Melanchthon, Philipp - Am sechzehnten Sonntage nach Trinitatis. Evangelium Luk. 7, 11 - 17.

Melanchthon, Philipp - Am sechzehnten Sonntage nach Trinitatis. Evangelium Luk. 7, 11 - 17.

Wunder werden erzählt, um 1) Zeugnisse der Lehre, 2) Zeugnisse der Verheißungen zu sein, und 3) zur Anwendung zu ermahnen. Das ist das Vornehmste in Seiner Geschichte, daß die Kirche Zeugnisse hat, daß diese Lehre von Gott geoffenbart ist, und solche Zeugnisse, welche der Teufel nicht nachahmen kann. Alle! Religionen, auch die falschen, haben ihre Wunder, weil der Teufel aufs listigste die Werke Gottes nachahmt; - - aber er kann doch nicht alle Werke Gottes nachahmen.

Keine Religion hatte Todtenerweckungen; sie sind der Kirche eigenthümlich. - Todte wieder beleben ist allein Gottes Werk. Kein Geschöpf vermag dieß nachzuahmen. Wenn Elias, Elia und die Apostel Todte erweckten, so that dieß Gott durch Seine Macht, und auch Christus weckte durch göttliche Kraft Todte auf; es war dieselbe jedoch Seine eigene, weil nur die Schöpferkraft Solches thut. Jene Todtenerweckungen aber bezeugen die Lehre, welche Christus, Elias, Elisa und die Apostel vorgetragen, denn sie sind Zeugnisse, daß Gott der Urheber und Bestätiger derselben ist. Wir sollen es wohl erwägen, wie hochwichtig es ist, daß Gott also Sich geoffenbaret hat, zugleich aber auch beherzigen, daß nicht umsonst der Naturlauf an eine bestimmte Ordnung gebunden worden, daß jedoch jene gesetzmäßige Entwickelung der Natur von den Wundern, als außerordentlichen Wirkungen zu unterscheiden ist. Wiewohl die Ordnung selbst auch ein Zeugniß von Gott ist, so hat Er doch vornehmlich auch aus dem Grunde eine beharrliche Ordnung der Natur begründet, damit Er, indem Er auf verschiedene Weise Seine Wirksamkeit erweist, als der Herr der Natur sichtbar werde. Gott thut Beides; Er erhält eine gesetzmäßige Ordnung in der Natur; Er hat dir befohlen, du sollst essen. Thätest du das nicht, so würdest du bei übrigens gleichen Verhältnissen zu Grunde gehen, zumal wenn du aus Vorwitz der göttlichen Anordnung nicht Folge leisten wolltest. Zuweilen aber erweist Er Sich in Wirkungen, die sichtbar aus dem gesetzmäßigen Naturlaufe heraus treten, damit Seine Herrschaft über die Natur anschaulich werde, und damit wir wissen sollen, daß Er, als Herr der Natur, Solches thue und bewirke, „daß wir wissen, wo es herkomme,“ d. h., um uns von dem Dasein eines allmächtigen und noch weit höhern Wesens, als die allgemeine, nach beharrlichen, Gesetzen geregelte Kraft der Natur ist, wiewohl auch diese von Gott ist, zu überzeugen. Diese Ordnung in der Natur, sollen wir nun mit Aufmerksamkeit wahrnehmen, und wissen, daß sie auch zu dem Zwecke gegründet worden ist, um ein Zeugniß von Gott zu sein. Es gewinnt aber dieses Zeugniß größere Klarheit, wenn man es mit den entgegengesetzten vergleicht, wie denn überhaupt durch die Vergleichung des Gegentheils Alles klarer und lichtvoller wird. Wenn wir Handlungen von entgegengesetzter Beschaffenheit wahrnehmen, dann steht der Urheber Beider vor unsern Augen: eben jener allmächtige Schöpfer, der die gesammte Natur in Seiner Hand beschließt. Zugleich müssen wir den Satz, der von der höchsten Wichtigkeit ist, beherzigen, daß Gott ein unbedingt freiwaltendes Wesen ist. Im Naturlaufe und in der allgemeinen Ordnung der Dinge treten oft Verknüpfungen von Umstanden ein, die der Mensch nicht zu entwirren vermag; doch Gott schreitet ein, und mildert die unwandelbar strenge Ordnung, und viele Menschen werden täglich durch große Wunder errettet, die wir oft gar nicht wahrnehmen. Es kann aber gewiß Jeder in seiner Geschichte solche traurige Lagen auffinden, in denen ihm jenes Wort des Psalm Erfahrung wurde: „Wo der Herr nicht bei uns wäre, so ersäufete uns Wasser; - so verschlängen sie uns lebendig.“ - „Du erhebest mich an den Thoren des Todes, auf daß ich erzähle alle Deinen Preis.“ (Pf. 124, 1.4. und 9,4,) Das wollen wir bei unserm Gebete festhalten, wo uns oft solche Gedanken stören: Ach, was betest du? Ist doch das Alles nach unabänderlicher Ordnung so bestimmt, und es geschieht, wie es einmal bestimmt und angeordnet ist. Aber eben so gewiß waltet Gott mit unbeschränktester Freiheit, und lenkt und ermäßigt den allgemeinen Lauf der Natur, den du dir denkst, und doch nicht völlig verstehst, in vielen Fällen nach besondern Umstanden. Wir haben nicht einmal eine vollkommene Einsicht in die Leitung der Natur, um wie viel weniger können wir die übrigen Werke Gottes wahrnehmen und verstehen! - Das ist die oberste Wahrheit in dieser Geschichte, und wir dürfen solche Zeugnisse nicht gering achten, sondern sollen Gott für jene Offenbarungen danken. -

Unser Evangelium versetzt uns nach Nain, in dem reizenden Galiläa, nahe bei dem Berge Thabor, - und es ist wohlthätig und erhebend bei der Betrachtung der Oertlichkeit gleichsam die Spur Christi einzunehmen, wo Seine Füße gewandelt, als Er jenen Jüngling vom Tode erweckt, und so gleichsam gegenwärtig und als Augenzeuge jene Wunderthat zu schauen, in welcher sich Seme Gottheit dem-Menschengeschlechte offenbarte. Christus zeucht nicht daher wie Alexander, mit 100.000 gerüsteter Mann,„ und dennoch hat Er eine große Zuschauermenge um Sich, denn es muß das Evangelium Zeugen haben; „es müssen Zeugen sein,“ daß Gott auf solche Weise dem menschlichen Geschlechte Sich kund thut. Solche erhabene Werke Gottes nicht betrachten, oder bei dem Nachdenken über dieselben keinem tiefem Eindruck Raum geben wollen, wahrlich, das verräth die gräulichste Stumpfheit! Möge Gott unsre Herzen zu ernster fruchtbarer Betrachtung wenden, „daß wir nicht so grob und wild sein, wie itzt die Welt ist!“ -'Kehren wir denn zur Geschichte zurück, in welcher, wie schon gesagt worden, ein solches Werk uns entgegen tritt, welches keine Kreatur, weder Engel noch Teufel nachzuahmen im Stande ist. Darum ist es ein Zeugniß, welches, in uns die Ueberzeugung bekräftigt, daß die im Evangelium dargebotenen Verheißungen der Wille Gottes sind, und daß Gott, wie Er in Seinen Verheißungen gesprochen, die Kirche sammeln und erhalten wolle. Nächst dieser Hauptlehre gibt es auch einige eben so wichtige und wesentliche Erinnerungen, wie die sogleich im Evangelium gegebenen: „Des Weibes Same wird der Schlange den Kopf zertreten“ (1. Mos. 3,15.), und: „dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß Er die Werke des Teufels zerstöre.“ (1. Joh. 3,8.) Diese Todtenerweckung beweist aber eben, daß der Sohn Gottes gekommen ist, um den Tod aufzuheben und die Ursache des Todes zu vernichten; denn durch die Sünde ist der Tod. Beide sind das Werk des Teufels, und daß der Sohn Gottes diese zerstört, daß Er dem Tode die Macht genommen hat, daß Er uns durch dieses Leben trägt, und einst das unvergängliche Leben uns schenken wird; dieser hohe Trost wird uns in dieser Wunderthat bestätigt.

„Nun steht die Mutter vor uns in großer Bekümmerniß.“ Das arme Weib ist eine Witwe und hat nur diesen einzigen Sohn. Er stirbt als Jüngling. Welchen Schmerz sie bei seinem Tode empfunden, das können nur Die sich vorstellen, die selbst Aeltern sind, und die heiße unaussprechliche Liebe der Aeltern zu den Kindern kennen, welche in ihrer erhabensten Bedeutung als ein Zeugniß von der Liebe Gottes gegen den Sohn, und gegen uns Menschen aufzufassen ist. Je größer aber die Liebe der Aeltern zu den Kindern, desto größer ist ihr Schmerz, wenn sie dieselben unglücklich, oder durch den Tod sich entrissen sehen. Darnach ist die Größe des Schmerzes jener Mutter zu bemessen. Der Sohn Gottes wird dadurch in Seinem Innersten bewegt, „es jammerte Ihn derselbigen,“ sagt der Text (das griechische Wort drückt das tiefinnerste Ergriffensein, das schmerzlichste Mitgefühl, das tiefste Mitleid aus), und Er sprach zu ihr: „Weine nicht!“ Dieß führt uns auf den Unterschied zwischen philosophischen und evangelischen Trostgründen bei dem Tode geliebter Menschen.

Wir sinken der erstem viel bei Cicero, Plutarch und Seneka. Sie sind aber von den christlichen Trostgründen wohl zu unterscheiden. Sechs Hauptquellen sind es vornehmlich, aus welchen die Philosophie ihre Trostgründe entlehnt: Die Nothwendigkeit, der Tugendwerth, das gute Gewissen, das Beispiel, die Endabsichten, und die Vergleichung möglicher Fälle. Wenn Cicero Jemand im Bürgerkriege tröstet, so schließt er erstlich von der Nothwendigkeit. „Das ist gleich, als wenn man einen Dieb an Galgen führet, so sagt man: Es kann nicht anders sein! Das ist ein jämmerlicher Trost. Es thut Einem so viel desto unsanfter, daß es also sein muß.“ Es wird jedoch dieser Trostgrund deßwegen vorgetragen, damit wir nicht den Schmerz durch fruchtloses Widerstreben vermehren. “ Beim Weinen und Klagen kommt Nichts heraus,„ sagt Homer; das ist die Nothwendigkeit. Ein zweiter Hauptquell ist der Werth der Tugend. Der Mensch soll in der Ueberzeugung handeln, daß die Tugend besser, als alle andern Güter ist, und deßhalb nicht gegen die Tugend handeln. Cato, indem er sich entleibt, handelt gegen die Tugend, gegen die Gerechtigkeit; er hatte seinen Schmerz mäßigen müssen. Cicero sagt in Beziehung darauf, man müsse den Schmerz brechen, wenn er gegen die Tugend, gleich als gegen eine Klippe anstoße, d.h., der Mensch muß Gegenwart des Geistes auch bei widrigen Umstanden behaupten. Es ist schön, wenn der Mensch mitten im Unglück Selenruhe sich bewahrt.

„Des Weisen Würde überstrahlt das Ungemach.“ - sagt der Vers, und Aristoteles spricht: „Das Schöne leuchtet im Unglück.“ David läßt sich durch die Verbannung nicht aus seiner innern Haltung werfen; er legt nicht, wie Saul, die Hand an sein Leben, sondern handelt in Allem, wie es dem wahren Manne geziemt. Mit Ruhe und Fassung erwartete Sokrates den Tod.

Der dritte Quell der philosophischen Trostgründe ist das gute Gewissen. Dieses ist ein großer Trost, während hingegen das böse Gewissen das Uebel verdoppelt. Die äußere Noth ist an sich schon ein Uebel; aber es tritt noch ein inneres Uebel hinzu, nämlich die Gewissensqual, welche das Wesen des ewigen Todes ausmacht. Trefflich sagt der Dichter: „Wahrlich es hat einen Werth, im Unglück ledig der Schuld sein.“ „Denn wie Jeglichem ruhet im Innern der Thaten Bewußtsein,“ „So empfindet im Busen die Furcht er, oder die Hoffnung.“
(Ovid. Fast. I. 484.)

Die vierte Trostquelle ist das Beispiel. „Wenn Einer allein leiden soll, wird's zumal schwer;“ wenn aber Viele leiden, so bestimmt uns die Gleichheit mit Andern, daß wir unsere Last leichter ertragen, weil Gleichheit Gerechtigkeit ist. Das ist nun freilich auch so ein Trost, wie ihn das Sprichwort hat: Ein allgemeiner Schiffbruch ist für den Einzelnen Trost. Wenn ein allgemeines Uebel kommt, dann fordert uns das Beispiel auf, unsern Schmerz zu mindern, „wenn's schon unsanfte thut.“

Fünftens sucht die Philosophie Trost im Hinblick auf die Endabsichten, nämlich, daß oft der Nachtheil des Einzelnen Vielen zum Nutzen gereicht, wenn z. B. der Krieger im Kampfe für das Vaterland umkommt.

Der sechste Trostquell ist die Vergleichung möglicher Fälle. Es ist besser, in der Schlacht fallen, als in schmähliche Knechtschaft gerathen. Man vermeidet in dieser Welt kein Uebel, ohne andern Uebeln und Nachtheilen sich auszusetzen. Einer wähle, was er wolle, er geräth dennoch in einige Widerwärtigkeiten. Man könnte noch einen siebenten Quell des philosophischen Trostes hinzusetzen, nämlich die Hoffnung eines glücklichen Ausgangs. Doch ist diese Hoffnung gar sehr unsicher und zweifelhaft. So heißt Theokrit den Battus nur getrost hoffen,

„Weil morgen vielleicht sich günstiger zeige das Schicksal.“

„Also sind alle diese Trostgründe nur klägliche Todtenlieder; ist kein rechter Trost, gibt kein Leben noch Freude.“

Wenden wir uns darum zu den christlichen Trostgründen. Da haben wir vor Allem zwei Trostgründe hinzuzufügen, die dem Christenthum wesentlich eigen sind, nämlich das Bewußtsein der Gegenwärtigkeit Gottes; das fasset Viel, weil darin zugleich die Vergebung der Sünden begriffen ist, - und die gewisse Hoffnung der endlichen Befreiung oder Erleichterung. Aus diesen beiden Trostquellen fließt neues Leben. Der philosophische Trost ist bloß ein gesetzlicher, nicht ein evangelischer; doch findet in der Kirche auch der gesetzliche Trost heilsame Anwendung. Er verweist auch zuerst auf die Notwendigkeit; aber diese Nothwendigkeit wird in Beziehung auf den Willen Gottes aufgefaßt. Diese Frau soll denken: Dein Sohn ist gestorben nach dem Willen Gottes, und du sollst Gott willig sein, zu Folge dem Worte: „Demüthiget euch unter die gewaltige Hand Gottes.“ (1. Petr. 5, 6.) „Es ist mir lieb, daß Du mich gedemüthiget hast, daß ich Deine Rechte lerne.“ (Ps. 119, 21.)

Die Würde der Tugend „ist auch sein.“ Christen sollen nicht gegen die Gerechtigkeit handeln, sollen Nichts im Schmerze begehen, was den Vorschriften Gottes zuwider ist. Mir begegnen oft Sachen, die mir weher thun, als der Tod; dennoch darf ich mir deßhalb nicht das Leben nehmen; ich darf mich nicht schimpflich wegwerfen, darf Nichts gegen den Wohlstand begehen. „Seid nicht traurig wie die Heiden,“ sagt Paulus, „die keine Hoffnung haben..“ (1. Thessal. 4, 13.) Wir sollen uns dem Schmerze nicht hingeben, sondern demselben widerstehen, denn „die Traurigkeit tödtet viele Leute, und dienet doch nirgend zu.“ (Sirach 30, 24.) Nicht dem Schmerz uns überlassen, sondern ihn bekämpfen sollen wir, und den Frieden Gottes uns bewahren, daß derselbe „in unsern Herzen regiere,“ und: „stille sein dem Herrn.“ (Kol. 3, 15. Psalm 37, 15.)

Auch das gute Gewissen mildert den Schmerz des Christen. „Wenn ich weiß, daß ich nicht wegen eigener Vergehungen leide, so leide ich mit desto ruhigerem Gemüth“ Aber hier muß der Trost des Evangelium eingeschaltet werden, und zwar erstlich das Bewußtsein der erbarmenden Nähe Gottes, daß nämlich Gott in Wahrheit bezeugt, Er wolle den Bekümmerten und Angefochtenen beistehen, nach dem Worte: „Wo wird der Herr wohnen, außer bei denen, so zerschlagenen, demüthigen Geistes sind?“ (Jes. 57,15.) Wenn du nun in großer Traurigkeit bist, wenn du dich von der ganzen Natur ausgestoßen wähnst, so bist du dennoch Gottes Wohnung, wofern du nämlich im Gebete Ihn ergreifst, nach dem Worte: „Rufe Mich an in der Noth!“ (Ps. SO, 15.) Diese Gewißheit der erbarmenden Nähe Gottes schließt zugleich die Gewißheit der Vergebung der Sünden und der Hilfe oder Linderung in sich. Es erfolgt dieß nach einem nothwendigen Zusammenhange. Jonathan ist fest überzeugt, daß Gott mit ihm ist, daß ihm alle seine Sünden vergeben sind; er empfindet, daß ihm der schwere Gang zum Tode erleichtert wird, zumal da er nicht, wie sein Vater, diese Todesart verschuldet hat, sondern nach einem besondern Rathschluß Gottes auf diese Weise der Erde entnommen wird. Hieran laßt uns noch einige, Sprüche schließen: „Der Herr ist nahe Allen, die Ihn anrufen.“ (Ps. 148, 18.) „Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind.“ (Ps. 34, 19.) Christus bekräftigt dieß durch Sein Beispiel. Er tröstet das Weib, und bestätigt durch die Wiederbelebung des Jünglings selbst die Wahrheit der Verheißung. Dazu muß aber auch die Hoffnung der endlichen Befreiung von allem Uebel kommen. Gott will die Noth, die in der Zeit dich drückt, mildern, und endlich dich ganz frei von derselben machen und das ewige Leben dir ertheilen. Jonathan weiß, daß er in das ewige Leben hinüber geht. “ Dieß ist ein rechter Trost,„ weil der Gegenstand desselben ein unbedingtes, und zugleich ein dauerndes, unvergängliches Gut ist. So versichert auch Hieb, daß zu Gott seine Hoffnung stehe, auch wenn Er ihn tobten sollte. (Hiob 30, 23, vergl. 19, 25.) An diese wahren christlichen Trostgründe mag man noch anschließen das Beispiel: Wenn Christus Leiden erduldet hat, so wollen auch wir dulden und tragen wie Er. Ferner die Endabsichten: Wir wollen zur Ehre Gottes der Leiden Bürde tragen, damit Gott erkannt und verherrlicht, und der Nächste durch unser Beispiel befestigt werde, ja damit auch wir, wenn wir in den Tagen der Noth zu Gott beten, Ihn immer vollkommener erkennen. Endlich noch die Vergleichung möglicher Fälle in der Zukunft: Wäre Jonathan nicht in jener Schlacht umgekommen, so würde er vielleicht wegen des Königsthrons mit David in Streit gerathen und darin umgekommen sein. Gott beschloß, ihn gnädig hinweg zu nehmen, um ihn vor einem solchen Ende zu verwahren. Denn es würden ohne Zweifel ränkevolle Verleumder Eifersucht und Zwietracht zwischen diesen beiden edlen ausgezeichneten Männern angefacht haben. Auf diese Weise sollen wir die Uebel der Gegenwart tragen, und immer denken, daß uns, wenn wir gerade dieser Noth entgangen wären, vielleicht eine andere weit größere würde betroffen haben.

Also sehen wir, daß auch in der Kirche der Trost des Gesetzes seine Stelle einnimmt. Vor Allem aber ist der Trost des Evangelium ins Auge zu fassen. Jene Mutter, obwohl sie trauert um den Sohn, weiß doch, daß er in der Hand Gottes, und darum nicht gänzlich ein Raub der Vernichtung geworden ist. Es tröstet sie aber Christus auf eine ganz besondere Weise. Er ruft ihren Sohn ins Leben zurück. Wohl werden wir zu diesem Leben nicht Alle wieder erweckt, aber es ist dieß auch nicht nothwendig, da ja die Menschen für ein anderes Leben geschaffen sind. Genug ist's, daß solche Beispiele zur Bekräftigung der evangelischen Verheißungen vorhanden sind. -

Noch zwei sehr bedeutungsvolle Umstände sind zu berühren. Christus tritt hinzu, und rührt den Sarg, d. h. den Tod an, und heißt ihn still stehen. „Ist zumal ein schönes Bild;“ der Sohn Gottes ist der Mann, der dem Tode Stillstand gebietet, d. i., seinem Walten ein Ende macht! Er rührt den Sarg an, d. h, er übernimmt die Leidenslast, und duldet harter, als kein Anderer im menschlichen Geschlechte. Er unterwirft Sich dem Vater, erniedrigt Sich unter alle Menschen, empfindet größere Schmerzen, als kein anderer Mensch; dennoch aber ist Er des Todes Besieger, wie der Prophet spricht: „Tod, Ich will dir ein Gift sein; Hölle, Ich will dir eine Pestilenz sein.“ (Hoseas 13, 14.) Wir dürfen nun mit Recht der festen Ueberzeugung sein, daß um des Sohnes Gottes willen und durch Ihn die Sünde weggenommen und das Leben uns wiedergeschenkt wird, und wenn wir nur durch diesen Glauben uns aufrichten, dann wird uns die Wahrheit des Wortes eigne, unmittelbare Erfahrung: „Das ist das ewige Leben, daß sie Dich, daß Du allein wahrer Gott bist, und Den Du gesandt hast, Jesum Christum erkennen.“ (Joh. 17, 3.) „Die Lehr' sollen wir wissen und practiziren in wahren schmerzlichen Bußkämpfen.“

Ferner wird gesagt,: daß Er ihn seiner Mutter gegeben. - Sie hatte durch seinen Tod alles Eigenthumsrecht an ihn verloren. Wenn du einen, von den Türken gefangen weggeführten, übrigens dir unbekannten Menschen, denselben wieder abgewännest, so wäre er dein; du hättest gleiche Gewalt über ihn, wie Jener, dessen Gefangener er zuvor gewesen. Gleichermaßen ist auch jener wieder belebte Jüngling von Christo aus der Gefangenschaft gewonnen, d. i. dem Tode entrissen worden. Christus hat ihn dem Tode abgefangen und dem Leben wieder gegeben; er ist Sein. Doch der Sohn Gottes eignet Sich Nichts zu, was dem Staate oder dem Hauswesen angehört. Er gibt den Sohn seiner Mutter wieder, weil Er ja kein Lebensverhältniß, sei es ein bürgerliches oder ein häusliches, stören will. Er setzt ihn wieder in sein Haus, damit er sowohl gegen seine Mutter, als auch gegen den Staat, dem er angehört, seine Pflichten erfülle. „Ist auch ein sein Bild.“ Der heilige Gottessohn weist dem Einen in der Kirche, dem Andern in der Staatsverwaltung, einem Dritten innerhalb des Hauses seinen Wirkungskreis an; da sollen wir auch arbeiten. Er gründet nicht ein neues Reich in diesem Leben; Er übergibt dich deinem Vater, daß du Ihm in deinem Berufe Folge leisten, in Kirche, Staat oder Haus Ihm dienen sollst. Denn in jedem dieser Berufskreise will Er, daß der Glaube geübt und befestigt werden soll. - So wollen wir denn mit Ernst und Treue unsern Beruf umfassen, sollte er auch manches Widerwärtige mit sich führen, wollen in unverfälschter Lehre bleiben, ein unbeflecktes Herz, das nicht mit schmerzlichen Wunden zum Gebete sich schickt, uns bewahren, und in stiller Anspruchslosigkeit unsre Lebenspflichten erfüllen!

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