Eck's Entschuldigung wegen dessen, was ihm Phil. Melanchthon, der Wittenbergsche Sprachkunstlehrer, über der Leipziger Disputation beigemessen.

Eck's Entschuldigung wegen dessen, was ihm Phil. Melanchthon, der Wittenbergsche Sprachkunstlehrer, über der Leipziger Disputation beigemessen.

Johann Eck dem geneigten Leser seinen Gruß!

Da ich auf der löblichen Leipziger Universität mit dem Pater Martin Luthern und Andrea Carlstaden über wichtige theologische Sachen disputirt hatte, und es von des durchl. Fürsten Herzogs George zu Sachsen rc. und der Leipziger Universität Räthen, dahin gemittelt worden, daß unsre Disputation nicht im Druck ausginge, ehe denn die zu erwählenden Richter geurtheilt hätten, wer von uns dem christlichen Glauben gemäß oder zuwider geredet hätte: hat sich dennoch der Wittenbergische Sprachlehrer Philippus, der gar fein Griechisch und Latein verstehet, erkühnet, einen Brief auszugeben, mich anzugreifen, und mit vielen Namen, nicht meine, sondern des Glaubens Sache zu beschmitzen; und sich das Amt, welches wir der Universität zu Paris aufgetragen, herauszunehmen. Welchem ich antworten muß, nicht um meinet-, sondern um der Einfältigen willen, daß sie nicht durch süße Worte verführet oder in Irrthümer gestürzt werden. Ich will aber das Brieflein mit kurzen Anmerkungen durchgehen. Du wirst es Dir, geneigter Leser, gefallen lassen, Uno ein wenig Zeit darauf wenden, sie zu erwägen.

1) Philippus schreibt: Ich hätte vor des Durchl. Fürsten ernannten Commissarien erst viel Wesens machen wollen, es wäre dieß der Disputirenden Recht, daß Nichts aufgeschrieben würde. Das misset er mir fälschlich bei. Denn ich habe vor den Commissarien dergleichen nie erwähnet; ich habe allezeit gesagt: ich sähe ganz gerne, daß die Notarien Alles ausschrieben. In besondern Gesprächen aber habe ich wohl gesagt, des Disputirenden Gemüth würde dadurch matt, wenn erst lange geschrieben würde, und der Witz würde nicht so angespannet, wie es der Eifer oder Hitze einer Disputation erforderte. Das werden die Commissarien des Durchl. Fürsten, und das ganze Concilium der Universität bezeugen.

2) Vom freien Willen, sagt er, wäre aufs Tapet gebracht worden: Ob wir auf eine billig mäßige Art (de congrao) die Gnade verdienten. Da dieß die Frage war, so misset er mir bei, daß ich auf eine ganz andre Sache, als Carlstad's Vorhaben war, ihn gezogen, ob nämlich die Gnade für sich allein das gute Werk wirke. Wie unverschämt er aber das thue, kann ein Jeder sehen, der meinen siebenten Schluß (Satz) liest: Derjenige irret, welcher sagt, daß der freie Wille des Menschen nicht Herr über seine Handlungen sei, weil er sich nur zum Bösen wirksamlich verhalte, zum Guten aber leidender Weise. Und hat da kein Schluß (oder Satz) Etwas vom Verdienst des Billigmaßigen gehandelt. Am Ende aber haben wir ein wenig disputiret, wie es um einen Menschen stünde, der da thut so viel an ihm ist. Das kühne Männlein aber hat sich nicht gescheut, D. Erasmus in der Ausgabe des N. T. zu richten, und maßt sich dahero auch hier des Richteramts an und spricht: Carlstad's Meinung sei fest und unwiderlegt geblieben. So viel weiß ich, daß Carlstad endlich eingeräumt: der Wille habe eine Wirksamkeit zum guten Werke. Ich aber fälle kein Urtheil, denn ich bin Partei, und nicht Richter. Und doch darf das kühne Männlein sagen: Ich habe aus Bernhards ungeschickte Dinge angeführt. Wenn die Disputation einmal herauskommen wird, so wird man sehen, ob der Sprachkunstlehrer recht gesagt.

3) Da ich gesagt, daß das gute Werk ganz von Gott, wäre, aber nicht auf gänzliche Weise (totaliter), so lacht der Sprachkunstlehrer darüber, als über einen Fund, der sich gar für die theologische Majestät nicht schicke, da ich mich doch in der Disputation deutlich erkläret habe. Er weiß nicht, daß das Wesen Gottes von einem Seligen (im Himmel) ganz gesehen werde, aber doch nicht auf gänzliche volle Weise, weil sie der Selige nicht ganz begreifen oder fassen kann. Das Wesen der Hauptart ist ganz in einer darunter stehenden Art, aber nicht auf gänzliche Weise, weil sie auch in einer andern befindlich ist. So ist die Seele auch ganz in der Hand; doch nicht so, daß sie nicht auch im Fuße sei. So ist das gute Werk ganz von Gott; doch nicht so, daß es nicht auch vom freien Willen sei, weil sie zugleich wirken, nicht wechselweise, zusammen, nicht einzeln. Das sagt Bernhardus ausdrücklich auf eine sich zur Sache überaus wohl reimende Weise.

4) Er wirft mir vor, daß ich Vieles grob wider Lutherum geredet, und kurz Alles gethan, um Lutherum beim Volke verhaßt zu machen. Daß das falsch sei, wissen alle redliche Zuhörer. Und meinen Grund wider Lutherum, vom Haupt der Kirche, ziehet er verstümmelt an.

5) Meldet er: daß Hieronymi und Cypriani Stellen von mir als echt angezogen worden, die doch in Zweifel gezogen würden. Siehe mir den Tadler an! Hieronymum habe ich angeführt, L. I. c. Jovinian. col. 18., Cyprianum epist. ad. Pupian. L. 4. epistol. Es lese sie der fleißige Leser, und urtheile, ob ich einen zweifelhaften Ort von Petri oberster Hoheit vorgebracht, mit andern gleichstimmigen Stellen. Ich habe ja durch Martini Handschrift (oder vielleicht, was von ihm aufgeschrieben worden) bewiesen, daß Cyprianus an demselben Ort glaube, daß die Kirche auf Petro gegründet sei. Doch gehört das für die Richter.

6) Er spricht gar hämisch: Ich hätte mich mit Bernhardi Zeugniß ad Eugenium breit gemacht; als ob nämlich solch Zeugniß nicht Viel zu sagen hätte. Ich halte mehr auf den einzigen H. Bernhardum, als auf Philippum und allen seinen Anhang. Wenn Bernhardus in selbigem Buche Etwas für Lutherum gesagt hat, so mag er sich's zuschreiben, wenn er's nicht angezogen. Es ist gewiß, daß Bernhardus in Allem wider Lutheri Meinung ist.

7) Von der Stelle Matthäi: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen rc. bringt er ganz wohl vor, daß Lutheri Meinung mit vielen wahrscheinlichen Gründen dargethan worden. Aber das verschweigt er, daß ich aus Augustino, Hieronymo, Ambrosio, Leone und Andern angezogen, daß dieser Fels Petrus sei. Doch gehöret das für die Richter. Aber das ist wunderlich, daß er nicht allein mir, sondern auch Luthero etwas Falsches beimisset: er hätte nämlich geantwortet, Christus, da er Petro gesagt: „Weide meine Lämmer,“ habe hernach den Aposteln gleiche Gewalt gegeben, da er gesagt: „Nehmet hin den heiligen Geist“ rc. Aber so gehts, wenn der Schuster mehr wissen will, als von seinem Leisten; denn Martinus würde, nach seiner großen Gelehrsamkeit, keinen so schändlichen Fehl begangen haben. Hier muß ich D. Martinum entschuldigen, daß er nicht so geirret.

8) Tadelt er, daß ich D. Martino die Ketzerelen der böhmischen Rotte und andre dergleichen Verbrechen beigemessen. Er verschweigt aber, daß ich solches für den christlichen Glauben thun müssen, da er (Lutherus) behauptet, daß einige Artikel des Ketzers Johann Hussens, so auf dem Costnitzer Concilio verdammt morden, recht christlich und evangelisch wären: welches, wie klüglich es von ihm geschehen, wie Philippus haben will, mögen die Richter erkennen.

9) Er misset mir bei: Ich hätte die Apostel wohl im Apostelamt gleich gemacht, aber nicht zu gleichen Bischöfen. Das ist des Sprachkunstlehrers Traum, und keine Eckische Rede oder Spruch. Ich habe gesagt: sie wären gleich gewesen im Apostelamt, Priesterthum und Bisthum, aber nicht in der Gewalt, (commissione) und Verwaltung des Regiments. Welches der H. Leo, Hieronymus und Cyprianus wollen. Darum ich des Buchstäblers elenden Schluß verachte.

10) Er spricht: Ich halte dafür, Christus habe sie als Apostel erwählet; Petrus aber als Bischöfe geordnet. Das hat er etwas tölpischer vorgetragen, als ich es gegeben. Meine Meinung ist diese gewesen: Ich erinnere mich nicht, gelesen zu haben, wo die Apostel zu Bischöfen ordinirt worden; die gemeine Meinung ist, daß sie bei dem letzten Abendmahl zu Priestern geordnet worden; darum könnte ich ihre Ordination zu Bischöfen wohl Petro, als dem obersten Kirchenherrn, beilegen, weil viel geschehen, so nicht geschrieben ist.

11) Von dem allgemeinen Bischof bringt er meine Widerlegung verstümmelt bei, weil die Worte des Decrets des H. Gregorii seine sind, der sich um dieser Sache willen dem Kaiser widersetzt hat, wie Platina schreibt. Das mögen die Richter beurtheilen.

12) Schmähet der Sprachkünstler wieder: daß ich den Zweck der Frage vom Fegfeuer nicht getroffen, nämlich von der Gewalt des Papstes über das Fegfeuer, sondern etwas Anderes hergeleiert. Hier macht das Sprachmännel ein groß Gewäsch. Der Zweck der Frage war der sechste Schluß: daß nämlich die Selen im Fegfeuer nicht genug thäten für die Strafen der Sünden. Das war damals meine Sache. Im zwölften Schluß aber stehet die Frage, deren der Buchstabenlehrer gedenkt. Doch gestehe ich, da ich tiefer in Schluß hinein kam, hat D. Martinus gesagt: Es werde aus der Schrift nicht bewiesen, daß ein Fegfeuer sei, ob er gleich wüßte, daß ein Fegfeuer sei. Ich habe alsdann die Mühe über mich genommen, das Fegfeuer aus der Schrift zu beweisen.

13) Saget er spöttisch: die Rede schicke sich schön für einen Theologen, daß nämlich das Buch der Maccabäer so viel gelte, als das Evangelium. Aber auch hierin mißt mir der Buchstabenlehrer etwas Falsches bei. Denn das habe ich angeführt, daß die Bücher der Maccabäer zum Streit taugten, weil St. Augustinus L. 11. c. 8. de Civ. D. und Hieronymus in Prolog. und in den Decreten sage, dasselbe Buch sei wohl bei den Hebräern nicht im Canon, aber die Kirche habe es doch in den Canon aufgenommen: eben als wie wir jetzt nicht wissen, da viel Evangelia geschrieben worden, welche von göttlicher Glaubhaftigkeit sein, wenn wir nicht die Gutheißung der Kirche, die nur vier Evangelia gelten läßt, und die andern verwirft, hätten. Also muß auch das Buch der Maccabäer bei einem Christen, wegen Gutheißung und Annehmung der Kirche, unzweifelhaft gewiß sein. Es ist Augustini Spruch bekannt: Ich glaubte dem Evangelio nicht, wo rc.

