Melanchthon, Philipp - Predigt am siebenten Sonntage nach der Dreifaltigkeit.

Melanchthon, Philipp - Predigt am siebenten Sonntage nach der Dreifaltigkeit.

(Postilla Philipp Melanthon’s über die Evangelia von Pfingsten bis auf Advent. Verteutscht und jetzt auf’s neue übersehen durch M. Johannem Pollicarium. Nürnb. 1566. 8. S. 67 (die Vorrede ist v.J. 1549).)

Evang. Marci, Cap. 8 (V. 1-9).

In diesem Evangelio haben wir sechs fürnehmliche Stücke:
Das erste unterscheidet die Verheissung ewiger und zeitlicher Güter.
Das andere giebt uns zu verstehen, dass man zur Verheissung leiblicher Dinge alle Zeit muss die Lehre vom Kreuz hinzusetzen.
Das dritte, warum die Verheissung von zeitlichen Gütern und leiblichen Dingen uns gegeben und fürgestellt seien.
Das vierte, wie man soll um zeitliche Dinge bitten.
Das fünfte, wie man den Glauben im Bitten und Begehren leiblicher Dinge und zeitlicher Güter üben soll.
Das sechste Stück erinnert uns, worauf man diese evangelische Historie ziehen soll.

Vom ersten Stück.

Das ist eigentlich und gewiss, dass das Evangelium vorzüglich diese Verheissung treibet, die uns von ewigen Wohlthaten und Gütern lehret, nämlich, dass der Sohn Gottes ein Opfer sei für das menschliche Geschlecht, und dass Gott Den, der da Busse thut und glaubet, um seines lieben Sohnes willen gewiss und eigentlich schenken wolle Vergebung der Sünden, den heiligen Geist und das ewige Leben. hergegen aber werfe er Diejenigen, so das Evangelium verachten, gewiss und eigentlich in die ewige Strafe und in die ewige Verdammniss.

Nun sollen wir wissen, dass diese Offenbarung des göttlichen Willens von den ewigen Gütern, die aus des ewigen Vaters Schooss genommen ist, des Evangeliums fürnehmste Predigt sei, wie Christus sagt Johannis am 6. Capitel: Das aber ist der Wille Dess, der mich gesandt hat, dass, wer den Sohn siehet und glaubet an ihn, habe das ewige Leben. Diese Lehre von den ewigen Gütern sollen wir erstlich annehmen und fassen, darnach sollen wir wissen, dass auch von zeitlichen Gütern oder leiblichen Dingen Verheissung an’s Evangelium gesetzt und geheftet sei, als Matth. 6.: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles Andere zufallen. Und in der ersten Epistel an den Timotheum am 4. Cap.: Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheissung dieses und des zukünftigen Lebens. Marci am 10.: Wahrlich, ich sage euch, es ist Niemand, so er verlässt sein Haus, oder Brüder, oder Schwestern, oder Vater, oder Mutter, oder Weib, oder Kinder, oder Äcker um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der es nicht hundertfältig empfahe, jetzt in dieser Zeit mit Verfolgung, und in der zukünftigen Welt das ewige Leben. Hieher sollen auch dergleichen Verheissungen aus den Psalmen gezogen werden, als aus dem 37. Psalm: In der Theurung werden sie genug haben. Item, ich bin jung gewesen und alt worden und habe noch nie gesehen den Gerechten verlassen, oder seinen Samen nach Brodt gehen. Und im 33. Psalm: Siehe, des Herrn Auge siehet auf Die, so ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen, dass er ihre Seele errette vom Tode und ernähre sie in der Theurung. Im 34. Psalm: Denn die ihn fürchten, haben keinen Mangel. Item Ps. 55.: Wirf dein Anliegen auf den Herrn, Der wird dich versorgen. Und im 112. Psalm: Wohl Dem, der den Herrn fürchtet; Reichthum und Fülle wird in seinem Hause sein. Solcher Sprüche wäre wohl nütz, dass man viele in Bereitschaft und ohne Unterlass vor den Augen hätte, dass sie uns unterweisen und trösten, wie ich hernach sagen will. Darum sollen wir eifrig hie Dess eingedenk sein, dass zweierlei Verheissung seien.

Vom andern Stück.

Nun möchte aber hier Einer sagen: Die Verheissungen sind gross und wichtig genug; es lässt sich aber schier ansehen, als fehle es am Vollstrecken oder am Werk. Man siehet nicht, dass solchen hohen Verheissungen gemäss oder genug geschehe. Die grössten Reiche, die grösste Gewalt und die grössten Güter und Reichthümer sind gemeiniglich bei den Gottlosen. Die Apostel ziehen um wie die irrigen Schafe oder armen Bettler; so müssen gemeiniglich die gottseligen, rechtschaffenen Doctores Hunger leiden; es ist ihnen Jedermann gram und todfeind; man verjagt oder erwürget sie. So ist es ein gemein Sprüchwort, da dort in dem Poeten Juvenal steht und lautet in deutschen Reimen also:

Man lobt die Frommkeit überall;
Sie steht aber über die Maassen kahl.
Man spricht wohl, es sei wohlgethan;
Hast gleichwohl lauter Nichts daran.

So sagt man auch sonst in einem alten Vers:

Wer fromm will und gottsfürchtig sein,
Fliehe Fürstenhöfe, so bleibt er rein.

So ist’s öffentlich am Licht, dass die Kirche dem Kreuz unterworfen, item, ohne menschliche Hilfe, Schutz und Schirm und gar verlassen sei. Und geschieht uns also wahrhaftiglich Dasjenige, das Christus, unser lieber Herr und Heiland, von sich selbst und seinem ganzen Haufen Luc. am 9. gesagt hat: Des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege.

Auf dieses Alles zumal Antwort ist also: Obwohl das ganze menschliche Geschlecht dem Tode und viel anderm grossen Jammer, Trübsalen und Elend unterworfen ist, so wird doch die Kirche durch sonderlichen Rath Gottes nicht untergedrückt und heftiger geplagt, denn der andere Haufe, damit wir Gottes ernsten, grimmigen Zorn wider die Sünde erkennen und daneben wissen sollen, dass dennoch die Kirche von und durch Gott erhalten werde. Und dennoch will Gott in diesem leben auch für sich eine eigene Kirche haben, er will nicht, dass das ganze menschliche Geschlecht verderbe, sondern will, dass stets eine Gemeinde und ein Häuflein verbleibe, von welchem er erkannt, angerufen und geehret werde, wie im Propheten Amos am 3. Capitel stehet: Gleich wie ein Hirt dem Löwen zwei Kniee oder ein Ohrläppchen aus dem Maule reisst, also sollen die Kinder Israel herausgerissen werden. Darum hat er befohlen, man soll den Artikel halten und glauben, welcher also lautet: Ich glaube eine heilige christliche Kirche, das ist, ich glaube, dass ein Häuflein sei, das wahrhaftiglich Gottes Volk ist, nämlich dies, welches das Wort, durch die Propheten und Apostel gegeben, annimmt und führet; denn die heilige christliche Kirche Zeugniss giebt. Ich glaube auch, dass ein solches Häuflein alle Zeit bleiben werde, wie Christus selbst gesagt hat Matth. am Letzten: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Darum muss man diese zwei Stücke alle Zeit zusammenfassen, nämlich die Lehre vom Kreuz und die andere vom Trost. Es ist wahr, die Kirche ist ja dem Kreuz unterworfen, wie Christus selbst sagt Marci am 8.: Wer mir will nachfolgen, Der nehme sein Kreuz auf sich, und Jerem. am 12. Cap.: Darum habe ich mein Haus verlassen müssen und mein Erbe meiden und meine liebe Seele in der Feinde Hand geben. Dieweil aber dennoch der ewige Gott will, dass die Kirche bleiben soll, die doch gleichwohl ohne menschlichen Schutz und Schirm ist, so verheisst und stellt er ihr hohen, lieblichen Trost für, wie er ihr alle Zeit Schutz, Schirm, Nahrung, Friede, ja Glück und Wohlfahrt in allen ihren Händeln schaffen und mittheilen wolle, es sei in geistlichen oder weltlichen Sachen, es treffe gemeine, bürgerliche Händel, oder eines Jeden insonderheit Haushalten an. Wir sollen aber die Verheissungen recht verstehen, wie sie gemeint sind, sollen nicht falsche und untüchtige Glösslein unseres Gefallens darüber machen und sie deuten, wie wir wollen; wie viele ungeschickte, grobe Phantasten im gewöhnlichen Gebet oder Vaterunser (da man bittet: unser täglich Brodt gieb uns heute) nicht wollen, dass man’s vom leiblichen Brodt verstehen solle, da doch Christus im Grunde gewiss und eigentlich von leiblichem Brodt, von zeitlichem Schutz und Regirung redet, wie denn Gott gewiss und eigentlich auch solche zeitliche Gaben giebt und mittheilet, seinen tröstlichen Verheissungen und Zusagen nach.

Warum geschieht es aber nicht bald und solchen Verheissungen gemäss, oder warum haben solche tröstliche Zusagen nicht ihren gebührlichen Fortgang? Hierauf antworte ich: Sie haben doch ihren Fortgang, und erstlich soll man diese Verheissungen also verstehen, als seien sie von der ganzen Kirche geredet und gemeint. Gleichwie der allmächtige, ewige Gott die Seinen im rothen Meere erhielt, also erhält er auch heutiges Tages und ohne Unterlass (hat’s auch je und je gethan) seine liebe Kirche mitten unter der ganzen Welt Tyrannei, Wüthen und Toben und mitten unter der Unsinnigkeit, Zorn und Grimm des Teufels. Darum ist klar und hell am Tage, dass die Verheissungen von der ganzen Kirche gesagt und kräftig seien und endlich nicht anders sollen verstanden werden. Denn es wird die Kirche alle Zeit erhalten. So sollen auch wir in unserm Gebet zum Ersten für die ganze Kirche bitten und sollen gewiss und endlich schliessen, solch unser Gebet sei nicht kraftlos, sondern werde gewiss und eigentlich erhört.

Vom dritten Stück.

Die erste Ursache, um deretwillen die Verheissungen leiblicher Dinge oder von zeitlichen Gütern geschehen und gegeben sind, ist diese: Das menschliche Herz, Sinne und Gemüth kann ohne des Glaubens Licht nicht anders von reichen Leuten gedenken, denn also, sie werden entweder reich ohne alles Gefähr, wie Pythius zu König Xerxis Zeiten aus dem Bergwerk und allerlei Metallen reich ward, oder aus Behendigkeit durch sonderliche Geschicklichkeit, es gehe nun gleich recht oder unrecht zu. Und kann also die menschliche Vernunft nicht bei sich finden oder schliessen, dass es Gottes Werk sei, wo uns zeitliche Güter gegeben, oder dieselben geschützt und gemehret werden. Denn sie siehet, dass viele Leute durch Stehlen, Rauben, Lügen und Trügen, item durch andere Praktik und Finanzerei aufkommen und an ihren Gütern zunehmen, wie der Crassus zu Rom reich worden ist. Und wiewohl Gott den Dieben, Räubern und Scharrhansen eine Zeit lang zusiehet und lässet sie eine Weile öffentlich und heimliche wüthen und allerlei Muthwillen treiben, so wirft er sie doch endlich aus dem Sattel und treibt sie aus von Hab’ und Gütern, damit er bezeugt, dass er auch Achtung darauf gebe, wie man mit den zeitlichen Gütern umgehe oder dieselben überkommen. Darum wird im Propheten Esaia am 33. gesagt: Wehe dir, der du verstörest und raubest, du sollst wieder verstöret und beraubet werden. So ist aus täglicher Erfahrung dieses Sprüchwort erwachsen, dass man sagt: Male quaesit, male perdit, das ist, was übel gewonnen ist, Das geht auch elendiglich und jämmerlich wieder dahin. So schreiben die alten Historiei, dass der mächtige, reiche Mann Pythius noch endlich Hungers gestorben sei, und wie einen elenden Ausgang oder armselig Ende der reiche Mann Crassus genommen habe, mag man in seiner Historia suchen und lesen.

Darum hat Gott den Gerechten und Gläubigen Zusagung und Verheissung gethan, der zeitlichen Güter halben, um dieser Ursache willen, dass sie wahrhaftiglich schliessen sollen, solche Güter widerfahren den Leuten nicht ohngefähr oder zufälliger Weise, so überkommt man sie auch nicht allein durch menschliche Geschicklichkeit. Denn obwohl der ewige Gott will, dass wir Alle arbeiten sollen, nachdem einem Jeden sein Beruf weiset und lehret, und will, dass wir mit ehrlicher, aufrichtiger Arbeit Güter bekommen, dieselbigen danach erhalten, und will nicht, dass man’s mit Schlemmen und Prassen verschwelge, wie in den Sprüchen Salomonis am 5. Capitel steht: Dass du nicht dem Fremden gebest deine Ehre und deine Jahre dem Grausamen; dennoch will er, dass wir daneben wissen sollen, dass nicht dieser Fleiss allein Güter bringe oder reich mache, gleichwie nicht allein des Bauern Arbeit Frucht, Getreide und Anderes wirket, sondern dieweil Gott die Erde fruchtbar macht, so wachsen sie, und gleichwie nicht allein des Kriegsvolks Fleiss, Mühe und Arbeit den Sieg erlangt und erobert, sondern es muss die göttliche Hilfe dabei und dazu kommen, wie der 32. Psalm sagt: Rosse helfen auch nicht, und ihre grosse Stärke errettet nicht.

Also geht’s auch mit den zeitlichen Gütern zu, dieweil der ewige Gott Dem günstig ist, der in seinem Beruf fleissig und treulich dienet, so fördert, segnet und mehret er ihm auch nach seiner väterlichen Güte und Barmherzigkeit die zeitlichen Güter. Auf solche Meinung sagt Salomo im 10. Capitel seiner Sprüche: Der Segen des Herrn macht reich. Und David sagt im 1. Buch Samuelis am 17. Cap.: Dass alle diese Gemeinde inne werde, dass der Herr nicht durch Schwert und Spiess hilft; denn der Sieg ist des Herrn. Darum stellt er uns auch zu Zeiten Exempel für, da er die zeitlichen Güter ohne Zuthuung der gewöhnlichen Hilfe, durch die man reich wird, mehret, wie er die Wittwe zu Sarepta genähret und erhalten, das Volk in der Wüste gespeiset, dem Isaak Hundertfältiges gegeben hat, da in anderer Leute Äckern und Feldern nicht so Viel wuchs. So sind auch tägliche Exempel unter den gottseligen Geschlechtern, die es erfahren, dass sie durch Gottes Hand gesegnet und reicher werden, oder ja ihnen ihre Güter geschützt, vertheidigt und erhalten werden, obwohl zu Zeiten Jammer, Elend, Trübsal und Schaden sich mit eindringen. Denn, wie gesagt, so muss die Kirche immerzu daneben dem Kreuz unterworfen sein. Dies soll man aber fleissig zu Herzen fassen, dass wir den Artikel von der Erschaffung lernen und glauben, dass die zeitlichen Güter Gaben und Wohlthaten seien, damit wir wahrhaftiglich können von Gott das tägliche Brodt bitten. Denn Diejenigen, so nicht glauben, dass es Gottes Gaben und Wohlthaten seien, die plappern diese Worte vergeblich und legen Gott eine Schmach an. Jetzt lasset uns nun gedenken und besehen, wie wenige Leute auf Erden diese Worte gottseliglich und mit rechtem Glauben sprechen: Unser täglich Brodt gieb uns heute. Denn Einer erdichtet und giebt für, Gott achte dieser Dinge nicht. Ein Anderer gedenket, er sei solcher Gaben nicht werth, ihm werde solche Gabe von Gott nicht gegeben. Endlich sind viel andere grosse Finsternisse in den Herzen der Menschen, die muss man durch Gottes Wort herausreissen.

