tod, ich will dein Tod sein“, und ist hierin keine Wirkung unserer Kräfte. Weiter ist auch gewißlich wahr, daß kein Mensch Vergebung der Sünden verdienen kann, wie klar geschrieben stehet Tit. 5.: “Nicht aus den Werken der Gerechtigkeit, die wir gethan haben, sondern aus seiner Barmherzigkeit hat Er uns selig gemacht.“


Stelle dir vor Augen Adam und Eva nach dem Falle, da sie Gott vor Gericht stellt, und sie beide in großes Schrecken und Zagen fallen; da sehen sie selbst, daß keine Hülfe noch Rath da war von allen Kreaturen. Sie hatten Gottes Zorn und den ewigen Tod verdienet, und wären also versunken in den ewigen Tod, wo Gott nicht aus großer Barmherzigkeit die Verheißung vom Samen, der der Schlange den Kopf zertreten würde, eröffnet und der Sohn Gottes in ihnen Trost und Leben gewirket hätte.


Da haben Adam und Eva selbst befunden, daß sie nicht durch ihre eigenen Kräfte und freien Willen von Sünde und Tod errettet sind. Aus diesem Exempel lernen wir, wie solche Errettung auch in uns geschieht.


Weiter ist auch dieses wahr, daß wir Gottes Gesetz nicht können noch vermögen genug thun; auch können wir den innerlichen Gehorsam im Herzen nicht ohne göttliche Wirkung, und ohne den heiligen Geist anfangen. Wir können auch den selbigen Gehorsam hernach nicht wirken ohne den heiligen Geist, als nämlich: festen Glauben zu Gott, wahrhaftige, brennende Liebe zu Gott, Vertrauen auf Gott, Geduld in Leiden und Freude an Gott, und andere mehr Tugenden zu Gott im Herzen, können wir nicht von uns selbst anzünden, sondern Gott wird nicht erkannt noch geliebt, wo nicht der Sohn Gottes durch den heiligen Geist unsere Seele und Herz erleuchtet, und dieses Licht, Trost und Feuer zuvor anzündet. Dieses beweisen die nachfolgenden Sprüche:

Röm. 8.: “Es ist unmöglich, daß uns das Gesetz könne gerecht machen.“

1 Kor. 2.: “Der natürliche Mensch begreift nicht den Geist Gottes,“ d.i., alle natürliche Kräfte in uns, Seele und Herz, so sie ohne Gott sind, sind sie voll Zweifels, und ist nicht fester Glaube in ihnen zu Gott; sie achten nicht Gottes Zorn, sind sicher und hart, und so sie gleich die Strafe fühlen, wenn sie nicht durch das Evangelium und heiligen Geist getröstet werden; und ist allein natürlicher Kräfte Wirkung in ihnen, so ists eitel Verzweifelung und ewiger Tod, wie in Saul, Ahitophel, Juda, und sind oft schreckliche dergleichen Exempel zu sehen.


Also wirket der Sohn Gottes für und für durch sein Evangelium und heiligen Geist in seinen Heiligen in seiner Kirche, und will bei ihnen und in ihnen wohnen.. Diese gnädige Gegenwärtigkeit Gottes in uns sollen wir erkennen, und Gott herzlich danken, daß er diese elende schwache Natur so gnädiglich um des Mittlers willen annimmt, und also in uns wohnet, Glauben, Licht und rechten Gehorsam in unserer Seele und Herzen anzündet, unsere Schwachheit heilet, Sünde und Tod wegnimmt, und wirket ewiges Leben und bewahret uns, daß die Teufel uns nicht stürzen und ermorden.


Und sind solche gleichlautende Zeugnisse sehr viel. Denn Gott will, daß wir wissen sollen, daß der Sohn Gottes in seinen Heiligen in seiner Kirche wohnet, und durch den Heiligen Geist in ihnen wirket, und daß solcher Unterschied sei zwischen den Heiligen und allen Gottlosen. Und sind diese Zusagungen von göttlicher Wirkung in uns nicht darum geschrieben, daß wir sollen wüste und wilde werden, wie etliche dichten: so sie zu Gott nicht kommen können, sie werden denn zu ihm durch den heiligen Geist gezogen, so wollen sie warten, bis sie bei den Haaren zu Gott gerissen werden, und mittlere Zeit ihre Lust suchen.

Auf diese Gedanken wäre Viel zu antworten. Aber jetzund sei diese Erinnerung genug: die Sprüche von göttlicher Wirkung sind uns zu großem Trost gesprochen. Du sollst nicht gedenken, daß ein Mensch ein Holz oder Stein sei, sondern so du Gottes Wort hörest, darin Strafe und Trost vorgetragen sind, sollst du dasselbige nicht verachten, und sollst ihm nicht widerstreben; du sollst auch zugleich dein herz zu ernstlichem Gebet erwecken, wie der Herr Christus spricht: „Wie viel mehr will euch der himmlische Vater seinen heiligen Geist geben, so ihr ich darum bittet!“ Er spricht nicht, den Verächtern, die in ihren Sünden wider ihr Gewissen fortfahren, die der Strafe und dem Trost widerstreben. Diese Erinnerung ist hoch von Nöthen, und wohl zu merken.


Etliche schreien: Man mache die Leute faul; item: Man führe sie in Verzweifelung, wenn man also redet von unserm Unvermögen. Aber diese Klage ist Unwahrheit; denn erstlich bleibet dieses für und für wahr: Aeußerliche Zucht können und sollen für und für alle Menschen halten, und wird den Wiedergebornen leichter, denn den Andern; denn die Wiedergebornen haben Hülfe von Christo, und Schutz wider den Teufel. In denen auch, die zu Gott bekehret sind, ist die Wiedergeburt darum angefangen, daß hernach dein Wille und Herz auch wirken. Denn der heilige Geist ist nicht ein faules Wesen, sondern zündet an Licht und Flammen in der Seele und im Herzen, daß nun die Seele und das Herz auch eine bessere Erkenntniß Gottes, und eine angefangene Liebe und Sehnen zu Gott haben, wie St. Paulus spricht: Das Bildniß Gottes in uns soll wiederum verneuet werden in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit u.s.w.

Du sollst aber diesen Spruch recht verstehen. Erstlich sollst du wissen, daß das Wort (Gnade) nicht allein heißet die Hülfe, die der heilige Geist im Menschen wirket, sondern Gnade heißet auch Barmherzigkeit und gnädige Annehmung um Christi willen, ob gleich unsere Werke noch schwach und unrein sind, und ist nicht genug, daß du den Spruch also deutest: wenn der heilige Geist hilft, so kann der Mensch das Gesetz halten; denn obgleich in den Wiedergebornen der Gehorsam angefangen ist, so bleibt dennoch in ihnen in diesem Leben noch viel Schwachheit, Unreinigkeit und Sünde, und können auch die Heiligen das Gesetz in diesem Leben nicht erfüllen. Darum müssen sie noch diesen Trost haben, daß sie dennoch Gott gefällig sind durch die Gnade, das ist, durch die Barmherzigkeit und gnädige Annehmung, die ihnen zugesagt ist um des Mittlers Jesu Christi willen.


Weiter ist noth zu wissen, so man spricht: Durch den Glauben haben wir Vergebung der Sünden, und sind gerecht, daß man dieses nicht also verstehen soll, daß wir Vergebung haben um dieses Werkes willen, welches genennet ist, Glaube; sondern um des Herrn Christi willen, auf welches Gehorsam und Verdienst das Vertrauen gegründet ist. Aber der Glaube ist dieses Mittel, damit wir den Herrn Christum anschauen, und uns sein Verdienst adpliciren und zueignen.


Und zu Verhütung irriger Deutung ist gewöhnlich in unsern Kirchen, daß man spricht: diese Rede: „Durch den Glauben haben wir Vergebung und sind gerecht, d.i. Gott gefällig,“ soll correlative verstanden werden, d.i. um des Herrn Christi willen, nicht, daß das Werk, nämlich, Glauben, das Verdienst sei.


Auch ist die kraft, lebendig machen, Frieden und Trost im Herzen geben, nicht des Glaubens Kraft, sondern des Herrn Christi selbst, der hier mit wirket, spricht den Trost, und gibt seinen heiligen Geist in das Herz. Aber der Herr Christus will also wirken und nicht anders, nämlich durch’s Evangelium und den Glauben.


Wenn menschliche Augen ohne Gottes Wort und ohne Glauben das elende menschliche Leben auf Erden ansehen und merken, daß alle Menschen viele Gebrechen haben, und daß allerlei Unfall über böse und ehrliche Menschen kommt, wird die Vernunft irre, und fragt: ob auch ein Theil Menschen besonders Gott gefällig sei, und ob eine Kirche Gottes sei? u.s.w. Wider diese Anfechtung insgemein sollen wir Trost wissen, und anschauen die Zeugnisse, darin sich Gott von Anfang geoffenbaret hat, nämlich alle Wunderwerke, die Ausführung des Volks aus Aegypten, Auferweckung der Todten und alle andere Mirakel, die zur Stärkung des Glaubens für und für geschehen sind, und sollen unsere Herzen Gottes Wort fest glauben, und wissen, daß gewißlich Gott sich eine ewige Kirche im menschlichen Geschlecht in diesem Leben durch das Evangelium sammelt, und sollen lernen, welche Menschen lebendige Gliedmaßen der wahrhaftigen Kirche sind, und daß nach diesem Leben der Sohn Gottes richten wird u.s.w.; und ist hochnöthig zu wissen, daß Gott um seines Sohnes Jesu Christi willen, aus großer Barmherzigkeit sich eine ewige Kirche sammelt, der für die armen Menschen gebeten hat im Anfang, wie im andern Psalm geschrieben ist, und wie er selbst bittet im 16. Psalm „für die Heiligen, die auf Erden sind.“ Dazu hat er auch alsbald die Verheißungen geoffenbaret und oft erholet, und in aller Welt predigen lassen, und sind allezeit diese Gottes Kinder geworden, die diese Verheißung mit rechtem Glauben angenommen haben; wer aber nicht hat glauben wollen, oder nicht glaubet, der ist verdammt, wie diese Regel ausgedrückt ist Joh. 3. Diese Erinnerung insgemein ist erstlich zu betrachten; darnach frage dein eigenes herz, ob du selbst zu ewiger Seligkeit berufen seist, und welche Ursache sei der Erwählung zu ewiger Seligkeit.


Wiewohl nun mancherlei Disputationen davon geschrieben sind, so ist doch dieses die unwandelbare Wahrheit: wir sollen von Gottes Wesen und Willen dieses gewißlich schließen, das er durch sein Wort, nämlich durch seinen eingebornen Sohn Jesum Christum, durch die Propheten und Apostel geoffenbaret hat, und sollen nicht außer Gottes Wort eigene Gedanken dichten von seinem Wesen und Willen.


Nach diesem Fundament setzen wir nun klar, daß die Sünden Ursache sind der Verwerfung, d.i. wer nicht zum Herrn Christo bekehret wird, ist gewißlich verworfen, wie die Sprüche bezeugen Joh. 2.: “Wer nicht glaubet, der ist jetzt und wird gerichtet.“ Und im zweiten Psalm und im 5. B. Mose 18: “Wer ihn nicht hören will, den will ich ausrotten;“ item: Hoseas 13: “Die Verderbung ist durch dich; allein durch Mich ist dein Heil.“


Dagegen ist wahr, daß allein Gottes Barmherzigkeit um des Herrn Christi willen Ursache ist der Erwählung zu ewiger Seligkeit, darum der Sohn Gottes gesandt ist, und die Gnade geoffenbart ist, sonst würde Niemand selig; denn so den ersten Menschen, Adam und Eva, der Heiland und die Gnade nicht wäre offenbart worden, so wären sie im ewigen Tode und Zorn geblieben. Bei dieser Offenbarung aber ist ernstlich und unwandelbarlich geboten, daß wir die Verheißung mit dem Glauben annehmen sollen, wie im zweiten Psalm klar ausgedrückt ist, und in vielen Sprüchen im Johannes, als nämlich: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn gab, daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben;“ und Röm. 4: Darum aus Glauben, ohne Verdienst, daß die Verheißung fest bleibe. Und ist kein Zweifel, daß allerhöchstes und ernstliches Gebot ist, daß wir den Sohn Gottes hören und ihm glauben; wie der ewige Vater spricht: „Diesen sollt ihr hören!“ Item Joh. 16: „Der Heilige Geist straft die Welt von wegen der Sünde, nämlich von wegen dieser Sünde, daß sie nicht an mich glauben.“ Daraus sollst du nun wissen diese wahrhaftige Regel, daß gewiß Alle diese zu ewiger Seligkeit erwählet sind, die durch Glauben an den Herrn Christum in der Bekehrung in diesem Leben Trost empfangen, und nicht davon abfallen vor ihrem Sterben; denn also spricht der Text: „Selig sind die Verstorbenen, die im Herrn sterben.“


Bei dieser Regel sollst du bleiben, und dichte nicht andre Gedanken von Gottes Willen außerhalb seines Wortes. Die Erwählung zu ewiger Seligkeit ist nicht von wegen des Gesetzes, sondern um des Herrn Christi willen durch den Glauben, und wie wir zuvor von Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit geredet haben, also reden wir auch von der Erwählung, nämlich: daß du Vergebung der Sünden, heiligen Geist und ewige Seligkeit hast um des Herrn Jesu Christi willen, aus Gnaden durch den Glauben, also bist auch du auserwählt zu ewiger Seligkeit um des Herrn Jesu Christi willen, durch den Glauben ohne dein Verdienst, und nicht von wegen des Gesetzes; du sollst aber redlich in diesem Glauben erfunden werden.

Quelle: Krummacher, Emil Wilhelm - Goldene Worte über die theure Lehre von der freien Gnade
Elberfeld 1832. Bei Wilhelm Hassel

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