14) Hält der Sprachkünstler für höchst unrecht, daß ich Matth, 5 durch Kerker das Fegfeuer verstanden haben wolle, und wünscht, daß der Pöbel besser gelehrt werde, als durch solche Auslegungen. Aber sage mir einmal, du staubichter Schulmeister! ob du für unrecht haltest, die Schrift zu erklären, wie der Herr Ambrosius gethan hat, der einen gleichen Ort im Luca eben so erklärt. Spottest du also St. Ambrosium, und wünschest den Christen noch einen bessern Ausleger, als ihn? Wenn du dich bescheiden und mäßig aufführetest, möchtest du wohl auch noch etwas bedeuten: so aber machst du dich mehr zu Schanden, als zu Ehren.

15) Lästert er abermal: Ich hätte den Zweck von der Buße nicht getroffen. Siehe mir einen frechen und ungebetenen Richter! Er selbst trifft vielmehr gar Nichts, was wir von der Buße disputirt haben. Wir haben darüber gestritten: Ob die Buße von der Liebe Gottes oder von der Furcht anfange; nach dem dritten Schluß. Als wir aber auf den vierten und fünften Schluß kommen sind, haben wir von Erlassung der Strafe nach erlassener Schuld gehandelt. Ob ich aber das Unsrige recht behauptet, oder D. Martinus das Seinige besser vertheidigt habe, das wird auf die hochgelahrten Richter der Universität in Paris ankommen, ohne zu achten, wie es dem Sprachlehrer dünke.

16) Schreibt er: daß mir der Ablaß ein lauteres Spiel und Kurzweil gewesen. Es ist auch falsch. Denn ich habe gar ernstlich gezeiget, daß der Ablaß nützlich sei, welches auch Martinus zugegeben hat. Ich habe auch gewiesen, daß er kein Fehl des guten Werkes sei. Endlich habe ich zu erweisen gesucht, daß durch den Ablaß ein Erlaß der für die Sünde gehörigen Strafe geschähe. Da mir D. Martinus heftig widerstritten und gesagt hat, Ablaß wäre eine Erlassung guter Werke. Aber hierinnen beziehe ich mich auf das Verzeichniß der Notarien der Universität. Wir sind aber Beide darinnen einig gewesen, daß die Mißbräuche derer, die Ablaß verkündigen, zu bestrafen seien.

Das habe ich, werthester Leser! sowohl meinet- als der gemeinen Sache der Christenheit halber, dir wissend machen wollen: wenn du nämlich nicht bei der Disputation gewesen, damit du (wie Philippus verhüten will, daß man nicht dem gemeinen Gerücht glaube, oder denen, die dergleichen Gerücht gerne hören,) nicht auch ihm glauben mögest, der mir ohne Bedenken Dinge zugeschrieben hat, daran ich nicht gedacht. Und ob wohl Philippus nicht der Mann ist, daß ein Theologus sich mit ihm in theologischen Sachen einlassen mag: so habe ich doch, daß ich nicht stillschweigend ihm Etwas einräumen möchte, was er mir aufleget, ihm hiemit antworten und wehren wollen, weil auch Augustinus kein Bedenken getragen, wider den Sprachlehrer Crassonium zu schreiben.

Du aber, geneigter Leser, glaube denen, die bei der Disputation zugegen gewesen, und ohne Affecten, oder auch Freundschaft und Gunst, wie Philippus, urtheilen. Unsre Entschuldigungen aber wirst du bestens deuten. Gott ist mein Zeuge, daß ich in dieser Sache die Wahrheit des christlichen Glaubens und die Ehre Gottes suche! Gehab dich wohl, mit unserm Gruß!

Leipzig, den 25. Julii, im Jahre der Gnaden 1519.

Philipp Melanchthon’s Werke
In einer auf den allgemeinen Gebrauch berechneten Auswahl
Herausgegeben von Dr. Friedrich August Koethe.
In sechs Theilen
Erster Theil
Leipzig:
F. A. Brockhaus.
1829

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