Nun ist noch eine andere Ursach, um deretwillen diese Verheissungen von den zeitlichen Gütern geschehen und gegeben sind. Dieweil Gott alle Zeit in diesem zeitlichen Leben auch für sich eine eigene Kirche haben will, so bedarf gleichwohl dieselbige Kirche Leibesnahrung, herberge, Schutz und Schirm, eigener Polizeien, item gemeinen Friedens, dass immerzu wiederum ein Volk auferzogen und die Studia mögen erhalten und gelernet werden. Um dieser Ursachen willen hat Gott diese Verheissungen gegeben, giebt auch diese Güter und Wohlthaten, aber doch auf wunderbare Weise. Der Teufel wüthet und tobt ohne Unterlass wider die Kirche und hat sein stetes Lärmen und Unruh in der Welt, durch die des menschlichen Geschlechts tägliche Sünden gräulich gestraft werden. Unter diesem ungestümen Lärmen, widerwilligen Scharren, Wüthen und Toben erhält dennoch Gott seine Kirche, eben wie er sie erhielt, da sie mitten im rothen Meer stand. Und Bleibet gleichwohl eine Kirche, wenn schon etliche Glieder davon erwürget würden, eben wie des David’s Heer bleibt, obwohl etliche Kriegsknechte im Streit und im Scharmützel umkommen. Denn wie oft gesagt ist, so ist die Kirche noch immerzu dem Kreuz unterworfen.

Darum stellen uns diese Verheissungen einen merklichen Trost für Augen. Wir bekümmern und grämen uns in solchen schrecklichen Zerrüttungen der Kirche, Kriegen und Lärmen, wo doch die Kirche eine Wohnung werde haben, wie es doch den Studiis gehen werde. Wiewohl aber eine Zeit mehr Ruhe, Friedens, item Glücks und Wohlfahrt hat, denn die andere, so sollen wir dennoch gewiss und eigentlich wissen und glauben, dass der ewige, gütige und wahrhaftige Gott Achtung werde geben auf die Wohnung seiner Kirche und der ehrlichen Künste und Studien, sie sei nun gleich wie sie wolle, wie im Propheten Esaia gesagt wird am 46. Cap.: Ihr, die im Leibe getragen werdet und in der Mutter lieget. Ja, ich will euch tragen bis in’s Alter, und bis ihr grau werdet. Item im 49. Capitel: Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselbigen vergässe, so will ich doch dein nicht vergessen. Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet. Diese Trostsprüche sollen wir uns oft fürbilden und selbst fleissig einbilden, dass wir die Lehre des Evangeliums mit guter Hoffnung ausbreiten und mit rechtschaffenem, festem Glauben diese Güter und Wohlthaten von Gott bitten können.

Die dritte Ursach, darum uns diese Verheissungen fürgestellt sind, ist diese, dass man darin den Glauben und die Anrufung oder das Gebet üben solle. Gott will, dass man ihn durch’s Gebet erkenne. Darum hat er uns viel Dinge fürgestellet, die uns an Gebet und an herzliches Anrufen erinnern und vermahnen sollen. Er hat uns Verheissung gethan des zeitlichen und ewigen Lebens, und das Alles aus lauter Gnaden. Darum will er, dass wir zu ihm allein unsere Zuflucht haben sollen, wenn sich’s auch schon lässet ansehen, wir seien von der ganzen natur und von allen Creaturen Gottes verlassen und verstossen, wie David im 27. Psalm singet: Mein Vater und meine Mutter verlassen mich; aber der Herr nimmt mich auf.

Vom vierten Stück.

Wie und mit was Ordnung man um zeitliche und leibliche Güter bitten soll.

Diese Weise und Ordnung, wie man um Zeitliches bitten soll, ist uns im Spruch Christi fein hell, klar und deutlich für Augen gemalet, da er sagt Matth. am 6.: Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so soll euch das Andere Alles zufallen. Dies soll unser höchstes Anliegen und die fürnehmste Sorge sein, dass wir Gott gehorchen und ihn hierin loben, ehren und preisen, dass wir die wahrhaftige Lehre annehmen, lernen, bekennen und dieselbe wiederum Andern auf’s treulichste lehren. Ja, wir sollen auch für allen Dingen und zum allerersten bitten und begehren, dass er durch seinen heiligen Geist ein wahrhaftiges Licht um Christi willen in uns anzünden wolle, wie Johannis am 16. Capitel klar gesagt wird: Bittet, so werdet ihr nehmen. Und Lucä am 11. Cap.: Wenn denn ihr, die ihr Menschen seid, könnet euren Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird der himmlische Vater den heiligen Geist geben Denen, die ihn bitten? Auf solche Weise bittet auch David im 119. Psalm: Handle mit deinem Knecht nach deiner Gnade und lehre mich deine Rechte. Also wird auch Salomo im ersten Buch der Könige von Gott höchlich gelobt, dass er erstlich Weisheit von Gott gebeten hat, und sagt Gott noch zu ihm: Dazu, dass du nicht gebeten hast, habe ich dir auch gegeben, nämlich Reichthum und Ehre. Und im 30. Cap. der Sprüche Salomonis ist eine feine Ordnung gestellet, wie man um Zeitliches bitten solle, denn also bittet allda Salomo: Zweierlei bitte ich von dir, Das wollest du mir nicht weigern, ehe denn ich sterbe. Abgötterei und Lügen lass ferne von mir sein. Armuth und Reichthum gieb mir nicht. Lass mich aber mein bescheiden Theil Speise dahinnehmen. Er erzählet auch Ursach daneben, warum er ihm eine ziemliche Nahrung wünsche. Denn die Reichen lassen den bösen Begierden und argen Zuneigungen desto leichter den Zaum, begeben sich in allerlei Wollust, und darunter vergessen sie Gottes ganz und gar und fallen je länger, je ferner von und wider Gott, wie im Propheten Ezechiel am 16. Cap. gesagt wird: Siehe, das war deiner Schwester Sodom Missethat, Hochmuth und Alles vollauf und guter Friede, den sie und ihre Töchter hatten. Aber den Armen und Dürftigen hatten sie ungern die Hand gereicht, sondern waren stolz und thaten Gräuel vor mir. So wissen wir auch wohl, was der heidnische Poet Ovidius dort an einem Ort sagt, fast auf diese Meinung:

Wenn’s Leuten glücklich geht und wohl,
Sein’s Muthwillens und Fürwitz voll.
So müssen’s auch sonst starke Bein’
Und wohlbesetzte Schenkel sein,
Die tragen können gute Tag
Und hüten sich für Ungemach.

Und an einem andern Orte sagt er abermals:

Weil’s Herz voll Wonn’ und Freude ist,
Schleicht Venus ein mit ihrer List,
Und wenn es keine Schmerzen hat,
Gar leicht es Wollust zu sich lad’t.

Darum bittet Salomo nicht um Reichthum, aber doch bitter er um zeitliche Nahrung, so Viel ihm zur Erhaltung seines Lebens von Nöthen ist; denn also sagt der Text: Lass mich aber mein bescheiden Theil Speise dahinnehmen. Ich möchte sonst, wo ich zu satt würde, verleugnen und sagen: Wo ist der Herr? Oder, wo ich zu arm würde, möchte ich stehlen und mich an dem Namen meines Gottes vergreifen, denn eben wie Reichthum in allerlei Wollust führet, also treibet dagegen Armuth oft viele Leute zu bösen Thaten, argem Fürnehmen und zu allen bösen Praktiken.

Diese Fährlichkeiten sollen ehrliebende Herzen in beidem Stück zuvor bedenken, ermessen und dadurch bewegt werden, dass sie von Gott ihre Nothdurft bitten und doch Dasselbige thun mit rechter Weise und gebührlicher Ordnung, wie gesagt ist: Sie sollen auch wissen, dass neben diesen Bitten um zeitliche Güter und Wohlthaten auch ehrliche, redliche und aufrichtige Arbeit gefordert werde, nach eines Jeden Amt, Stand und Beruf, wie St. Paulus oft lehret, sonderlich in der ersten Epistel an die Thessalonicher im 1. Cap., da er sagt: Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder, dass ihr noch völliger werdet und ringet danach, dass ihr still seid und das Eure schaffet und arbeitet mit euern eigenen Händen. Dieser kurze Spruch ist reich und voll weltlicher Weisheit und fleissig zu betrachten. Denn unfriedsame Leute, und die sich in alle Sachen mengen wollen, sind in allen Städten, Landen und Regimenten zum höchsten schädlich und nachtheilig, wie man Viele findet, die unfriedsame Köpfe haben, wollen regiren und machen viel neuer Ordnung, bleiben nicht bei und in ihrem Amt, und unterstehen sich, auch andere Ämter anzugreifen.

Also haben Alcibiades und Demosthenes Athen zerstört und gemacht, dass diese herrliche und berühmte Stadt in Griechenland zu Trümmer gegangen ist. Denn nur derhalben richteten sie viel unnöthigen Haders, viel unnöthigen Lärmens und Aufruhrs an, dass sie Beide unfriedsamer Natur und Gemüths waren. Darum gebeut Paulus, wir sollen still sein, nicht haderisch, zänkisch oder unruhig, das ist, wir sollen Nichts anrühren oder fürnehmen, denn das nöthig ist, und sollen uns ausserhalb unseres Berufs nichts Neues unterfahen. Seneca recitirt einen Spruch aus dem Catone, der lautet also: Kauf nicht, was du wohl brauchen könntest, sondern nur Das, was du Noth halben nicht entbehren kannst. Diese Regel soll man auch in allen Händeln halten. Wir sollen nicht allein dahin sehen, was nütz und nöthig sei anzurichten, sondern wozu man’s bedürfe, dass man’s anrichte. Und Thucydides sagt: Man muss friedsam sein und die Ruhe lieb haben und gern dieselbe helfen fördern und erhalten, und danach, wenn man Etwas muss handeln, das man nicht umgehen kann, soll man es alsdann freudig und mit Ernst thun. Man soll sich nicht bemühen, viel Ding anzuheben, und nachmals im Thum lass und faul sein.

Dies soll man auch von der Arbeit gedenken, so oft wir um leibliche Dinge bitten; denn Trägheit und Faulheit ist eine Sünde. Und was ist doch dieser Mensch für ein seltsam Thier, der nur eine unnütze Last des Erdbodens ist, der keine Arbeit und keinen Fleiss verwendet, Gottes Erkenntniss auszubreiten, oder andere ehrliche, gute Händel, deren man in diesem zeitlichen Leben bedarf, zu schützen oder zu fördern!

Ja, in der Epistel an den Titus am 3. Capitel gebeut Paulus mit ausgedrückten Worten, dass wir lernen sollen in guten Werken geschäftig sein, wo es die Nothdurft fordert, auf dass wir nicht unnütze Leute seien. Daneben sollen wir aber wissen, dass Gott die Arbeit also segnet, wenn wir’s Gebet und die Anrufung dazuthun, wie Lucä am 5. Cap. Simon Petrus saget: Auf dein Wort will ich das Netz auswerfen. Und der 34. Psalm: Da dieser Elende rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöthen. Item Joh. am 16. Cap.: Bittet, so werdet ihr nehmen.

Vom fünften Stück.

Wie man den Glauben üben soll in Dem, dass man um leibliche Dinge und zeitliche Güter bitte.

Dies ist das fürnehmste Stück in dieser Lehre von den Verheissungen. Erstlich aber soll man wissen, dass alle Zeit, wenn man um leibliche Wohlthaten oder um Zeitliches bittet, der Glaube muss vorherleuchten, in und durch welchen wir glauben, dass wir um Christi Jesu willen werden zu Gnaden angenommen und erhöret. Und damit ja solcher Glaube in uns entzündet werde und wachse, darum sind uns so mancherlei Objecta, Ursachen, Händel, Gefahr, Trübsale und Anfechtung fürgesetzt. Darum sollen wir wissen, dass man alle Zeit daneben müsse die fürnehmste und höchste Verheissung vom Mittler Christo Jesu und von der Versöhnung wiederum fassen. Darum, wenn man die Sprüche vom Glauben anzeucht, obschon die äusserlichen Objecta nicht alleweg übereinkommen, so fassen sie doch alle daneben diesen Glauben von der Versöhnung. Abraham, Jakob und David begehren und sind derhalben Schutz und Schirms von Gott gewärtig, dass sie gänzlich glauben, sie seien zu Gnaden angenommen, und werden von Gott erhöret um des verheissenen Herrn und Heilands willen. So oft du derhalben diese Worte zu Tische betest: Unser täglich Brodt gieb uns heute (dieweil uns unsere Schwachheit bald vor den Kopf stösst und spricht: Gott erhört dich wahrlich nicht, denn du bist solcher Hilfe unwürdig, dich will er wahrlich weder schützen, noch nähren), da sollst du alsbald auf die Verheissung von Christo sehen und den Glauben fassen, dass wir um des ewigen Mittlers Jesu Christi willen werden zu Gnaden angenommen und erhöret. Darum folget alsbald darauf: Und vergieb uns unsere Schuld.

Darum soll uns dieser Spruch ohne Unterlass für Augen stehen, da Paulus zu den Römern am 5. sagt: Durch den Herrn Christum haben wir einen freudigen Zutritt zum Vater. Und muss also dieser Glaube von Vergebung der Sünden um Christi Jesu willen stets und ohne Unterlass vorherleuchten. Darnach soll solcher glaube dreier Stücke gedenken, die ich droben erzählet habe, nämlich, dass Gott wolle, dass wir leibliche Dinge und Zeitliches von ihm bitten und begehren sollen, erstlich derhalben, dass wir glauben sollen, dass uns auch das Zeitliche und alle leiblichen Wohlthaten von Gott gegeben werden und uns nicht ohngefähr und zufälliger Weise widerfahren. Zum Andern derhalben, dass ihm Gott auch in diesem Leben eine Kirche erhalten will, der schaffet er Nahrung, Schutz, Schirm, Herberge und alle Nothdurft und thut Solches auf wunderbarliche Weise. Zum Dritten, dass Gott will durch diese Anrufung erkannt und geehret werden. Darum hat er uns so viele Objecta und Ursachen fürgesetzt, darum und darinnen er will gebeten sein. Er will auch, dass wir durch solche Anrufung, in der wir um Zeitliches bitten, den Glauben üben und stärken sollen. Denn wer nicht um Zeitliches bitten darf und zweifelt jetzt schon an Gottes Gnaden und Gegenwärtigkeit, wie will doch Der selbst um ewige Gaben bitten? Wie will oder wird er da können von Gottes Gnaden und Gegenwärtigkeit schliessen, da wir von allen Creaturen verlassen werden? Esaias sagt im 57. Capitel: Der ich in der Höhe und im Heiligthum wohne und bei Denen, so zerschlagenen und demüthigen Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemüthigten und das Herz der Zerschlagenen. Denn da wird der Glaube gestärkt, wenn es die Erfahrung beweiset, dass die Anrufung oder das Gebet nicht vergeblich oder kraftlos gewesen sei, wie im 34. Psalm gesagt wird: Da dieser Elende rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöthen.

Endlich will auch der ewige Gott mit Danksagung für die erzeigte Hilfe oder Erlösung geehret werden, wie in der andern Epistel an die Corinther am 1. Cap. auf’s lieblichste gesagt ist, da Paulus viele Leute heisst für sich bitten, auf dass über ihn für die Gabe, die ihm gegeben ist, durch viele Personen viel Danks geschehe. Diese Ordnung und diese Ursachen soll man alle bedenken, wenn wir um Zeitliches oder um leibliche Dinge bitten. Und es sind zwar Fährlichkeiten genug vorhanden, die Beides, gemein Regiment und einen Jeden insonderheit, belangen, die uns ermahnen und erinnern, hieran zu gedenken. Da die Kirche oder Gottes Volk am rothen Meere stand, hat wahrlich Moses gedenken müssen, ob er Gott gefiele, und warum er Gott gefiele, nämlich um des verheissenen Herrn und Heilands willen. So hat er auch mit der That erfahren, dass von Gott zeitliche Wohlfahrt und leibliche Wohlthaten eigentlich und gewiss gegeben werden. Er hat wohl gedacht, Gott wolle ihm in diesem zeitlichen Leben eine Kirche erhalten, er hat auch bedacht, Gott wolle, dass die Erkenntniss seiner Güte und Majestät in der Anrufung mitten unter solchen Fährlichkeiten und Wunderthaten in uns wachsen soll. Es steht aber die Kirche alle Zeit in hohen, wichtigen Fährlichkeiten, schier als ob sie im rothen Meere stünde. Jetzt wüthet und tobt die türkische Tyrannei wider sei, so plagen andere, vielfältige einheimische, sonderliche und eigene Beschwernisse einen jeden Gläubigen insonderheit; denn da hat Keiner keine gewisse Wohnung, so stehen viele Gläubige und Gottselige in höchster Gefahr ihres Lebens. Diese zum Theil gemeine, zum Theil eines Jeden insonderheit Seligkeit soll uns erinnern und vermahnen, dass wir von Gott Hilfe, Schutz und Schirm bitten und eben auf die Weise, davon droben gesagt ist. Wir sollen auch die droben erzählten Ursachen bedenken, damit der Glaube also geübet werde. Darnach aber, wenn wir die zeitlichen Güter und Wohlthaten erlangt haben, sollen wir ihm auch danken und wahrhaftige Dankbarkeit mit desto höherem Fleiss in allen Diensten und guten Werken beweisen.

Hie wirft uns aber die menschliche Blindheit und Schwachheit für: Wozu soll man um zeitliche Wohlfahrt, Güter und Wohlthaten bitten, so wir doch wissen, dass wir müssen also geplaget und gemartert werden, wie im Paulo geschrieben stehet, der Leib sei um der Sünden willen dem Tode unterworfen? Item, so ist’s öffentlich wahr und am Tage, dass oft auch die Heiligen aus den zeitlichen Trübsalen, Jammer und Elend nicht errettet werde, wie dem Jonathan, dem Makkabäer, und Anderen geschehen ist. So sagt Christus selbst zum Vater, Lucä am 22. Cap.: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Dieweil wir denn sollen Gehorsam, Mitleiden und Geduld Gott leisten, was hilft oder nützt denn das Bitten? Sonderlich, da ich noch zweifeln muss und nicht gewiss bin, ob ich erhöret werde? Hierauf antworte ich: Man soll und muss diese Regel gerade und stracks fassen, merken und behalten, dass der ewige Gott ernstlich befohlen habe, begehrte es auch stracks von uns, dass wir ihn sollen anrufen, und dass das Gebet und Anrufung der Gläubigen und Gottseligen nimmermehr vergeblich, unnütz und kraftlos sei, obwohl die Hilfe und Erlösung aufgezogen werde, oder sonst nicht unseren Gedanken nach einen Ausgang gewinne. So gebühret und stehet’s uns nicht zu, dass wir Gott eine Maasse oder Ordnung stellen, wann und wie er helfen soll, sondern wir sind Gott zu gehorchen verpflichtet und verbunden, wie Christus selbst sagt: Dein Wille geschehe. Aber der grösste Haufe träumt und gedenkt nicht anders, denn (dieweil sie nicht sehen, dass ihrem Gebet gemäss und Folge geschehe) es sei das Gebet und Anrufung nichts Anderes, denn nur ein vergebliches, unnützes Gemurmel. Diese gottlosen Gedanken muss man auf’s heftigste widerfechten und dergleichen Finsterniss durch gefasste Verheissung aus den Herzen treiben. Denn da sagt der 50. Psalm stracks: Rufe mich an in der Noth, so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen. Item Joh. 16.: Bittet, so werdet ihr nehmen.

Darnach sollen wir auch wissen, dass man alle Zeit müsse zwei Objecta, das ist, Gegenwürfe und Ursachen, die uns zu beten bewegen sollen, in’s Gebet, so um zeitliche Güter und Wohlthaten geschieht, einschliessen und fassen, nämlich die ganze Kirche, nachmals unsere eigene Noth. Des Gottseligen und Gläubigen Bitte erlangt alle Zeit, was sie bittet der ganzen Kirche, und also soll der Glaube schliessen, dass diese Bitte kräftig und von Gott erhöret sei, und soll nicht zweifeln, das Gebet, das für die ganze Kirche geschehen ist, wird von Gott gewiss angenommen und erhöret. Also, da David für das Kriegsvolk bittet, bitter er erstlich nicht für sich allein, sondern für die ganze Menge und ganze Versammlung; denn wir sind Dess gewiss, Gott giebt zeitliche Güter und leibliche Gaben, damit in diesem Leben eine Kirche erhalten werde. Insonderheit aber sollen wir auch für uns bitten, doch mit diesem Zusatz und Beding, dass wir uns zum Gehorsam erbieten, wie sich auch Christus anbeut, da er sagt: Doch, Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe. Also bittet auch David und ist doch daneben zum Gehorsam bereit. Denn er weiss, dass Dies Gottes Wille und Meinung sei, dass ihm in solchen Fährlichkeiten Etliche müssen Gehorsam leisten. Und dieweil dennoch das Kriegsvolk erhalten wird, kann es nicht fehlen, es müssen da viele Glieder der Kirche mit sein erhalten; den Andern aber ist ihr Jammer gelindert worden. Also nützt des Propheten Jeremiä Gebet erstlich dem ganzen Volke, wiewohl er nicht wusste, welche und wie sie der ewige Gott erhalten würde. Darnach wird’s auch ihm selbst nütze, und er war doch zum Gehorsam bereit und wusste daneben wohl, dass Gott seine Diener erhielte, bis sie ihre verordnete Zeit vollenden, item, dass er Einem eine längere Zeit gebe, denn dem Andern. Also hat Elias bei zwanzig Jahren gelehret, Elisäus bei siebenzig, Esaias bei achtzig, Jeremias bei vierzig Jahren, bis zur Zerstörung der Stadt Jerusalem, und nach solcher Zerstörung hat er seinen Übriggebliebenen von Jüdischen in Ägypten noch eine Zeit lang gepredigt und fürgestanden, bis er vom Tyrannen Aprie ist erwürget worden. Daniel hat länger, denn siebenzig Jahre gelehret, Johannes der Täufer zwei Jahr, Christus drei Jahr, der Apostel Paulus fünf und dreissig Jahr, Jakobus, der Bruder Johannis, drei Jahr nach der Himmelfahrt Christi, Jakobus der Jüngere oder Kleinere hat dreissig Jahre gepredigt, ist endlich erwürget worden, eine kleine Zeit vor der Stadt Jerusalem Belagerung. Timotheus soll erst unter dem Kaiser Nero sein getödtet worden. Wie alt Titus gewesen sei, wissen wir, wie lange er aber gepredigt habe, wissen wir nicht gewiss. Sie schreiben aber, er sei gestorben seines Alters im vier und neunzigsten Jahre. Polykarpus ist seines Alters im sechs und achtzigsten Jahre verbrannt worden; der war in seiner Jugend ein Jünger oder Zuhörer des Evangelisten Johannes gewesen. Des Polykarpi Zuhörer oder Jünger Irenäus ist zu Sirmio in Ungarn unter dem Kaiser Maximiniano erwürget worden, der bei achtzig Jahren gelebt hatte. Und diese Ungleichheit soll nun in guter Acht haben, dass wir wissen, dass Gott Einem mehr oder länger zu kämpfen hat gegeben, denn dem Andern, und dass Etlichen das Leben ist verlängert worden, auf dass es der Kirche ja an gottseligen, frommen Zeugen, Lehrern und Ausbreitern der wahrhaftigen Lehre und des rechten Glaubens und Gottesdienstes nicht mangele.

Da David bittet, Gott wolle ihn schützen und schirmen, braucht er einer sehr lieblichen Figur und saget: Verbirg mich, Herr, in deinem Gezelte, das ist, in deiner Kirche. Hie fasset er die Bitte auch für andere Leute und die Ursachen, um deretwillen er bittet, zusammen, als wollte er sagen: Schütze mich mit deiner Kirche um deiner Kirche willen, oder deiner Kirche zu gut. Denn um dieser einigen Ursache willen sind leibliche Wohlthaten, zeitliche Güter und Wohlfahrt verheissen, dass sie der Kirche dienen sollen. Um dieser Ursach willen allein bitten wir um Schutz und Schirm, dass wir der Kirche und unseren Kinderlein dienen können. Und dieweil Gott für den ganzen Leib der Kirche von uns will gebeten sein, sollen wir wissen, dass dieselbige Bitte alle Zeit Statt habe und kräftig sei, und dass sie der ganzen Kirche etwas Gutes und Heilsames erlange. Und wiewohl wir Alle sämmtlich und sonderlich sollen zum Gehorsam bereit sein, so erlangt dennoch das Gebet oft auch einem jeden insonderheit Hilfe und Rettung. Und wenn etwa ein Haufe erhalten wird, obwohl nicht Alle, muss dennoch Vielen geholfen werden und müssen Viele erhalten werden. Derhalben sollen wir uns erwecken und aufmuntern, leibliche Gaben und Wohlthaten von Gott zu bitten und die Ursachen, so droben erzählet sind, zusammenfassen. Denn Gott will, dass wir darum bitten für uns und für Andere, und will stracks, dass wir wissen und verstehen sollen, dass Beides, die gemeinen öffentlichen und eines Jeden insonderheit Jammer, Trübsal, Elend und Anliegen Strafen seien, mit denen Gott die Sünde der Welt heimsucht. Darum will er, dass wir ihn um Gnade und Vergebung der Sünden bitten und ein Mitleiden mit unserem eigenen und anderem gemeinen Jammer und Elend haben sollen. Er will auch, dass in solchen Übungen der Glaube, die Furcht Gottes und rechtschaffene Liebe Gottes in uns wachsen und zunehmen.

Das sechste Stück,

welches ist eine Application der Historie, das ist, es zeiget, worauf man die Historiam dieses Evangeliums ziehen und deuten solle.

Dass Christus seine Zuhörer speiset, damit wird uns ein Exempel dieser Verheissung gezeigt und fürgestellt, die Matth. am 6. steht und also lautet: Trachtet zum Ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so soll euch das Andere Alles zufallen. Mit solchem Glauben sollen wir Christo nachfolgen, mit ganzem Fleiss nach göttlicher Gerechtigkeit zu trachten und in Ausbreitung des heiligen Evangeliums treulich anhalten und von dem Sohne Gottes Hilfe, Nahrung, Schutzes und Schirms gewärtig sein.

Dass er’s aber heisst die Apostel austheilen und die übrigen Brocken sammeln, vermahnet er die Regenten der Kirche, dass sie ja sollen verschaffen, dass Almosen gegeben werde und wissen, dass zeitliche Güter durch Almosengeben nicht gemindert, sondern gemehret werden. Und heimlicher Weise bedeutet es auch die Lehre des Evangeliums, die sollen die Doctores und Lehrer der Kirche dem Volke fürgeben, die übrigen Brocken aufsammeln und daneben verschaffen, dass die rechtschaffene Predigt und Auslegung der Schrift weit ausgebreitet werde, damit das Licht der wahrhaftigen reinen Lehre nicht verlösche, sondern auch unseren Nachkommen gelassen und erhalten werde. So werden durch solchen Fleiss und dergleichen Übung auch die Lehrer selbst geschickter und gelehrter. Die Körbe bedeuten die ehrlichen Künste, Sprachen und Schulen, in denen man die Lehre aufheben, bewahren und behalten muss.

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