Luther, Martin - Wittenberger Predigten - 3. Predigt (Wittenberg 1522)

Luther, Martin - Wittenberger Predigten - 3. Predigt (Wittenberg 1522)

Am Dienstage nach Invocavit

Von den „Acht Sermone“ wider Dr. Karlstadt's Neuerungen in Wittenberg, daselbst gepredigt in der Fasten (Sonntag Invocavit bis Reminiscere), Anno 1522, theilen wir hier die dritte mit.

Wir haben nun gehört, lieben Freunde, die Stücke, die da müssen sein und die da nöthig sind, welche geschehen müssen, deß und kein anders; als daß man die Winkelmessen oder sonderlichen Messsen abethun muß, welche wider Gott sind. Denn alle Werk heiße ich, daß sie müssen sein, welche von Gott geboten oder verboten sind, und welche die hohe Majestät Gottes also zu thun verordnet hat.Aber daneben habt ihr auch gehört, daß man keinen mit den Haaren dazu oder davon ziehen soll; sondern das Wort frei predigen und wirken lassen, ohne unser Zuthun, wo es soll und will. Denn ich kann keinen gen Himmel treiben, oder mit Knütteln zuschlagen. Das ist, meine ich, grob genug davon gesagt; ich halt auch, ihr habts zu guter maßen wohl verstanden; hoffe auch, ihr werdet darnach thun.

Nun folgen die Ding, welche unnöthig sind, und frei gelassen von Gott, die man halten mag oder nicht halten; als da ist, ehelich zu werden, Bilder abzuthun, Mönche und Nonnen aus den Klöstern zu gehen, Fleisch essen und nicht essen am Freitage, und was dergleichen Stück mehr sind. Diese Ding alle sind frei, und müssen von Niemand verboten werden; werden sie aber verboten, so ist es unrecht: denn es ist wider Gottes Ordnung. Ja, St. Paulus heißt es Teufels- und des Antichrists Lehre, 1 Epistel zu Timotheo am 4. v.1. 2. 3. da er spricht: Der Geist aber sagt deutlich, daß in den letzten Zeiten werden etliche von dem Glauben abetreten, und anhangen den irrigen Geistern und Lehren der Teufel, durch die, so in Gleißnerei Lügenredner sind, und Brandmahl in ihren Gewissen haben, und verbieten ehelich zu werden, und zu meiden die Speise, die Gott geschaffen hat, zu nehmen mit Danksagung den Gläubigen, und denen, die die Wahrheit erkennen.

In den Stücken nun, die da frei sind, die man thun mag oder nicht thun, soll man sich also halten: Kannst du solche Ding halten ohne Beschwerung deines Gewissens, so halte sie immerdar: kannst du aber nicht, so laß es anstehen, auf daß du nicht in größere Beschwerung fällest. Allhie muß kein gemein Gebot gemacht werden, sondern soll einem jeden frei sein, anzunehmen oder nicht anzunehmen; als, wenn ein Pfaff, Mönch oder Nonne sich nicht enthalten kann, sondern Lust am ehelichen Leben hat, der oder die mögen frei ehelich werden, auf daß den Gewissen gerathen werde, und man soll ihnen hierin kein Gebot oder Verbot machen.

Aber darauf mußt du sehen, daß du gerüstet und geharnischt seiest, daß du kannst vor Gott und vor der Welt bestehen, wenn du derhalben angefochten wirst, sonderlich am Sterben und im Todbett vor dem Teufel. Es ist nicht genug, daß du sprechen wolltest: Der und der hats gethan: mein Nachbar isset Fleisch am Freitage, darum hab ichs auch gessen: Jedermann thut jetzt also, darum thu ichs auch: ich habe dem gemeinen Haufen gefolget: und was der unbeständigen, ungegründeten Wort mehr sind. Daß du sagen wolltest: Der oder dieser Prediger hats gepredigt; gilt auch nicht, hält auch nicht den Stich; der Teufel kehret sich auch nicht daran. Ja, wenn du nicht gewisser bist, und besser gerüstet, denn mit solchem schwachen Harnisch, so hast du schon verloren. Es muß ein jegliciher in diesem Falle für sich selbst stehen und aufs allerstärkeste gerüstet sein, wider den Teufel zu streiten. Du mußt dich gürnden auf einen hellen, klaren, starken Spruch der Schrift, dadurch du denn bestehen magst. Denn wenn du einen solchen Spruch nicht hast, so ists nicht möglich, daß du bestehen könnest; der Teufel reißet dich hinweg, wie der Wind ein dürres Blatt hinweg reißt.

Darum, welche Pfaffen Weiber genommen haben, und welche Nonne gefreiet hat, die müssen einen gewissen Spruch aus der Schrift für sich haben, darauf sie pochen mögen wider den Teufel, und wider die Welt, die solch göttlich Werk unangefochten nicht lassen. Und sonderlich mögen sie diesen Spruch St. Pauls wohl merken, welchen wir droben erzählet haben, daß des Teufels Lehre sind, Ehe verbieten und Speise verbieten. Den Spruch wird dir der Teufel nicht umstoßen noch fressen; ja, er wird von diesem Spruch gefressen und umgestoßen werden.

Wo nun irgend ein Pfaff, Mönch oder Nonne sich zu schwach befindet, Keuschheit zu halten, und will ehelich werden: der sehe auf sein Gewissen. Ist sein Herz und Gewissen also gestärkt, daß es bestehen kann, und sei gewiß, daß es wider Gott nicht ist; der kann mit gutem Gewissen und fröhlichem Herzen ehelich werden. Wollt Gott, daß alle Mänche und Nonnen diesen Verstand hätten, und liefen alle aus den Klöstern, und höreten alle Klöster auf in der ganzen Welt; das wäre mein Wunsch und mein herzliches Begehren. Aber nun sie den Verstand nicht haben (denn niemand predigts ihnen), und von dem hören, daß andere aus den Klöstern laufen, auch ausgehen, und darum, daß andere ehelich werden, sie auch Weiber und Männer nehmen, ohne Grund und mit unstetem Gewissen, das ist böse. Denn sie folgen denen, die stark sind, und mit den Sprüchen der Schrift wohl gerüstet: sie aber sind ungerüstet, und wissen nicht, daß es frei sei. Darum ist es Mühe mit solchen Leuten. Doch ist besser, heraußer böse Gewissen haben, denn in den Klöstern; denn man kann ja denselbigen armen Leuten eher helfen, denn den andern.

So ist nun das die Summa davon mit kurzen Worten: Was Gott frei gemacht hat, das soll frei bleiben. Verbeut dirs aber Jemands, als der Pabst gethan hat, der Antichrist, dem sollst du nicht folgen. Wer aber ohne seinen Schaden etwas thun oder nicht thun kann, warum wollt ers nicht thun? Mag ich doch wohl meinem Nächsten zu Liebe und Dienste eine Kappe oder Platte tragen, wenn mirs nur an meinem Glauben nicht schadet. Also, lieben Freunde, ist es je klar genug gesagt, und meine, ihr sollts nun wohl verstehen, daß ihr kein Gebot aus der Freiheit machen sollt, und nicht so balde schließen und urtheilen: Dieser Pfaff hat ein Weib genommen; darum müssen alle Pfaffen Weiber nehmen. Noch nicht! Der Mönch, diese Nonne ist aus dem Kloster gegangen; darum müssen sie alle heraus gehen. Noch nicht! Der hat die Bilder verbrannt, jener hat die Crucifix zerbrochen; darum müssen wir alle verbrennen und zerbrechen. Noch nicht! Wiederum auch, wenn ich also wollt sagen: Der Priester hat kein Weib; darum muß kein Priester ein Weib haben, noch ehelich werden. Noch nicht! Denn die da nicht Keuschheit halten können, die nehmen Weiber; welche aber keuschheit mögen halten, denen ist es gut, daß sie sich enthalten und ohne Weiber sind; denn solche Leute im Geiste und nicht im Fleische leben.

Es soll Mönche und Nonnen auch nicht anfechten ihre gethane Gelübde, als die da geloben Keuschheit, Gehorsam und Armuth. Denn wir können nichts geloben wider Gottes Wort. Gott hat es frei gemacht, ehelich zu werden, oder niciht; und du Narr unterstehest dich, aus dieser Freiheit ein Gelübde wider Gottes Ordnung zu machen. Darum lasse es eine Freiheit bleiben, und mache kein Zwang daraus. Gelübde hin, Gelübde her! sie gelten hie nichts, denn sie sind wider Gottes Gebot und Ordnung. Solche Gelübde sind gleich so viel, als wenn ich gelobete, ich wollt meinen Vater ins Maul schlagen, oder Jemande das Seine nehmen. Meinest du, daß Gott ein Wohlgefallen darin würde haben? Als wenig ich nun das Gelübde soll halten, daß ich meinen Vater ins Maul schlage, oder einem andern das Seine nehmen; also wenig soll ich auch halten Keuschheit, durch Gelübde gezwungen; denn Gott hats beiderseits anders verordnet.

Desgleichen hat Gott verordnet, daß es frei sei, Fisch oder Fleisch zu essen, und soll allhie kein Gebot noch Verbot sein. Darum alle Carthäuser, alle Mönche, Nonnen und alle, so unter des Pabsts Gesetzen sind, die treten von Gottes Ordnung und von der Freiheit, die ihnen Gott gegeben hat. Aber von dieser Freiheit wissen sie nichts zu sagen, sondern stehen auf ihren Menschensatzungen und Regeln; meinen, wenn sie Fleisch essen, wären sie verdammet. Also ist es zu verstehen von allen Stücken, die Gott frei gelassen hat, da nicht ein öffentlich Gebot oder Verbot ist: darin muß sich ein jeglicher halten, daß er seinen Nächsten nicht ärgere, und er auch wider seinen Glauben und Gewissen nicht handele.

Wir müssen auch ein wenig von den Bildern sagen.

Um die Bilder ist es auch so gethan, daß sie unnöthig sind; sondern es ist frei gelassen, sie zu haben oder nicht zu haben. Wiewohl es besser wäre, wir hätten derselbigen Bilder gar keines, um des leidigen vermaledeieten Mißbrauchs und Unglaubens willen. Es hat sich etwan ein großer Streit erhoben über den Bildern, zwischen einem Kaiser und dem Pabst 1). Der Kaiser wollt, es sollt kein Bild sein; der Pabst aber sprach, sie mußten sein; und ist endlich dieser Handel mit großem Blutvergießen zergangen. Sie haben aber alle beide gefehlet, in dem, daß sie ein Müssen aus dem gemacht haben, das Gott hat frei gelassen. Lieber, laß dich nicht mehr dünken, denn die hohe göttliche Majestät. Hätte Gott wollen ein Gebot oder Verbot daraus haben, er hätts wohl können machen. Weil ers denn frei hat gelassen, warum willst du denn so kühn sein und wider Gottes Freiheit ein Gebot oder Verbot machen?

Ja, sprachen dieselbigen Bilderstürmer: Stehet doch im 2. Buch Mosi also geschrieben: Du sollst dir kein Bildniß, noch irgend ein Gleichniß machen, weder deß, das oben im Himmel, noch deß, das unten auf Erden, oder deß, das im Wasser unter der Erde ist. 2. Mos. 20, 4. Siehe da, sagen sie, das sind ja klare, helle Wort, dadurch die Bilder verboten werden! Ich weiß es wohl, lieben Freunde, daß dieß ihr Grund ist; aber sie werden uns mit diesem Text nichts anhaben. Denn wenn wir das erste Gebot und die ganze Meinung desselbigen Texts ansehen, so ist das der Verstand und die Meinung Mosis, daß wir sollen allein Einen Gott anbeten, und kein Bild; wie es auch der Text klar gibt, der hernacher balde folget, V. 5: Bete sie nicht an, und diene ihnen nicht. Darum soll man zu denselbigen Bilderstürmern sagen: Das Anbeten ist hie verboten, und nicht das Machen. Bilder mag ich wohl haben oder machen, aber anbeten soll ich sie nicht.

Und wenn sie ferner sprechen: Stehet doch hie klar ausgedruckt: Du sollst dir kein Bild machen; so sprich du: Stehet doch auch hie klar: Du sollst sie nicht anbeten. Summa, sie gehen nur damit um, daß sie uns ungewiß und wankend machen über diesem Text. Wer will aber nun in solchem Wanken so kühn sein, zufahren, und die Bilder umreißen und zerbrechen? Ich nicht. Haben doch Noah, Abraham, Jakob und andere Patriarchen dem Herrn Altar gebauet. Item, hat doch Moses eine ehrne Schlange aufgerichtet in der Wüsten, 4. Mos. 21, 9., der selbst verboten hat, kein Bilde zu machen. Ist eine Schlange nicht auch ein Bilde?`Was wollen die Bildstürmer hierzu sagen? Item, waren odch auch zween Cherubin mit Flügeln über dem Gnadenstuhl im Tempel gemacht, eben an dem Ort, da Gott allein wollt gesucht und angebetet werden, 2. Mos. 25, 8-20. Sind das nicht auch Bilder? Wie magst du denn so kühn sein, und frei schließen aus diesem Text, daß man die Bilder stürmen und umreißen solle?

