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Mathesius, Johann - Vom Glauben

Mathesius, Johann - Vom Glauben

Auszug aus einer seltnen Schrift des bekannten Mathesius, Luthers Freunde, vom Glauben.

Wer recht unnd seligklich im Geyst und warheyt Gott anrufen will, wie denn ein Gläubiger alle Stunden unnd Augenblick schuldig zu beten ist, der muß unnd soll für allen Dingen den Artikel von der Rechtfertigung des Menschen, oder wie unnd warumb man für Gott gerecht, unnd angenem werde, gründlich verstehen. Denn Gottes Güte unnd Barmhertzigkeyt in den Wunden Jhesu Christi erkennen, dardurch wir allein unnd auß lauter Genaden, ohn allen Verdienst, Rhumb und Wirdigkeyt unser eygen Werk, oder unser angefangene Gerechtigkeyt, und newen Gehorsams für Got gerecht und angenem werden, und deselben Vater aller Barmhertzigkeyt, im Namen unnd Verdienst seines eingebornen Sones, warhafftig anruffen, gehören so nahe zusammen, das auch der Prophet Joel, unnd Sanct Paulus, die Proposition: Der Glaub macht uns gerecht unnd selig ohne Werk, mit den Worten außsprechen: Wer den Namen des Herrn anrufft, der wirdt selig.

Diß sollen wir wol merken, das es einerley Rede ist: Wer glaubt, der wird selig, und wer recht betet, der wirdt selig. Denn es kann keiner recht beten, er glaube denn zuvor das ihm alle seine angeborne und wirkliche Sünden, auß lauter Barmhertzigkeyt unsers himmlischen Vatters, in und durch das Verdienst, Blut unnd Fürbit Jhesu Christi geschenkt, zugedeckt, getilget, und vergeben sein.

Wo diese Erkendtnuß von genediger Vergebung der Sünden, unnd zugerechneter Gerechtigkeyt vorleuchtet, da geust der Herre Christus in der genedigen Annemung unnd Außsönung, sein Geyst der Gnaden unnd Gebetes in der gläubigen Herzen, der bezeuget und versiegelt uns, das wir aus lauter Gnaden, durch unsers eynigen Mitlers Blut unnd Fürbit, ein genedigen Vatter, sampt der Kindtschafft, unnd Erbschafft des ewigen Lebens, gratis bekommen haben, unnd der uns zur waren anruffung treybet, und leret uns, die wir selber nicht wissen, wie unnd was wir beten, wie wir Gott im Geyst unnd warheyt anruffen sollen, und als Sanct Paulus saget, er stönet und seuffzet in uns, uns vertritt uns neben unserm höchsten Priester Jhesu Christo, mit unaussprechlichen Seuffzern, die durch alle Himmel vor Gottes Angesicht dringen, und gewiß erhöret werden.

Denn wer Jhesum Christum und sein Versönblut kennet, und glaubet auffs allergewisseste, das ihm Gott allein umb seines geliebten Sönleiins willen lieb hab, der kann in kindtlicher Zuversicht unnd tröstlicher Freydigkeit, als ein Königlicher Priester, der mit dem Blut des Sones Gottes besprenget, unnd mit dem GEyst des Gebets gesalbet ist, für den ausgesönten Gott treten, und ihn Vatter nennen, und seines Herzen Abgrund für ihm ausschütten, und ungezweyffelt bitten, alles was ihm zu Seel und Leyb, nach Gottes genedigem willen von nöten ist. Derhalben lieber Herr, müst ihr vor allen Dingen diesen Artikel von der Rechtfertigung lernen, wenn ihr ein kräfftig Gebet sprechen wollet, denn ware Anruffung ist gegründet und gewidmet auff den Artikel de justificatione 1), und ist die rechte Uebung unnd practica unsers Christenthumbs.

Wir leren aber also nach der Schrifft in unser Kirche von diesem Artickel, das allein der Glaube gerecht mache, denn Abakuk spricht am 2 Kap. Der Gerechte lebet seines Glaubens. Unnd Christus: Wer glaubet und getaufft wirdt, der wirdt selig. Merket hie fein, gerecht, gerechtfertigt werden, ein genedigen Gott, Vergebung der Sünden, unnd das ewige Leben bekommen, wie auch diese Reden, Gott gefallen, Gott angenem, mit Gott außgesönet unnd vertragen sein, ein Kind Gottes, und Erbe des Himmelreychs, oder mit Gott ewig selig werden, ist alles eynerley Rede.

Wer nun solche rechte Gerechtigkeyt, unnd Genade Gottes begert, und wolte gern einen gnedigen Gott und lieben Vatter haben, unnd hie im Glauben unnd Hoffnung, und dort volkömlich selig werden, der muß vor allen Dingen glauben, ohn welchen Glauben kein Mensch Gott gefellet, und niemandt kein recht Vatter Unser sprechen kann, Denn durch eygnen Glauben wirdt man selig, und kompt ins ewige Leben.

Nun merket fleißig, was recht Glauben heysset. Glauben heyst der genedigen Verheissung von Christo, und seinem Blut im Evangelio verkündiget Glauben, oder durchs wort der Apostel Jhesum Christum erkennen, unnd alle Zuversicht und vertrawen auf Gottes Güte setzen.

Denn Glaub ist ein starker Gedanken, unnd gewisse Erkenntnuß, und freydige Zuversicht, und hertzlich Vertrawen, auff das Blut unnd Wunden Jhesu Christi, welches der einige Schatz, werd, Verdienst, Lösegelt, Versönung unnd Gnugthuung ist, für unser unnd der ganzen Welt Sünd. Solcher Glaube, der sich vom gehörten Wort, durch den Geyst Gottes in unsern Herzen anspint, und im Wort der Gnaden unnd Versönung Christum erkennet, und in Christi Blut unnd Wunden, des Vattern Liebe unnd Barmhertzigkeit ergreyfft, der macht uns allein gratis, umbsonst, ohn all Verdienst, Ruhm und Wirdigkeit unser eygen Werck und Gerechtigkeyt für Gott angenem und gefellig, und zu Kindern und Erben Gottes, denen Gott all ihre Sünden vergibt, unnd rechnet ihn seines Sons Gehorsam und Gerechtigkeyt, auß lauter Gnaden zu, und schenckt ihnen den heyligen Geyst.

Das heyst der Glaub macht gerecht unnd selig. Ihr müsset aber in dieser Rede unsern Glauben, wie er ein Werck in unsern Hertzen ist, durch den heyligen Geyst drein gesprochen, fein unterscheyden lernen, von dem Stück, das solcher Glaube fasset und erkennet. Denn zu diesem seligem Erkenntnuß, gehören eygentlich zu Reden zwey Ding: Eins, das unser Glaub glauben soll, Das ander ist das glaubige Herz, das in erkenntnuß und Zuversicht diß fasset und ergreiffet, welches Gott dem Glauben vorhelt und fürstellt. Denn damit wir glauben können, oder etwas zu glauben und erkennen haben, fasset unser Gott das Blut, Wunden, Verdienst, und alles was Christus mit einem einigen Opfer am Stamm des Creutzes erworben hat, ins Wort des Evangelii, welches darumb das Wort des Lebens, Glaubens, Versönung, und die Krafft Gottes von Sanct Paulo genennt wirdt, das es die Versönung unnd Leben, sampt der zugerechneten Gerechtigkeyt unnd heyligem Geyst, den Glaubigen fürhelt, leystet, und sie gerecht unnd selig macht, wie Sanct Paulus Roma. I. schreybt: Das Evangelium, welchs uns Gottes genedigen Rath verkündigt, ist die Krafft Gottes, die alle selig macht, die daran glauben. Ob aber wol unser Herz durch Krafft des heyligen Geystes, auß dem mündlichen Wort zum Glauben kommet, dennoch ist dieser unser Glaub nicht diß, darumb wir eygentlich zu reden, gerecht und selig werden. Ein schön Werk ists umb solchen Glauben, der sich in Gottes Wort flichtet, und Gott sein Ehre giebet, das er Barmhertzig, Allmechtig und Warhafftig sey. Aber weyl dises Werck unser menschlichen Blödigkeyt, Schwachheyt unnd Unvolkommenheit halber, noch schwach und unvolkommen ist, darbey sich viel Zweyffels fülen lesset, ist diß Werck unsers Hertzen nicht die Ursach, werd oder Verdienst, darumb und Gott annimbt, und für gerecht schetzet, und selig machet, Sondern dieß ist die Ursach, werd, Verdienst, unser Gerechtigkeyt unnd Seligkeyt, das der Glaub im fürgestellten Wort erkennet und ergreyffet, nemlich, allein das Verdienst und Fürbit unsers Herren Jhesu Christi, unnd umb des willen allein Gott uns zu Genadenkinder auffnimbt unnd selig machet. Diß lieben Freund, solt ihr wol merken, damit ihr diese Rede: Der Glaub macht gerecht und selig, recht verstehen lernet. In Schulen sprechen wir, man soll die proposition Correlative verstehen, das ist, wenn man den Glauben nennet, so sol man das verstehen, das der Glaube erkennet, fasset und annimbt, Nemlich das thewre Blut Jesu Christi. Es macht vil Leut irre, weßhalben wir dem Glauben die Gerechtigkeyt unnd Seligkeyt geben, unnd zuschreyben, so doch unser Glaub auch nur ein Werk oder schöne Tugend ist, die zwar in jenem Leben, mit der Hoffnung auffhöre, wenn die Lieb ewig bleyben wirdt, wie Sanct Paulus schreybet. Aber diese Leut sehen unnd Denken allein auff unser Werck, welches nach Gottes Rath unnd Ordnung, die Schetz annemen undergreyffen, oder uns appliciren, und zueygen sol, die uns der Vatter auß Liebe von Ewigkeyt beschlossen, unnd im Blut unnd Todt seines Sons bereytet, unnd im Wort des Lebens durch seinen Gnadengeyst lest ankündigen, fürhalten und zukommen. Aber auff den theuren unnd werden Schatz, den unser kleiner und schwacher Glaube laulicht im Wort ergreyfft, sehen und denken sie nicht. Nemlich auf Jhesum Christum sein Fürbit, Verdienst, unnd das unser Gott seinen Son uns zum Lößgelt, Gerechtigkeyt, Heyligkeyt, unnd Weyßheit gemacht, und auß Gnaden geschenkt habe.

Quelle: Wöchentliche Beyträge zur Beförderung der ächten Gottseligkeit.

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von der Rechtfertigung
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