Luther, Johann Christian - 3. Taufrede über Ps. 119,166.

Luther, Johann Christian - 3. Taufrede über Ps. 119,166.

Das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes „Sohn heißen“ (Luk. 1,35) so sprach einst an diesem Tage der Engel des Himmels zu der Gebenedeiten unter den Weibern und von da an wartete man täglich und stündlich auf die Erscheinung des Heilandes. Nun - wir brauchen nicht mehr zu warten, denn Er ist erschienen, der Abrahams Trost und Jacobs Stern war, und nach dem Tausende von Jahren zuvor alle Gläubigen sich sehnten; Er ist in die Welt gekommen und was wir Gutes haben, das haben wir von Ihm. Genießen wir einen gottseligen Frieden, leuchtet uns ein Licht in der Finsternis, haben wir eine Hoffnung des ewigen Lebens, wohnen Glaube und Liebe bei uns, sind wir frei geworden vom Dienst der Eitelkeit Er, unser HErr und Heiland hat uns das Alles gegeben, der arm geworden ist, auf dass wir durch Seine Armut reich würden (2 Kor. 8,9).

Wie aber steht es mit dem Kindlein, das jetzt auf unsern Armen liegt? Hat es schon, was wir haben, sofern wir an Jesum und Sein Evangelium glauben? Besitzt es schon, was es zur Seligkeit seiner Seele bedarf? Ist ihm schon das Heil gekommen? Noch nicht; doch es harrt dessen, sein Liegen hier - es sagt: Herr, ich warte auf dein Heil (Ps. 119,166) und wird der Herr lange auf Sich und Sein Heil warten lassen? Wird es des Bittens und Dringens, einer Anstrengung oder Versprechung unsererseits bedürfen, damit Er komme? Nein

„Ihr dürft euch nicht bemühen,
Noch sorgen Tag und Nacht,
Wie ihr Ihn wollet ziehen
Mit eures Armes Macht.
Er kommt, Er kommt mit Willen
Ist voller Lieb und Lust,
All' Angst und Not zu stillen,
Die Ihm an euch bewusst.“

Das ist Jesu Herz, Jesu Sinn, und so kommt Er denn bald, so ist Er schon da, um auch diesem Kindlein Sein Heil zu bringen, - um auch ihm das Leben aus Gott zu geben, um es auszustatten mit allen Gaben und Kräften der neuen Geburt. Er ist da - und Seine rettenden, segnenden Hände sind ausgestreckt, um das schwache Geschöpf aus Fleisch und Blut in Sein Reich aufzunehmen, um die Decke Seiner Barmherzigkeit über dasselbe auszubreiten, um mit dem Friede sei mit dir es zur Gotteskindschaft einzusegnen.

Nein, Er lässt nimmer lange auf sich warten, wo man Seiner harrt; und, ob es uns bisweilen so scheint, ob Er auch bisweilen sein Antlitz verbirgt und sich so stellt, als hätte Er unser vergessen (Ps. 44,25), als wollte Er uns nicht hören, als verzöge Er mit der Hilfe, Sein Verweilen ist immer nur ein Eilen, denn kommt Er nicht zu jeder Frist, kommt Er doch, wenn's nötig ist. Er kennt die rechten Stunden und Er muss oft verziehen mit der Hilfe, weil Zeit und Stunde noch nicht da sind, und werfen wir nur das Vertrauen nicht weg, warten wir nur die Zeit aus, die uns gesetzt ist zur Prüfung der Geduld, zum Abtun des eigenen Willens, dann sehen wir gewiss einmal uns das Heil kommen, oft in einer für uns beschämenden Weise, oft mit einer Fülle des Reichtums, die über unser Bitten und Verstehen geht; vergeblich lässt Er jedoch nie auf sich warten. Wohl aber tun wir das und wie oft muss Er, der HErr, ohne Grund auf uns warten. Er ruft und wir hören nicht; Er steht vor der Tür eines Menschen und klopft an, aber es wird Ihm nicht aufgetan; Er wartet Jahre lang; Er wartet ein Leben lang. aber umsonst. Ach! so geht es Ihm hundert und tausendfältig.

