Weil Gott der Allerhöchste, und nichts über ihn ist, so mag er nicht über sich, noch neben sich sehen, sondern siehet in sich, und unter sich. Je tiefer nun Jemand unter ihm ist, je besser er ihn siehet.

Er sitzt droben, der die Bettler mit denselbigen Augen ansiehet, da er die Könige mit ansiehet, und darf wohl so keck seyn, daß er die Könige nicht ansiehet, und siehet einen Bettler an.

Wenn Jemand wollte Gott malen und treffen, der müßte ein solch Bild treffen, das eitel Liebe wäre, als sey die göttliche Natur nichts anders, denn ein Feuerofen und Brust solcher Liebe, die Himmel und Erde erfüllet.

Gott ist ein allmächtiger Schöpfer: ich kann ihm nicht zu tief fallen, er kann mich heraus heben; ich kann ihm nicht zu hoch sitzen, er kann mich stürzen.

Gottes Natur ist, daß er aus Nichts Etwas mache, darum, wer noch nicht Nichts ist, aus dem kann Gott auch nichts machen.

Gott nimmt nicht auf, denn die Verlassenen; macht nicht gesund, denn die Kranken; macht nicht sehend, denn die blinden; macht nicht lebendig, denn die Todten; macht nicht fromm, denn die sünder; macht nicht weise, denn die Unweisen.

Gottes Werken gehet es also in der Welt: Ehe sie geschehen, so gläubet Niemand, wenn sie aber geschehen, so achtet's Niemand. Unglaube gehet vorher, Vergessen stehet nach.

Deus non est Deus passivus, sed activus. Gott ist ein Gott, der sich nicht will lehren und regieren lassen, sondern, der da will andere regieren und lehren.

Gott will sich ihm den Seiger nicht stellen lassen von Königen, Fürsten, Herren und Weisen auf Erden, er will ihn stellen; wir sollen ihm nicht sagen, was es geschlagen hat, er will es uns sagen.

Wo Gott soll Herr bleiben und sein erstes Gebot vertheidigen und erhalten, so muß er das wenigere Theil unserer Gedanken gerathen lassen.

Quelle: Sander - Der Menschenfreund