Melanchthon, Philipp - Rede von der Verschiedenheit der Kirche Gottes und der weltlichen Herrschaft; nach Jes. 59.

Melanchthon, Philipp - Rede von der Verschiedenheit der Kirche Gottes und der weltlichen Herrschaft; nach Jes. 59.

gehalten 1548.

Da man in dieser so traurigen Zeit und bei den Klagen dieser Länder, vorzüglich bei Gott Trost suchen muß, der eben darum Seinen Willen in Betreff der Kirche, der weltlichen Herrschaft, des ewigen Lebens kund gethan, um unsern Schmerz in harten Drangsalen dieses Lebens zu lindern, und uns einen Hafen zu zeigen: so pfleg' ich wohl auch vieles Andere in Bezug auf die Ursachen des menschlichen Elends, und auf die Mittel dagegen zu bedenken; immer aber finde ich vorzügliche Beruhigung in dem Troste, daß Gott so oft dieses Beides versichert; es werde zwar die Kirche durch die Anfechtungen der Bösen in diesem Leben heftig erschüttert werden; dennoch aber werde sie stets bis zur Auferweckung der Tobten, und dann in alle Ewigkeit fort bestehen; auch werde die Predigt des Evangeliums nicht untergehen, wenn auch Weltreiche gewaltig zusammen stürzen sollten.

Denn es sammelt Sich Gott, nach Seinem bewundernswürdigen Rathe zu allen Zeiten, aus dieser elenden Masse des menschlichen Geschlechts, eine ewige Kirche, so wie unter den schwersten Kriegen Samuel, Elias, Elisa, Jesaias, Jeremias u. A. den Herrn verkündigten, und es heißt: „Sie gingen hin und weinten und streuten ihren Samen!“ Auch will Gott nicht, daß die Stimme Seines Wortes, oder die Anrufung unter dem Menschengeschlecht jemals verstummen soll; ja Er läßt gerade darum die Kirche hart angefochten werden, um in uns die Sorgfalt für die evangelische Lehre, und die Anrufung zu erwecken.

Da dem also ist, hab' ich, obgleich ich wegen meines tiefen Schmerzes kaum auftreten kann, gleich wie ich bisher auch die übrigen Theile meines Amtes verwaltet, so auch mir vorgenommen, diese Rede an Euch zu halten, um Euch zu trösten, und ich hoffe, meine Worte werden kräftig zu Eurer Beruhigung wirken, nicht nur darum, weil mir diese höhere Stelle unter Euch angewiesen ist, sondern weit mehr noch, weil Ihr selbst meine Gesinnung gegen die Kirche, und meine tiefe Betrübniß kennt; sind ja doch Kranke immer geneigter, die Reden und Rathschläge Kranker anzuhören. Ich werde aber zu Euch ganz so, wie zu mir selbst sprechen, und Euren Schmerz durch dieselben Mittel zu lindern suchen, durch welche ich mich beruhige. Wenn ich diesen traurigen Krieg betrachte, der in Deutschland ausgebrochen ist, und wie eine Feuersbrunst allmälig verschiedene Länder ergreift, so erkenn' ich darin den furchtbaren Zorn Gottes, und beklage nicht nur das gegenwärtige Unglück, das Hinwürgen so vieler Menschen, die Zerrüttung aller Zucht und Ordnung, und die Verwüstung vieler Orte, sondern weit mehr noch bekümmert es mich, daß in Bürgerkriegen kein Ende zu ersehen ist. Bürgerliche Uneinigkeiten, wenn sie einmal zum Ausbruch gekommen, werden nur durch wunderbare göttliche Hilfe, oft nach vielen Jahrhunderten, gestillt. Sollten nun unterdessen auch Wissenschaften und geistige Bildung verschwinden, wie es hie und da zu geschehen pflegt, so würde die Kirche entweder gänzlich untergehen, oder, doch gewiß in einen tiefern Verfall gerathen, und eine grauliche Barbarei wird folgen. Wie ja auch nach der Apostel Zeiten bei dem Sturz des römischen Reichs und der Verwüstung der Städte, die im Besitz der Gelehrsamkeit waren, zugleich auch die Wissenschaften, und die Lehre der Kirche so sehr unterdrückt wurden, daß kaum ein Schatten der alten Lehre blieb! Wenn nun die Betrachtung solcher Uebel mich jetzt fast aufreibt und verzehrt, so zweifle ich nicht, daß auch Ihr schmerzlich davon ergriffen seid. Aber wir wollen bei diesem Schmerze, wie ich schon sagte, die Verheißung uns vorhalten, daß wir wissen, Gottes Kirche werde dennoch bleiben. Ich will aber von den vielen Weissagungen darüber, welche in der Propheten und Apostel Lehre zerstreut vorhanden sind, jetzt vorzugsweise die Euch vorlesen, welche im Jesaias Kap. 59. sich findet, was mir für diesen Ort um so passender scheint, weil sie nicht nur die Ewigkeit der Kirche verkündigt, sondern auch erklärt, welche Gemeinschaft die Kirche Gottes sei, und wo sie sich befinde; weil sie das Amt der evangelischen Predigt rühmt, und uns zur Lernbegierde ermuntert. Es ist aber der Ausspruch des Herrn im Jesaias dieser: „Das ist der Bund, den Ich mit ihnen mache, spricht der Herr: Mein Geist, der bei dir ist, und Meine Worte, die Ich in deinen Mund gelegt habe, sollen von deinem Munde nicht weichen, noch von dem Munde deines Samens, spricht der Herr, von nun an bis in Ewigkeit!“

Es ist eine nützliche Regel für das ganze Leben, allgemeinen Uebeln und Mühseligkeiten das herrliche Zeugniß von der Güte Gottes entgegen zu stellen, daß Er nämlich aus Seinem geheimnißvollen Wesen heraus getreten ist, dem menschlichen Geschlechte Sich geoffenbaret, mit Seiner Stimme die Verheißung der Versöhnung und des ewigen Lebens ihm gegeben, und Seinen Sohn als Zeit lang großen Mühseligkeiten unterworfen sind, so wollen wir dennoch der großen Wohlthat uns freuen, daß Gott vertraulich zu uns redet, und durch viele große Wunder bezeugt, daß Er die, welche zu Seinem Sohne ihre Zuflucht nehmen, gewißlich annehme, sie erhöre, und mit ewigen Gütern kröne. Laßt uns nicht also hart und eisern sein, daß wir uns durch diese so große Güte nicht bewegen ließen, und meinten: Gott kümmere Sich nicht um uns, da Er ja so vertraulich Sich gegen das Menschengeschlecht bewiesen hat. Wie Er aber die Verheißung unseres Heils und unserer Erlösung gegeben, eben so versichert Er, daß Er stets eine gewisse Gemeinschaft erhalten wolle, in welcher die Stimme des Evangelium ertöne, und daß Er die, welche jene Stimme ergreifen würden, zu Erben des ewigen Lebens machen wolle. Darum heißt es im Jesaias: „Dieser ist Mein Bund mit ihnen.“ Und welches das Regiment, und welche Wohlthaten in dieser. Gemeinschaft seien, das zeigen die Worte selbst. Er versichert, es werde im Munde der Nachkommen stets das göttliche Wort bleiben, die den Propheten übergebene Verheißung; und durch diese Stimme des Evangelium entzündet der Heilige Geist in den Hörern neues Licht, Weisheit und ewige Gerechtigkeit.

Es ist demnach die Kirche Gottes eine Gemeinschaft von Menschen, welche das Evangelium ergreift und festhält, in welcher Gemeinschaft Gott durch die evangelische Predigt wahrhaft wirksam ist, und denen, die Buße thun, und an die Verheißung von der Versöhnung glauben, den heiligen Geist gibt und ewiges Leben. .Inzwischen sind ihr jedoch in diesem Leben viele Nichtwiedergeborne beigemischt, obwohl sie in der Lehre übereinstimmen. Wir wollen aber aus unseren Gedanken und aus unseren Reden verbannen die Träume derer, welche sagen, die Kirche Gottes sei nirgends sichtbar, und sich außerhalb des ganzen menschlichen Geschlechts einen unsichtbaren Haufen, gleich einem platonischen Gedankenbilde malen. Gott will, daß Seine Kirche im ganzen menschlichen Geschlechte gehört werde, daß sie überall sichtbar sich darstelle. Nicht vergebens hat Er Sich geoffenbaret. Er will, daß Seine Verheißungen erkannt, gehört, angenommen werden sollen, wie es im Psalm heißt: „Ihre Stimme gehet aus in alle Lande!“ und Paulus spricht: „Welche Er erwählt hat, die hat Er auch berufen.“. Es ist ein großer Trost, gerade dieß zu wissen, daß Niemand je zum ewigen Leben auserwählt sei, außer welche in dieser Menge der Berufenen die Lehre des Sohnes Gottes sowohl hören, als auch daran festhalten, und daß es in dieser Menge stets einige Erwählte gibt. Da dieser Trost einem frommen Gemüthe sehr theuer und werth sein muß, so laßt uns sehen, wo die Kirche ist, wo sie sichtbar ist, damit wir wissen, ob auch wir Bürger derselben sind. Laßt uns also festhalten, daß die Kirche Gottes da wahrhaft sei, wo die evangelische Predigt ist, d. h. wo die Lehre des Sohnes Gottes ertönt, wo die von Ihm angeordneten Gebräuche bewahrt werden, welche Er wollte, daß sie Zeugnisse Seiner Verheißungen, und Zeichen unsers Bekenntnisses sein sollten.

Es kann demnach die Kirche erkannt, gehört und gesehen werden, weil sie eine bestimmte Lehre hat, von Gott durch die Propheten, Christus und die Apostel uns gegeben, und Gebräuche, welche in die Augen fallen. Und durch Gottes Gnade ist es nun nicht mehr Noth, sie fern zu suchen. Ja, wisset, daß in dieser unsrer Versammlung, in Euren Familien, in Dörfern, Städten, die Kirche Gottes wahrhaft ist, weil da die Predigt des Evangelium ist, und zweifelt nicht, daß unter dieser Zahl Einige erwählt sind zum ewigen Leben, welche jetzt auch ein Theil der Nachkommenschaft sind, von welcher es heißt im Jesaias: „Mein Geist, der bei dir ist, und Meine Worte, welche in dir sind, sollen von dem Munde deiner Nachkommen nicht weichen!“

Laßt uns daher Gott Dank sagen, daß Er Sich geoffenbaret, daß Er Seine Verheißungen uns gegeben hat, daß Er durch die Stimme derselben stets eine ewige Kirche sich sammelt; ferner daß Er anzeigt, wo diese Kirche ist, welche Er wahrhaft liebt und mit ewiger Herrlichkeit schmücken wird; daß Er auch uns zur Theilnahme an dieser Kirche berufen hat; endlich daß Er versichert, es werde stets eine solche Gemeinschaft, als Bewahrerinn des Wortes, in dieser Welt bestehen.

Diese unaussprechlichen Wohlthaten laßt uns den Mühseligkeiten gegenüber stellen, mit welcher nach Gottes Absichten die menschliche Natur in diesem Leben gemeinsam belastet ist; nicht unwillig murren wollen wir darob gegen Seinen Willen, sondern unsern Schmerz etwas mäßigen, und Seiner Linderung und Befreiung harren.

Aber wie, sagst du, mag bei so gewaltigen Veränderungen, ja unter den Trümmern weltlicher Reiche die Kirche ferner bestehen? Da wo sie einst am blühendsten war, in Syrien, Aegypten, Asien, herrscht jetzt eine rohe, dem Sohne Gottes feindselige Barbarei. Ich schaudere, wenn ich jene Beispiele betrachte, welche den großen Zorn Gottes kund thun. Allein das eben hat Gott oft vorher verkündigt, die Kirche werde keinen festen Sitz in irgend einem Reiche haben, und das hat Er darum vorher verkündigt, damit wir wüßten, etwas Anderes sei weltliche Herrschaft, etwas Anderes die Kirche Gottes, und damit wir die Ursachen dieser äußerlichen Uebel erwägen möchten.

Gott erhält Seine Kirche auch mitten unter den Trümmern weltlicher Reiche. Ueberall, wo du die unverfälschte Stimme des Evangelium vernimmst, glaube fest, daß du da in der Kirche dich befindest, mag nun ihr Sitz in einem ruhigen Staate, oder in einem zerrütteten, oder in einem unter Knechtschaft seufzenden Reiche sich befinden. Laßt uns aber als hauptsächliche Ursache solcher Wanderungen das betrachten: Wenn die Wissenschaften vernachlässigt werden, wenn die Bande der Zucht und Sitte sich auflösen; wenn das Verbrechen ungestraft bleibt, wenn Viele entweder das Evangelium zum Deckmantel schändlicher Leidenschaften gebrauchen, oder Abgötterei aufrichten, oder nach ungeschlachter Zyklopen Weise alle Religion wegwerfen, und Herrschaft und schändliche Lüste suchen. Der richtende Gott kündigt unter furchtbaren Strafen Seinen Zorn an, wie Er selbst spricht: „Dein Gott ist ein verzehrendes Feuer!“ Darum wollen wir, ein Jeder an seinem Theile, über unser Betragen wachen, und mit größerer Genauigkeit Jeder seine Pflicht erfüllen. Jetzt aber wird diese Rede vorzugsweise an unsern Stand gehalten, der das schwerste Amt im ganzen Menschenleben verwaltet, nämlich die Regierung und Leitung der Kirche, welche sowohl die Verkündigung des göttlichen Wortes, als auch die Zucht unter sich begreift.

Oft aber hat die Vernachlässigung des göttlichen Worts Verwirrungen und Streitigkeiten in der Religion erzeugt, woraus Kriege hervorgingen, welche ganzen Völkern verderblich wurden; wie es auch beim Propheten Hoseas heißt: „Du verwirfst Gottes Wort, darum will Ich dich auch verwerfen, daß du nicht mehr Mein Priester sein sollst!„ Durch diese Androhung wie durch einen Blitz erinnert, wollen wir zu neuem Eifer der Forschung im göttlichen Worte, und zu Sorgfalt und Treue in der Verwaltung des ganzen Amtes uns erwecken lassen. Strafbeispiele sind in diesen und in andern Ländern uns vor Augen, und ich fürchte, es werden bald traurigere kommen. Doch wird Gott diese Noth lindern, wenn wir größere Sorgfalt für die Förderung der Sittlichkeit, und überhaupt treuen Pflichteifer zeigen werden. Glaubet nicht, daß ihr zu träger Ruhe und zur Wollust des Bauchs berufen seid, sondern Wächter seid ihr über das wichtigste aller Geschenke, die Gott je dem Menschengeschlechte verliehen hat, wie Maleachi schreibt: „Des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren, und aus seinem Munde wird man das Gesetz fordern!“ Es kann aber der reine Inhalt der Lehre nicht bewahrt werden ohne Lesen, Nachdenken und Umgang mit Gelehrten. Vor Allem aber muß dazu auch frommes Gebet kommen, daß Gott die Herzen und den Verstand regieren wolle, wie es oft in den Psalmen heißt: „Lehre mich Deine Rechte.“ Damit müssen aber auch fromme Tugendübungen verbunden werden, welche das Licht der Lehre sind. Denn so erst werden wir Andere richtig unterweisen können, wenn wir uns selbst zuvor unterweisen, und unser eigenes Gewissen und Leben der Vorschrift des Evangelium gemäß bilden. Damit aber unsre Predigten die Stimme des Evangelium recht wiedertönen, und das Wort Gottes in unserm Munde sei, wie Jesaias sagt, so müssen wir die Propheten und Apostel fleißig lesen und auf die Erklärungen erfahrner Männer achten. Darum nämlich will Gott das Predigtamt durch die öffentliche Stimme der Lehrer verwaltet wissen, daß Erklärung desselben Statt finde, jedoch die den Quellen gemäß sei, und damit auch die Ungebildeten dieselbe fassen können. Darüber rede ich oft, und da Gott durch die Stimme der Propheten, Christi und der Apostel das Nämliche oft befohlen, und denen, die es annehmen, Belohnungen, denen, die es verachten, Strafen verkündigt, so laßt uns solche Erinnerungen nicht verachten. „Ich werde Rächer sein, wenn Jemand den Propheten (nämlich den Sohn Gottes) nicht hören wird!“ Dieser Blitzstrahl müsse uns erinnern, das Evangelium zu hören und zu lernen.

Da aber ohne Deine Hilfe, Du ewiger Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, Du Schöpfer aller Dinge und auch Deiner Kirche selbst, das Licht des göttlichen Wortes nicht erhalten werden kann, so bitte ich Dich um Deines Sohnes, unsers Herrn Jesu Christi willen, daß Du in diesen Landen und an andern Arten stets eine Kirche sammeln wollest, die Dich in ewiger Freude sammt Deinem Sohn preise, daß Du das Licht des Evangelium schützest, gerechten und heilsamen Frieden diesem Volke schenkest, Zucht und Sitte leitest, und die Herzen der Fürsten und Unterthanen durch Deinen heiligen Geist zu wahrer Anbetung und wahrer Gottseligkeit leitest. Amen.

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