Was wird Er nun an diesem Kinde erfahren, dem Er jetzt die köstlichsten und teuersten Güter bringt? Wird es einst behände sein, diese Güter zum Heil seiner Seele zu gebrauchen, oder wird es lange auf sich warten lassen, bis es in den guten und gnädigen Willen Seines Erbarmers eingeht? Wird es früh oder spät zur Erkenntnis der Wahrheit kommen? Wird es überhaupt Dem angehören wollen, der jetzt Sich Selbst ihm gibt, oder nicht lieber der Welt und den eigenen Lüsten zu leben wünschen? nicht im beharrlichen Widerstreben des Joches des HErrn sich zu entledigen suchen?

Nein, du lieber Sohn, dazu taufen wir dich nicht, damit du die Gnade vergeblich empfängst und das werde nimmer an dir gefunden, dass du einmal schnell sein solltest zum Bösen und langsam zum Guten; das zeige sich nie bei dir, dass du deinen HErrn und Erbarmer je auf dich solltest warten lassen, dass du nicht kommen wolltest, wenn Er dich ruft, dass du gleichgültig und kalt gegen Ihn bliebest, wenn Er dein Herz von dir fordert; wohl aber magst du auf Ihn warten, ja, dass du, sobald das Bewusstsein bei dir erwacht, sogleich einen Trieb haben möchtest, dich nach Dem umzusehen und nach Dem zu fragen, der dich zuerst geliebt, dass du es einmal verständest, auf Seine Winke zu merken; dass es dir nie zu lange würde, bei Ihm auszuharren, und dass der HErr, wenn Er einst kommt, dich mit finden möge unter den Knechten, die allezeit bereit gewesen sind Ihn zu empfangen, mit Wachen und Beten Seiner wartend (Luk. 12.), das wünschen wir dir von Herzensgrunde, du liebes Kind.

Und was sagen wir nun euch, denen der gütige Gott jetzt wieder Seine Freundlichkeit bewiesen, jetzt wieder ein Teures ans Herz gelegt? Nichts wünschen doch Eltern mehr, als dass sie einst Freude erleben an ihren Kindern, als dass es mit ihren Kindern in jeder Beziehung zum Guten ausschlagen möge; was dagegen kann sie mehr betrüben, als wenn sie die Erwartungen hinsichtlich der eigenen Kinder getäuscht sehen, wenn die eigenen Kinder ihnen Kummer und Herzeleid bereiten, weil sie missraten sind. Wie mag nun jenes gewonnen und dieses verhütet werden? Wie mögen Eltern das Ihre dazu tun, dass ihre Kinder gedeihen, dass dieselben, wenn sie heranwachsen, auch an Alter und Gnade bei Gott wachsen? Sie werden von früh auf ein aufmerksames Auge auf ihre Kleinen haben müssen, - sie werden von früh auf jeden bösen Einfluss von ihnen fern zu halten, ja den guten auf sie einwirken zu lassen suchen müssen, das ist gewiss, doch wovon hängt besonders das Gelingen ab?

„HErr, wir warten auf Dein Heil“ (Ps. 119,166) das ist die Hauptsache, auf die es am meisten ankommt. Wir können ja nur so viel geben, als uns gegeben wird; wir können nur so viel segnen, als wir uns selbst segnen lassen. Wo der Eltern Blicke hinaufgehen in dem Bewusstsein, dass das Beste von oben kommen muss, wo ihre Herzen und Hände stets geöffnet sind, damit der Vater der Barmherzigkeit gute und vollkommene Gaben in sie hineinlege, da ist die rechte Weisheit, da wird die rechte Pflege und Erziehung sein. Nun, der gütige Gott gebe euch das auch zu Nutzen dieses Kindleins. Er segne euch reichlich, damit ihr segnen könnt! Amen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/l/luther_johann/luther_johann_-_taufrede_ps_119_166.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain