Melanchthon, Philipp - Rathschlag der Theologen zu Wittenberg an Johann Friedrich, Kurfürsten zu Sachsen, über den Krieg wider den Kaiser.

Melanchthon, Philipp - Rathschlag der Theologen zu Wittenberg an Johann Friedrich, Kurfürsten zu Sachsen, über den Krieg wider den Kaiser.

Vom Jahre 15461).

Was aus Gott ist, wird nicht vertilget; dieweil denn diese Lehre, so Gott in unsern Kirchen gnädig geoffenbaret hat, in ihrem rechten Verstande gewißlich aus Gott ist, so wird sie Gott nicht lassen ausrotten, und werden etliche Lande und Städte bleiben, darin sie leuchten wird.

Gleichwohl können daneben auch Strafen über uns kommen, wie Petrus spricht: Gott fängt die Strafe an an seinem eigenen Hause, denn wir haben leider auch Sünde. Darum ist Zeit, zu Gott mit Herzen zu seufzen und um Gnade, Rath und Hilfe um unsers Heilands willen zu bitten, daß Er um Seiner Ehre willen uns gnädiglich schützen wolle, daß die Feinde nicht sagen: wo ist nun ihr Gott?

Uns für unsere Person wäre viel leichter zu leiden und zu sterben, denn zu rathen auf ungewissen Argwohn; denn wenn es gewiß ist, daß der Kaiser diese Stände von wegen der Religion überziehen wolle, alsdann ist kein Zweifel, diese Stände thun Recht, so sie sich und die Ihrigen ernstlich mit Gottes Hilfe schützen, wie S. Paulus spricht: Die Obrigkeit führt das Schwert nicht vergeblich, sondern sie ist Gottes Dienerin, und soll strafen diejenigen, so Arges thun, als Mörder, und ist eine solche Gegenwehr nicht anders, denn als so man einem Haufen Mörder wehren müßte, er werde geführet vom Kaiser oder Andern; denn es ist eine öffentliche Tyrannei und notoria violentia. Wie sich auch Hispanier, Italiener und Burgunder in diesen Landen halten würden, hat man ein Exempel an Deuren in Jülich gesehen, und soll billig ein jeder Hausvater sein Leib und Leben zusetzen, solche große Tyrannei zu wehren.

Und von dem Vorkommen oder von der praevention zu reden, ist auch wahr, daß die praevention, auf diesen Fall der Gewißheit, recht ist, nämlich so man gewißlich des Kaisers Gemüth weiß, daß er Willens ist, diese Stände zu überziehen.

Zum Andern, so es aber ungewiß, so bitten wir in Unterthänigkeit, unsere gnädigste und gnädige Herren wollen nicht zuschreiten; denn das Werk ist groß, und wird dieser Krieg eine ewige Veränderung der deutschen Nation bringen; darum ist es nicht leicht, anzufangen.

So muß man in dieser Sache auch Gott vertrauen, er werde Wächter und Schutzherr sein, wie der Psalm spricht: Seid still und sehet, daß Ich Gott bin.

Man soll aus ungewisser Furcht des Zukünftigen nicht in Gegenwärtigkeit von der Regel weichen und gefährliche Dinge vornehmen.

So wissen wir auch nicht, so man auf einen ungewissen Wahn anziehen würde, wie es einen Namen haben sollte, und wo man angreifen wollte, so ist noch großer Mangel an Getreide.

Zum Dritten, wahr ist es, der Herren Fährlichkeit ist die größte, und ist wohl zu gedenken, will der Kaiser sie überziehen, so wird er nach der Kur- und Fürsten Personen selbst trachten, daß sie und die jungen Herren in's Gefängniß gebracht werden, wie die großen Könige zuvor mehr mit den Fürsten umgegangen sind.

Darüber ist diese Fährlichkeit auch groß; der Adel in Stiften und in vielen Landen sonst ist dieser Lehre zum Höchsten Feind, fürchten, sie verlieren die großen Prälaturen.

So nun der Kaiser eine Macht zu Felde haben würde, ehe diese Herren gerüstet wären, würden Viele vom Adel sich zum kaiserlichen Heer wenden.

Diese und andere große Gefährlichkeit betrachten wir auch und sehen, daß diese Kur- und Fürsten gleich also wie Israel am rothen Meere stehen, und haben wenig menschlichen Trost; soll das Ende gnädig sein, so wird es Gottes Werk sein.

Wiewohl aber dieses eine scheinbare Ursach' wäre, einen Zug zu thun, so diese Herren sagten: sie wollten einen gewissen Frieden haben, und nicht alle Zeit so sitzen und des Backenstreichs erwarten, so ist dennoch zu bedenken, ob es Ursach' genug sei, Andere zu überfallen und ob es fruchtbar sein werde.

Zum Vierten, es wollen auch die Herren bei sich selbst schließen, ob sie kriegen, und warum sie kriegen wollen, und welche Sachen so hochwichtig sind, daß derhalben Krieg und Zerstörung des Reichs nicht zu scheuen sind. Denn wer dieses nicht bei sich beschlossen hat, wird des Kriegs bald müde werden. .

Unser Heiland Jesus Christus, der Sohn Gottes, wolle der Kur- und Fürsten Herz zu seligem Rath neigen. Amen.

Uns stehet diese kaiserliche Rüstung an, daß sie auf des Concilii Tridentini Determination warten solle, und achten nicht, daß der Kaiser Etwas zuvor mit der That vornehmen werde!

Quelle: Koethe, Friedrich August - Philipp Melanchthon's Werke, Fünfter Theil

1)
Dieses von Melanchthon verfaßte und von ihm, Johann Bugenhagen, Kaspar Creuziger und Georg Major unterzeichnete Bedenken, ward nach der Mühlberger Schlacht, unter den zerstreuten Papieren der kurfürstlichen Feldkanzlei, in der Lochauer Heide gefunden, an Georg Major, und später von der Universität in Wittenberg an den Kurfürsten August abgeliefert.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/m/melanchthon/melanchthon-rathschlag.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain