Luther, Martin - Wittenberger Predigten - 7. Predigt (Wittenberg 1522)

Luther, Martin - Wittenberger Predigten - 7. Predigt (Wittenberg 1522)

Am Sonnabend nach dem Sonntag Invocavit

Von den „Acht Sermone“ wider Dr. Karlstadt's Neuerungen in Wittenberg, daselbst gepredigt in der Fasten (Sonntag Invocavit bis Reminiscere), Anno 1522, theilen wir hier die siebente mit.

Lieben Freunde, gestern habt ihr gehört von dem Brauch des hochwürdigen Sakraments des Leibs und Bluts Christi, und welche recht dazu geschickt sind, als nämlich die, in welchen des Todes Furcht ist, die der Teufel jagt, die ein verzagt blödes Gewissen haben, und die sich vor der Sünde und vor der Hölle fürchten. Diese alle gehen billig und würdig zu dieser speise, zu stärken ihren schwachen Glauben und zu Tröstung ihres betrübten Gewissens. Dieß ist der rechte Brauch und Uebung des Sakraments des Leibs und Bluts Christi: wer sich nicht also geschickt fühlet, der laß es anstehen, bis daß ihn Gott mit seinem Wort auch rühret und ziehet.

Jetzt wollen wir nun auch von der Frucht dieses Sakraments reden, welches die Liebe ist; nämlich, daß wir uns also gegen unsern Nächsten finden lassen, wie uns von Gott geschehen und widerfahren ist. Nun haben wir von Gott eitel Liebe und Wohlthat empfangen. Denn, ist das nicht eine große unaussprechliche Liebe, daß er seinen eingebornen Sohn vom Himmel herunter geschickt hat und ins Fleisch geworfen, auf daß er uns errettete und erlösete von Sünde, Tod, Teufel und Hölle? Ist das nicht eine große unermessene LLiebe, daß derselbe Sohn, dem Vater zu Wohlgefallen, sein Leib und Blut unserthalben dahin gegeben hat? Ist das nicht eine große überschwengliche Liebe, daß uns Gott solchen Schatz in seinem Worte durch die Predigt verkündigen und austheilen läßt, und uns allen den Sieg und Triiumph seines Sohnes, unsers Herrn Jesu Christi, wider die Sünde, Tod, Teufel und Hölle schenket, so daß ich mich des Sieges und triumphs rühmen kann, als hätte ichs selbst gethan? Dazu so ist Christus unser Gerechtigkeit, unser Genugthuung, unser Weisheit und unser Heiligung, 1. Cor. 1,30., ja der ohne Unterlaß vor Gott seinem Vater uns vertritt, und unser Fürsprach ist?

Diese unaussprechliche Liebe, die kein menschlich Herz fassen kann, soll uns bewegen, wiederum unsern Nächsten auch zu lieben, ihm wohl thun, helfen und rathen, womit wir können, und er unser bedarf. Aber solche Liebe spüre ich hie noch nicht, wiewohl euch viel geprediget ist: es will aber Niemand hinan; zu andern unnöthigen Sachen läuft man häufig; hie ist Niemand daheim. An dem einigen Stück kennet man die Christen, wenn sie einander Liebe beweisen, wie Christus im Johanne zu seinen Jüngern sprach: Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr untereinander liebet, wie ich euch geliiebet habe. Dabei wird Jedermann erkennen, dßa ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt. Joh. 13, 34. 35. Und St. Paulus spricht: Wenn ich mit Menschen- und mit Engelnzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz, oder eine klingende Schelle. Und wenn ich weissagen könnte, und wüßte alle Geheimniß und alle Erkenntniß, und hätte allen Glauben, also daß ich Berge versetzete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe, und ließe meinen Leib brennen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mirs nichts nütze.. 1. Cor. 13, 1. 2. 3. Das sind treffliche, harte Wort; so weit aber seid ihr noch nicht kommen.

Weil ihr aber allhie zu Wittenberg große Gaben Gottes habt, und der viel, auch das Erkenntniß der Schrift, welches gar eine große Gabe und Gnade ist;; darzu habt ihr das Evangelium hell und klar: aber mit der Liebe wollt ihr nirgends fort. Gerne habt ihr, daß euch Gott wohl thu, euch seine Gaben mittheile; aber andern wollt ihr nichts mittheilen: keiner will dem andern die Hände reichen, keiner nimmt sich des andern ernstlich an; sondern ein Jedermann hat auf sich Achtung, was ihm am förderlichsten ist, und suchen alle das unsere; lassen gehen, was gehet; wem da geholfen ist, dem sei geholfen; Niemand siehet auf den Armen, wie ihm auch geholfen werde. Es ist zu erbarmen, daß ich euch so lange gepredigt habe, und fast in allen meinen Büchlein nichts anders getrieben, denn den Glauben und die Liebe, und soll so gar keine Liebe an euch gespürt werden.

Ich will euch gewiß sagen: wo ihr nicht untereinander Liebe erzeigen werdet, so wird Gott eine große Plage über euch senden. Denn er will sein Wort nicht vergebens gepreddigt und offenbaret haben; er will auch nicht, daß man sein Wort unehren oder verachten solle. Ihr versucht Gott zu hart. Meine Freunde, wäre dieß Wort vor etlichen Zeiten unsern Vorfahren gepredigt, sie hätten sich vielleicht wohl anders hierinnen gehalten, denn ihr thut. Ihr schickt euch gar nicht dazu, und laßts euch kein Ernst sein. Davon könnet ihr wohl reden; aber mit der That wollt ihr noch nicht folgen. Mit anderm Gaukelwerk gehet ihr um, das von unnöthen ist; was aber nöthig ist, das laßt ihr anstehen. Gott gebe, daß es dermaleins nicht allein in Worten stehe,, sondern auch kräftig heraus breche. Dabei wollen wirs jetzt lassen bleiben.

Quelle: Die vier Reformatoren Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin

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