Derhalben müssen wir bekennen und schließen, daß wir Bilder machen und haben mögen, aber nicht anbeten. Wo aber Bilder wären, die wir anbeten wollten, dieselben Bilder soll man zerbrechen und abethun; doch nicht mit einem Sturm und Frevel, sondern sollen der Oberkeit solchs zu thun befehlen. Also that der König Hiskias, da er die ehrne Schlange, von Mose aufgericht, zerbrach.

Wenn nun die Bilderstürmer so kühn wären, und sagen wollten: Ja, man hat die Bilder auch angebetet, darum sind wir auch verursacht, wie der König Hiskias, die Bilder umzureißen und zu brechen. Denen müßt man also antworten: Bist du der Mann, der uns beschuldigen darf, daß wir die Bilder haben angebetet? Wie kannst du in unser Herz sehen? Wie kannst du wissen, ob wir sie angebetet haben oder nicht? Ueber dieser Antwort müssen sie verstummen. Derhalben ist hie gröblich geirret, und sind allzuweit mit dem Bilderstürmen gefahren. Es gehört eine andere Weise dazu, Bilder umreißen. Man sollt es gepredigt haben, wie daß die Bilder nichts wären, und daß man Gott keinen Dienst dran thäte, wenn man Bilder aufrichtet. Wenn man ihm also gethan hätte, die Bilder würden von sich selbst vergangen und umkommen sein.

Also that Paulus zu Athen, wie ihr nächst gehört habt. Er ging in den Tempel, und besahe alle ihr Abgötter und Bilder, aber er fuhr nicht zu und zerbrach sie, oder schlug sie aufs Maul; sondern trat mitten auf den Platz, und strafet die Athener um ihren Aberglauben und um den abgöttischen Dienst; predigt also wider die Abgötterei, aber er riß kein Bild mit Gewalt hinweg. Du aber willst zufahren, und ohne alle Predigt die Altar einreißen, die Bilder abbrechen, und viel Rumors anrichten. Noch nicht! denn damitwirst du die Bilder nicht austilgen; ja, du wirst sie durch diese Weise stärker und stärker aufrichten. Wenn du gleich hie zu Wittenberg die Bilder stürmest, meinest du, sie sind überall in aller Welt umgestürmet? Noch nicht! St. Paul, wie in den Geschichten der Apostel Kap. 28, 11. stehet, fuhr einst in einem Schiff, da waren an einem Panier die Zwillign, Castor und Pollux, zween Abgötter, gemalet. Er ließ sich nichts anfechten, hieß sie nicht abreißen, fragete nichts darnach; sondern fuhr immer fort, ließ sie stehen, wie sie stunden.

Aus diesem allen sollt ihr das merken, daß kein äußerlich Ding dem Glauben schaden mag, noch irgend ein Nachtheil zufügen könne; allein darauf muß man Achtung haben, daß das Herz nicht an äußerlichen Dingen hange, noch sich darauf wage. Solchs müssen wir predigen und sagen, und das Wort (wie gehört) wirken lassen. Denn dasselbige muß zuvor die Herzen gefangen nehmen und erleuchten. Wir sind es nicht, die es thun sollen oder können; es gehöret eine andere Kraft und Macht dazu. Darum rühmen sich auch die Apostel in ihren Schriften nur des Diensts, und nicht der Folge. Dabei wollen wirs jetzt lassen bleiben, und Gott um Gnade anrufen.

Quelle: Die vier Reformatoren Luther, Melanchthon, Zwingli und Calvin

1)
Leo tertius, Iconomachus, das ist, der Bilderstürmer, war damals Kaiser, Gregorius secundus aber Pabst, Anno Christi 718. Anm. v. Walch.
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