Luther, Martin - Die fünfte Wittenberger Predigt.

Luther, Martin - Die fünfte Wittenberger Predigt.

Am Donnerstage nach dem Sonntage Invocavit.

Wir haben nun gehört von den Dingen, so nöthig sind, als, daß man die Messe nicht für ein Opfer halten soll; denn es wider den Glauben ist. Desgleichen habt ihr gehört von den Stücken, die unnöthig und frei sind; als, wenn die Mönche und Nonnen aus den Klöstern laufen; von der Pfaffen Ehe, und von den Bildern, wie man sich in den Stücken halten soll, daß man keinen Zwang draus mache, auch keinen mit den Haaren davon ziehen; sondern wir sollen allein Gottes Wort hierinne handeln lassen. Nun wollen wir von dem hochwürdigen Sacrament sehen, wie man sich in dem halten soll.

Ihr habt nun oft von mir gehört, daß ich gepredigt habe wider die närrischen Gesetze des Pabsts bei diesem Sacrament. Unter andern hat er geboten, daß kein Weib soll das Tuch waschen, darauf der Leichnam Christi sei gehandelt worden, und wenns gleich auch eine reine geweihete Nonne wäre; es sei denn, daß es ein Pfaff oder Mönch zuvor gewaschen habe. Auch wenn ein Laie den Leib Christi oder den Kelch mit bloßen Händen anrührete, dem müßte man die Finger beschneiden, oder mit einem Ziegelstein die Haut abreiben; und was der närrischen Gesetze mehr sind unter dem Pabstthum; darüber ihnen die Papisten mehr Gewissen gemacht haben, denn über ihre Hurerei und Gotteslästerung, die so öffentlich wider Gott und so hell am Tage sind gewesen, daß auch die Kinder auf der Gasse davon gesungen haben. Davon hab ich genugsam gepredigt, und damit offenbart und kund gemacht, daß in diesen thörichten, närrischen Gesetzen des Pabsts keine Sünde wäre, und daß ein Laie nicht sündige, wenn er den Leichnam Christi und den Kelch auch mit bloßen Händen anrührete.

Ueber solcher Predigt, und von wegen dieses Verstandes, solltet ihr Gotte gedanket haben: denn ihr je zu dem Erkenntniß kommen seid, welches viel trefflichen, großen Leuten nicht ist verliehen worden. So fahret ihr nun zu, und thut schier, ja allerdinge wohl so närrisch als der Pabst, in dem. daß ihr meinet, es müsse sein, daß man das Sacrament mit den Händen angreife, und wollet darinne und hiemit gute Christen sein. Ihr habt euch in diesem Stücke grob vergriffen, und an diesem köstlichen Schatz allzu frevelich gehandelt, daß auch nicht Wunder wäre, daß euch Gott alsbald gestrafet hatte. Das Andere hätte Gott alles können leiden; aber mit diesem Stück so frevelich zu handeln, das kann und mag er nicht leiden; in dem, daß ihr einen Zwang und gemeine Ordnung habt gemacht, daß ein Jeglicher zufahren soll, und das Sacrament, den Leib und das Blut Christi, selbst mit den Händen so dürstiglich und so frevelich, ohn alle Scheu und Furcht, angreifen. Und werdet ihr von diesem Stück nicht abstehen, so darf mich kein Kaiser noch König, noch sonst jemand von hinnen jagen; ich will wohl ungetrieben von euch selbst laufen. Ich darf wohl und frei sagen, daß mir meiner Feinde keiner, wiewohl sie mir viel Böses beigebracht, so viel Leides gethan hat, als eben ihr, meine Freunde, mit diesem einigen Stücke. Ihr habt mich hierinne recht getroffen.

Wollt ihr damit gute Christen sein, und euch davon rühmen, daß ihr das Sacrament, den Leib Christi, mit den Händen angreift, so wären die Juden, Herodes und Pilatus, die besten Christen gewesen; ich meine ja, sie haben den Leib Christi angetastet. Nein, lieben Freunde, nein! also gehets nicht an. Das Reich Gottes stehet nicht in äußerlichem Dinge, das man greifen und fühlen kann; sondern im Glauben und in der Kraft.

Ja, möchtest du sprechen: Wir leben, und sollen auch leben nach der Schrift: so hat es Christus also eingesetzt, daß wirs mit den Händen zu uns nehmen sollen. Denn er hat gesprochen: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib; und die Jünger habens mit den Händen angegriffen: warum sollten wir nicht auch mit den Händen angreifen? Antwort: Wiewohl ichs ungezweifelt und gewißlich halte, daß die Jünger des Herrn Leib mit den Händen angegriffen haben; geb es auch zu, daß du es magst ohne Sünde auch thun: aber sich groß drauf zu steuren und zu pochen, das weiß ich nicht. Denn wenn der Teufel, wie er uns denn genau sucht, sprechen wird: Wo hast du das in der Schrift gelesen, daß nehmen, heiße mit den Händen angreifen? wie will ichs bewähren und erhalten? Ja, wie will ich ihm begegnen, wenn er mir das Widerspiel aus der Schrift vorhält, und beweiset, daß nehmen nicht allein mit den Händen empfahen heißt, sondern durch andere Weise Etwas zu sich bringen? als da Johannes schreibet, wie die, so den Herrn kreuzigten, ihm haben Essig zu trinken geben, spricht er: Da Jesus den Essig genommen hatte. Joh. 19, 30. Hie mußt du ja bekennen, daß Christus den Schwamm nicht hab mit den Händen angegriffen; denn er war an das Kreuz genagelt. Was will ich denn dawider sagen? Ich muß mich da gefangen geben, und bin beschlossen; also, daß ich zulassen muß, ich wolle oder wolle nicht, daß nehmen nicht allein heiße, mit den Händen Etwas empfahen, sondern auch durch andere Weise, wie es geschehen mag, zu mir bringen.

Darum, lieben Freunde, wenn wir solche oder dergleichen Stücke anfahen wollen, so müssen wir auf einem gewissen Grund stehen, auf daß wir uns vor des Teufels Anlauf aufhalten können. Ich sage nicht, daß ihr daran gesündiget, daß ihr den Leib Christi mit den Händen habt angegriffen: aber dennoch habt ihr daran kein gut Werk gethan, dieweil sich die ganze Welt über diesem Stück ärgert. Denn dieser Brauch ist in der ganzen Christenheit, daß man das hochwürdige Sacrament von des Priesters Händen empfahe. Warum willst du denn den Schwachgläubigen hierinne auch nicht dienen, und dich enthalten, ob du es gleich Macht hättest und frei wäre, selbst mit den Händen zu nehmen und anzugreifen? sintemal es dir keinen Frommen bringet, wenn du es thust, auch keinen Schaden, wenn du es nachlässest.

Darum muß man sich wohl vorsehen, daß man keine Neuigkeit wider alte löbliche Gewohnheiten aufrichte; es sei denn das Evangelium zuvor durch und durch wohl gepredigt und getrieben, auch gefasset und geglaubet. Derwegen, lieben Freunde, laßt uns säuberlich und weislich handeln in diesen Stücken, dieweil sie Gott angehen. Denn Gott kann nicht leiden, daß man in seinen Sachen schimpfe. Gehe mit andern äußerlichen Sachen um, wie du willst; laß unserm Herrn Gott das Seine zufrieden, und glaube seinen Worten einfältiglich. Darum stehet von diesem Mißbrauch und Ordnung ab; das ist mein treuer Rath und fleißige Bitte.

Wir wollen auch ein wenig sagen von beiderlei Gestalt des hochwürdigen Sacraments, des Leibs und Bluts Christi. Wiewohl ichs gewiß dafür halte, daß es vonnöthen sei, dieß Sacrament zu nehmen unter beider Gestalt, nach der Einsetzung Christi, unsers lieben Herrn, wie es die drei Evangelisten und St. Paul klärlich beschrieben: dennoch soll man so bald und plötzlich keinen Zwang draus machen, und in eine gemeine Ordnung stellen, bis daß jedermann zuvor allenthalben wohl unterrichtet sei, auf daß sich die Schwachgläubigen hierinne auch nicht ärgern; sondern das Wort soll man treiben, üben und predigen; darnach aber die Folge dem Worte heimstellen, und Gotte befehlen bis zu seiner Zeit. Denn wo das nicht geschieht, so wird ein äußerlich Werk draus, und eine Gleißnerei; und das will der Teufel auch haben. Aber wenn man das Wort frei gehen läßt und bindet es an kein Werk, so rührt es heute den, morgen einen Andern; fällt also ins Herz, und nimmet die Herzen gefangen: alsdenn gehets fort, daß mans auch nicht gewahr wird, wie es ist angefangen.

Es ward mir geschrieben, daß Etliche hie hätten angefangen, das Sacrament zu nehmen unter beider Gestalt. Das hörete ich gerne; und ihr hättets also sollen lassen bleiben, und immerdar mählich fortfahren, und in keine gemeine Ordnung oder Zwang gebracht haben. Aber nun fahret ihr zu, burdi, burdi! und wollt mit dem Kopfe hindurch, wollt jedermann dazu zwingen und dringen. Da fehlet ihr, lieben Freunde. Denn wenn ihr in dem wollt für gute Christen gesehen sein, daß ihr das Sacrament mit Händen anrührt und unter beider Gestalt nehmet, so seid ihr mir rechte Christen. Mit der Weise könnte auch l ein unvernünftig Thier ein Christ sein.

Derhalben, lieben Freunde, thut säuberlich in diesen hohen Sachen: hie ist keines Schimpfens. Laßt uns auf die Schwachen sehen, und auf Andere, die auch noch sollen zu uns kommen, welche wir alle mit solchem Freveln und Stürmen zurücke jagen. Lieben Freunde, eilet nicht so geschwinde, auf daß uns der Teufel nicht aus der rechten Bahn führe; wie er denn im Sinne hat. Das mag ich wohl sprechen, daß mir noch nie kein solch Herzeleid von allen meinen Feinden widerfahren ist, als von euch, meinen Freunden, bei denen ich doch einen Rückhalt und Trost (soviel Menschen zuständig) sollt gehabt haben. Wohlan, Gott wirds noch alles zum Besten schicken, wo ihr nur folgen wollt und von diesem Mißbrauch und Stürmen abstehen: wie ich mich denn gänzlich versehe, daß ihr es thun werdet. Das sei auf dießmal genug. Morgen wollen wir weiter davon handeln.

Quelle: Luthers Volksbibliothek, Band 17 + 18

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